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Altes (neues) Glück

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14.05.2008
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Altes (neues) Glück

Ein Tag wie jeder andere brach an, als Anton Unterschlegel sich aufmachte, die Straße des örtlichen Waldes zu bewandern, die sich wie eine Schlange durch die Bäume wand. Und während er nun den langen Weg nach Krampfrück antrat, so erhob sich die Sonne aus ihrem Tiefschlaf, kroch über den Horizont, schickte kunstvolle Wolken voraus und tränkte die nebelbehangene Welt in ihrem rötlichen Schein. Nicht nur die Vögel, die sich um die besten Plätze auf den kahlen Ästen stritten, begrüßten den neuen Tag mit fröhlichen Melodien, nein, auch die Kamine des Dorfes erwachten und ließen dunkle Rauchsäulen emporsteigen, die Anton über den Wipfeln hängen sah. Er selbst versuchte, auf die Lieder seiner gefederten Freunde einzustimmen, scheiterte aber an seiner trockenen Kehle. Einige wenige Automobile, deren taubehangene, bunte Karosserien wie Edelsteine glänzten, kamen ihm entgegen oder überholten ihn. Ihre Besitzer mussten sich fragen, wieso der alte Mann so früh am Tage die steilen Serpentinen nach Krampfrück erklomm; vielleicht aber schmunzelten sie auch über seine Erscheinung, über die Anton nie besonders lange grübelte, wenn er ausging.

Man kannte ihn als den alten Kauz im feinen grauen Anzug, in der Linken wie jeden Tag die beiden obligatorischen bunten Supermarkttüten, in denen all das ruhte, was der Mensch zum Leben brauchte. Zum einen fand man eine Flasche Sprudel, etwas hartes Brot, die an Unbedenklichkeit kaum zu übertreffen waren, hinzu gesellten sich Lebkuchen mit allerlei Nussstücken, etwas Waschpulver, ein altes Buch, dessen Einband jedoch so verbleicht war, dass man den Schöpfer nicht mehr kannte, ein blasses Stück Ahornholz, und eine vergilbte Eintrittskarte, deren Aufschrift man nur schwerlich entziffern konnte. Unterzog sie man einer genaueren Untersuchung, so las man deutlich, dass sie aus einem Stuttgarter Lichtspielhaus stammte und dem alten Herrn einst den Genuss von Zuckmayers »Schinderhannes« ermöglicht hatte. Wieso er sie noch immer mit all den anderen kuriosen Gegenständen bei sich trug, das erklärte Anton nur zu gerne den fragenden Kindern, die sich um ihn scharten, wenn er sich auf einer der Holzbänke der örtlichen Schule niederließ. Aber nicht nur Kinder wollten von dem alten Herrn lernen, auch die Bürger Krampfrücks im besten Alter lauschten gebannt, wenn er von seinem Leben berichtete und dabei unwissentlich die ein oder andere Weisheit beifügte. Dabei war es nicht immer so gewesen, dass Anton so freizügig mit sich selbst und seiner langen Geschichte umging und Tag für Tag unter die Menschen ging.

Von dieser Epoche seines langen Lebens erzählte er nur selten, und nur die Wenigsten fragten nach den Zeiten und Gründen, in denen Anton das Ausgehen, die Ordnung und den Menschen an sich verschmäht hatte. Taten sie es wider Erwarten doch, so verengten sich die faltigen Augenlider zu dünnen Furchen, während sich Mund und Wangen zu einer faltigen Grimasse verzogen. Nur ein gewisser Guillaume Moreau, seines Zeichens Franzose und wissbegieriger Student der Komparatistik, großer Bewunderer der deutschen Kultur wie Literatur, der dem Deutschen nur stockend mächtig war und der in Antons faltigem Gesicht den Männlichsten aller Männer und in dessen Wesen den kleinbürgerlichsten Peeperkorn sah, hatte es nach Antons wortloser Reaktion gewagt, weiter zu bohren. Da aber Anton schon immer die Franzosen und ihren bizarren Stolz bewunderte, beschloss er, dem Schüler von sich zu erzählen.

Als an jenem Tag bereits die Sonne unterzugehen drohte, die Bürger mit Frau und Kind in ihren warmen Stuben saßen, hatte Anton dem quirligen Franzosen sein Leben unterbreitet. Beide zogen sie sich in das alte Wirtshaus »Zur Rose« zurück, wo der alte Mann mit den letzten Groschen ein Glas Wein beorderte und dem Jungen den eigenen warmen Sprudel einschenkte. Erst nach dreien großen Schlucken Wein war er bereit; die großen Augen des Zuhörers wichen nicht von seinem schmatzenden Mund. Während er das blutrote Gesöff nachdenklich in seinem Mund hin und her schaukelte, dabei kritisch auf den letzten Rest im Glase schaute, schenkte er dem Zuhörer aus seiner Flasche Sprudel ein. Schließlich begann er zu erzählen, was sein Publikum zu hören wünschte.

