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Als der Rechner versagte
Eine eisige Gänsehaut riss R36-A aus seinem seichten Schlaf und machte ihn auf den Temperaturabfall aufmerksam. Sogleich wurde ihm klar, dass der zentrale Hauptrechner ausgefallen sein musste. Wenngleich das grundsätzlich ein Ding der Unmöglichkeit darstellte, wäre es bei weitem nicht so abwegig wie ein Ausfall der Heizung, denn das würde auf einen simplen Fehler im System des Rechners schließen lassen. Utopisch. Der Rechner machte keine simplen Fehler, eher würde das gesamte System kollabieren. Der Rechner steuerte alles, er lief stets zuverlässig und perfekt, ohne Ausnahme.
A schaute auf die Uhr. 05:30 Uhr. Im Grunde hatte er noch eine gute halbe Stunde der Ruhe und des Friedens, bevor die Pflicht nach ihm verlangte, doch die sonderbare Anomalie der Raumtemperatur irritierte ihn derart, dass er beschloss, den Gemeinschaftsraum aufzusuchen, welcher den Mittelpunkt der kreisförmig angeordneten Arbeitsräume bildete. Er zog seine Uniform an und durchquerte schnellen Schrittes den Korridor, einen quadratischen, spärlich beleuchteten Tunnel, dessen Wände sich hinter einem dicht verwachsenen Geäst aus Kabeln, Drähten und Schläuchen verbargen. Alle zwei Meter befanden sich auf Schulterhöhe rechteckige Schirme, die für gewöhnlich Daten wie Raumtemperatur, Produktivität sowie Leistungs- und Stimmungsgrad der Kommune anzeigten und einmal täglich die Nachrichten ausstrahlten. Nun allerdings waren sie von einer beängstigenden Schwärze erfüllt, ihre gähnenden Schlünde schienen A regelrecht verschlingen zu wollen.
Die restlichen Arbeitseinheiten hatten sich bereits im Gemeinschaftsraum versammelt und waren sichtlich aufgebracht. D kam sogleich auf A zugerannt und fuchtelte wild und unkontrolliert mit den Armen.
„Was... ist hier... passiert?“, platzte es aus ihm heraus. „Nichts... funktioniert mehr... überhaupt... nichts!“ D machte wie immer völlig unerfindliche Satzpausen, die sein Gesprochenes roboterhaft wirken ließen und sich verzehnfachten, wenn er aufgebracht war. Dies jedoch war nie zuvor geschehen. In einer effizienten Kommune befand sich der Stimmungsgrad konstant zwischen 3 und 5, und R36 war überdurchschnittlich effizient.
A, der als rationalste Einheit der Kommune galt, versuchte der allgemeinen Entrüstung beizukommen, was sich als äußerst diffizile Aufgabe erwies, denn die restlichen Einheiten hatten sich, in ihrer unbeholfenen Panik, in den Gedanken hineingesteigert, die Kommune müsse aufgrund mangelnder Produktivität geschlossen werden, was unweigerlich ihren Tod durch Verhungern, Erfrieren oder Ersticken bedeuten würde. Beschwichtigend erklärte A, dass der Hauptrechner ausgefallen sein müsse.
„Von wegen!“ rief in spöttischem Ton C, eine vorlaute, hagere Xanthippe mit vogelartigem Gesicht und einem in Unverhältnis zu ihrem Gesicht stehenden Monstrum von Brille auf ihrer Nase. „Der Hauptrechner fällt niemals aus.“
„Bis jetzt. Denkst du tatsächlich, man würde unsere Kommune ohne weiteres abschalten? Unser durchschnittlicher Leistungsgrad ist weit über der vorgeschriebenen Norm, wie also sollte deiner Meinung nach eine solche Maßnahme gerechtfertigt sein?“
C wandte sich ab und kniff die Lippen zusammen, bis jegliche Farbe aus ihnen gewichen war, so wie sie es immer tat, wenn ihre Argumente widerlegt worden waren und sie es nicht wahrhaben wollte. Dabei konnten sie von Glück reden, wenn A recht behalten sollte.
