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Alter Schmerz

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25.05.2004
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Alter Schmerz

Ich sitze hier und weiß nicht wirklich, was ich mit mir selbst anfangen soll. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Anna – meine Psychologin – hat mich davon überzeugt, das hier zu tun. Ziemlich sicher reißt das alte Wunden wieder auf. Ziemlich sicher ist genau das aber nötig, um die alten Wunden endlich vernünftig zu schließen. Manchmal muss man einen schlecht geheilten Bruch erneut brechen um ihn richtig zusammenzukitten. Dennoch, ich bin nervös. Ich wippe mit meinem Fuß auf und ab. Sie ist spät dran. Vielleicht hat sie hiervor genauso viel Angst wie ich. Obwohl – Angst ist eigentlich ein zu starkes Wort dafür. Unwohlsein ist wohl ein besseres Wort für meinen momentanen Gemütszustand. Ich stehe auf und laufe hin und her, wie die Tiger im Zoo. Was weiß ich von Tamara? Nicht viel. Sie ist achtzehn und es ist ihr erstes Jahr an der Uni. Sie studiert Krankenpflege. Und sie wurde am letzten Wochenende vergewaltigt, auf dem Nachhauseweg von der Uni. Auf dem Nachhauseweg von einer Party dort.

Es klopft. Ich räuspere mich und rufe laut: „Komm rein, die Tür ist offen.“
Meine Stimme klingt nicht ganz so sicher wie ich es gerne hätte. Egal, es lässt sich nicht ändern. Die Tür öffnet sich langsam und dann sehe ich sie zum ersten Mal. Tamara, das Mädchen, das im Moment von allen Studenten bemitleidet wird. Sie haben keine Ahnung von der Hölle, durch die sie gerade geht. Sie haben alle keine Ahnung, nur Mitleid, und das macht es nur noch schlimmer. Sie ist nicht viel größer als ich, unscheinbar. Ungeschminkt. Hat schulterlange braune Haare, braune Augen. Sie ist bleich. Ich sehe ihr an, dass sie eigentlich lieber nicht mit mir reden will. Ich weiß nicht was ich sagen soll, was ich tun soll. Also deute ich auf einen Stuhl mir gegenüber und sie setzt sich. Sie trägt eine schwarze Jeans, einen schwarzen Pullover mit langen Ärmeln. Vollkommen unpassend bei dem heißen Wetter, aber ich weiß, warum sie ihn trägt. Ich räuspere mich erneut und sage: „Hallo, Tamara. Ich bin Susan.“
Sie sieht mich an und antwortet gleichgültig: „Ich weiß.“
Dann schweigt sie wieder. Ich würde am liebsten den Raum verlassen. Ich fühle mich unwohl wie selten. Aber ein Blick in ihre Augen hält mich fest. Sie blickt gehetzt um sich, ein wenig wie ein gejagtes Tier. Ihre Augen bleiben keine zwei Sekunden auf der gleichen Stelle. Ich weiß, dass ich ihr helfen kann, einiges klarer zu sehen. Ich weiß es einfach. Anna hatte Recht, das hier wird uns beiden helfen. Also sage ich das Erste was mir in den Kopf kommt: „Lange Ärmel. Versteh ich.“

Sein Körper liegt schwer auf mir. Seine großen Hände umklammern meine Unterarme, pressen sie auf den Boden. Seine Fingernägel bohren sich in meine Haut. Ich konzentriere mich auf den Schmerz, den er damit verursacht. Er ist eine willkommene Ablenkung von dem anderen, viel schlimmeren Schmerz.

Die Erinnerung tut weh, aber zu meiner Überraschung ist sie verblasst, erträglicher. Damals hatte ich auch Klamotten mit langen Ärmeln getragen, um die blauen Flecken zu verdecken, die seine Hände auf meinen Armen hinterlassen haben.
Ich merke, dass ich Tamara überrascht habe. Ich spüre, wie ich beginne, ihr Interesse wecken. Dennoch sagt sie nichts, nickt nur und schaut auf den Boden. Immerhin hat sie mir aber für einen Moment in die Augen gesehen. Das erste Mal, seit sie durch diese Tür gekommen ist. Ich rede weiter, obwohl es weh tut, denn ich greife auf eigene Erfahrungen zurück. Erfahrungen, die ich lieber verdrängen würde. Erfahrungen, die ich viel zu lange tief in mir selbst verschlossen habe. Die mir Albträume verursacht haben, sodass ich nachts von meinen eigenen Schreien wach wurde.

