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Als Koslowski mit Dreifuffzich die Welt rettete
Als Koslowski mit Dreifuffzich die Welt rettete
„Aussehen? Größe? Wann und wo verloren?“ Amtsinspektor Ackermann brachte die Angaben des Petenten zu Papier ohne aufzublicken. Jenseits der Sicherheitsglasscheibe in der Fundbüro-Außenstelle Altona-Süd trat Gott verlegen von einem Fuß auf den anderen und versuchte, die Erinnerungsfetzen der letzten Nacht in Einklang zu bringen. Vergeblich.
Trotz der Ermahnungen seines Torwächters Petrus war er am Vorabend mit einigen Heiligen auf Sauftour gegangen. Der Barmherzige Atergo, Schutzpatron der Hafendirnen und Gehenkten, hatte sie in einige üble Kaschemmen geschleppt und auf Teufelkommraus Lokalrunden geschmissen. Dann hatten sie die Zeche geprellt und waren weiter um die Häuser gezogen. Was soll’s hatte sich der Liebe Gott gedacht. Immer nur ehrbar sein is flau wie Engelsfürze.
In der ersten Kneipe hatte Gott sich noch ein bißchen geziert. Aber dann hatte ihn der Heilige Brandisius, der einst von seinen Peinigern im Zirkus Maximus in Avernerschnaps eingelegt und angezündet worden war, und deswegen auch nach zweitausend Jahren noch immer wie ein Straßenpenner der besonders penetranten Art roch, in die süße Welt des billigen Fusels eingeführt.
Beim fröhlichen Stiefelsaufen waren sie sich dann näher gekommen: Der Liebe Gott und die dralle Erika, die mit ihrem pudelblonden Falschhaar und den viel zu langen Wimpern auf Vierzig machte, während die Jahresringe unter ihren Augen ihr wahres Alter in die Welt schrieen.
Gott hatte Erika von den Schwierigkeiten erzählt, ein ganzes Universum zu erschaffen, was er so über den Nahostkonflikt dachte und wieso er Bayern München hasste. Und Erika hatte Gott vom letzten Winter berichtet, den sie mit ihrem bierbäuchigen Manchmal-Lebensgefährten auf einem Campingplatz bei Allicante verbracht hatte. Dann waren sie abgezogen und Gott hatte draußen auf der Straße noch ein paar Choräle geschmettert und dazu mit einem alten Besenstiel den Takt des River-Kwai-Marsches auf Mülltonnen intoniert – viel zu laut für die späte Stunde und leider in hörbar falscher Tonlage. Und weil Gott nicht gleich um die Ecke wohnte, waren sie zu Erika gegangen. Das war alles, was der Herr der Himmels noch wußte. Irgendwo hier oder bei Erika musste er sie also verloren haben.
Ackermann blickte von seinem Formular auf. „Dann werden wir einmal die Neuzugänge der letzten Nacht sichten. – Wenn Sie bitte so lange warten wollen.“ Der Beamte rückte seine Brille zurecht und ging gemessenen Schrittes und mit der Würde seiner Besoldungsgruppe in die benachbarte Fundsichtungsstelle um sich dort in aller Ruhe sein zweites Frühstück zu gönnen: Butterstullen mit doppelt Leberwurst und dazu lauwarmen Hagebuttentee.
Kaum zwei Stunden später – der liebe Gott hatte sich zwischenzeitlich nervös Finger- und Fußnägel heruntergekaut – kam Ackermann wieder zum Vorschein. In einem halbdurchsichtigen Plastikbeutel trug er die Erde vor sich her. „Ist sie nicht strahlend schön?“, dachte der liebe Gott. Noch immer war er stolz auf sein Jugendwerk, mit dem er einst den Künstlernachwuchspreis beim großen Kreatoren-Happening gewonnen hatte.
„Das macht dann Dreifuffzich Bearbeitungsgebühr.“ Mit einem kräftigen Ruck schob Ackermann die Geldaufnahmeschublade unter dem Sicherheitsglas nach vorn und wies auf das darunter liegende Formular. „Und hier, hier und hier bitte unterschreiben.“
Gott erbleichte. Der Schöpfer des Himmels und der Erde hatte auch seine Geldbörse verloren. Wahrscheinlich war sie ihm irgendwo zwischen Reeperbahn und Blauem Klaus aus den unpraktisch großen Taschen seines Kittels entglitten oder von einer diebischen Bordsteinschwalbe bei einer flüchtigen Umarmung entwendet worden. Verlegen tastete Gott seine Hemdtaschen ab und nuschelte schließlich mit erkennbarer Röte im Gesicht: „Habbich nich“. Hinter ihm hatte sich bereits eine Schlange gebildet, ungeduldiges Räuspern war zu hören.
Ackermann zog mit kühler Geste die Geldaufnahmeschublade zurück auf seine Seite der Glasscheibe. „Annahme durch Eigentümer verweigert“, kreuzte er auf dem Formular an. In kleinen maschinengedruckten Lettern stand darunter. „Fundgegenstand fällt an den Finder der Sache.“ Ackermann winkte einem Herrn der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte und nun herüber humpelte: „Nehmen Sie als Finder den Fundgegenstand an? Dann müssten Sie allerdings noch einige Formulare ausfüllen“ – „Klar“, sagte der Teufel und wollte gerade umständlich seine Krokodilslederbörse zücken, als Koslowski, der direkt hinter Gott in der Schlange stand, der Kragen platzte.
„Nun geben’se dem alten Mann doch seinen Beutel“, schnaufte er. „Sonst stehen wir morgen noch hier.“ Mit Gönnermiene zog er einen 5-Euro-Schein aus dem Portmonee und drückte ihn Gott in die Hand. Überglücklich nahm Gott den Schein, reichte ihn Ackermann hinüber und nahm im Gegenzug die Welt in Empfang. Und während der Teufel sich wutschnaubend in einer Wolke aus Dreck und Schwefel in den Orkus verabschiedete, kullerten Gott Freudentränen über die Wangen. Dankbar und gerührt ernannte er Koslowski spontan zum Erzbischof von Abessinien.
Schade. Koslowski war Atheist.