„Ich denke, euch allen ist klar, dass wir nur abwarten können, bis der zuständige Kontaktposten der Regierung auf den Schaden aufmerksam wird und ihn behebt.“, ließ A verlauten. „Allzu lange dürfte das nicht dauern.“
Die anderen Arbeitseinheiten hatten dem nichts hinzuzufügen, denn die Situation war für alle neu und so war jeder froh, dass ein anderer sich darum kümmerte. Im übrigen wussten sie genau, wie das System funktionierte und, was noch wichtiger war, dass es funktionierte.
Kommune R36 war – wie alle Kommunen der staatlichen Arbeitsbezirke – eine rechnergesteuerte Zweckgemeinschaft, der Hauptrechner war gewissermaßen Herz und Hirn der Bewohner. Alle Kommunen waren auf höchstmögliche Effizienz ausgerichtet, den Bewohnern (die offizielle Bezeichnung lautete Arbeitseinheiten) wurde jeglicher Aufwand die Grundbedürfnisse sowie die Zerstreuung betreffend abgenommen und in einem streng geregelten Zeitplan festgelegt, um ihnen volle Konzentration auf ihre Arbeit zu ermöglichen.
Es gab zwei Arten von Kommunen, die produzierenden und die verwaltenden. Die produzierenden Kommunen verfügten über stählerne Bunker unterhalb der spartanisch eingerichteten Räumlichkeiten, in denen sich die Arbeitseinheiten einfanden, um Güter zu fertigen oder zu montieren. Die Bunker waren über ein gigantisches Netz aus Tunneln und Schleusen miteinander verbunden, sodass eine Art stadtübergreifende Fliesbandfertigung entstand.
Die verwaltenden Kommunen, zu denen auch R36 zählte, waren in sofern privilegiert, als sich ihre Arbeit oberhalb der Erde abspielte, was angesichts der beklemmenden Enge der Produktionsbunker durchaus als Vergünstigung zu werten war. Sie hüteten die Zahlen der Regierung, ihre Ausgaben und Einnahmen, erfassten und verpflichteten per Rechner arbeitsfähige Einheiten, wiesen sie Kommunen zu und sondierten ineffiziente aus
Die Kommunen beherbergten jeweils zwischen 3 und 10 Arbeitseinheiten, die wiederum jeweils für einen minimalen Teil der Regierungsarbeit verantwortlich zeichneten, was wirtschaftliche Vorgänge mit einschloss. Ein Informationsaustausch zwischen den Kommunen fand nicht statt, da es keine telekommunikativen Einrichtungen für derartige Zwecke gab. Es existierte lediglich eine Schnittstelle zum jeweiligen Kontaktposten der Regierung und selbst diese Verbindung war nur über den zentralen Hauptrechner möglich und konnte auch nur durch diesen veranlasst werden. Die Gebäude der Kommunen waren graue, hoch technologisierte Blocks ohne Fenster, sodass einem jegliche Sichtmöglichkeit auf die Außenwelt verwehrt wurde. Die meisten Einheiten – mit Ausnahme der Alten – hatten die Außenwelt nie gesehen, denn sie war schlichtweg unbewohnbar geworden. Ein bis dato unbekannter Virus war vor 50 Jahren ausgebrochen und hatte binnen weniger Wochen die gesamte Außenwelt in einen pulsierenden, tödlichen Krankheitsherd verwandelt. Da die Kommunen bereits vor dem Ausbruch des Virus existiert hatten, waren sie noch mit Türen versehen, schützende Überbleibsel aus einem antiquierten Zeitalter, fest verschlossen und mit schweren Quarantäneschlössern verriegelt. Es war den Einheiten nicht untersagt, ihre Kommunen zu verlassen, sie wurden lediglich darauf hingewiesen, dass eine Expedition nach draußen den sicheren Tod bedeutete und wer klug war, beherzigte diesen Ratschlag.. Laut den Nachrichten wagten immer wieder Einheiten den Weg hinaus und krepierten elend.
Um eine fortwährend effiziente Produktion von Arbeitseinheiten zu gewährleisten, war jede Einheit verpflichtet, sich drei Mal in ihrem Leben für das Paarungsprogramm zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zwecke wurden kontinuierlich Einheiten einander zugelost. Anschließend wurden sie mittels einem selbstständig fliegenden Isolationsvehikel, welches durch eine hermetisch abgeriegelte Landungsluke an die Kommune andockte, in eine Einheitenproduktionsstätte befördert, um für Nachschub zu sorgen. Der sogenannte Einheitenvorrat wurde 15 Jahre lang auf seine nachfolgenden Tätigkeiten vorbereitet und geschult. Mit Abschluss der Lernphase begann für sie das Warten auf die Zuweisung ihrer jeweiligen Kommune.
Selbstverständlich wussten die Einheiten der Kommune R-36 all das.
Als jedoch am nächsten Morgen der Fehler noch immer nicht behoben war, fanden sich die Einheiten erneut im Gemeinschaftsraum ein. Zwischenzeitlich war die gesamte Kommune von einer eisigen Kälte erfüllt worden, die merklich an allen nagte.
„Was... sollen... wir... tun?“, hechelte D bibbernd.
„Was schon? Abwarten natürlich.“, entgegnete A resolut. „Der Fehler wird jederzeit behoben. Gibt es etwa einen Grund, daran zu zweifeln?“ As Haltung war so gut wie unerschütterlich. Auch ihm machte die Kälte zu schaffen, doch er war weit davon entfernt, mit seinem eisernen Glauben an das System zu brechen, welches ihn zu dem gemacht hatte, was er war.
„Ich habe euch doch gesagt, dass wir abgeschaltet werden! Sie drehen uns den Hahn ab und jetzt müssen wir sterben.“, querulierte C lauthals mit ihrer unerträglich hysterischen Stimme.
A hob die Hand und gebot ihrem Geschnatter Einhalt.
„Wir warten. Zugegeben, bis jetzt gibt es keine Anzeichen einer Behebung des Fehlers, doch ich wiederhole, wir haben keinerlei Grund, an unserer Rettung zu zweifeln.“
B, der bis jetzt noch nichts gesagt, sondern lediglich mit ausdrucksloser Miene auf einem Stuhl gesessen und dem belebten Gespräch gelauscht hatte, erhob sich unvermittelt.
„Wir gehen raus.“, versetzte er mit endgültiger Bestimmtheit.
Während D ihn mit offenem Mund anstarrte, verfiel C sogleich in sinnentleerte Schnattertiraden.
„Du hast sie ja nicht mehr alle! Rausgehen! Hör sich das einer an! Willst du etwa draufgehen, du Vollidiot??? Die ganze Zeit hockst du schweigend daneben und kaum machst du den Mund auf, kommt nur Unfug raus!“
B ließ sie geduldig weiterbrabbeln bis ihr die Luft ausging, dann entgegnete er mit stoischer Ruhe: „C, du bist der Ansicht, dass die Kommune abgeschaltet wird, was unweigerlich unseren Tod nach sich zieht. Welchen Unterschied macht es also?“
C reagierte nicht, doch nach einigen Augenblicken sah man ihr an, dass sie die Widersprüchlichkeit ihrer Denkweise erkannt hatte.
A lächelte mild, doch ein dezentes Zucken seiner Mundwinkel verriet, dass etwas in ihm sich gegen seine gefasste Fassade aufbäumte.
„Du bist offensichtlich verrückt geworden, B. Jeder in diesem Raum weiß doch genau, dass bereits ein kurzer Aufenthalt in der Außenwelt genügt, um liquidiert zu werden. Der Rechner kann jeden Augenblick repariert werden, was also soll das ganze Gezeter?“
Betretenes Schweigen erfüllte die Atmosphäre mit Unbehagen. D senkte verlegen den Blick und scharrte unsichtbare Zeichen in den kalten, metallenen Boden. C, für die es nicht ungewöhnlich war, sich behaupten zu wollen und dann einsehen zu müssen, dass sie kein adäquates Denkvermögen besaß und sich in Folge dessen hinter jemandem zu verstecken, der augenscheinlich darüber verfügte, erhob als Erste die Stimme:
„Ich stimme B zu. Wir gehen raus.“
Alle Blicke wanderten erwartungsvoll zu D, der erschrocken aufblickte als ihm zu Bewusstsein stieg, dass alle Verantwortung auf seinen Schultern abgeladen wurde. Seine Unsicherheit steigerte sich ins Unermessliche und als er der Ergebnislosigkeit jedweder Abwägung in seinem nicht gerade illuminierten Geist gewahr wurde, beschloss er, die Lösung des Konflikts nicht weiter hinauszuzögern.
„Raus... Gehen.“, nuschelte er lakonisch.
Fassungslos musterte A die Abtrünnigen und hob zitternd die Hand zu einer drohenden Geste.
„Dreht ihr jetzt alle miteinander durch? Ihr müsst doch wissen, dass jeder Fehler im System erkannt und gewissenhaft behoben wird! Das wisst ihr doch, oder???“ A hatte es aufgegeben, seinen Zorn niederzukämpfen und gestatte sich, aufbrausend zu werden.
„Unser Entschluss steht fest.“ B war nicht von seinem Vorhaben abzubringen und er hatte die anderen beiden hinter sich. A blieb keine Wahl, er musste sie ziehen lassen.
„Und was bitte wollt ihr tun, wenn ihr draußen seid? Zu wem werdet ihr gehen?“ Er war bemüht, gelassen zu wirken, doch seine Stimme überschlug sich mehrmals.
B schmatzte, rollte mit den Augen und hob an: „Wo wir hingehen, werden wir sehen. Hier drinnen werden wir krepieren, das steht fest. Draußen mit Sicherheit ebenfalls, aber wenn wir ehrlich sind, wissen wir es doch gar nicht... War einer der Anwesenden jemals bei der Einheitenproduktion und hat die Außenwelt gesehen? Und noch etwas sollte angeführt werden, die Lichter werden hier drinnen nicht ewig brennen. In den nächsten Stunden dürften die Akkus leer sein. Es flackert bereits.“
Erneut durchdrang Schweigen den unterkühlten Raum.
„Fein. Tut, was ihr wollt, ich bleibe hier. Wenn ihr so scharf darauf seid, zu verrecken, nur zu! Aber ohne mich, mir liegt was an meiner Existenz. Zeit eures ignoranten Lebens habt ihr euch in der Sicherheit des Systems gesuhlt wie Schweine im Schmutz und kaum fällt der Rechner aus und ihr redet von rausgehen! Wie undankbar seid ihr eigentlich?“ Wutentbrannt und ungestüme Verwünschungen ausstoßend stapfte A davon.
D und C tauschten unsichere Blicke aus, doch der entschlossene B war ihnen bereits voraus und unterwegs in Richtung der Treppe, die ins Erdgeschoss führte. Als er nicht mehr zu sehen war, rissen die beiden sich los und hasteten ihm eilig hinterher. Zweifel keimte in ihnen auf, denn sollte As Theorie sich bestätigen, waren sie gerade im Begriff, sinnlos ihr Leben zu riskieren.
Sie fanden B mit angespannten, leicht vom Rumpf abstehenden Armen und gespreizten Fingern, vor der kalten, stählernen Bunkertür und platzierten sich zu seinen beiden Seiten.
„Vielleicht... wäre... es doch... besser... zu warten.“, traute D sich zaghaft, anzumerken.
„Ja!“, intonierte C mit übertriebener Affektiertheit. „A hat möglicherweise doch Recht, immerhin ist er eine kluge Einheit. Wenn die Möglichkeit besteht, gerettet zu werden, sollten wir sie nicht verspielen.“
Mit hochgezogener Braue blickte B die beiden abwechselnd an.
„Ihr hattet die Wahl, ihr habt entschieden. Seid keine Feiglinge, der Fehler wird nicht behoben.“
Zähneknirschend öffnete B das Quarantäneschloss und stieß die Tür auf.
Zögernd wandten C und D ihre Augen dem Loch in der Wand zu. Dahinter war nichts zu erkennen. Nur absolute Düsternis. Einige Wimpernschläge standen sie unbeholfen vor dem Ausgang, flach atmend, unsicher, ob die Luft genießbar sei, bis sie sich dazu durchrangen, Terra incognita zu erkunden.