Ich beginne einfach zu reden, das erste, was mir in den Sinn kommt. „Ich habe es niemandem erzählt, damals. Aber ich habe mich natürlich merkwürdig benommen, in ihren Augen. Sie haben mich alle verständnislos angesehen, den Kopf geschüttelt über meine ‚Verrücktheiten’. Dass ich bei jeder Berührung zusammengezuckt bin. Dass ich mich zurückgezogen habe, niemanden mehr sehen wollte. Und sie haben immer wieder Fragen gestellt, was wirklich passiert ist. Sie hatten ja keine Ahnung, wie weh diese Fragen getan haben. ‚Was ist los? Was ist passiert? Wieso benimmst du dich so merkwürdig?’ Aber wie sollten sie das wissen? Ich habe ihnen ja nie erzählt, was wirklich vorgefallen ist. Sie dachten, dass mein Freund mit mir Schluss gemacht hatte. Sie konnten ja nicht wissen, dass er mich vergewaltigt hat. Ich habe ihnen nie eine Chance gegeben zu verstehen. Für dich muss das noch schlimmer sein. Bei dir wissen sie was passiert ist. Und sie, glauben dass sie verstehen. Aber sie tun es nicht. Wie können sie auch?“
Sie sieht mir direkt in die Augen. Ich sehe eine Träne, die ihre Wange hinunter rinnt. Ein gutes Zeichen. Ich habe nicht geweint damals. Das hat mich umso mehr Tränen gekostet, später. Sie räuspert sich und sagt mit leiser, zitternder Stimme: „Warum können sie mich nicht alle in Ruhe lassen? Die haben keine Ahnung, was ich durchmache!“

Ich lehne mich vor und sehe sie verständnisvoll an, zumindest hoffe ich dass mein Blick das ausdrückt. Ich erwidere genauso leise: „Nein, sie haben keine Ahnung, da hast du Recht. Aber ich verstehe dich, Tamara. Besser als mir lieb ist.“
Meine Güte, klinge ich verbittert! Aber Tamara versteht. Sie sieht mir wieder in die Augen. Ich sehe ihre Verbitterung, ihren Hass darin. Ihr Blick wird hart, und stockend erklärt sie: „Ich will… dass er dafür… bezahlt. Ich will ihn… hinter Gittern. Dieser verdammte Scheißkerl… soll dafür büßen.“
Sie beginnt zu schluchzen. Ich rücke näher an sie heran, nehme sie in den Arm. Eine rein instinktive Reaktion. Ich kann gar nicht anders. Auch bei mir rinnen Tränen die Wangen herunter. Ich verstehe nur zu gut. Leider. Aber dennoch… „Du kannst es nicht zulassen, dass dein Hass dich in Besitz nimmt. Dann hätte er gewonnen. Du darfst nicht zulassen, dass er dich so vollständig zerstört.“
Mit großen Augen sieht sie mich an. Verbitterung spricht aus ihrer Stimme, als sie fragt: „Wurde… Haben sie ihn bei dir festgenommen? Haben sie ihn bestraft für das, was er dir angetan hat?“
Ich schlucke. Ich will nicht daran erinnert werden. Ich will nicht daran denken. Aber ihr zuliebe reiße ich mich zusammen. Dieses Mädchen weiß nicht mehr, wie ihr Leben weitergehen soll. Ich bin die einzige die ihr helfen kann, den richtigen Weg wieder zu finden. Ich schüttele meinen Kopf. „Nein. Ich… habe ihn nicht angezeigt.“
Verständnislos blickt sie mich an. „Warum nicht?“

Ich wende meinen Blick ab. Es ist einfacher, das zu erzählen, wenn ich ihr nicht in die Augen sehen muss. „Ich war neunzehn, damals. Ein Jahr älter als du. Er war mein Freund. In dieser Nacht…“
Ich merke wie sie sich anspannt. Sie will es nicht hören. Sie will keine Details. Das verstehe ich. Ich beginne erneut: „Nachdem es passiert ist… Ich habe mir eingeredet, dass es meine Schuld war. Dass ich ihn auf irgendeine mir unverständliche Weise dazu provoziert habe. Und dann… Wie hätte ich jemanden anzeigen können für etwas, das letztendlich meine Schuld ist? Und außerdem… Ich habe mich so geschämt. Mittlerweile weiß ich, dass ich dazu keinen Grund hatte, aber damals habe ich mich zu sehr geschämt, um mit irgendjemandem darüber zu reden. Ich bewundere dich. Du hast mit deinen Eltern geredet, mit der Polizei. Du warst mutig in einer Situation in der ich einfach nur feige war.“

Sie sieht mir in die Augen und ihr Blick verliert ein wenig von seiner Härte. Ich spüre, dass ich sie berührt habe. „Der einzige Grund, aus dem ich geredet habe, ist, dass ich ihn bestraft sehen will. Ich sehe keinen Mut darin, nur Rachsucht.“
Ich muss lächeln. „Wenigstens war die Rachsucht bei dir stärker als die Scham und die Angst. Und wenigstens gestattest du dir selbst, zu fühlen. Und wenn es Hass ist. Ich habe damals bei mir alles abgestellt. Ich war eine Hülle ohne Inhalt, für lange Zeit. Du dagegen… du hast dir deine Menschlichkeit bewahrt, deine Gefühle. Das ist viel wert, glaub mir.“
Zögernd nickt sie. Dann sieht sie mich erneut an. Wie ein verwundetes Tier, das nach Heilung sucht. Ich werde mein Bestes geben. Langsam beginnt sie zu reden: „Manchmal weiß ich nicht, wie ich weitermachen soll. Ich weiß nicht, wie ich den nächsten Tag überstehen soll. Ich habe Alpträume, die Erinnerungen quälen mich und ich habe Angst, dass ich sie nie loswerde.“

Sie schaudert und ich schaudere mit ihr. Ich hatte auch Alpträume, für eine lange Zeit. Jetzt sind sie weg, aber das hat mich ein Stück harte Arbeit und vor allem viel Zeit gekostet. Meine Psychologin hat mir sehr geholfen. Und mein Freund. Tamara sieht mich unsicher an, aber mein Blick scheint ihr zu sagen wie sehr ich sie verstehe, denn sie fährt fort: „Manchmal frage ich mich, warum ich überhaupt weitermache. Wieso ich mich selbst Tag für Tag aufs Neue quäle. Wieso sollte ich es nicht einfach beenden?“
Wie gut ich sie verstehe. Wenn ich daran denke, wie kurz ich damals davor war, mich umzubringen… Ich drücke ihren Arm und frage sanft: „Willst du wissen, was mich damals dazu gebracht hat, weiterzumachen? Nicht einfach aufzugeben?“
Neugierig blickt sie mich an und nickt. Ich denke zurück.

Ich bin verzweifelt. Finde meinen Weg nicht mehr. Ich sitze am Steuer meines Wagens und überlege, gegen welchen der Bäume ich fahren soll. Am besten in der Kurve. Dann würde es aussehen wie ein normaler Unfall. Bei überhöhter Geschwindigkeit von der Fahrbahn abgekommen. In mir ist es kalt. Ich fühle nichts, selbst bei dem Gedanken an Selbstmord spüre ich nichts. Keine Angst, nichts. Es ist Nacht und es regnet. Ich schnaufe. Wie passend! Im Licht der Scheinwerfer sehe ich den Baum auf mich zukommen, rasend schnell. Auf einmal bin ich wieder ein Kind, mein Vater dreht sich im Kreis und wirbelt mich durch die Luft. Meine Mutter steht daneben und lacht. Blitzschnell reiße ich das Lenkrad herum.

