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Am dunkelsten ist es kurz vor dem Morgengrauen

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04.02.2002
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Am dunkelsten ist es kurz vor dem Morgengrauen

Am dunkelsten ist es kurz vor dem Morgengrauen

Von Gregor Runge

Sie denkt nach. Wasser prasselt auf ihre Schultern, fließt zuerst über ihren Rücken, dann über ihre Beine, an ihren Füßen hinab auf die Fliesen, wo sich die einzelnen Tropfen in einer Lache verlieren, nunmehr unbedeutend wie ein Sandkorn in der Wüste. Unaufhörlich werden sie in Richtung Abfluss gespült, ohne Entkommen, ohne Chance. Aus dem wasserdichten Radio, das an der hellblauen Seifenschale befestigt ist, die sie noch aus alten DDR-Zeiten besitzt, klingen seichte Töne an ihr Ohr. Lateinamerikanische Musik, mit einer Prise Blues, ein bis zwei Trompeten, eine spanische Gitarre, zur Untermalung einzelne Klavierakkorde, eine alte Männerstimme. Vielleicht aus Kuba. Oder Brasilien, sie will sich da nicht festlegen.
Sie steht unter der Dusche und versucht nachzudenken. Über ihre Familie. Über ihr Leben.
Über sich.
Ihr fällt auf, dass sie noch mehr Instrumente heraushört. Kastagnetten, ja, sie klingen ganz deutlich durch, zwischen dem Einsatz des Sängers und dem Klavier, und da ist noch mehr, sie glaubt, eine dieser kleinen Trommeln zu hören, die man in die Hand nimmt, ringsum mit Schellen besetzt. Wie heißt das noch, sie kann sich nicht erinnern, hat es wohl vergessen, denkt sie, ist sich aber sicher, es einmal gewusst zu haben. Tamburin? Früher hatte sie selbst gerne Instrumente gespielt, sie war eine Meisterin an der Geige, das sagte zumindest ihre Lehrerin, und in Musik hatte sie immer eine Eins, sie war so stolz, die Klassenbeste in Musik zu sein.
Noch einmal denkt sie angestrengt über die Herkunft des Liedes nach, versucht sich zu konzentrieren, noch ein wenig zuhören, dann ist sie sich vielleicht ein wenig sicherer. Doch, es müsste aus Kuba kommen, denkt sie, aber soll sie sich endgültig festlegen, noch kann sie ihre Meinung ändern, noch ein klein wenig zuhören, das Schlusssolo abwarten...
Es reißt ab. Es ist weg.
Ihre Gedankenströme versiegen, sie sackt zusammen. Einfach unterbrochen. Für die Nachrichten. Amerika bombardiert die Wüste, Schumacher gewinnt in Monaco, junge Frau tot in ihrer Wohnung aufgefunden..
Wichtig, wichtig, ja, aber unbedeutend.
Für sie ist das unbedeutend.
Das Lied ist weg. Einfach weggeschaltet, mitten im Klaviersolo. Und sie war fast soweit, dass sie sich entschieden hätte. Sie war fast soweit.
Als sie das Wasser abstellt und ihr Blick auf das Radio fällt wird sie wütend, unbändiger Hass steigt in ihr auf, sie könnte das Radio nehmen und es gegen die Wand der Duschzelle werfen, aber dann könnte es aufbrechen, sie könnte einen Schlag bekommen, Wasser und Strom vertragen sich nicht so gut, das hat sie einmal im Fernsehen gesehen. Sie könnte, ja, sie könnte... sterben.
Verwirrt verlässt sie die Duschzelle und nimmt sich ein Handtuch von dem Halter mit den zwei silbernen Armen. Es ist blau, sie weiß noch genau wann sie es gekauft hat, das war damals, bei einem ihrer spontanen Ausflüge, sie fand, es passte zu gut zu ihrer Seifenschale, sie hatte es einfach so gekauft, ohne groß darüber nachzudenken, ohne es vorher geplant zu haben, sie macht gerne solche verrückten Sachen, ja, das machte sie gerne. Später hatte sie den ganzen Tag ein schlechtes Gewissen gehabt, sich immer wieder gefragt, warum sie das getan hatte, einfach so, und sie fragte sich dann immer, ob sie verrückt war.
Das passte doch gar nicht zu ihr.
Sie hatte es einfach so getan. Ohne zu denken.
Es kam ihr noch heute vor, wie damals, aufregend, als hätte sie eine Linie überschritten, hinter die sie nie mehr zurückkehren konnte. Ein Weg, der ihr für immer versperrt sein würde.
Nachdem sie ihre schwarzen langen Haare getrocknet hat, beginnt sie, sich anzuziehen. Eine ausgewaschene Jeans, ein lila T-Shirt, einen gelben Wollpullover. Sie schaut noch einmal in den Spiegel. Sie ist zufrieden mit sich. Endlich geht es ihr gut. Es hat lange gedauert, aber sie hat gefunden, wonach sie gesucht hat. Hat sich selbst gefunden, in einer immer rotierenden Gesellschaft, in deren stürmischen Wogen sie untergegangen wäre, hätte sie nicht bis zur totalen Erschöpfung gekämpft. Es waren qualvolle Jahre gewesen, nur mit Not hat sie sich an der Oberfläche halten können. Doch es hat sich ausgezahlt, denkt sie. Sie kennt nun ihren Platz in dieser Welt, weiß, wofür sie lebt, gelebt hat. Jeder Mensch hat ein Ziel, das wusste sie, sie hat ihres nur nicht erkennen können. Sie ärgert sich, sie war so blind, so viele Jahre.
Doch jetzt weiß sie, was sie zu tun hat. Und das macht sie stolz auf sich.
Hätte sie einen Mann, dann hätte sie ihn vor Glück von morgens bis abends gevögelt. Sie wollte schon immer wissen, wie sich so etwas anfühlt. Ein prickelnder Gedanke, sie schämt sich beinahe schon dafür.
Aber das ist ihr jetzt egal. Sie sprüht förmlich vor Energie, kann es kaum noch erwarten, endlich etwas zu tun. Sie hat in den letzten Wochen Dinge getan, von denen sie sich nie hätte träumen lassen. Hat sich einen Stapel Papier gekauft und all das aufgeschrieben, was sie in den letzten Jahren geärgert hat. Sie fühlt sich so gut, fühlt sich... frei. Und sie genießt das, genießt in vollen Zügen.
Sie ertappt sich wieder beim Träumen.
Aufhören, denkt sie, es wird Zeit, etwas zu tun. Sie füttert ihre Katze, ihre liebe kleine Katze, der sie sich immer anvertrauen konnte, die immer zugehört hat, ein echter Freund, ihr einziger Freund. Kitty bewegt sich nicht, aber darüber macht sie sich keine Sorgen, scheinbar ist Kitty in letzter Zeit etwas müde, das geht schon länger so, sie beobachtet das, hat es im Griff.
Ja, sie hat jetzt alles im Griff.
Sie geht zur Garderobe, zieht sich ihre lila Daunenjacke über, zieht ihre Schuhe an, sorgfältig bindet sie die Schnürsenkel, eine Doppelschleife, sie will nicht, dass ihre Schuhe einfach so beim Gehen aufgehen.
Sie hat alles im Griff.
Sie nimmt den Schlüssel von dem Brett, dass neben ihrer Tür befestigt ist, vielleicht braucht sie ihn noch einmal. Dann öffnet sie die Tür, tritt ins Treppenhaus, in dem es wie immer nach Bier und verbrannten Backwaren riecht, eine seltsame Mischung. Sie schließt die Tür wieder sorgfältig, dreht sich um und verlässt das Haus. Schnell durch den Hinterhof, gleich kommen die Zeugen Jehovas und dann ziehen sie wieder die Vorhänge zu.
Aber das interessiert sie jetzt nicht. Zielsicher bewegt sie sich auf den S-Bahnhof zu, der direkt gegenüber liegt. Sie nimmt die erste Bahn und setzt sich auf einen freien Platz.
Sie kann ihre Entschlossenheit förmlich spüren.
Zum ersten Mal in ihrem Leben hat sie alles im Griff.