Wie in jeder großen Geschichte hatte auch Anton Unterschlegel das Leben als unreifer Jüngling begonnen, der zur Schule ging, Freunde um sich scharte, sich aber weder für Sinn noch Buch interessierte, dem jedoch eines Tages sein alter Herr – den Namen erwähnte er nicht –, schon im zarten Alter von elf Jahren ein Stück von Hauptmann vorgetragen hatte. Der Botschaft des Autors in seinem jungen Alter nicht gewachsen, hatten ihn dessen Worte über die Liederlichkeit der Menschen in tiefes Grübeln gestoßen, woraufhin er Buchhandlungen und Bibliotheken nach Werken des Naturalisten durchwühlte. Statt mit Freunden auszugehen oder sinnfreie Dinge zu unternehmen, las er sämtliche Dramen und Novellen, schrieb seine Gedanken dazu nieder, verlor schließlich auch den letzten Freund, und weigerte sich schlussendlich, aus Schutz und Abneigung vor dem Bürger, die Schule zu besuchen. Damals war er in seinem siebzehnten Lebensjahr, sein Vater hatte sämtlichen Kontakt mit ihm eingestellt und gedroht, ihn auf die Straße zu setzen. Seine Mutter, die Gütige, hatte aber stets Schlimmeres verhindert und in ihrem kleinen Anton ein aufstrebendes Genie gesehen, das man fördern, dessen Intelligenz man füttern müsse.

Sie hatte nicht ganz Unrecht, gestand Anton. Jene angepriesene Intelligenz war aber seiner eigenen paranoiden Welt gewichen, die den Menschen – so hässlich, schwach und verdorben er ihn in seinen Gedanken hatte – als höchstes Feindbild der tadellosen Natur sah, dessen Kontakt man gänzlich vermeiden müsse. Dabei hatte es sich um die erste schwere Krise gehandelt, die er in vollständiger Isolation vor dem Menschen verbrachte, und sich nur an wenigen Morgen in den großen Garten seines Vaters hinauswagte, um die Sonnenaufgänge hinter den grünen Hügeln zu bestaunen. Diese wundervollen, makellosen Schauspiele hatten ihn in seinem Vorhaben bekräftigt, den Menschen zu meiden.

Eines Tages jedoch, als er dem Freitod so nah gewesen war wie nie zuvor, war er an einem seiner morgendlichen Ausgänge im verdunkelten Wohnzimmer über ein dünnes, äußerst altes Buch gestolpert. Ohne nachzudenken hob er es auf, als im selben Moment sein alter Herr bereits sturzbetrunken ins Zimmer stieß, ihn verprügelte und mit dem Buche zu früher Stunde aus dem Haus warf. Erleichtert schritt er in den Park – ohne, dass ihn jemand sah –, ließ sich auf einer der Parkbänke nieder und begann das Buch zu lesen. Es handelte sich um Kellers Stück über einen Schneider, dem trotz aufgeflogener Hochstapelei noch wahre Liebe zuteil wurde. Während sich der vierundzwanzigjährige Anton den letzten Sätzen des Werks näherte, blendete ihn die frühe Morgensonne, die mit wundervollem Schein durch die kahlen Baumkronen hindurch brach. Als sich die Geschichte Kellers über jene unerschöpfliche Liebe mit den warmen Strahlen der Sonne verband, sah Anton die wahre Schönheit der Welt, erkannte, dass der Mensch unter dieser Sonne nur zu Gutem fähig war, verbannte alle Furcht aus seinem Kopfe und spürte die warme Umarmung der Lebensfreude. Befreit von Angst und Vater beschloss er, die Heimat zu verlassen und eine Lehre als Konditor zu beginnen.

Im selben Moment holte der alte Mann dasselbe verbleichte Buch hervor und legte es neben dem Weinglas auf den dunklen Tisch. Als Erinnerung an das Erwachen aus seiner absurden Phantasie, trage er das Buch immer bei sich. Leider, so fügte er an, könne er den Moment des Sonnenaufgangs nicht in seine Tüten aufnehmen.

