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alte Liebe rostet nicht

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08.11.2001
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2.833

alte Liebe rostet nicht

alte Liebe rostet nicht

"Gibst Du mir bitte mal den Zucker?"
"Ja, sicher"
"Danke"
"klar"
"Liest Du die Zeitung noch?"
"Ja, ich kann Dir den Sportteil aber schon rübergeben"
"Danke"
"Da steht was drin über den Fußballer, von dem Du mir letzte Woche erzählt hast. Diesen ... ach, siehste ja selbst"
"Ja, werd ich schon"
"Wann kommst Du heute abend?"
"Gegen sieben. Hab ich doch gestern schon gesagt"
"Hast Du? egal"
"Ja, klar"

"Du hast jetzt schon fünf Minuten nichts gesagt"
"Mmh"
"Warum nicht?"
"mmh"
"Hörst Du mir überhaupt zu?"
"mmh"
"Ehrlich?"
"Klar, Schatz"
"na gut"
"muss los"
"ja, klar"
"bis heut abend"
"mmh"
"ich liebe Dich"
"ich Dich auch"
"Der Kaffee war heut gut"
"ja"
"ich freu mich wirklich auf heute abend. Dann können wir reden. Das fehlt mir sonst"
"haben wir doch grad"
"ja, aber dann können wir uns weiter unterhalten"
"gut. Bis dann"
"ja"

 

Hmm, Dialog liest sich in ungefähr 50 Sekunden, gefällt mir aber gerade wegen Ambivalenz des knapp Gesprochenen ziemlich gut. Man weiß also nicht ob sich die beiden wirklich mögen, ob sie sich nur was vormachen, oder ob hier Liebe zur Gewohnheit geworden ist.
Wahrscheinlich von allen etwas, denke ich.

 

Nicht schlecht, alte Liebe rostet wohl wirklich nicht. So "gut geschmiert" sind wohl viele Dialoge in Deutschen Haushalten. Sobald sich ein Konflikt anbahnen könnte, wird nicht weiter in diese Richtung diskutiert:

"Gegen sieben. Hab ich doch gestern schon gesagt"
"Hast Du? egal"
"Ja, klar"

"Hörst Du mir überhaupt zu?"
"mmh"
"Ehrlich?"
"Klar, Schatz"
"na gut"

Sie versucht immer noch, ein Gespräch anzufangen, z.B.

"Da steht was drin über den Fußballer, von dem Du mir letzte Woche erzählt hast. Diesen ... ach, siehste ja selbst"
"Ja, werd ich schon"

aber er blockt immer ab (diese Situation dürfte vielen bekannt vorkommen). Sie hat sich wohl mittlerweile daran gewöhnt, nicht weiter zu fragen. Wahrscheinlich hat sie bereits schlechte Erfahrungen gemacht?

gruss,
philipp.

 

Hi!
ich finde es gruselig, daß solche Dialoge morgens hinter fast jedem Küchenfenster geführt werden. aneinander vorbei geredet. Unerfüllte Wünsche. Sehnsüchte...
@ Arc : ich habe noch nicht verstanden, ob er jetzt keine Wünsche hat? oder ob sein Wunsch Non-communication ist, oder ob das alles auf ihre Gefühle fokussiert ist?
bei ihr sehe ich jedenfalls bedürfnisse.. während er sehr abweisend bleibt...
ist das Absicht?

grüßchen,
Mark

 

Ich fands toll, Du hast die WOrtlosigkeit und die Gewohnheit einer alten Deutschen Ehe gut rüber gebracht.

:thumbsup:

Hat Spaß gemacht

Gruß
nighty

 

Hi !
ich danke Euch allen für das Lob und die Bewertung.
meine Motivation für diesen Dialog kam wohl daher, daß ich versuchen wollte eine Kommunikation ohne Inhalt zu fabrizieren. Ich wollte sowas wie ein Gespräch ohne Inhalt oder so schreiben, das trotzdem etwas aussagt.
Nur sollte die Aussage nicht von den Dialogpartnern selbst kommen, sondern sich erst aus der Bewertung durch den Leser erschließen.
Meine "Alternative" war ein Politiker- oder Diplomatengespräch, bei dem mit vielen Worten nichts gesagt wird. Aber das hier fand ich - leider - lebensnäher...

Gott sei Dank kenne ich diese Gespräche nur vom Zuhören oder Beobachten bei anderen...

Lieben Gruß,

Arc

PS: wollte auch mal zeigen, daß ich mich (realtiv) kurz fassen kann ;)

 

von wegen mich kurzfassen: gleich noch ein Nachtrag:

@Philipp & Mark:

ja, auch die psychologische Seite des Ganzen war nicht uninteressant... wie schlüpfen die beiden in das jeweilige Rollenverhalten?
ist doch schon erstaunlich... INhaltlich reden sie über Sport, Arbeit und Alltag. Mit keinem Wort ein ( direkter ) Hinweis darauf, ob es Mann und Frau sind ( eine WG? Eine homosexuellen Beziehung? andere Menschen, die zusammen leben ? Eltern/ Kind? wie auch immer... )
jedenfalls könnte ich schwören, daß nach diesem Gespräch jeder - so wie Du Philipp - fest davon ausgeht, daß SIE reden will und ER zur Arbeit geht ...

war auch so gemeint. Aber aus so wenig Text eine so sichere Erkenntnis zu ziehen... eigentlich ist das traurig, das das wirklich funktioniert. Rollenverhalten, Clichees, gesellschaftliche Erwartungen... so leicht kommt man da nicht raus..
- fand ich interessant zu sehen!

ciao,

Arc

[Beitrag editiert von: arc en ciel am 07.03.2002 um 13:36]

 

stimmt, diese Schlussfolgerung habe ich einfach ohne weitere Hinweise gezogen. Man ist tatsächlich in diesen Klischees festgefahren. Deshalb erfährt ja auch diese "Er ist vom Mars / Sie ist von der Venus" Literatur einen wahnsinnigen Boom in letzter Zeit. Und was meinst Du, wer diese Bücher eher liest: Er oder Sie? ;) :)

gruss,
philipp.

 

Hi!
ja, ich habe auch schon eins von den Dingern gelesen... mußte mal neugierig sein!
aber das Ergebnis war: das was da auf über 150 Seiten stand, hätte gut auch auf 10 gepaßt!
also hätte er alle Bücher in eins packen können. Und wirklich NEUE Erkenntnisse sind da leider auch nicht drin... dachte, es macht mich kreativ, aber Pustekuchen.

naja, jedenfalls heizen solche Bücher schon das Clichée-Verständnis an.

lieben Gruß,
Arc

 

ich hab mal versucht eins von diesen Büchern zu lesen. Bin aber eben aus genau dem Grund, dass diese Bücher so schwafelig sind, nie weit damit gekommen.

Lieben Gruss,
philipp.

 

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