Ein rauer Wind weht ihr entgegen, als sie die Treppen zum Licht hinaufsteigt. Sie mag diese unterirdischen Bahnhöfe nicht, überall lauert Gesindel. Dealer, Bettler, die Zeugen. Das erinnert sie irgendwie immer an ihre Kindheit. Ihre Kindheit. Wie war das gleich noch? Geboren und aufgewachsen in einfachen Verhältnissen, später dann die Flucht nach Westdeutschland, eine Kindheit im Ghetto. Aber damals im Osten, ja, da weiß sie sogar noch was, erinnert sich genau an das Haus, in dem sie damals wohnten. Alt, vielleicht aus den 50ern, brauner Anstrich. Vier Etagen, eine Toilette für alle, und unten, im Parterre, die Metzgerei, einmal hatte sie sich wegen de Gestanks übergeben müssen. Sie schmunzelt, ihr fällt ein, wie sie als kleines Mädchen immer auf der Toilette saß und durch das ganze Haus nach ihrer Mutter schrie, sie solle ihr doch...
Sie bleibt stehen.
(Da war noch etwas, auf der Toilette. Da war etwas...)
In ihrer Wohnung hatten sie nur ein ganz winziges Badezimmer, deswegen badete sie immer im Wohnzimmer, in einer gelben Plastikbadewanne, die ihre Mutter jedes Mal liebevoll präparierte.
(Die Badewanne. Es war auch etwas in der Badewanne...)
Sie erinnert sich noch genau, an ihren besten Freund, er wohnte zwei Straßen weiter, eine richtige Sandkastenfreundschaft. Sie hat ihn nach der Flucht nie wieder gesehen, und manchmal hat sie es bereut, sie hat das Gefühl, dass sie nie wieder so eine offene und ehrliche Freundschaft geführt hat. Sie weiß noch so viel. Die Geburt ihres kleinen Bruders, sie saß im Auto, in dem ihre Mutter von deren Schwester zum Krankenhaus gefahren wurde. Damals war sie richtig traumatisiert, dass ihre Mutter plötzlich weg war und sie bei ihrer Tante wohnen musste.
Was hatte Er gemacht? Er war nie dabei, wenn etwas passierte. Wenn Er sie hätte trösten sollen. Er hatte immer nur sich getröstet.
Oder der Tag, an dem sich ihr kleiner Bruder mit ihrem Lieblingsspielzeug verletzte, sie hatte es genommen, und wutentbrannt aus dem Fenster geworfen. Sie erinnert sich noch an so viele Dinge, wie sie im Sommer rückwärts in das Planschbecken, das hinter dem Haus stand, gefallen war, oder wie sie ihrer Mutter in der großen Stadt einfach davonlief, und diese sie erst nach Stunden voller Sorge und Heulkrämpfen wiedergefunden hatte, und dabei wollte sie sich nur in den Springbrunnen stellen. Sie hatte so viele schöne und aufregende Dinge erlebt. Aber sie hat auch sehr schwere Zeiten durchmachen müssen. Das Jahr, in dem ihr Vater nicht da war, geflohen, einfach so, es hatte ihn damals einen Scheiß interessiert, denkt sie, was mit seiner Familie passierte. Und auch wenn er noch so viele Briefe und Päckchen geschickt hatte, sie konnte ihm das nie verzeihen. Kann es bis heute nicht. Und dennoch liebte sie ihn auf eine merkwürdige Art und Weise. Später sollte sich das ändern, aber damals...
(Da war etwas, etwas mit ihrem Vater. Wenn sie sich nur erinnern könnte.)
Das Jahr, in dem sich so vieles veränderte. In dem ihre Mutter alle zwei Wochen abgeführt und verhört wurde, dann immer völlig aufgelöst nach Hause kam. Das Jahr, in dem sie ins Krankenhaus musste, zu fremden Kindern, das Jahr, in dem sie sich verirrte, und dabei war sie nur einmal falsch abgebogen.
Und dann kam das Jahr, in dem sich alles wie mit einem Schlag veränderte.
Das Jahr der Flucht. Das Jahr des Wiedersehens.

