Was ist neu

Als der Sessel brannte

Beitritt
23.05.2003
Beiträge
25

Als der Sessel brannte

Als der Sessel brannte

Er war zu alt für den 2. Krieg, hatte schon im ersten gekämpft. Aber als dann alles zusammenbrach, alte Männer und Kinder die Stadt verteidigten, den Endsieg bringen sollten, da sollte er sie führen.

Er hat meinen Vater nur selten geschlagen, aber als der in das Zimmer kam, das Radio nicht die gewohnten Siegesmeldungen brachte, sondern BBC, da hat er ihn verdroschen.

Dann kamen die Amis, standen vor der Stadt, die alten Männer und Kinder warteten auf die Befehle, in ihren Augen die Fragen an den Führer. Er sagte: Geht nach Hause.
Es dauerte nicht lange, bis die SS kam. Wie durch ein Wunder wurde er nicht erschossen.

Als alles vorbei war, sagte sie: Du kannst nach Bonn gehen, aber deine Hosen bügele ich dir nicht. Also ging er mit ungebügelten Hosen nach Bonn. Den Kanzler störte es nicht, den freute es ihn zu sehen, gab ihm die Hand im Bundestag, wann immer sie sich dort sahen.

Er war kein Redner, stand nicht in der ersten Reihe. Er wirkte einfach durch seine Person. Ich erinnere mich an das Bild in der Zeitung: Adenauer spricht, dahinter, darüber, im Präsidium sitzt er, ist einfach da.

Ein anderes Bild: Das Auto fährt vor, Standarte der BRD, Ludwig Erhardt steigt aus, die unvermeidliche Zigarre, auch er raucht eine, steht in der Mitte vom Bild.

All das war vor meiner Zeit.

Ich war der einzige Enkel, der von sich aus zu den Großeltern wollte. Warum auch? Es gab zwei Plastikautos, völlig unspektakulär, gespielt werden durfte sowieso nur auf dem roten Teppich.

Ich ging trotzdem hin: Da war die Standuhr, gebannt stand ich mit ihm davor, schaute nach oben, als wir sie zusammen aufzogen: So entstand also die Zeit?!

Ich ging spazieren mit ihm. Im Winter waren da Spuren im Schnee. Er sagte: Das war wohl ein Hund.
Ich entgegnete: Nein, die sind so groß, das war bestimmt ein Seehund.

Er hatte immer mehr Stimmen bekommen als die eigene Partei, war drei Mal in Bonn.

Kurz vor der nächsten Wiederwahl, wurde etwas in die Zeitung gesetzt, es war zu spät um darauf zu reagieren. Er hatte nicht mal einen Listenplatz, so sicher war die Wiederwahl.

Er war über die Alpen gewandert, der Breite und auch der Länge nach. Aber wenig später dann bekam er den ersten Schlaganfall.

Er hatte Klavier gespielt, die Mondscheinsonate, als die Finger nicht mehr ganz so wollten, knallte er ungehalten den Klavierdeckel runter und hat nie mehr gespielt.

Dann saß er in seinem Sessel und schwieg. Nicht ganz, er drehte Däumchen.
Die Großmutter band ihm die Serviette um und sang: Sitz grade, sitz grade, der Kaiser hält Parade. So hat sie ihn gefüttert.

Ich war zehn Jahre alt, hab Gitarre gespielt und gesungen an seinem Sterbebett. Er rief mich zurück, flüsterte, das war aber schön.
Er hat sich dann entschuldigt, bei meinem Vater, für dass, was er getan hat.

Ich erbat mir den Sessel, da saß er, drehte Däumchen, das war meine Erinnerung.
Ich hatte nichts zum Einrichten, aber jeden Umzug machte das unhandliche Ding mit. Ich saß kaum drauf.

Ich war schon erwachsen, als ich verstand, was damals in der Waschküche geschah. Und trotzdem dauerte es weitere Jahre, bis ich merkte, wie die alte Geschichte mein eigenes Leben bestimmt hatte: Da hab ich den alten Sessel rausgezerrt, bin zur Tanke und hab Benzin geholt; den Sprit drüber gekippt und angezündet:

Es hat so gebrannt.

 

Hallo fliegdurchdieZeit,

so ganz war das leider nichts. Auf der einen Seite schreibst du schöne Erinerungsimpressionen an den Großvater, an sein Leben und an die Erlebnisse deines Prots mit ihm, die allerdings manchmal etwas weniger knapp hätten ausfallen können, auf der anderen Seite verheimlichst du uns grad den Titel. Der Prot hat also als Erwachsener etwas erkannt. Leider enthältst du uns vor, welchen Einfluss der Sessel auf sein Leben hatte. Somit wird unklar, warum der einst geliebte Sessel in Flammen aufgeht. Nur, dass er schon gebrannt hat.
Ein bisschen mehr Geschichte über diesen Sessel wäre schon neben der Geschichte über den Opa gut.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo sim,

du hast natürlich Recht,
es fehlt da schon eine Antwort, eine Erklärung.

Der prot hat aber danach so lang suchen müssen, gebraucht, dass es einfach doof wäre, die in zwei Zeilen zu liefern.

Danke für deine Worte,
aber Inhalt der Geschichte ist: ein Antwort gibt es nur nach langer Suche.

Grüße

fliegdurchdieZeit

 

Hallo fliegdurchdieZeit,

ich muß sim leider Recht geben; es fehlen die Antworten. Ich hab gerade ein dickes Fragezeichen im Gesicht, weiß nicht wirklich, was es mit dem Sessel eigentlich auf sich hat. Du beschreibst ein paar wirklich schöne Szenen, aber leider brichst Du immer wieder ab. Was Du beschreibst, sind Bilderfetzen, nicht wirklich Bilder, die ich mir eigentlich gewünscht hätte und die ich in Deiner Geschichte leider vermißt habe.

