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Alter schützt vorm Tode nicht oder: Spiel mir das Lied vom Tod

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16.08.2003
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Alter schützt vorm Tode nicht oder: Spiel mir das Lied vom Tod

Alter schützt vorm Tode nicht


Es war einer dieser typischen Tage in meinem langweiligen Leben, aber erst möchte ich erklären, warum es überhaupt ein solcher Tag war.
Alle Männer, für die ich in meinen jungen Jahren schwärmte, wurden mittlerweile samt Sarg von den Würmern verschlungen oder hatten zumindest nicht mehr alle Tassen im Schrank, sodass man nur darauf wartete, in der ARD den Nachruf dieser Person zu sehen.
Mein Leben war ein einziges Trauerspiel, diese Tatsache konnte auch nicht mein ganzes Geld vergessen machen, dass ich durch Lebensversicherungen meiner Tochter und ihrem Mann erworben hatte. Sie waren ebenfalls entseelt, genauso wie meine beiden Enkel. Sie kamen bei einem tragischen Unfall ums Leben, bei dem ich als einziger lebend heraus kam, was möglicherweise daran lag, dass man als Fahrer bei Unfällen von der Seite am besten geschützt ist.
Meine Doppelkopffreunde, Mathilda, Egon und Peter, haben alle nacheinander in einem Rhythmus von einem halben Jahr ins Gras gebissen, sodass aus unserer Doppelkopfrunde erst eine Skat- und deine eine Mau-Mau-Runde entstand, bis ich schließlich alleine NDR-Bingo mit dieser Fettbacke spielen musste.
Ich hatte außer Doppelkopf noch ein weiteres Hobby, nämlich malen. Ich brachte es tatsächlich so weit, dass ein Galerist anfragte, meiner Bilder eine Woche in seiner Galerie zu widmen. Ich war natürlich sehr gerührt. Leider brannte das Haus, in dem meine Kunstwerke hingen, unter mysteriösen Umständen vollkommen ab. Abgesehen davon, dass die gesamte Bildersammlung mit Skizzen von van Goghs und da Vincis im Wert von einer halben Million Euro völlig zerstört wurde, krepierte der Galerist und mit ihm meine Hoffnung, ein großer Künstler zu werden.
Dies sollte Erklärung genug sein. Wie Sie mittlerweile sicherlich mitbekommen haben, bin ich nicht mehr die Jüngste und alle Verwandten und Freunde waren tot.
Ich wachte um acht Uhr zehn auf. Mein Rücken hatte sich bemerkbar gemacht, sodass ein Weiterschlafen völlig unmöglich war. Fluchend machte ich mir Frühstück, überhörte aber das Geräusch des Eierkochers, was sich ärgerlicherweise in einer nun mit explodierten Eiern bekleckerten Küche auswirkte. In der Zeit, wo ich versuchte, dass Eiweiß von den Kacheln zu kratzen, verbrannte mein Toast und meine Milch kochte über. Deprimiert ließ ich alles stehen und liegen und setzte mich auf einen – auf den letzten – Stuhl. Ich nahm die Zeitung, überflog die Schlagzeilen und gelangte wie jeden Morgen zu den Todesanzeigen.
Der Metzgermeister von nebenan, Herr Luttermann-Bruchtenfelde ist gestorben. Er war ein netter Mann, übrigens wurde er einen Monat vor mir geboren, er wurde 83 Jahre alt.
Dorothea Müller, geborene Hubertus, tot. 84 Jahre.
Paul Gerland, tot. 80 Jahre.
Wilhelm Jakobus, tot. 81 Jahre.
Adelheid Wilkland, tot. 85 Jahre.
So saß ich wartend am Küchentisch, sich fragend, wann es für mich Zeit wurde, den Löffel abzugeben. Tick-Tick-Tick. Die Sekunden verstrichen und damit möglicherweise meine letzten in mein Leben. Im Grunde wartete ich nur auf meinen Herzstillstand, bis ich auf eine Anzeige von der Kirche stieß. Der Pastor wies darauf hin, dass heute das Gemeindefest stattfinden sollte. Ich schaute hinaus und stellte fest, dass es weder regnete, noch danach aussah. Es war kurz vor neun, um elf sollte das Fest beginnen. Ich ging sofort los, um die tausend Meter in zwei Stunden und zehn Minuten überhaupt zurücklegen zu können.
Nach dem Tode meiner sechs Männer, die alle nach nur zwei Jahren Ehe mir unter meinen Händen weggestorben waren, hatte ich nicht mehr viel Kontakt zu anderen Gleichaltrigen. Abgesehen von meiner Doppelkopfrunde, die sich aber bekannterweise recht schnell auflöste – im wahrsten Sinne des Wortes. Ich nahm mir vor, wieder Freude am Leben zu gewinnen und ermunterte mich an der Tatsache, dass Menschen gleichen Alters auf dem Gras der Kirche herumdümpelten. Für ein wenig sarkastisch befand ich den Stand der Jungen Union, dessen Mitarbeiter sich anscheinend köstlich über die Donald-Duck-Schuhe meiner Altersgenossen amüsierten. Ich wies sie darauf hin, dass man in diesem Alter kaum eine andere Wahl hatte, diese Schuhe, die extra für schrumplige Füße angefertigt wurden, zu tragen, konnte mir aber nach dem Anblick dieser Galoschen selbst kein Lachen verkneifen.
Ich gesellte mich zu einer größeren Gruppe, die gemütlich Kuchen aßen und dabei aus einer Schnabeltasse Kaffee schlürften. Ich grüßte freundlich, doch keiner reagierte, was ich auf den Verschleiß der Hörtätigkeit schloss. So rief ich laut: „Guten Morgen“, worauf dann die ersten freundlich nickten, und fragten, ob ich neu hier sei. Ich verneinte, doch auf Gemeindefesten sei ich noch nicht gewesen. Ich ging allerdings nach etwa zehn Minuten wieder von diesem Tisch weg, weil es so langsam nach toten Menschen stank, und ich mir nicht dieses Gestöhne über Rheuma und Fingerzittern anhören wollte. Stattdessen zog es mich zum Trödelmarkt, dessen Verkäufer anscheinend starken Alzheimer hatte.
„Diese Vase hier, was kostet die bitte?“
„Vier Euro Fünfzig“, antwortete der Herr.
„Dann nehme ich sie mit, das wahren doch Eins Fünfzig oder?“ Ein eigentlich dummer Trick, der bei diesem armen Irren vorzüglich funktionierte.
„Ja, ja. Genau.“
Ich bezahlte und verschwand schnell von diesem Verkaufsständchen und begab mich zu einer anderen Sitzbank. Aber auch hier hörte ich nur Geschwalle von alten Menschen, die wohl seit ihrer Blütezeit keine Nachrichten mehr geschaut hatten, denn sie redeten über Kennedys Wahl und ob da auch alles mit rechten Dingen zugegangen war.
Nachdem sie aber das Thema abgeschlossen hatten, und zu Hüftgelenkoperationen wechselten, zog ich es vor, so schnell wie möglich anzuhauen, und war froh, dass ich noch so fit im Kopf war, mir diesen sinnvollen Zug einfallen zu lassen.

