Alptraum Schulbus
Wie an fast jedem Morgen gehe ich zur Bushaltestelle. Es ist ein kalter Wintermorgen und der gefallene Schnee knirscht bei jedem Schritt unter meinen Füßen. Diese Tatsache läßt mich ein Ereignis vorausahnen, das sich kurz nachdem ich in die Straße der Haltestelle eingebogen bin bestätigt. Nur mit Mühe kann ich das Chaos von wild gewordenen Kindern überblicken, die wie toll hin und her rennen, um sich mit Schneebällen abzuwerfen. In Abwehrhaltung nähere ich mich vorsichtig dem Schlachtfeld und versuche immer auf der Hut vor heranschnellenden Schneegeschossen die dicht befahrenen Straße zu überqueren. Ich habe Glück, denn der Bus kommt trotz der dicken Schneedecke nicht zu spät, was mich somit vor einer Attacke eines Kriegsveteranen rettet, der erst zufrieden ist, wenn er jeden mindestens einmal eingeseift hat. Die Ankunft des Busses ist aber nur ein Anlaß für die Schneekrieger in noch mehr Aufruhr zu verfallen. Aus dem wilden Durcheinander beginnt sich plötzlich eine strategische Angriffshaltung zu formen, die darauf ausgerichtet ist den Bus binnen Sekunden zu stürmen. Auch ich weiß, daß nur der Schnellste einen Platz bekommt, aber deswegen bin ich noch lange nicht so verrückt, wie einige andere, die sich mit Kamikatzeeinsätzen, ohne Rücksicht auf Verluste, regelrecht vor den Bus schmeißen, um sich an die noch verschlossene Tür zu klammern. Die Türen gehen auf und ich sehe nur noch wie der Bus unter der einströmenden Kindermasse erzittert. Natürlich hielt mir mein Freund voller Stolz einen Platz frei, den er unter Einsatz seines Lebens erkämpft hatte. Ich bin froh darüber im Warmen zu sitzen und auf der Hut zugleich, denn nur wer das Unvoraussehbare vorausahnt, hat Chancen den Bus unversehrt zu verlassen. Wir fahren los und schon kommen mir fremde Handschuhe entgegen geflogen, da der Besitzer das fehlen noch nicht bemerkt hat, werfe ich sie hinter mich. Nervös versuche ich möglichst alle meine Gegenstände bei mir zu behalten, damit sie nicht so enden, wie die Handschuhe des Jungen der dumm genug gewesen war sie abzulegen. Mein Freund versucht mich vergeblich anzureden, ich aber widme meine volle Konzentration den herumfliegenden Eisbrocken die einige in den Bus geschmuggelt hatten um nun ihren Spaß daraus zu ziehen. Den Busfahrer scheint dies wenig zu interessieren, denn er raucht gemütlich seine Zigarette weiter und versucht uns mit gewagten Manövern durch den Verkehr zu schleusen. Er versteht seinen Job, denn weniger auf das Wohl seiner Passagiere bedacht, von denen einer mehr oder weniger auch nicht schaden kann, schafft er es immer wieder mit seinem plumpen Vehikel im Schneetreiben keinen Unfall zu bauen. Inzwischen hat der beklaute Junge das Fehlen seiner Handschuhe bemerkt und geht mutig in den hinteren Teil des Busses, dort wo sich die Aggressiven ihr Revier gesichert hatten. Hier, weit von den Blicken der Ordnungsperson in Form des Busfahrers entfernt, dem ich noch nicht einmal mein Meerschweinchen, geschweige denn eine Horde Kinder anvertraut hätte, ist jeder dem Gesetz des Stärkeren ausgeliefert. Mit Bewunderung beobachte ich den kleinen Patrioten, denn genau wie alle anderen die einen Moment in ihren Gefechten inne hielten, wußte auch ich das dies einem Himmelfahrtskommando gleich kam. Überraschend schnell erkämpft sich dieser sein Recht, doch taumelt dann hoffnungslos auf Hilfe durch den Bus, der gerade durch eine Kurve schlittert. Nun wende ich mich wieder dem übrigen Tohuwabohu zu. Mein Freund teilt mir knapp ein paar Neuigkeiten über das Kampfgeschehen auf der linken Busseite, welche ich nicht überblicken kann, mit. Dieser Augenblick der Unachtsamkeit beschert ihm einen Schnee gefüllten Kragen was ich noch in letzter Sekunde abzuwenden weiß. Obwohl er sich aufs Äußerste aufregt, beschließt sich zu rächen und somit zur allgemeinen Geräusch- und Chaos-Kulisse beiträgt, läßt das Vorkommen mich kalt. Ich bin immer noch damit beschäftigt mich selbst zu retten und gleichzeitig Ruhe zu bewahren. Mittlerweile ist der fahrende Hexenkessel angekommen und die Türen gehen auf. Ich steige aus lasse die Menge hinter mir, die gleich wieder anfängt sich mit Schneebällen zu attackieren und bin froh, dass ich für heute heil davon gekommen bin.