Liebe Grüße,
stephy

 
Zuletzt bearbeitet:

Hm stephy,

hab noch mal nachgelesen, was ihr beide geschreiben habt, trifft vermutlich zu.

Für mich reichen die paar Worte um die Bilder, die ich mir vorstelle auszudrücken. Für jemanden, der dies liest, mögen es zu weng Worte sein, aus den Bildern werden Fetzen.
Während für mich die Veränderung am Ende, die Frage danach und die Sprachlosigkeit, die zum Verbrennen des Sessels führt, ausreicht, kann das beim Lesen unmotiviert wirken, es fehlt was.

Schönen Dank für die Rückmeldung

Grüße fliegdurchdieZeit

fliegdurchdieZeit

 

Hallo fliegdurchdiezeit,
das ich den Text verstanden habe kann ich nicht behaupten, aber ich habe ein schummeriges Gefühl im Magen davon bekommen. Die Worte Schuld und Vergebung tauchen auf, die Welt dreht sich zurück in die frühe Kindheit, als wir noch auf den Teppichen saßen und unberührt vom Moloch der Welt spielten.
Sag was dazu, spanne den Bogen weiter und erkläre bitte ein wenig.
Alles liebe für dich*****************merlinwolf********

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Merlinwolf,

jetzt hast du sogar den Sebastian getoppt, der die "Carina" entschlüsselt hat.

Ja, Schuld und Vergebung, ja sehr schummriges Gefühl im Magen.

Erwachsen werden, vielleicht die Erkenntnis, wie sehr wir auf Schienen gesetzt sind, die uns lenken, dass das Blut von Täter und Opfer in uns fließt, wenn wir damit leben wollen, Vergebung unerlässlich ist, aber nur sein kann, wenn die Schuld auch genannt wird, gerade wenn sie unaussprechlich ist.

Hm, ein schlauer Mensch schreib mir hier mal als Kritik: Was sagt es dir, wenn du deine Geschichten erst erklären musst?

Ich schätze mal, dann war die Geschichte nicht sonderlich gut.

Alles Liebe für dich

fliegdurchdieZeit

 

Doch, die Geschichte ist gut, keine Frage. Die Worte klingen schön nach und Bilder stellen sich ein. Vielleicht bin ich bloß zu neugierig, weil ich an das autobiographische in jeder Geschichte und in jedem Gedicht glaube.
Deine Erklärung reicht aber schon. Im Grunde wußte ich die Antwort auch.
Schreib weiter. Es ist wichtig.
alles liebe für dich
*************merlinwolf*************************

 

Hallo fliegtdurchdiezeit!

Stilistisch sehr knapp gehlten, Du gibst grade mal ein gerüst vor für die Gedanken der Leser....erinnert mich ein bsischen an Merlinwolfs Texte, die ich ebenfalls sehr gerne habe.
Die Geschichte ist gut, sehr gut, auch wenn sie nur sehr schwer zu verstehen sit. Das schummrige Gefühl ist auch bei mir geblieben, und ich werde den Text hier sicher ncoh öfters lesen.
Die ganzen einzelnen Bilder, knappen Details, das aht mcih sehr fasziniert....

liebe Grüße
Anne

 

Hallo Anne,

freu mich natürlich, wenn dir der Text gefallen hat trotz der berechtigten Fragezeichen, Auslassungen.

Ich mag die Geschichten von merlin sehr, musste an "Portugieser" denken, als ich noch mal las:

Eine sehr traurige, besonders schöne Geschichte, die erzählt, wie ein großer, alter Hund stirbt, der so viel vom Leben geteilt hat.

Ich glaub der Schlusssatz hieß: Es war ja passiert.

Hab keine Ahnung von Struktur und so, kann aber schon sein, dass ich von merlin klaue, was ich schön finde, nehme ich einfach mit.

Ich nenne das Klauen auch lernen.

Danke für die sehr netten Worte

fliegdurchdieZeit

 

Lieber fliegdurchdiezeit,
ich freue mich wenn du "klaust", das ehrt mich und läßt dich weiterschwingen auf den Rändern der Worte, wenn sie hochkannt stehen.
Kann nur noch mal betonen, schreib weiter, es ist wichtig für dich. Laß deinem Talent freie Bahn.
bitte
****************merlinwolf********

 

Liebe Merlin,

Geschichten sind für mich ein Blick zurück. Ich habe sehr lange zurück gesehen, als ich die Geschichten endlich verstand, den Rat verstanden: Hör endlich auf, mit den alten Geschichten.

Heute freu ich mich, wenn die Sonne mir ins Gesicht scheint, etwas nach 7 Uhr aufgeht, freue mich für den Augenblick, den ich gefunden habe, der weiter trägt als der nach 7 Uhr.

In der Zukunft, die ich nicht suche, mag es sein, dass ich zurück schaue, jetzt freue ich mich, wenn es ist, wie es ist, mag darüber gar nicht schreiben, wer würde dass schon hören wollen?

Du kannst bestimmt hören, was ich jetzt sage,
darum brauch ich die Worte nicht.

fliegdurchdieZeit

 

Lieber fliegdurchdiezeit,
ja, ich habe das gehört, die Worte die du nicht sagen brauchst. Natürlich*
Ich würde sie aber trotzdem gerne lesen, verpackt in eine Geschichte. Nimm den Stift in die Hand oder hau in die Tasten. Deine Leser warten
************merlin***************

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom