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Alte Liebe und kalter Kaffee

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04.10.2016
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Alte Liebe und kalter Kaffee

Als sie ihn sah, hatte sie das Gefühl die Zeit sei stehengeblieben. Er sah aus wie damals. Obwohl es fünf Jahre her gewesen war, dass sie sich das letzte Mal gesehen hatten, sah er kein bisschen älter aus. Er wirkte gelassen und strahlte Zufriedenheit aus, was ihn von dem jungen Mann von damals unterschied. Es machte ihn interessant.

Einen Moment standen sie beide einfach so da und sahen einander an. Anfangs hatten sie sich noch regelmäßig geschrieben, als allerdings feststand, dass er seine Arbeit in Frankreich fortsetzen würde und nicht wie eigentlich geplant nach einem Jahr zurück kommen würde, hatte der Kontakt langsam nachgelassen. Sie dachte viel an ihn und schrieb mehr als nur eine Mail, die sie am Ende nicht abschickte, aus Angst, Dinge über sein Leben zu erfahren, die sie besser nicht hören wollte.
Für sie hatte es nach ihm nicht viele Männer gegeben, zumindest keinen, der in ihr annähernd die Gefühle auslöste, wie sie sie damals bei ihm kennengelernt hatte. Sie hatte sich noch während ihrer Beziehung zu ihrem damaligen Freund in ihn verliebt. Einfach so. Liebe auf den ersten Blick, ganz clichéhaft, so wie sie es nie wirklich für möglich gehalten hatte. Am Ende war sie, nach einer intensiven aber kurzen Affäre, bei ihrem Freund geblieben und er war beruflich nach Frankreich gegangen. Sie hatten nie über Gefühle gesprochen. Sie waren einfach da und das wussten sie beide. In dem Moment aber, als sie mit ihrem Freund zusammenzog, war es vorbei. Sie waren ‚Freunde’, aber der Zauber war nicht vorüber, nie.

Sie wollte, dass das so blieb und wollte einfach nichts darüber hören, dass er womöglich jetzt glücklich verheiratet war und zwei Kinder hatte. Als ihr bewusst wurde, dass sie ihn anstarrte und spürte, wie sehr der Gedanke sie immer noch traf, senkte sie ihren Blick und schaute angestrengt auf das Büffet, als könnte sie dadurch ihre innere Aufgewühltheit über dieses plötzliche und unerwartete Wiedersehen verbergen.

„Wir stehen im Weg", sagte er grinsend und zog sie sanft vom Buffet fort. Fasziniert bemerkte sie, dass er noch immer das gleiche charmante Lächeln hatte, das ihr schon damals am besten an ihm gefallen hatte. „Wollen wir zusammen einen Kaffee trinken?", fragte sie mit weichen Knien. „Wir haben uns fünf Jahre nicht gesehen, klar trinken wir einen Kaffee zusammen", sagte er. Ihr wurde plötzlich bewusst, wie sehr sie ihn all die Jahre vermisst hatte. Am liebsten hätte sie ihn auf der Stelle umarmt. Sie gingen auf einen Tisch zu und er rückte ihr den Stuhl zurecht. „Wie geht’s Dir?", fragte sie ihn nervös. „Vielen Dank, mir geht’s sehr gut", antwortete er strahlend. Ihr Herz zog sich zusammen. „Wie waren die letzten fünf Jahre?“ Sie bemühte sich um einen beiläufigen Tonfall. Er legte die Stirn in Falten und mit diesem, ihr erschreckend vertrauten Gesichtsausdruck erzählte er ihr über seinen beruflichen Werdegang der letzten Zeit, seine Erfahrungen in einem anderen Land zu arbeiten und zu leben.

Sie hatte ihm früher sehr gerne zugehört, aber jetzt konnte sie sich nur schwer auf das, was er sagte konzentrieren. Sie sahen sich lange schweigend an, so als wisse der eine was der andere gerade denkt und nach langem, hoffnungsvollen Schweigen fragte sie schließlich, auf die Art und Weise, die er eigentlich noch gut von ihr kennen sollte, auf die Art, die nie ganz klar machte, ob sie scherzte oder es ihr ernst war: „Und? Verheiratet? Verlobt? Kinder...?"

Sie versuchte weiter zu atmen und sich ihre Anspannung nicht anmerken zu lassen. Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich und er atmete tief ein. Sie wollte nichts hören. Oder doch? Die Situation war unerträglich.
Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, sagte er: „Nein. Nicht verheiratet, nicht verlobt, keine Kinder und über all das auch nicht ernsthaft nachgedacht. Ich hab mich schon damit abgefunden, dass ich einsam sterben werde", fügte er in gespieltem Bedauern hinzu. Unmerklich atmete sie aus und ließ ihren Körper erleichtert entspannen. „Und bei Dir?", fragte er und schaute auffallend gelangweilt auf seinen kalt werdenden Kaffee. Sie grinste ihn an und sagte: „Du weißt doch, dass ich eigentlich immer nur auf Dich gewartet habe."

Nach kurzem Schweigen wurde ihr Gesicht ernst und sie senkte nun ihrerseits den Blick um ihm bei den folgenden Worten nicht in die Augen schauen zu müssen. "Ich hab’ dich nie vergessen. Wahrscheinlich ist das der Grund dafür, warum ich es mit niemandem lange ausgehalten habe. Ich habe jedes Mal gedacht, dass es geht, dass ich es überstanden habe, aber ich hab's nie geschafft. Du warst bei mir, die ganzen verdammtem fünf Jahre." Langsam sah sie zu ihm auf. "Verdammt, das war ehrlich", dachte sie und konnte es selbst kaum glauben. Im Hintergrund lief ‚Sad Beautiful Tragic’ von Taylor Swift und alles passte. Die Welt stand still. Alles war egal. Sie sahen sich einfach nur an. Wie damals. Nur jetzt. Nur frei. Und entschlossen. Plötzlich war alles so einfach. Sie saßen da, jeder vor einem fast kalten, unberührten Kaffee. „Wir sollten ihn trinken, bevor er kalt wird", sagte er.
„Ja, mit manchen Dingen sollte man sich nicht allzu viel Zeit lassen“, sagte sie lächelnd. Er nahm ihre Hand und antwortete leise: “Das stimmt. Aber offenbar macht es bei anderen Dingen gar nichts aus...“.

 
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Siina schrieb:
… und das irgendwie meine Geschichte war damals. Ich hatte mich allerdings für den anderen Mann entschieden und diese Geschichte war quasi die Verarbeitung und meine Art, mir vorzustellen, wie es hätte sein können. Vielleicht fehlen deshalb einige Details... Ich werde es bei der nächsten Geschichte jedenfalls bedenken. Ich stelle eine weitere ein (aus der selben Zeit), bin sehr gespannt auf weiteres Feedback.
Das schreibst du unter deiner Debütgeschichte, Siina, und das lässt mich jetzt natürlich vermuten, dass auch dieser Text hier autobiografische Züge trägt. Nun ist es mitnichten die falsche Herangehensweise ans Schreiben, Selbsterlebtes zu reflektieren und zu verarbeiten, vermutlich war es für die Mehrzahl von uns genau das, was uns überhaupt erst zum Schreiben brachte. Allerdings macht es das naturgemäß schwieriger, den Text zu kritisieren, weil jegliche Kritik daran von dir eventuell als Kritik an „deinem Leben“ fehlverstanden werden könnte. Was mir natürlich leid täte, aber, nun ja, da du den Text nun mal in einem Literaturforum veröffentlichst, rezipiere ich ihn - wie ich es in aller Regel bei allen Geschichten hier im Forum tue - nicht anders, als wäre er die Schilderung eines fiktiven Geschehens, das einer oder mehreren fiktiven Figuren widerfährt. Auf eventuelle Befindlichkeiten des Autors/der Autorin kann und will ich bei der Rezeption prinzipiell keine Rücksicht nehmen.
So viel mal vorausgeschickt.
Weil ... nun ja, also ich fand's nicht so toll. Das Thema, das du gewählt hast, ist zwar wirklich gut, dieses Thema von der einen, großen Liebe, in Wahrheit ja der Stoff, der den großartigsten und herzzerfetzendsten Werken der Weltliteratur zugrunde liegt. Ist ja auch ein unerschöpfliches Thema, auch wenn es immer um dasselbe geht, aber … hm, also du machst mir eindeutig zu wenig daraus. Mir fehlt hier das Originelle, das Individuelle, sowohl in der Dramaturgie als auch in der Figurenzeichnung und ganz besonders in der Erzählsprache. Ja, der verdammte Stil. Für mich das Um und Auf jeder Lektüre. Der ist mir hier einfach zu betulich, dem Thema einfach nicht angemessen, bzw. - noch gnadenloser gesagt – dem Thema nicht gewachsen.