Die Zeit als Bäcker hatte ganze sieben Jahre gewährt, in denen er davon lebte, auszugehen, unter Menschen zu gehen und die Natur zu genießen, die ihm den wahren Sinn des Seins offenbarten. Ausgelöst durch den plötzlichen Tod seines besten Freundes Willy, der von einem Büttel geknüppelt worden war, fiel Anton zurück in dieselbe verfälschte Sicht der Dinge, die ihn einst in die Isolation getrieben hatte. Wem nichts widerfahre, so ließ er Guillaume wissen, den ereile kein Unglück, welch fehlerhafte Sicht der Welt.

Einige Wochen nach Willys Tod hatte es an der Tür geschellt, widerwillig hatte er geöffnet, zwei seiner besten Kameraden empfangen, die ihn darum baten, mit ihnen ins Lichtspielhaus auszugehen. Zögernd folgte er, fluchte lauthals, als man durch die eng bevölkerten Straßen der Stadt marschierte, und löste die Karte für den »Schinderhannes«. Dieser trat wenige Augenblicke später auf die Leinwand und offenbarte ihm Zuckmayers fabelhafte Vision des völlig freien, unabhängigen Menschen, der sich zwischen Wildnis und Recht befinde. Nun wissend, dass man der Liederlichkeit des Menschen nur durch ein besonders geschicktes Manöver entfliehen konnte, verließ er das Kino als neuer Mensch. Stolz legte er die vergilbte Eintrittskarte neben das Buch und betonte, dass allein sie ihn vor dem Freitod bewahrt hatte.

Am Tag des »Schinderhannes« zog sich Anton in den Wald zurück, wo er bis zum heutigen Tage lebe. In der langen Zeit sammelte er etwas Waschpulver, ernährte sich von selbst gebackenem Lebkuchen und gefundenem Brot, wusch den grauen Anzug fast täglich und ging des Öfteren nach Krampfrück aus, um nicht zu verpassen, was ihn zwischen Mensch und Wald erwartete, und um für sich zu rauben, was dem Menschen widerfuhr.

Nachdem der Wirt ihm ein weiteres Glas Wein einschenkte – auf Kosten des Hauses, da die Geschichte nun tatsächlich mehrere Leute zu Tisch gelockt hatte –, hob Anton die Hand und warnte sein französisches Publikum, Guillaume, vor dem zu tiefen Grübeln, das ihm nur Kummer und Fragen beschere, deutete auf das Ausgehen unter die Menschen hin, das die Fähigkeit besitze – und da sei es einzigartig auf dieser Welt –, uns an die wahrhaft wichtigen Dinge des Lebens zu erinnern: die Gesellschaft von Mensch und Welt, die uns doch für all die Liederlichkeit entschädige, die uns auf Blatt und Schirm begegneten. Auch sei es die Geselligkeit – und nicht das Vitamin –, die uns ein langes Leben schenke; geteilte Freud sei längste Freud.

Auf Guillaumes Frage, wofür der seltsame Holzklotz stehe, den er da in seiner Tüte trug, konnte er dem jungen Franzosen nicht antworten; so genau habe er ihn noch nicht betrachtet. Daraufhin verließ er das Wirtshaus, verabschiedete sich lächelnd vom erstaunten Franzosen, schrie entzückt auf, als er die unzähligen Sternenmuster am klaren Nachthimmel sah, und kehrte über die Straße in den Wald zurück.

 
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Hallo nicrok,

willkommen bei Kurzgeschichten.de. Eine recht interessante Geschichte, die du uns hier präsentierst, die natürlich von der faszinierenden Persönlichkeit des Anton Unterschlegel lebt.

Anton als weltanschauliches Chamäleon, dessen Datenausgabe so sehr von der Dateneingabe abhängt, dass seinem Bewusstsein nicht der Hauch einer Chance bleibt, sich irgendwie vom Sein zu lösen, was schon sehr naturalistisch anmutet. Mit Keller und Hauptmann als Leitmotiv versuchst du die Unterschiede zwischen Realismus und Naturalismus darzustellen, aber "Kleider machen Leute" erscheint mir dafür irgendwie nicht geeignet, da ich diese Novelle eher als satirische Überzeichnung einer biedermeierlichen Spießbürgerwelt lese und daher nur eingeschränkt als typisches Stück des Realismus gelten lassen würde. Aber natürlich gibt es da auch andere Meinungen/Ansichten dazu.