Die Erinnerungen sind nicht ganz so schmerzhaft, wie ich gedacht habe. Das gibt mir die Kraft, weiterzureden. Mit ruhiger Stimme erzähle ich: „Meine Eltern. Ich hatte gerade ein halbes Jahr Studium hinter mir, sie waren so stolz auf mich, auf das was ich tat. Sie hatten vollstes Vertrauen in mich. Ich war ihre Große. Die Älteste. Sie lieben mich über alles. Ich habe es einfach nicht übers Herz gebracht, ihnen das zu nehmen, was ihnen so wichtig war: Mich. Am Anfang habe ich meinen Eltern zuliebe weitergemacht. Ich habe verdrängt, was passiert ist, so gut ich konnte. Damals habe ich gedacht, dass es genug wäre, die Erinnerungen einfach wegzuschließen. Ich wusste noch nicht, dass das nie genug sein würde. Ich habe versucht zu ignorieren, dass ich nachts von meinen eigenen Schreien wach geworden bin. Und ich habe weitergemacht. Immer weiter. Jeden einzelnen verdammten Tag. Ich habe mich mehr und mehr zurückgezogen. Von allen Menschen, die mir lieb und teuer waren. Langsam aber sicher bin ich verzweifelt. Ich wurde zu einer leeren Hülle, die so getan hat als sei sie menschlich. Ich bin nicht damit fertig geworden, denn ich habe einfach nicht fertig gebracht, was ich mir am meisten gewünscht habe: Vergessen.“

Diesmal ist es Tamara, die mich mitfühlend ansieht. Nachdenklich meint sie: „Du hast Recht. Ich könnte das meinen Eltern auch nicht antun. Sie verstehen mich nicht, auch wenn sie sagen, dass sie es tun. Aber das ist kein Grund ihnen so weh zu tun. Sie wollen mir ja nur helfen.“
Erleichtert sehe ich sie an. Etwas Gutes ist immerhin schon aus diesem Gespräch entstanden, soviel ist sicher. „Und wie kommt es, dass du jetzt mit mir darüber redest, mit einer Fremden?“ Ihre Frage klingt neugierig.
Ich lächele vor mich hin. Nicht alle Erinnerungen sind schlecht. Ich sehe ihr in die Augen und erkläre: „Etwa ein halbes Jahr nachdem es passiert ist, habe ich Stefan kennen gelernt. Und mich verliebt bis über beide Ohren. Obwohl ich mir geschworen habe, mich nie mehr zu verlieben. Nicht nach dem, was beim letzten Mal passiert ist.“

Sie nickt nur, ich kann nicht sagen was in ihr vorgeht. Ich fahre fort: „Jedenfalls… Wir sind ein Paar geworden. Ich habe mich nie getraut, mit ihm darüber zu reden. Ich nehme an, dass er gemerkt hat, dass irgendetwas nicht stimmt. Manchmal bin ich zurückgezuckt, wenn er beim Küssen zu stürmisch wurde. Und als wir dann nach ein paar Monaten miteinander schlafen wollten… habe am ganzen Körper angefangen zu zittern. Ich konnte einfach nicht weitermachen, plötzlich waren die Erinnerungen wieder da, alles kam wieder hoch.“

Mein Körper zittert unkontrollierbar. Er sieht mich verständnislos an. Er ist zärtlich zu mir und ich reagiere so. Wie soll er das auch verstehen? Seine braunen Augen blicken mich sanft an, fragend. Ich habe plötzlich Angst. Angst, dass ich wieder dem falschen vertraue. Dass ich wieder ausgenutzt wurde. Ein Teil von mir weiß, dass diese Angst unbegründet ist, aber ich kann sie nicht mehr kontrollieren.