Anfangs hatten sie sich noch regelmäßig geschrieben, als allerdings feststand, dass er seine Arbeit in Frankreich fortsetzen würde und nicht wie eigentlich geplant nach einem Jahr zurück kommen würde, hatte der Kontakt langsam nachgelassen. Sie dachte viel an ihn und schrieb nicht nur eine Mail, die sie am Ende nicht abschickte, aus Angst, Dinge über sein Leben zu erfahren, die sie besser nicht hören wollte.
Für sie hatte es nach ihm nicht viele Männer gegeben, zumindest keinen, der in ihr annähernd die Gefühle auslöste, wie sie sie damals bei ihm kennengelernt hatte. Sie hatte sich noch während ihrer Beziehung zu ihrem damaligen Freund in ihn verliebt. Einfach so. Liebe auf den ersten Blick, ganz clichéhaft, so wie sie es nie wirklich für möglich gehalten hatte. Am Ende war sie, nach einer intensiven aber kurzen Affäre, bei ihrem Freund geblieben und er war beruflich nach Frankreich gegangen. Sie hatten nie über Gefühle gesprochen. Sie waren einfach da und das wussten sie beide. In dem Moment aber, als sie mit ihrem Freund zusammenzog, war es vorbei. Sie waren ‚Freunde’, aber der Zauber war nicht vorüber, nie.

Sie wollte, dass das so blieb und wollte einfach nichts darüber hören, dass er womöglich jetzt glücklich verheiratet war und zwei Kinder hatte.

Das klingt mir einfach zu … wie soll ich sagen, zu brav, zu bieder erzählt. Da fehlt mir eben das Quentchen Literarizität, das aus einem Text mehr macht als eine bloße Lebenserinnerung irgendeines Menschen. Ich weiß schon, was ich da verlange, ist … hm, ja, also das sind Ansprüche, die kaum einer der Autoren hier erfüllen kann, schon gar nicht ein Debütant, aber Forum für Hobbyschreiber hin oder her, irgendwie erwarte ich mir halt immer noch, dass jeder, der hier veröffentlicht, sich um jeden Satz so bemüht, als wäre er der allerletzte, den er jemals schreiben darf.

Tja, Siina, wie gesagt hast du ein Thema, das allemal geeignet wäre, dem Leser einen Pfahl ins Herz zu rammen. Sollte es dir jetzt noch gelingen, das alles in eine adäquate, mitreißende Erzählsprache zu kleiden, dann … dann … ja, dann hättest du bei uns dilettierenden Hobbyschreibern hier eigentlich eh nichts mehr verloren. :D

Willkommen hier, Siina.

offshore

 

Danke Offshore, mich bringt tatsächlich jedes Feedback weiter. Ob ich nun mit allem einverstanden bin oder nicht, jeder Kommentar öffnet mir Türen zu neuen Ideen oder Impulsen... Und auch wenn meine Geschichten autobiographische Züge haben, sind sie doch Fiktion und selbst wenn nicht, würde ich Kritik niemals als Kritik an meinem Leben empfinden. Ist mir wichtig zu sagen, denn sonst hätte ich hier, wie ich finde, tatsächlich nichts verloren :) Also danke für den Kommentar. Eine Frage: ist es gewollt, dass man auf Kommentare antwortet? Oder ist man besser sparsam mit Beiträgen dieser Art? LG, Siina

 

Siina schrieb:
Eine Frage: ist es gewollt, dass man auf Kommentare antwortet? Oder ist man besser sparsam mit Beiträgen dieser Art?
Ich will's mal so sagen, Siina: Natürlich ist niemand verpflichtet, mit seinen Kritikern in Dialog zu treten, als Zeichen gegenseitiger Wertschätzung ist es hier allerdings durchaus gern gesehen und dementsprechend üblich.

