Am Anfang ist Berührung
von Ute-Maria Graupner
Der glitschige Frosch lebte in einem Wasserloch und quakte nach einer Fröschin. Das Spiegelbild im Wasser verriet ihm, dass sein linkes Auge traurig in die Welt blickte, und die grüne Farbe nicht gleichmäßig auf seiner Haut verteilt war. Die unappetitlichen, kleinen Buckel, die sich über seinen Rücken verteilten, wiesen darauf hin, dass man vergessen hatte ihn zu berühren. Er sah aus wie ein getarnter Späher vom Militär. Er quakte und quakte und wusste doch, dass er hässlich war, und sein Ruf nach einer Fröschin vergebens sein würde. Jedes Quaken verursachte einen Stich in seinem Herzen, und die Sehnsucht einmal nur berührt zu werden, wurde größer und größer. Eines Tages kam ein lebendiges Wesen an sein Wasserloch. Aber es war keine Fröschin, sondern eine Prinzessin. Seine Sehnsucht riet ihm, das ist die letzte Chance berührt zu werden. Und so griff er in seiner Not nach einer List. Er brachte die Prinzessin dazu, trotz ihrer Abscheu vor ihm, ihn mit den Lippen zu berühren. Das nannte man Kuss, das wusste der Späher-Frosch. Sein kleines Herz begann wild zu schlagen, als sich dieses schöne Mädchen zu ihm hinunter beugte. Er schloss seine Augen und hielt ganz still. Nichts sollte ihm von der Berührung mit den Lippen entgehen. Es war wunderbar. In ihm wurde es warm und weich und zuversichtlich. Er öffnete seine Augen, und sein Blick fiel auf schön geformte Männerbeine. Alles, was er an sich betrachtete, war anders. Er hatte die Gestalt eines selbstbewussten, stattlichen Prinzen angenommen, und eine Prinzessin stand vor ihm und lächelte ihm zu.