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Am Abgrund

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24.01.2018
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Am Abgrund

AM ABGRUND

Er wusste, er hatte keine Chance. Das sollte es nun also gewesen sein. Die letzte Kraft steckte in den Fingerkuppen, die fest an den Fels gepresst waren. Seinen Rücken spürte er nicht mehr – genauso wenig wie seine Füße, die bewegungslos unter ihm auf dem kleinen Vorsprung klebten. Wie konnte es nur soweit kommen? Was hatte er falsch gemacht?

Ein Steinadler zog gemächlich seine Kreise immer enger und kam dabei näher. Tat er das tatsächlich? Mit den Augen die Flugbahn des majestätischen Raubvogels zu verfolgen konnte ihn aus dem Gleichgewicht bringen und das letzte bisschen Hoffnung mit in die Tiefe reißen.
Die Wolken fixieren! Nein, auch deren sachte Bewegung verursachte viel zu viel Unruhe. Wie sehr er sich danach sehnte, seine Augen einfach zu schließen. Er hatte sich selbst in diese ausweglose Lage gebracht; jetzt kam die Abrechnung.
Niemand, an den er die Schuld hätte verteilen können. Kein Seil, das ihm zur Rettung hingeworfen würde.
Nur er, der Fels und der Abgrund.

Übelkeit stieg in seinem Magen auf und die Angst, sich in diesem Moment übergeben zu müssen, lähmte seine Zunge.
Jetzt doch die Augen schließen – nur ganz kurz - atmen, konzentrieren.


„Ey, Alter. Wat is? Schiss? Du siehst ja aus wie der Arsch meiner Omma!“

„Du kennst den Hintern deiner Omma?“

Frederic presste die Worte durch fast geschlossene Lippen und griff beherzt nach dem Arm seines Freundes.
Was fanden die Menschen bloß so toll an dem Blick über die Stadt, dachte er und schielte zum Aufzug, der ihn von der Aussichtsplattform des Fernsehturms wieder nach unten befördern würde.

 

Hi DieSteffi !

Das ist jetzt der zweite sehr kurze Text den ich von dir lese, der andere war der über das Kuhkuscheln. Eigentlich wollte ich dir in dem schon antworten, aber jetzt mache ich es halt hier.

Ich bin mir bei beiden Texten irgendwie nicht sicher, was genau ich dazu sagen soll. Der über die Kuh, da hast du selbst gesagt, dass das eigentlich keine Geschichte ist. Dieser hier ist maximal eine Szene und beide enden gewollt "seltsam" wie die Rubrik schon sagt. Prinzipiell ist das ja gar kein Thema und eigentlich finde ich die Texte schriftstellerisch auch nicht schlecht. Ich meine mich allerdings an folgende Worte aus einer Antwort von deinem anderen Text zu erinnern:

Wenn ich mir meine kurzen Geschichten so ansehe merke ich, dass ich mich winde, sträube oder was auch immer - mich auf einen Charakter einzulassen. Und darauf, eine komplexe Geschichte aufzubauen. Das ist sicher auch der Grund, warum ich mein Liebesroman-Projekt immer wieder in die Schublade schiebe.

Hmm. Das bringt mich jetzt dann doch zum stutzen ... Denn klar, jeder ist hier um zu helfen oder um Hilfe in anspruch zu nehmen. Aber wie helfe ich dir in dem Fall? In dem ich dir eine Kritik zu deinen beiden Texten schreibe, wo du die Geschichten beide nicht so wirklich ernst zu nehmen scheinst?
Das wäre verschwendete Zeit - für dich und für mich. Ich hab keine Ahnung warum du dich so sehr sträubst, "dich auf einen Charakter einzulassen" bzw. dein Buchprojekt weiter zu führen, aber ich glaube nicht, dass dich das hier voran bringt ...
Etwas gutes zu schreiben ist knallharte Arbeit und erfordert viel Geduld und Kraft. Wenn du das wirklich willst (also ein Buch schreiben) freunde dich lieber schnell damit an, sonst wirst du nicht sehr glücklich werden.
Selbst eine sehr gute Kurzgeschichte erfordert für mich mehrwöchige Arbeit und auch hierbei arbeite ich einen Plot aus und erstelle Hintergründe zum Hauptcharakter etc. Einfach, weil ich gelernt habe, dass ich sonst Scheißdreck produziere der nur halbherzig ist und nicht dem entspricht, was ich tatsächlich leisten kann.

Vielleicht wäre es für dich und deine Entwicklung besser herauszufinden, warum du dich nicht auf dein eigentliches Projekt einlassen kannst? Oder warum du dich nicht auf einen Charakter einlassen kannst? Oder warum du nicht darauf einlassen kannst eine komplexe Geschichte aufzubauen?

In dem Fall möchte ich auf die Kritik zu dem Text oben einfach verzichten. Und wenn du konkrete Fragen hast, warum du das alles nicht kannst oder Hilfe zu deinen "eigentlichen Problemen" brauchst, dann können wir uns erneut unterhalten.

Bitte versteh mich nicht falsch, dass ist lediglich meine Meinung.