Ich hole tief Luft. Plötzlich sind die Gefühle wieder da. Langsam beruhige ich mich, erinnere mich an das, was folgte. „Natürlich hat er gemerkt, dass etwas nicht stimmt, und er hat etwas getan, was ich wirklich nicht erwartet hätte. Er hat mich in den Arm genommen und festgehalten. Eine lange Zeit lagen wir einfach nur so da, bis er mir schließlich in die Augen sah und leise gefragt hat, ob ich ihm nicht erzählen will was los ist. Und ich wusste, wenn aus dieser Beziehung etwas werden soll, dann muss ich über meinen Schatten springen und alles erzählen. Es ist mir verdammt schwer gefallen. Er war der Erste, mit dem ich darüber geredet habe. Es, war nicht leicht, aber ich habe ihm alles erzählt und am Ende hat er mich im Arm gehalten, während ich geweint habe. Ich hätte nie gedacht, dass das so gut tun kann. Das Weinen. Er hat nichts gesagt und ich wusste, dass das nur war, weil er nicht wusste, was er sagen soll. Aber es war mir lieber so. Besser als irgendein geheucheltes Verständnis. Wir haben dann später an diesem Abend doch noch miteinander geschlafen. Und da habe ich noch eine Überraschung erlebt, denn es hat mir gefallen. Und das hätte ich nie gedacht. Stefan hat mir so viel Gutes getan. Aber dennoch habe ich nie mit jemand anderem darüber geredet. Zum Ersten, weil es mittlerweile schon länger her war. Und zum Zweiten, weil ich wusste, dass ich die Fragen nicht ertragen würde, die natürlich folgen würden. Sowas wie: Warum hast du denn nichts gesagt? Wieso hast du ihn nicht angezeigt? Und so weiter, bla bla…“

Ich blicke auf. Ich habe auf meine Hände gesehen während ich ihr das erzählt habe, und jetzt bemerke ich, dass sie mich hoffnungsvoll ansieht. Ihre Stimme kling sicherer als vorher als sie mich fragt: „Du hast einen Freund? Und du führst eine ganz normale Beziehung?“
Ich kenne ihre Sorgen nur zu gut. Wie lange hatte ich mir eingeredet, dass ich nie wieder einen Mann vollkommen zufrieden stellen könnte. Ich muss lächeln, während ich antworte: „Ja, falls man eine Wochenendbeziehung normal nennen kann…“
Sie lächelt auch leicht. Das erste Mal, dass ich sie lächeln sehe. Sie hat ein hübsches Lächeln. Erneut blickt sie mich neugierig an und fragt interessiert: „Wie kommt es dann, dass du mit Anna darüber geredet hast? Wo du doch nie mit jemand anderem als deinem Freund darüber geredet hast?“
Ich muss lächeln bei den Erinnerungen. Sie schmerzen nicht mehr. „Stefan hat mir so viel Gutes getan. Unter anderem hat er meine Handlungsweise in Frage gestellt. Wir hatten mehr als eine tränenreiche Diskussion, und sie endeten eigentlich immer damit, dass ich ihn beschimpft habe, dass er mich in Ruhe lassen soll. Aber er hat nicht zugelassen, dass ich alles verdränge. Zwangsläufig hat er meine Alpträume miterlebt. Hat mich nachts schreien hören. Ich habe ihn mehr als einmal aufgeweckt. Er hat dafür gesorgt, dass ich einsehe, dass nichts von dem, was damals passiert ist, meine Schuld war. Er hat dafür gesorgt, dass ich meiner Vergangenheit gegenüberstehe und damit fertig werde, anstatt mich davor zu verstecken. Er hat mir geholfen, meinen Weg wieder zu finden, er hat wieder Leben in die Hülle gehaucht. Das Endergebnis war, dass ich ihm versprochen habe mit einem Psychologen zu reden. Und ich halte meine Versprechen immer. Also bin ich in Annas Büro gelandet.“

Sie lächelt erneut. Es ist ein kaum merkbares Lächeln, aber es kommt von Herzen, das sehe ich in ihren Augen. Dann meint sie ruhig: „Ich danke dir, dass du mit mir geredet hast. Ich wusste, nicht was ich erwarten sollte, aber ich wollte nicht mit dir reden. Ich habe gedacht, dass du genau wie die anderen versuchst mir vorzuschreiben was ich tun soll. Aber du hast mich nur zum Nachdenken gebracht. Danke.“
Ich schließe sie in die Arme. Wir sind Freundinnen geworden in dieser kurzen Zeit, das spüre ich. Ich drücke ihr einen Zettel in die Hand und erkläre freundlich: „Das ist meine Telefonnummer. Wenn irgendetwas sein sollte: Ruf mich an.“
Sie nickt, lächelt noch einmal kaum merkbar und verlässt den Raum. Ich sinke auf meinen Stuhl zurück. Anna hatte Recht. Das hier hat mir geholfen. Es hat mir geholfen, jemand anderem zu helfen. Ich weiß jetzt mehr als je zuvor, dass ich nach vorne sehen muss und nicht zurück. Ich weiß, dass ich meine Vergangenheit hinter mir lassen muss, und ich glaube, ich bin auf dem besten Weg dazu. Ich stehe auf und verlasse den Raum.