Sie schaut sich um. Überall Menschen. Sie mag keine Menschen, leider ist sie selbst einer. Sie sollte das wirklich ändern. Mein Gott, sie hat überhaupt keinen Überblick. Dabei war sie hier schon einmal, erst letzte Woche, aber da war viel weniger los. Wenn sie gewusst hätte, dass sie es hier mit solch einem Ansturm zu tun bekommt, dann hätte sie sich einen anderen Platz ausgesucht. Sie will eigentlich nicht, dass so viele Leute Notiz von ihr nehmen. Nein, das ist ihre Sache, etwas ganz intimes, ein Moment, in dem sie mit sich allein sein möchte. Noch einmal. Aber sie kann jetzt keinen Rückzug machen, sie hat bisher alles im Griff gehabt, sie möchte dieses überlegene Gefühl nicht verlieren. Sie beginnt, sich wieder zu bewegen, erst ein wenig zaghaft, doch je mehr Schritte sie macht, desto sicherer wird sie sich ihrer Sache. Die Entschlossenheit, mit der sie an diesen Tag gegangen war, kehrt zurück. Niemand wird sie stoppen. Niemand kann sie stoppen.
Niemand.

Die ersten Jahre in Westdeutschland waren schwer. Sie hatte kaum Freunde, und die wenigen, mit denen sie sich verstand, enttäuschten sie immer wieder. Sie ging kaum vor die Tür, zu gefährlich war die Gegend, in der sie leben mussten, für ein sechsjähriges Mädchen. Jeden Abend konnte sie Schießereien in der Nachbarschaft hören, Sirenen, Lärm, wie oft hatte sie nachts wachgelegen. In der Schule lachte man sie aus, sie war die einzige Deutsche in der Klasse, zu Hause hatte sie Angst. Angst vor Ihm? Das kann sie nicht sagen, an diesen Teil erinnert sie sich nur vage, graue Schleier trüben diesen Flügel ihres Gedächtnispalastes. Sie glaubt, nie zu erfahren, warum sie sich so vor der kleinen Wohnung fürchtete. Und dabei war das eine Frage, die sie immer beantworten wollte. Vielleicht ein weiterer Grund...
Er hatte sich in diesem einen Jahr verändert, das spürte sie schon damals, sie konnte es nur noch nicht einordnen. Erst später sollte sie erkennen, was aus ihm geworden war. Es hielt sie nicht lange in den schmutzigen Straßen ihres ghettoähnlichen Viertels, sie war gerade ein halbes Jahr in der Schule, da zogen ihre Eltern mit ihr und ihrem Bruder aufs Land. Wieder ein Einschnitt, sie hat bald das Gefühl, dass das kleine Mädchen an all den abrupten Veränderungen zerbrochen ist. Woran denn, wenn nicht daran? Aber so paradox es in diesem Moment für sie klingen mag, sie hatte von da an eine glückliche, unbeschwerte Kindheit. Sie hatte alles. Freunde, Spaß, Lebensfreude. Sie erinnert sich, wie sie unbeschwert auf dem Dachboden des Hauses gespielt hatten, wie sie alle möglichen Sachen durch den Fleischwolf drehten, mit Puppen spielten. Sie war glücklich.
Ein einziges Mal in ihrem Leben schien sie verdammt glücklich.
Dann wieder ein Einschnitt. Und wie so oft, zerstörte er. An einem stinknormalen Abend, sie muss dreizehn gewesen sein, da nahm sie ihr Vater in den Arm und fing an zu weinen. Sie verstand nicht warum, und... verstand doch auf eine eigenartige Weise. In diesem Moment wusste, sie, was mit ihrem Vater los war, begriff die Veränderung, die er durchlebt hatte. An diesem Abend erzählte er, erzählte ihr alles, von den Drogen, den Frauen, welches Leid er durchgemacht hatte, wie sehr er an ihr hinge, wie sehr er ihre Mutter liebte.
Von diesem Moment an hasste sie ihn.
Hasste ihn immer mehr als alles andere. Sie konnte verdrängen, mit ihm leben, mit ihm lachen, doch es kam immer wieder an die Oberfläche, wie ein Stück Holz auf dem Wasser. Und immer wenn es wieder da war, dann konnte sie es nicht zurückhalten. Das war sicher ein Grund für ihr Zerwürfnis, dass Jahre später zum Streit führen sollte, einem Streit, bei dem sie die Linie überschritt.