Doch selbst wenn du ein anderes realistisches Stück nehmen würdest, fehlt mir in deiner Geschichte die Gemeinsamkeit zwischen Realismus und Naturalismus. Die Trennung zwischen diesen beiden Strömungen ist längst nicht so scharf, wie du sie ziehst. Beide setzen an der detailgetreuen Erfassung der Wirklichkeit an und während der Realismus die Hässlichkeit ausblendet, verzichtet der Naturalismus nur auf diese Poetisierung der Wirklichkeit. Naturalismus ist also konsequent fortgedachter Realismus, nicht wie es in deiner Geschichte rüberkommt etwas völlig verschiedenes.

Sprachlich bewegst du dich allerdings schön und vor allem konsequent zwischen diesen beiden Epochen, was zu dieser Geschichte natürlich sehr gut passt. Du erzählst flüssig und bringst den Anton Unterschlegel so spannend rüber, dass man an seinem Fortgang interessiert ist. Ich habe die Geschichte auf jeden Fall gerne gelesen, vor allem das Ende finde ich sehr interessant, weil natürlich auch bei mir die Frage bleibt, warum Anton einen seltsamen Holzklotz bei sich trägt.
(Auch wenn sich bei mir irgendwie die Assoziation mit dem Holzklotz-Anschlag auf der Autobahn ergeben hat, was für mich absolut überhaupt nicht nur Geschichte passen würde. Aber dafür kannst du ja nix, dass das Wort Holzklotz in den letzten Wochen diesbezüglich etwas konnotiert ist.)


Allerdings muss ich dir in meiner Liederlichkeit noch zwei Kritikpunkte antragen: Der Titel der Geschichte gefällt mir leider überhaupt nicht und in der Kategorie Philosophisches ist der Text meiner Ansicht nach falsch aufgehoben, da du ja keine philosophischen Ansätze bringst bzw. durchdiskutierst, sondern höchstens literaturwissenschaftliche Ansichten gegeben werden. Und vielmehr ist deine Geschichte ein kleines Psychogramm deines Protagonisten, der sich zugegeben auf bizarr anmutenden Denkebenen bewegt, aber das macht auch ihn noch lange nicht zu einem Philosophen.

So, das war eine ausführliche Kritik zu einer Geschichte, die mir insgesamt gut gefallen hat und zeigt, dass du in der Lage bist, einen interessanten Text flüssig zu schreiben, die aber durchaus noch etwas mehr hätte bieten können.

Liebe Grüße,
Smilodon

PS: Ich habe gesehen, dass du in den letzten Tagen gleich drei Geschichten hier eingestellt hast. Da du noch recht neu bist, wirkt das oft wie "Ich lade hier mal meine gesammelten Werke ab und schau mal, was die Leute dazu sagen". Es ist nicht böse gemeint, doch ist diese Seite irgendwo ein Geben und Nehmen, sodass ein solches Vorgehen oft keinem etwas bringt, auch dir nicht, weil viele Geschichte auf einmal tendenziell eher weniger Kommentare bedeuten.

PPS: Ich hoffe, dass ich dich nicht allzu sehr abgeschreckt habe, aber ich hatte mir vorhin vorgenommen, eine Geschichte mal wieder so richtig auf Herz und Nieren durchzukritisieren. ;)

PPPS: Hier noch eine Reihe kleinerer Anmerkungen:


die sich wie eine Schlange durch die Bäume wand.
Du meinst wohl "zwischen den Bäumen hindurch". "Durch die Bäume" würde bedeuten, dass sich die Straße durch die einzelnen Stämme hindurch wände.

Zum einen fand man eine Flasche Sprudel, etwas hartes Brot, die an Unbedenklichkeit kaum zu übertreffen waren
"die" als Relativpronomen an dieser Stelle ist zwar grammatikalisch richtig, da du ja Sprudel und Brot meinst, aber das liest sich irgendwie ziemlich holprig. Ich würde statt des Relativsatzes einen Einschub a la "beides an Unbedenklichkeit kaum zu übertreffen" wählen.

Unterzog sie man einer genaueren Untersuchung,
man sie

so las man deutlich, dass sie aus einem Stuttgarter Lichtspielhaus stammte und dem alten Herrn einst den Genuss von Zuckmayers »Schinderhannes« ermöglicht hatte.
Ersteres konnte man sicher deutlich lesen, letzteres allerdings nicht. Die Eintrittskarte könnte ja auch anderweitig in seine Hände gekommen sein, z.B. könnte er sie irgendwo gefunden haben o.ä. Wenn der Erzähler schon so allgemein beschreibt, dann soll er das auch logisch richtig tun ;)

auch die Bürger Krampfrücks im besten Alter lauschten gebannt,
"im besten Alter" empfinde ich an dieser Stelle als unnötig und störend