 

Hallo Marco,

also teilweise fand ich Deine Story sehr witzig, bin aber etwas enttäuscht vom Schluß. Erwartet hatte ich zu Beginn ein Ende mit der Auflösung, dass der Protagonist für alle Toten höchstpersönlich gesorgt hat.
Gut, dass war es nicht, wäre auch zu offensichtlich gewesen, aber ein knackigeres Ende hätte ich jetzt schon gerne gehabt. Ansonsten fand ich es sehr pointiert und Du solltest auf jeden Fall in diesem Stile weitermachen.

Liebe Grüsse
apollox

 

Danke für deine Kritik. Ja, der Schluss ist mir nicht gelungen, das ist mir schon beim Schreiben aufgefallen. Wenn du eine bessere Idee hast, lass sie mir zukommen.

 

Moin Marco!

Supertoll fand ich deine Geschichte nicht, sie war zwar unterhaltend, aber die großen Lacher blieben bei mir aus (aber wie wir alle wissen, ist Humor Geschmacksache). Doch gegen Ende wurde die Geschichte mau, da einfach eine Pointe gefehlt hat - wenn du die noch hättest, wäre die Geschichte einen ganzen Tick besser. Eine Idee für einen anderen Schluss hab ich allerdings nicht - leider. Vielleicht sind andere kreativer als ich ;)

Stilistisch gesehen fand ich deine Geschichte durchaus gelungen!