Sie versucht sich zu orientieren. Sucht Anhaltspunkte, die sie sich bei ihrem letzten Besuch gesetzt hat. Es ist schwer für sie, die nie groß unterwegs war, aber es geht, und jeder weitere Schritt bringt sie ihrem Ziel näher. Wenn man sie so sieht, dann könnte man meinen, sie sei eine Touristin, mit offenem Mund wandert ihr Blick von einem Punkt zum Nächsten. Eine Touristin. Nun ja, in gewisser Weise war sie das ja auch. Aber wohin führt sie ihre Reise, ihre Suche nach dem Glück?
Sie läuft ein wenig schneller, erinnert sich, hier muss es irgendwo gewesen sein. Ihr Blick fällt auf die Hauswand mit der großen Werbeanzeige. Kraft zum Leben? Verwirrt wendet sie sich ab, keine Zeit, sie muss weitergehen. Sie dreht ihren Kopf nach links und erblickt, wonach sie gesucht hat. Endlich, jetzt ist es nicht mehr weit, ihr Ziel vor Augen, kann sie es förmlich riechen.
Die Frau mit den schwarzen Haaren verschwindet blitzschnell im Hauseingang des alten Bürogebäudes. Niemand nimmt von ihr Notiz. Nur ein Sandkorn in einer unendlichen Wüste, ohne Bedeutung, ohne Geltung. Wie ein Stück Holz, das von den Wogen des Meeres verschluckt wird.

Sie war gerade Neunzehn, als sie von zu Hause auszog. Sie konnte es einfach nicht mehr ertragen, mit ihrer Familie zusammen zu wohnen, hauptsächlich mit ihm, diesem Arsch, der ihre Mutter, die sich all die Jahre für sie aufgeopfert hatte, wie Dreck behandelte und dem seine Kinder völlig gleichgültig waren. Sie konnte es nicht länger ertagen, in diesem verfluchten Dorf wohnen zu müssen, das sich für sie mit den Jahren immer mehr zu einem Gefängnis entwickelt hatte. Sie hatte sich eine Wohnung gesucht, war wieder dorthin zurückgezogen, wo sie nach ihrer Flucht gewohnt hatten, warum fragt sie sich bis heute. Sie hatte sich gefreut, noch einmal eine Veränderung, einen Einschnitt erwartet, ihn regelrecht herbei gesehnt.
Doch es gab keinen Einschnitt mehr. So sehr sie es auch versuchte, es änderte sich nichts. Im Laufe ihrer Jugend hatte sie sich mit ihrem Vater, ihrer Umwelt auseinandergelebt. Sie hatte viele Freunde verloren, von den meisten wurde sie belächelt, von vielen gekränkt. Mein Gott, sie erinnert sich so deutlich an die Schmerzen, die sie ihr zugefügt hatten. Ihre große Liebe mit 17, abgeschleppt von ihrer besten Freundin, wieder eine Veränderung, so intensiv und brennend, dass sie lange Zeit nicht darüber reden konnte. Und das Schlimmste war, sie empfand es als ihre eigene Schuld, weil sie zu blöd gewesen war, zu still, zu naiv, zu zurückhaltend, wie immer. Sie hatte schon damals das Gefühl, zu weich für diese Welt zu sein. Freunde, die sie plötzlich verachteten, ohne dass sie Gründe erfuhr, ihre Suche nach Gründen war seit jeher völlig erfolglos verlaufen. Leute, die glaubten, zu wissen was los sei Aber wissen tat es niemand. Werke, in denen sie versuchte, ihren Schmerz aufzuarbeiten, zerrissen. Sie kann noch unendlich weiter erzählen, von Enttäuschungen, Qualen, Wut. Aber sie ist müde. Sie muss schlafen.
Sie hatte angefangen zu studieren, hatte wieder diese Hoffnung verspürt, ihr Freund aus alten Tagen. Doch Schimmer reichten nicht, um das Dickicht schier unendlicher Dunkelheit zu lichten. Sie enttäuschte sich selbst, brach das Studium ab, verzog sich in ihre eigene Welt, unfähig, zu lieben, Freude zu empfinden. Sie beschäftigte sich mit der Suche nach dem Sinn des Lebens, nur das hielt sie wach, manchmal verbrachte sie die Nächte vor ihrem Schreibtisch, schrieb nieder, was sie glaubte zu sein, versuchte herauszufinden, was sie tatsächlich war, was man ihr gönnte zu sein. Und es scheint ihr, als habe diese Arbeit, die wichtigste, einzig wirkliche ihres Lebens, Früchte getragen.
Es wird Zeit, die Ernte einzufahren.

Die junge Frau steht auf dem Dach eines alten Hauses, dass wohl seinem Ende entgegen sieht. Ihre langen schwarzen Haare flattern im Wind, ihre Augen sind geschlossen. Sie scheint die windigen Wehen, die ihr Haar in alle Richtung verstreuen, zu genießen. Sie holt tief Luft, atmet wieder aus, und reckt ihr Gesicht gen Himmel. In diesem Moment sieht sie aus wie eine Madonna, die auf ihre Erlösung wartet.

Sie geht zwei Schritte vorwärts und steht nun direkt über dem Abgrund. Unter ihr winzige Punkte, die hin und her wuseln, alle auf ihren eigenen Pfaden, die es nicht interessiert, was um sie herum passiert, am allerwenigsten, was mit ihr passiert. Nur ein Stück Welt, nicht mehr. Unter anderen Umständen wäre ihr vielleicht schwindelig geworden, sie glaubt, dass sie Höhenangst hat. Aber jetzt ist ihr das egal. Sie lehnt sich nach vorne und wartet auf den Wind. In diesem Moment weiß sie, was ihr passierte, als sie in der Wanne saß, auf der Toilette, auf dem Schoß ihres Vaters.
Sie hat sich geschämt.
Für ihre Familie.
Für ihr Leben.
Für sich.
Und mit der Erkenntnis kommt, wonach sie gesucht hat. In diesem Moment fühlt sie sich wieder so glücklich wie damals, mit sieben, als sie noch hatte, wonach sie sich immer sehnte.