 

Find ich ja auch, aber mich hat ein Kommentar von jemandem verwirrt, der meinte, dass ich dafür, dass ich hier noch so neu bin, schon zu viele Beiträge geleistet habe, aber das bezog sich dann vermutlich ausschließlich auf eigene Geschichten...Ich finde mich hier erst ein :)

 

Liebe Siina,

ich finde die Geschichte stilistisch angenehm zu lesen, ich fühle mich gut mitgenommen und stolpere nicht.

Im ersten Teil bin ich nur hier

Sie dachte viel an ihn und schrieb nicht nur eine Mail, die sie am Ende nicht abschickte,
hängengeblieben. Man versteht es ja schon, aber man sieht eben die Betonung nicht. Möglich wäre auch "mehr als (nur) eine Mail" - vielleicht eingängiger (?), allerdings auch dann noch eine Frage der Betonung...

Über den Aufbau der Geschichte würde ich aber gerne ein bisschen meckern.
An dieser Stelle

„Wir haben uns fünf Jahre nicht gesehen, glaubst du, ich lass dich jetzt einfach so gehen?", fragte er augenzwinkernd.
ist ja eigentlich schon alles gelaufen. Die Spannung ist raus, das ist mir zu früh. Jetzt kann man der Romanze noch zusehen, wie sie sich friedlich weiterentwickelt, mehr kommt nicht.
Die Annäherung kommt aber aus meiner Sicht nicht nur zu früh, sondern verläuft auch zu glatt. Es gibt gar keine Reibung. Anders wäre es, wenn sie dann eben doch wieder, weil irgendetwas schief läuft, auseinander gingen.

Ich finde es im Anschluss übrigen auch sprachlich nicht mehr ganz so rund wie am Anfang. Vielleicht liegt das ja sogar auch zum Teil daran, dass du nun fast nur noch berichtest, was man sich bereits selbst so ungefähr denkt.

Sie hatte ihm schon immer gerne zugehört, aber jetzt konnte sie sich nur schwer auf das Gesagte konzentrieren.
"Das Gesagte" klingt nach Gebrauchsanweisungsdeutsch. Ich fände besser "...auf das, was er sagte," oder gar "..., aber jetzt konnte sie sich nur schwer konzentrieren."

Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit,
"gefühlt" in Kombination mit irgendwas hört man so oft...

Jetzt noch ein Beispiel für einen Satz, den ich im Ton zu berichtend finde:

Nach kurzem Schweigen wurde ihr Gesicht ernst und sie senkte nun ihrerseits den Blick um ihm bei den folgenden Worten nicht in die Augen schauen zu müssen.
Das klingt wie eine Zusammenfassung einer Geschichte, aber nicht wie die Geschichte selbst: Möglichst viel möglichst knapp zusammengedrängt. Und dazu Formulierungen wie "bei den folgenden Worten" - da raschelt das Papier, so trocken klingt das.

Ich erlaube mir mal, ins Blaue hinein zu mutmaßen: Möglich wäre ja wirklich, dass diese Geschichte - ich greife den vorangehenden Kommentar auf - teils autobiographische Züge trägt und dass du dich eventuell gerade deswegen scheust, so richtig loszulegen und ungeniert zu zeigen, wie es der Protagonistin im Innern geht. In dem Fall könntest du vielleicht versuchen, das Ganze zu verfremden, so dass die Situation für den unsichtbaren Spion, der dir beim Schreiben über die Schulter schaut und der dabeigewesen sein will, überhaupt nicht mehr erkennbar ist.
(Nebenbei wäre dadurch Raum geschaffen für eine ganz andere Entwicklung.)
Nur so 'ne Idee.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Huhu Erdbeerschorsch, danke für deinen Beitrag, ich finde alles, was du sagst sehr einleuchtend und auch echt hilfreich. Für sowas braucht man echt Außenstehende, da wäre ich tatsächlich nie selbst drauf gekommen. Werde versuchen, die Ideen umzusetzen. Liebe Grüße, Siina :)

 

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