 

Ich hoffe, ich hab hier die richtige Rubrik erwischt, obwohl, ich wüsste nicht wo das sonst reinpassen würde.

 

Hallo Red Unicorn,
ich bin mir auch nicht so ganz sicher, ob du die richtige Rubrik erwischt hast, aber auf jeden Fall hast du den goldrichtigen Ton getroffen! Als ich den Titel sah, musste ich die Geschichte sofort lesen. Ich dachte schon, jemand hätte meinen Nicknamen getroffen! Ehrlich gesagt, ist der Titel dasjenige, was mir am wenigsten an deiner Geschichte gefällt, er sagt nicht viel aus und vermittelte mir den Eindruck von einem Liebespaar. Aber ein besserer fällt mir auch nicht ein! Vielleicht "verheilte Wunde" oder "geteiltes Leid", aber das klingt schon fast zu kitschig.
Ansonsten bin ich begeistert: Du hast ein verdammt schwieriges Thema flüssig, emotional nachvollziehbar und mit einem positiven Ausblick geschildert, ohne zu emotional abzugleiten. Beide Figuren sind sehr gut zu erkennen. Glückwunsch! :thumbsup: Der Anfang ist wohl mit Absicht offen gehalten, obwohl ich am Ende des ersten Abschnittes ahne, worum es geht. Gut auch, dass du im Präsenz schreibst, dadurch wird der Text noch eindringlicher. Auch die kurzen, eingestreuten Erinnerungen waren sehr passend.

Ein paar Kleinigkeiten sind mir noch aufgefallen:
"nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hat": das ist überflüssig, stört den Textfluss. Wenn du betonen willst, dass es ihr wichtig ist, die Tür zu schließen, stell lieber die Reihenfolge um!
"Meine Herren,": welche Herren? Das verwirrt mich hier.
"ihnen das zu nehmen was, ihnen so wichtig war": Komma nach nehmen
" Am Anfang habe ich meiner Eltern zuliebe weitergemacht": meinen
" Es ist mir verdammt schwer gefallen. Er war der Erste, mit dem ich darüber geredet habe. Aber ich habe ihm alles erzählt ": Warum Aber, das stört wieder den Textfluss, wenn es sich auf das schwer fallen bezieht, stell die Sätze wieder um, sonst beschreibe, dass sie tief Luft geholt hat oder ähnliches.
" Das erste Mal, dass ich sie Lächeln sehe": ich glaube, hier muss lächeln klein geschrieben werden.
Du hast sehr viele Sätze mit Ich begonnen und das Wort lächeln sehr oft hintereinander benutzt. Das würde ich mir noch einmal genau anschauen.
Aber insgesamt sind das sehr wenig Fehler für so einen langen Text. (Ich mache meist mehr! seufz!)
viele liebe Grüße
tamara

 

Hallo Tamara,

vielen Dank für deine positive Kritik *rotwerd*

Die Geschichte ist schon ein paar Järchen alt, bin allerdings nochmal drübergegangen, bevor ich sie gepostet habe. Ich hab die Fehler, die du noch gefunden hast, soweit ausgebügelt, bis auf die Wiederholungen von "lächeln" und "ich", das mach ich wenn ich mal mehr Zeit habe (bin momentan auf Jobsuche... :( ).

Mit dem Titel war ich vorher auch schon unsicher, du hast mich nur bestätigt. Allerdings bin ich wirklich ratlos, mir fällt nichts passendes ein... :(

Für weitere Vorschläge wär ich echt dankbar, das geht an alle ;)

Gruß

Red Unicorn

 

So, hab den Titel geändert, weiß nicht, ob das so viel besser ist... naja, mal schauen.

 

Bitte einen Mod darum, dass dies auch in der Übersicht sichtbar wird!
Gruß tamara

 

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