Wie ein Stein fällt das kleine Mädchen, getragen vom Wind. Niemand bemerkt seine langen Haare, seine zierliche Gestalt, seine Anmut. Aber im Gegensatz zu all den anderen Menschen, die ihr in diesem Augenblick zu Füßen liegen, hat sie den Sinn des Lebens gefunden, weiß, wofür sie auf der Welt ist. Der Sinn ihres Lebens ist der Tod. War es schon immer, seit Anbeginn der Zeit. Und so stirbt sie, in der vollkommenen Erfüllung ihrer Aufgabe.
Ihres Wunsches.

[Beitrag editiert von: Basstardo84 am 10.04.2002 um 12:42]

 

Tja meine liebste, ich muss deine Kritik, so leid es mir tut, mal ein wenig hinterfragen.
Scheinbar scheinst du die Geschichte nicht ganz verstanden zu haben, vielleicht hast du sie auch nur überflogen, aber es erscheint mir etwas merkwürdig, dass du sie mit dem Attribut "schön" beschreibst. Denn ich habe ganz sicher nicht beabsichtigt, eine "schöne" GEschichte zu schreiben. Dieser Kommentar ist fast schon beleidigend für mich, meine Intention ist es, zu schockieren, den Leser aufzuwecken, aus seiner geistigen Lethargie zu reißen und ihm die Augen zu öffnen. Mit Schönheit ist so etwas in der heutigen Gesellschaft nicht mehr zu schaffen...
Auch der Kommentar des runden Abschlusses hat mich ein wenig verwirrt. Schließlich passt ein runder Abschluss doch nicht im geringsten zu solch einer Story oder?
Nun ja, genug jetzt, nicht böse sein, bin halt ein Arsch :(

[Beitrag editiert von: Basstardo84 am 09.04.2002 um 22:49]

 

Äh, also, als "schön" kann ich die Geschichte beim besten Willen nicht bezeichnen. Eher als düster, bedrückend. Und alarmierend. Ja, vor allem alarmierend! Und davon, mich vor Lachen auf dem Boden zu wälzen, war ich nie weiter entfernt als nach dem Lesen dieser Geschichte.

Lieber Autor, selbst wenn ich jetzt ans Kreuz genagelt werde: Wieviel von dir wurde auf die Protagonistin übertragen? Jaja, ich weiss, man soll Protagonist und Autor nicht durcheinander werfen, aber soll ich den Untertitel "Von..., einer gescheiterten Existenz" etwa überlesen??? Ich habe mich extra im Profil noch einmal schlau gemacht weil ich nicht sicher war, ob das etwa schon zur Geschichte gehört oder nicht. Sorry, ich habe keine Tomaten auf den Augen.

Ab wann gilt eine Existenz als gescheitert, und wer bestimmt das?

Ich kann nicht glauben, dass es im Leben der Protagonistin keinen roten Faden gegeben hat, an dem entlang sie sich aus ihrer Verfassung hätte heraushangeln können. Mit Hilfe anderer, sicherlich - aber aus eigener Kraft. Wurde dies bewußt ausgespart, oder habe ich etwas überlesen?

Die Protagonistin sucht ständig nach dem "Sinn des Lebens". Dieser Ausdruck verwirrt mich. Erwartet sie irgend etwas Spektakuläres? Denn der Sinn des Lebens ist ja schließlich das Leben selbst. Wieso kann/will sie das nicht sehen/verstehen? Auf welche "tiefschürfenden" Erkenntnisse wartet sie?

Erklärungen würden mich freuen, falls Zeit und Lust vorhanden.

Gruss
Pip

[Beitrag editiert von: Pipilasovskaya am 10.04.2002 um 10:27]

 

Zunächst:
@Pip: Danke, deine Einschätzung bezüglich düster und bedrückend "freut" mich, denn scheinbar habe ich in dieser Hinsicht erreicht, was ich wollte ;)


Hm, wie mir scheint, ist diese Geschichte wohl doch nicht so gut, wie ich immer dachte, denn scheinbar ist beim Lesen nicht zu erkennen, worauf ich als Autor abziele. Nun gut, um Missverständnisse zu vermeiden werde ich ein paar Zeilen zu obigem Werk verfassen, auch wenn ich es als Autor bedaure, meine Geschichten erklären zu müssen. Aber gut...

Zum ersten Punkt: Sicher ist eine Vermischung von Autor und Protagonist/In in keiner Geschichte auszuschließen, was speziell mich betrifft, so lasse ich immer ein Stück von mir in handelnde Personen einfließen. Allerdings ist die Story krass überzeichnet, und um an dieser Stelle mal alle zu beruhigen: Nein, ich schwelge nicht in Selbstmordgedanken.

Allerdings, und das lässt sich nicht von der Hand weisen, mache ich mir eine Menge Gedanken über das Leben an sich. Wo liegt der Sinn unseres Lebens? Wofür sind wir auf der Welt? Um enfach nur zu leben? Diese Antwort halte ich für etwas oberflächlich. Religion? Für schwachsinnig. Ich kann nicht sagen, für was wir leben, ob wir eine Aufgabe haben, oder ob der Sinn unseres Daseins tatsächlich der Tod ist. Es ist eigentlich auch nicht meine Absicht, das herauszufinden, seltsamerweise ist es dennoch in der Story zu einem vordergründigen Strang geworden. Somit bleibt diese Frage offen.

Was den Punkt mit gescheiterten Existenzen angeht:
Da der Untertitel scheinbar sehr verwirrend war habe ich ihn mittlerweile entfernt.
Ich habe diese Geschichte zu einem Zeitpunkt verfasst, an dem ich mich wirklich dreckig gefühlt habe, menschliche Beziehungen spielten dabei eine sehr große Rolle und ich befand mich in einer Situation der Leere, nicht wissend, was mit mir in Hinsicht auf sehr spezielle Beziehungen, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte, passieren würde. Sie ist auch eine Art Aufarbeitung meiner Vergangenheit, wobei ich nochmal wiederholen will, dass nicht alles auf mich übertragbar ist! Ich habe mich einfach gefragt, was ich als einzelnes Individuum in dieser größtenteils ignoranten und egoistischen Gesellschaft, in der jeder, der nicht mit dem Strom schwimmt, zu Dreck verkommt, wert bin. Menschen die nicht bereit oder auch schlichtweg nicht in der Lage sind, sich dem Mainstream anzupassen, werden von der ach so tollen Spaß- und Konsumgesellschaft gnadenlos zerstört. Das mag hart klingen, doch wer sich darüber mal ein paar Gedanken macht, wird mir zustimmen. Letztendlich werden die Randgruppen von der Gesellschaft als gescheitert angesehen, da sie nicht nach den Statuten der angepassten Mehrheit leben. Aber ist im Grunde nicht die Masse der Gescheiterte Teil dieser Welt, da sich die Masse unterwirft, und sich im Strom dieser Menschen das Individuum verliert? Nimmt man dies an, so ist nicht mehr zu sagen, wer gescheitert ist, und, um auf dich einzugehen, niemand kann sagen, ab wann eine Existenz gescheitert ist oder wer das bestimmt. Diesen Punkt hast du scheinbar, ohne es zu wissen oder sich dessen bewusst zu sein, richtig erkannt. Der Untertitel diente somit dazu, diesen Fakt als Vorraussetzung für die Geschichte darzustellen, wie ich zugebn muss, ein absolut misslungener Versuch.

Um auf den nächsten Punkt und auf die Geschichte im Detail einzugehen: Es gab einen roten Faden, doch im Laufe der Zeit hat sich dieser verloren. Die Duschszene am Anfang sollte eigentlich eine Metapher dafür sein,der Tropfen, der anfangs noch, nun ja, mag sich jetzt etwas albern anhören, ein "glückliches" Dasein führt, durchaus als einzelnes Individuum erkannt und akzeptiert wird, sich später jedoch in unbedeutenden Tiefen verliert, und erkennen muss, in der Masse unterzugehen und dass er als Einzelner keinen Wert mehr besitzt. Hier ist zu beachten, dass die Protagonistin aus der ehemaligen DDR kommt, wieder ein Rückschluss auf meine Person. Der Wechsel von einem Wertesystem in ein anderes, der Konflikt zweier grundliegend verschiedenen Gesellschaften, das ist quasi der Knackpunkt der Geschichte, der sich in der Protagonistin widerspiegelt. Sie hat diesen Wechsle nicht verkraftet, ist daran zerbrochen, dass sie nicht mithlaten konnte in der westdeutschen Gesellschaft, die ihr zu rasant verlief. Sie soll ein Symbol für all die Menschen sein, die vom Strom mitgerissen werden, ohne begreifen zu können, was passiert, da einfach alles zu schnell für sie passiert.
Die handelnde wurde von ihrer Umwelt allein gelassen, die einzige, die sich nich mit ihr umgibt, ist ihre KAtze, die allerdings schon längere Zeit tot ist (hat glaube ich auch keiner bemerkt), ein weiteres Symbol, alles, womit sich die Protagonistin identifizieren und abgeben konnte, stirbt, und sie, die immer noch in der Vergangenheit behaftet ist, bemerkt es nicht.

Es ist eine tragische Story, ohne Frage, die nichts anderes tun soll, als die Menschen, denen es gut geht zum Denken zu bewegen, zum Denken an das Schlechte dieser Welt, an die Menschen, denen es dreckig geht.

Und was den Sinn des Lebens für die Protagonistin angeht: Wenn du alles velierst, nichts mehr hast, auch keine Perspektive, weil du das, was um dich herum passiert, nicht verstehst, weil dich keiner versteht, glaubst du denn, dass du dann immer noch an das Leben und daran, dass es sich zu leben lohnt, glaubst? Das wage ich zu bezweifeln, und das Schicksal solcher Menschen ist es, dass mich zum Schreiben anregt.

Es mag sein, dass ich nur das Negative sehe, aber es ist leider viel zu schwerwiegend, um es zu übersehen.

Wenn noch Fragen offen geblieben sind, diskutiere ich gerne weiter über mein Werk, so long...

Bassi :)

 

Hallo Basstardo,

da krieg' ich wirklich eine Gänsehaut, wenn das dein Ernst ist:

Ich habe mich einfach gefragt, was ich als einzelnes Individuum in dieser größtenteils ignoranten und egoistischen Gesellschaft, in der jeder, der nicht mit dem Strom schwimmt, zu Dreck verkommt, wert bin. Menschen die nicht bereit oder auch schlichtweg nicht in der Lage sind, sich dem Mainstream anzupassen, werden von der ach so tollen Spaß- und Konsumgesellschaft gnadenlos zerstört.

Ist das jetzt Mode mit der "gnadenlosen Zerstörung", die nach meinem Geschmack in zu vielen Geschichten immer wieder auftaucht?

Dabei hast du doch das Werkzeug in der Hand, um etwas dagegen zu unternehmen: Du kannst schreiben!

Gebrauche es richtig und du wirst sehen, wie sich die Dinge zum Besseren wenden.

Servus, Georg

 

@GH:
Ich finde es schade, dass du dir scheinbar nicht wirklich die Mühe gemacht hast, die Geschichte zu lesen und dich lieber mit meinem Kommentar dazu befasst hast. Eine Kritik zur Story wäre an dieser Stelle angebracht gewesen, und diese Aktion zeugt für mich von Ignoranz und wenig Sachkenntnis, dennoch...

Zu deiner Kritik:
Mir ist nichts davon bekannt, dass Gesellschaftskritik zur Mode gehört, wenn diese Situation jemals eintreten sollte, dann sollte man sich fragen, was man hier noch zu suchen hat oder?
Ich habe jedoch nicht den Eindruck, dass es in letzter Zeit viele Geschichten gibt, die dieses Thema behandeln. Aber ich weiß ja nicht, was du bevorzugt liest, und selbst wenn es so wäre, dann ist das nur schade, denn es rückt die ernsthaft über dieses Thema Nachdenkenden in ein schlechtes Licht rücken und solche Ignoranten, als der du dich hier in meinen Augen präsentiert hast, in ihrer Meinung bestärken.

Dennoch, danke für das Lob bezüglich meines Talentes, ich werds mir merken.

So long...
Bassi

 

@GH:
Ich finde es schade, dass du dir scheinbar nicht wirklich die Mühe gemacht hast, die Geschichte zu lesen und dich lieber mit meinem Kommentar dazu befasst hast. Eine Kritik zur Story wäre an dieser Stelle angebrachter gewesen, und diese Aktion zeugt für mich von Ignoranz und wenig Sachkenntnis, dennoch...

Zu deiner Kritik:
Mir ist nichts davon bekannt, dass Gesellschaftskritik zur Mode gehört, wenn diese Situation jemals eintreten sollte, dann sollte man sich fragen, was man hier noch zu suchen hat oder?
Ich habe jedoch nicht den Eindruck, dass es in letzter Zeit viele Geschichten gibt, die dieses Thema behandeln. Aber ich weiß ja nicht, was du bevorzugt liest, und selbst wenn es so wäre, dann ist das nur schade, denn es rückt die ernsthaft über dieses Thema Nachdenkenden in ein schlechtes Licht und bestärken solche Ignoranten, als der du dich hier in meinen Augen präsentiert hast, leider in ihrer Meinung .

Dennoch, danke für das Lob bezüglich meines Talentes, ich werds mir merken.

So long...
Bassi

[Beitrag editiert von: Basstardo84 am 10.04.2002 um 22:47]

 

Hallo Bassi,

danke für deine Erklärung. Jetzt kann ich den ganzen Hintergrund besser verstehen, wenn auch nicht nachvollziehen, denn einen "Kulturschock" wie die Protagonistin und du habe ich noch nie über mich ergehen lassen müssen. War das Leben denn in der ehemaligen DDR so viel ruhiger und beschaulicher als nach der Wende? Ich habe mir immer vorgestellt, dass ein enormer Druck auf den Menschen gelastet haben muss, da sie nicht einmal die Möglichkeit hatten, sich mit anderen über das, was sie vielleicht wirklich denken, auszutauschen.

Deine Frage nach dem Sinn des Lebens kann dir, denke ich, keiner beantworten. Da das Leben eines jeden einen anderen Sinn oder meinetwegen auch "Mission" hat, gibt es keine allgemeingültige Antwort. Doch neben der Religion bieten auch die Philosophie oder spirituelle Denkrichtungen gute Ansatzpunkte, von denen aus man sich unter Berücksichtigung der eigenen Persönlichkeit eine Vorstellung über die Richtung machen kann, in die es weitergeht.

Bezogen auf deine Protagonistin würde ich daher sagen: Leben ist auch als Lernen zu betrachten. Das Leben ist etwas, das sich ständig entwickelt, Stillstand bedeutet Stagnation und damit Tod. Wer sich nie Veränderungen und den damit verbundenen Herausforderungen stellt, der kann auch nicht wachsen, kann keine neuen Fähigkeiten und Stärken an sich entdecken. So gesehen hätte deine Protagonistin versagt, weil sie sich dem Lernprozess entzieht und vorzeitig durch Lebensend abbricht.

Ich persönlich halte ein Überleben des Bewusstseins nach dem Körpertod für nicht unwahrscheinlich. Darin sehe ich den Grund, warum man überhaupt etwas lernen sollte, bevor man stirbt. Doch selbst wenn es nach dem Tod gar nichts mehr gäbe: Fragt eine Biene, eine Blume, ein Baum nach dem Sinn des Lebens? Es ist ein wenig arrogant vom Menschen, sich stets als Maß aller Dinge zu sehen und zu glauben, es müsse für ihn eine Ausnahme gemacht werden. Fluch des Bewußtseins. Vielleicht ist unser Schicksal wirklich das eines Baumes: Geboren werden, wachsen, das Beste daraus machen und dann sterben, um für das Neue Platz zu schaffen. Nur so ist Evolution möglich. Warum sollte das, was für alle Lebewesen gut genug ist, für uns zuwenig sein?