So long,

Cowboy

 
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Hallo Cowboy,
vielen Dank für die offenen Worte und Deine Einschätzung. Ich hatte die 3 eingestellten Stories schon ein Weilchen liegen und habe nicht mehr viel reflektiert. Ich glaube, der erste wichtige Schritt ist für mich in diesem Moment, überhaupt den Mut zu haben, rauszugehen und mich einer öffentlichen Meinung zu stellen. Du hast Recht in allen Punkten - bis auf den, dass mich das hier nicht weiterbringen wird. Allein Eure Geschichten und die jeweiligen Kommentare zu lesen, hilft ! Vielleicht sind es die Figuren, die in meinem Kopf festsitzen und mich hindern und einschränken- deshalb muss ich ihn mal schütteln und frei pusten. Danke für das Hilfsangebot !
Herzliche Grüße
Steffi

Hallo felixreiner,
vielen Dank :-) Die fixe Idee, dass „weniger“ in jedem Fall „mehr“ sei, ließ mich so knapp werden. Deine Anregung gefällt mir.
Liebe Grüße
Steffi

 

Hallo DieSteffi,
die ersten Sätze dieser Flash-Geschichte erinnern gleich an den klassischen Cliffhanger in "A Pair of Blue Eyes" von Thomas Hardy. Der Adler ist ein gelungenes Ablenkungsmanöver, so dass der Schluss überraschend kommt. [[/Flash-Kommentar-Ende]]
Viele Grüße
Fugu

 

Hallo Fugu,
vielen Dank fürs Lesen und Dein Feedback. Ich muss gestehen, der Hardy-Klassiker ist bislang an mir vorbei und jetzt auf meinen Einkaufszettel gewandert.
Herzliche Grüße
Steffi

 
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Liebe DieSteffi,

du spielst in deiner Geschichte mit der Figur des unzuverlässigen Erzählers. Der beschreibt die Szene am Anfang so, als hinge Frederic an einem Felsvorsprung im Gebirge und könne sich kaum noch halten.

Die letzte Kraft steckte in den Fingerkuppen, die fest an den Fels gepresst waren.
Ein Steinadler zog gemächlich seine Kreise immer enger und kam dabei näher.

Am Ende stellt sich dann heraus, dass Frederic sich auf (oder an) einer Aussichtssplattform eines Fernsehturms befindet. Mit Angaben wie dieser:

Nur er, der Fels und der Abgrund.

führst du mich als Leser bewusst in die Irre. Denn ein Fels oder ein Felsvorsprung werden sich wohl nur schwer auf oder an einem Fernsehturm finden. Alles spielt sich also nur in der Phantasie Frederics ab. Das kann man natürlich machen und in Geschichten, in denen ich es mit einem unzuverlässigen Erzähler zu tun habe, wird das auch oft so gemacht. Was mir an deinem Text nicht so recht gefällt, das ist, dass ich als Leser keine Möglichkeit habe, selber zu erahnen, dass das mir Vorgeführte ein Phantasie-Produkt Frederics ist. Die beiden skizzierten Szenen stehen für mich als gleichrangige Realität nebeneinander: Frederic, der an einem Felsvorsprung hängt, Frederic, der sich auf einem Fernsehturm befindet. Du hast es dir als Autor für mein Empfinden ein bisschen zu leicht gemacht. Denn deine Auflösung bleibt vage und entlässt mich ziemlich unbefriedigt. Ich habe das Gefühl, dass der Autor mich bewusst in die Irre geführt hat, sich am Ende aber doch zwischen Phantasie und Realität nicht richtig entscheiden kann:

„Ey, Alter. Wat is? Schiss? Du siehst ja aus wie der Arsch meiner Omma!“

„Du kennst den Hintern deiner Omma?“

Frederic presste die Worte durch fast geschlossene Lippen und griff beherzt nach dem Arm seines Freundes.


Mit der letzten Äußerung verliert der vorhergehende Witz seine auflösende Wirkung, denn sie katapultiert mich als Leser wieder zurück in die Bergsteiger-Phantasie. Hier fehlt mir eine klare Trennung. Beides zusammen funktioniert für mein Gefühl nicht: der alles auflösende Witz und die erneute Darstellung der Phantasie als Realität.
Den Schluss würde ich deshalb noch einmal überdenken und ein wenig ausführlicher und klarer gestalten. Ansonsten finde ich, dass du hier eine gute Idee umgesetzt hast.
Liebe Grüße
barnhelm

 
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Hallo Barnhelm,
vielen Dank für Dein Feedback.
Dein Einwand ist absolut bedenkenswert und leuchtet mir ein. Der Begriff "unzuverlässiger Erzähler" ist mir ganz neu und vermittelt mir spontan die Befürchtung, der Leser könne mich nicht ernst nehmen. Vielleicht gehe ich zu sehr von mir selbst aus - diese überraschenden Auflösungen finde ich in Geschichten amüsant. Aber Du hast Recht, was die Trennung der Ebenen angeht.
Liebe Grüße
Steffi


Hallo felixreiner,
vielen Dank :-) Die fixe Idee, dass „weniger“ in jedem Fall „mehr“ sei, ließ mich so knapp werden. Deine Anregung gefällt mir.
Liebe Grüße
Steffi

 

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