Sie fanden sich wieder in einer gigantischen, spärlich beleuchteten Halle, von deren Ende das Flackern einiger Bildschirme ihnen diffus in die Augen kroch. Zögerlich bewegten sie sich in ihre Richtung und die Konturen eines großen, kreisförmigen Schreibtisches schälten sich aus der Dunkelheit. Etwa ein Dutzend nahezu identischer, bebrillter Männer in weißen Kitteln saß an der Innenseite des sonderbaren Arbeitsplatzes. Alle richteten ihre Blicke auf die verdutzten, abtrünnigen Arbeitseinheiten und schienen dabei nicht minder verdutzt. Nach einem Augenblick der Stille nickten einige unter ihnen einander bestätigend zu und unverständliche Flüstergespräche wurden durch die Runde gehaucht. Als die Einheiten etwa drei Schritte vor dem Tisch Halt machten, erhob sich die einzige Person, die sich durch das Fehlen einer Brille ein wenig von den anderen abhob und vollführte eine grüßende Geste, wobei er eine gewisse Ungläubigkeit kaum verbergen konnte.
„Ich heiße Sie recht herzlich willkommen. Sie befinden sich im Forschungszentrum von E-Tech.“
Die Gesichter der Einheiten waren leer. Sie wussten mit dieser Information nichts anzufangen, wussten nicht, was sie von ihrer neuen Umwelt, die ihrer alten durchaus nicht unähnlich sah, halten sollten. Der kühne B riss sich als erster aus der Sprachlosigkeit und brachte mit größtmöglicher Eloquenz hervor:
„Was?“
Der Chefprofessor legte die Stirn in tiefe Runzeln und räusperte sich trocken. Es schien, als sei er um eine Erklärung verlegen und wolle diese so lange wie möglich hinausschieben. Nachdem er einige hilfesuchende Blicke in die Runde geworfen hatte, stieß er ein tiefes Seufzen aus und hob an:
„Sie befinden sich hier bei E-Tech. Wir sind ein führendes Unternehmen, welches sich auf den Bau von Computern und maschinengesteuerten Anlagen spezialisiert hat. Dies ist eines unserer Erzeugnisse.“ Beiläufig deutete er in Richtung der Kommune.
B, C und D tauschten fragende Blicke aus, keiner von ihnen verstand, was der graue Labormann ihnen mitzuteilen bemüht war.
„Sie wurden im Auftrag der Regierung einer Reihe von Experimenten zur Durchführung einer Verhaltensstudie unterzogen, welche mit produktanwendungstechnischen Tests einherging.“
Die drei bekamen den Mund nicht auf. Die Worte des Mannes in Weiß drangen nicht in ihr Bewusstsein, ziellos zogen sie durch ihre Gehörgänge und verklangen im Nichts. Verständnislos blickten sie in sein ernstes Gesicht.
„Sie bildeten eine von drei Testkommunen, die empirische Daten zu menschlichen Verhaltensstrukturen, voller Effizienzausschöpfung von Arbeitseinheiten und der Praxistauglichkeit dieser Einrichtung liefern sollten. Sie wurden von der Kommune großgezogen und haben gelernt, effizient mit ihr zu arbeiten. Als der Operation nach 20 Jahren eine stabile Kontinuität attestiert werden konnte, wurden die Erprobungen eingestellt und die Kommunen offiziell eingeführt. Die verbleibenden 16 Jahre...“, hier wurde er ein wenig verlegen, „... waren sie unsere Energiequelle und versorgten uns mit Strom. Zugegeben, dass Sie den Weg hinaus gewagt haben, verblüfft mich stark... Nun denn, ich gratuliere. Sie sind die ersten Einheiten, die ihre Kommune verlassen haben. Nach 36 Jahren. Das kann sich sehen lassen. Schade nur, dass wir eine tragende Energiequelle einbüßen, sofern Sie uns nicht weiter behilflich sein wollen. Da Sie keine offizielle Kommune sind, steht es Ihnen allerdings frei, zu gehen. Sie werden dann einer offiziellen Kommune zugewiesen.“ Jede Unsicherheit war aus seiner Körpersprache gewichen. Er wartete eine etwaige Reaktion ab und zuckte nach deren Ausbleiben gleichmütig mit den Achseln. Wie ein Spatz auf der Suche nach einem Wurm ließ er den Blick zu einem seiner Kollegen schnellen und wies ihn gebieterisch an:
„Gehen Sie da rein und holen Sie die vierte Einheit.“
Mit routinierter Selbstverständlichkeit sprang der Angesprochene auf und eilte schneidigen Schrittes in Richtung der Kommune R36.