Erst nach dreien großen Schlucken Wein war er bereit
drei

das blutrote Gesöff
Das ist für mich viel zu heftig ausgedrückt

dem jedoch eines Tages sein alter Herr – den Namen erwähnte er nicht –, schon im zarten Alter von elf Jahren ein Stück von Hauptmann vorgetragen hatte.
Meinst du mit "sein alter Herr" seinen Vater? Dann ist der Name doch sowieso bekannt bzw. es ist zumindest unnötig, nochmal zu erwähnen, dass er den Namen nicht erwähnte. Vielleicht ist es aber auch nur ein Tippfehler und du meinst "ein alter Herr"?

hatten ihn dessen Worte über die Liederlichkeit der Menschen in tiefes Grübeln gestoßen
Ich weiß nicht, auf welches Hauptmannstück du anspielst, aber rein grundsätzlich finden sich bei Hauptmann keine "Worte über Liederlichkeit", sondern die "Liederlichkeit" (schönes Wort übrigens ;)) wird vielmehr dem Leser bzw. Betrachter beschrieben bzw. dargestellt. Auch ist die Liederlichkeit des Menschen für mich nicht unbedingt das Hauptaugenmerk des Naturalismus, eher geht es um die Darstellung der Welt in ihrer gesamten "Liederlichkeit" (wobei dann liederlich nicht mehr so ein passendes Wort wäre, besser wäre wohl "Sinnlosigkeit" oder "Hässlichkeit")

woraufhin er Buchhandlungen und Bibliotheken nach Werken des Naturalisten durchwühlte.
Das gefällt mir vom Ausdruck her nicht, da man ja eine Buchhandlung oder Bibliothek ja nicht im wörtlichen Sinne "durchwühlt", als Verbildlichung könnte ich mir das Durchwühlen noch für die Regale der Bibliotheken und Buchhandlungen vorstellen, aber nicht für das Gebäude an sich.
Und Vorsicht bei der Einordnung Hauptmanns als Naturalist. Er ist zwar allgemein der bekannteste Vertreter des Naturalismus, aber er wendet sich in gewissen Punkten auch deutlich von der naturalistischen Grundidee ab.

Statt mit Freunden auszugehen oder sinnfreie Dinge zu unternehmen, las er sämtliche Dramen und Novellen, schrieb seine Gedanken dazu nieder, verlor schließlich auch den letzten Freund, und weigerte sich schlussendlich, aus Schutz und Abneigung vor dem Bürger, die Schule zu besuchen.
Was ist denn schon eine sinnfreie und was eine sinnvolle Handlung? Das Wort "sinnfrei" klingt viel zu pathetisch an dieser Stelle. Im Übrigen ist es auch nicht sonderlich sinnvoll, sämtliche Dramen und Novellen (Hauptmanns?) auf einmal zu lesen und daraufhin die Schule nicht mehr zu besuchen.
(Du lässt Anton ja nicht selbst erzählen, sondern gibst seine Schilderungen im Indikativ durch einen Erzähler wieder. Deshalb kann "sinnfrei" auch nicht nach Antons Definition gemeint sein.

Kontakt mit ihm
zu ihm

um die Sonnenaufgänge hinter den grünen Hügeln zu bestaunen.
Eine schöne Hauptmann-Anspielung!

Eines Tages jedoch, als er dem Freitod so nah gewesen war wie nie zuvor,
Du verwendest in dieser Geschichte eine recht "altbackne" Sprache, was ich grundsätzlich sehr gut finde, allerdings empfinde ich den Ausdruck "als er dem Freitod so nah gewesen war wie nie zuvor" als etwas zu hochgestochen. Vielleicht irgendwie "Eines Tages, als er dem Strick so nah gewesen war"... oder so... das ginge noch eher.

Als sich die Geschichte Kellers über jene unerschöpfliche Liebe mit den warmen Strahlen der Sonne verband, sah Anton die wahre Schönheit der Welt
Also ich persönlich empfand das oder auch nur ähnliches nach der Lektüre von "Kleider machen Leute" nicht!

Bäcker - Konditor
Sind meines Wissens zwei unterschiedliche Berufe ;)

in denen er davon lebte, auszugehen, unter Menschen zu gehen und die Natur zu genießen, die ihm den wahren Sinn des Seins offenbarten.
Wortwiederholung "gehen", zudem passt das Relativpronomen nicht.

Waschpulver ... und gefundenem Brot,
Warum sammelt Anton bitte Waschpulver? Und wie wäscht Anton den Anzug im Wald? Er wird doch kaum das Waschpulver in ein Waldbächlein kippen und den Anzug dann darin waschen, oder? ;)
Und wo findet man im Wald Brot?

 

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