Greetinx
Alisha

 

Moin Marco,

Erstmal herzlich willkommen auf KG.de

Argh... ich hab dir sone schöne Kritik geschrieben und dann verläßt mich mein PC. Ich hasse alle grauen Kästen, die mit Strom funktionieren... naja, mal sehen, ob ichs wieder zusammenkriege:

Mir hat deine Geschichte leider auch nicht wirklich gefallen. Der Anfang ist verheißungsvoll und auch recht unterhaltsam. Eine alte Frau, die nach und nach alle Menschen in ihrem Umfeld verloren hat. Ich hatte irgendwie damit gerechnet, daß deine Protagonistin sich als Mörderin und Erbschleicherin herausstellt (besonders bei der Stelle mit den sechs Ehemännern). Leider hat mich das Ende dann ziemlich enttäuscht.
Die Schilderung des Festes ist ganz nett, aber es fehlt mir da ein roter Faden. Du beschreibst einfach aneinandergereihte Episoden und am Ende geht die Frau wieder nach Hause. Das ist irgendwie unspektakulär.

Stilistisch ganz gut geschrieben, allerdings hast du gerade am Anfang viele Kettensätze, die manchmal recht verwirrend sind. Außerdem sind ab und an Begriffe der Umgangssprache drin, was nicht in den ansonsten ernsteren Stil paßt (nicht mehr alle Tassen im Schrank, rumdümpeln etc)

Insgesamt aber eine Geschichte, die am Anfang ganz gut zu unterhalten weiß, dann gegen Ende aber leider verflacht und der eine Pointe fehlt, weil das Ende total unspektakulär ist.

Es war einer dieser typischen Tage in meinem langweiligen Leben, aber erst möchte ich erklären, warum es überhaupt ein solcher Tag war.
Schlechter Anfang. Wenn es ein typischer langweiliger Tag ist, warum erzählt sie mir, dem Leser, dann davon? Außerdem war der Tag nicht typisch, immerhin geht sie ja nicht jeden Tag auf solche Feste.
Aus dem Satz würde ich darüberhinaus zwei machen (vor dem aber ein Punkt), da die beiden Satzteile irgendwie nicht zusammenpassen.

vergessen machen, dass ich durch Lebensversicherungen meiner Tochter und ihrem Mann erworben hatte
ihres Mannes

Sie kamen bei einem tragischen Unfall ums Leben, bei dem ich als einziger lebend heraus kam, was möglicherweise daran lag, dass man als Fahrer bei Unfällen von der Seite am besten geschützt ist.
Aus dem Satz würde ich zwei machen, da es sich so ziemlich verwirrend liest.
Vorschlag: „lebend heraus kam. Das lag möglicherweise daran, dass“

bis ich schließlich alleine NDR-Bingo mit dieser Fettbacke spielen musste.
Was für eine Fettbacke?

Ich wachte um acht Uhr zehn auf.
Besser: „gegen zehn nach acht“. Oder noch besser: „kurz nach acht“. Die genaue Uhrzeit spielt ja eigentlich keine Rolle.

was sich ärgerlicherweise in einer nun mit explodierten Eiern bekleckerten Küche auswirkte
das „nun“ würde ich weglassen.

Ich ging sofort los, um die tausend Meter in zwei Stunden und zehn Minuten überhaupt zurücklegen zu können.
Zuviele Informationen. Durch die vielen Zahlen holpert der Satz arg.
Vorschlag: „Ich ging sofort los, denn für die tausend Meter würde die Zeit sicher knapp werden.“

dass Menschen gleichen Alters auf dem Gras der Kirche herumdümpelten
herumdümpeln paßt mMn nicht in den Stil der Geschichte. Besser vielleicht: „sich herumtreiben“

Ich gesellte mich zu einer größeren Gruppe, die gemütlich Kuchen aßen
Beziehungsfehler. Eine Gruppe, aber sie aßen.
Vorschlag: „zu ein paar Menschen, die in gemütlicher Runde Kuchen aßen“

 

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