"Das beste daraus machen", dass heißt Leben. Das wir alle unsere Masken tragen müssen, um "draußen" zu bestehen, ist klar. Mit der Welt, wie sie ist, müssen wir klarkommen - es gibt keine andere. Doch man muss sich von ihr nicht "fressen" lassen. Wem die Spaß- und Konsumgesellschaft auf die Eier geht, der hat immer noch die Möglichkeit, sich das für ihn Beste herauszufiltern, und sich seinen eigenen Bereich und seine Innenwelt trotzdem ganz, ganz gegenteilig zu gestalten. Gottseidank gibt es den total uniformen Einheitsmenschen immer noch nicht.

Die Voraussetzung für das Sterben ist, dass man zuvor am Leben war, gelebt hat. Und das ist bei deiner Protagonistin nur in ganz, ganz wenigen Augenblicken der Fall gewesen.

Deshalb bleibe ich trotz besserem Verständnis bei meiner Diagnose: Bedrückend, düster. Aber gut geschrieben.

 

@Bassi:

Ignorant und Ignoranten scheinen ja deine Lieblingsworte zu sein. Da die Gesellschaft deiner Meinung nach überwiegend aus dieser Spezies besteht, ergehst du dich in Klagen, Selbstmitleid und Passivität - du willst ja geradezu ihr Opfer werden.

Wenn du Kommentare zu deiner Geschichte abgibst, dann musst du es dir schon gefallen lassen, dass jemand, der nicht deiner Meinung ist, darauf eingeht. Darin besteht nun mal das Wesen der Kritik, der du dich hier stellst.

Du fragst, was ich lese: kg.de Du auch?

Auch auf die Gefahr, wieder als reaktionärer Ignorant zu gelten: Deine Fähigkeit zu schreiben und kontroverse Diskussionen auszulösen, die immer den Anfang jedweder wesentlicher Veränderungen bilden, bleibt ein stumpfes Werkzeug, so lange so einfühlsame und scharfsichtige Kritiker wie Pipilasovskaja zur Diagnose "bedrückend, düster" kommen.

Lass' doch mal Dampf ab, indem du dich nicht aufs Klagen, Beschimpfen und Jammern kaprizierst, sondern denen, die du für diese Zustände verantwortlich machst, gehörig die Leviten liest und dann erst einen Schuss Düsternis dazu gibst, um sie zum Nachdenken, zur Umkehr, zur Veränderung wie du sie meinst, anzuregen. Oder zeichne zumindest ein Bild der Gesellschaft, die lebenswerter ist als jene, die du so vehement geißelst. Mit jedem konstruktiven Beitrag in der von dir gewünschten Richtung wächst deine Berechtigung zur Kritik an den herrschenden Zuständen.

Oder sollte dein passives Beharrungsvermögen in der von dir beklagten Gesellschaft noch größer sein als meine Ignoranz?

Servus, Georg

 

Hm, da bin ich wohl schon wieder falsch verstanden worden...

Also, GH:
Zunächst will ich mal klarstellen, dass ich mir sehr wohl bewusst bin, mich hier sowohl positiver als auch negativer Kritik zu stellen, sonst würde ich kaum Geschichten veröffentlichen oder? Ich habe beileide kein Problem mit Leuten, die generell nicht meiner Meinung sind, geschweige denn mit negativer Kritik. Aber nur, solange sich diese auf die Story an sich und nicht, wie in deinem Fall, auf die Beweggründe des Autors bezieht.

Um das hier mal deutlich zu sagen:
Ich finde, die Intention eines Autors ist seine Sache und ich finde es nicht angebracht, ihn aufgrund dieser zu kritisieren. Es zählt doch, was der Leser am Ende vor Augen hat oder?

Deine Vorschläge bezüglich des Dampf ablassens, etc. habe ich vernommen, aber das liegt eigentlich gar nicht in meiner Absicht. Vielmehr möchte ich beschreiben, versuchen, einzelne Existenzen zu zeichnen, und immer hebe ich dabei die Tragik heraus. Es ist mein Ziel, bedrückende, düstere Geschichten zu schreiben, ich möchte keine gesellschaftlichen Veränderungen erzielen, indem ich politische Texte verfasse, mir geht es um den Mensch, nicht um das System. Und vielleicht habe ich mich falsch ausgedrückt, ich rebelliere in meinen Stories nicht gegen die Gesellschaft, ich versuche meinen Lesern nur klarzumachen, dass es auch Schicksale gibt. Das bezieht sich aber allgemein auf die Irrwege der menschlichen Gefühlswelt, nicht immer verbirgt sich dahinter eine Systemkritik. Vielleicht kam das undeutlich rüber.
Und ich ergehe sicher nicht in

Klagen, Selbstmitleid und Passivität

ich bin mit meinem Leben eigentlich recht zufrieden und sehe keinen Anlass dazu.

Soviel dazu, über weiteres Feedback würde ich mich natürlich freuen.

@Pip:
Über die Massivität des "Kulturschocks" brauchen wir, denke ich, nicht zu diskutieren, das hat jeder sicherlich anders empfunden. Lassen wir es einfach mal dahingestellt, das die Protagonistin damit nicht zurecht gekommen ist.

Sinn und Unsinn unseres Lebens: Ebenfalls eine Frage, über die es sich kaum zu diskutieren lohnt, zu sehr gehen auch hier die Meinungen auseinander. Nur so viel: jeder muss unabhängig, für sich, erkennen und feststellen, wofür er lebt. Und wenn es nichts gibt wofür es sich zu leben lohnt? Schließlich müssen Selbstmörder doch ihre Gründe haben oder?

Und, um das mal als Schlusswort für diesen Kommentar gelten zu lassen: bedrückend und düster wollte ich schreiben, und ich freue mich, dieses Ziel erreicht zu haben.

So long...
Bassi

 

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