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Alpha-Kunst

Kew

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26.05.2009
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Alpha-Kunst

„Das ist widerlich. Das kann man nicht machen.“ Michaela gestikulierte mit einem Zwieback in der Hand. Ihr Speichel hatte die Bisskante aufgeweicht, ein dunkler Halbmond auf Goldgelb.
„Kunst kann alles“, sagte er.
„Ich nicht.“
Mit zerzausten Haaren und Resten von Lidschatten um die Augen, erinnerte sie ihn an früher, als er jeden Morgen neben ihr erwachte und aufstand, um Frühstück zu machen für zwei. Jetzt huschte sie wie ein Tier durch seine Träume, ein Tier, das sich an ihn schmiegte im modrigen Laub, mit heißem Atem und Reibeisenzunge, und ihn aus dem Schlaf riss. Zurück blieben verklebte Laken und Kopfschmerzen.
„Es wäre nicht echt“, sagte er.
„Oh, natürlich nicht.“ Der Zwieback beschrieb einen dramatischen Bogen.
„Du würdest zustimmen, damit wäre es per Definition nicht echt.“
„Das macht es nicht besser.“
„Dann sag mir den Grund.“
„Es ist ekelhaft.“
„Ekel ist ein Symptom, meine Liebe, und kein Grund.“
Eigentlich erwartete er, dass sie ihm den Mittelfinger zeigte, allein schon für die Anrede, aber sie verzog nur die Augenbrauen und nuckelte an ihrem Zwieback.
Bis auf das Summen des Kühlschranks herrschte Stille in der Wohnung. Ihre Mitbewohner schliefen noch. Sonnenlicht kroch über den Boden und wärmte Konstantins Füße. Michaela stand auf und verstaute den Zwieback im Ikea-Regal zwischen Instant-Nudeln und Tütensuppen. Ihre Schritte klangen klebrig auf dem PVC.
Weil sie noch immer nichts sagte, fuhr Konstantin fort: „Also, was stört dich? Dass ich mitmache?“
Sie sah ihn an als müsste er die Antwort wissen und schüttelte den Kopf.
„Dass man dich nackt sieht? Dass wir das Ganze filmen?“
„Nein.“
„Dann hilf mir. Sag mir deinen Grund.“
Die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte sie an der Spüle. Sie trug ein verwaschenes T-Shirt und Boxershorts und im staubigen Licht schimmerten Arme und Beine braun wie frisch gebackenes Brot. Seit Sommeranfang verträumte sie ganze Tage im Park, fast nackt unterm erbarmungslosen Himmel. Die Jahre davor hatte Konstantin ihr den Rücken eingecremt und neben ihr gelesen und seine Finger hinterließen Fettabdrücke auf den Seiten. Jetzt half ihr Roland.
„Man spielt das einfach nicht.“
Konstantin lachte. „Dir geht es tatsächlich um die Moral.“
„Und?“
„Das passt nicht zu dir.“ Schließlich stahl sie Billigschmuck aus Trödelläden und brach nachts in ihre alte Schule ein, um durch monddämmrige Korridore zu tollen, SED-Parolen an die Tafel zu schmieren und auf dem Lehrerpult zu ficken - weil das Leben sonst langweilig war.
„Das verharmlost das“, sagte Michaela.
„Was?“
„Echte Vergewaltigungen.“ Sie stieß sich von der Spüle ab. „Ich geh wieder schlafen.“ Ihre Schritte tapsten über den Flur davon und die Jalousie am Küchenfenster knatterte im Luftzug, als sie ihre Zimmertür öffnete.

Konstantin trank den Kaffee aus, und ging auf sein Zimmer. Dort roch die Luft nach Kohlendioxid und Schlaf. Auf dem Regal standen Bücher über Graffiti, Kunst und Streetart, und ein Bambus wand sich in Korkenzieherwindungen zur Decke. Bei geöffnetem Fenster setzte er sich an den Computer, schrieb einen neuen Eintrag für die Website von Street-Riot: Nach langer Zeit wieder eine Performance! Wer zuschauen will ...
Angefangen hatte ihr Kunstprojekt nach dem Abitur. Statt abends auf Partys zu gehen und Mädchen aufzureißen, besprühten Eric und Konstantin die Schaufenster der Innenstadt mit Sprüchen, die sie von Nietzsche stahlen und von Gaspar Noe. Die Aktionen filmten sie erst mit ihren Handys, später mit Erics Kamera und stellten die Videos ins Internet. Während des Studiums kamen sie vom Graffiti zur Performance-Kunst, liefen nackt und mit beschrifteten Oberkörpern wie Femen-Aktivistinnen über Volksfeste, rappten männerverachtende Texte am Schlossteich.
Als Michaela hinzustieß, stieg die Anzahl der Videos rapide. Sie schlug Flick-Flaks auf dem Dach der Uni, hüllte sich in eine Burka und verfluchte Schulmädchen wegen ihrer obszönen Kleidung. Mit der Zeit war Eric genervt von der Überproduktion und dem sinkenden Niveau. Das letzte Video zeigte Konstantin und Michaela unterm Titel Freud‘s Fault, wie sie mit Farbe den Triebwagen einer U-Bahn in einen Penis verwandelten und die Tunnelöffnung der ersten Haltestelle in eine tentakelhaarige Vagina.
Konstantin schaltete den PC ab und ging duschen. Mit tropfnassen Haaren kehrte er ins Zimmer zurück, zog einen schwarzen Pulli, eine schwarze Cargo-Hose an, dazu Nietengürtel und Springerstiefel.
Er wechselte ins Wohnzimmer. Auf dem Sofatisch reihte sich eine Phalanx angesengter Räucherkegel, deren süßlicher Geruch noch immer die Luft verklebte.
Ebenfalls in Schwarz gekleidet, schlurfte Eric aus seinem Zimmer, in der Hand die Kamera.
Neben Street-Riot verband die beiden eine endlose Reihe gemeinsamer Nachmittage - Kriegsspiele auf ehemaligem Militärgelände, Kiffen im Wald, Tage vorm PC, durchsoffene Nächte, Sommerurlaube in Paris, Stockholm, Madrid.
Eric ließ sich aufs Sofa fallen und gähnte. „Gott, bin ich müde.“
„Es ist fast elf.“
„Immer noch zu früh.“
Michaela lief in ein Handtuch gewickelt zum Bad, ihre Beine nackt bis zum Hintern.
„Kleiner Spanner, wie?“ Eric grinste.
Konstantin zeigte ihm den Mittelfinger.
„Ich mein‘s ernst. Komm von ihr los. Such dir ne neue Freundin, anstatt ihr ständig auf den Arsch zu schauen.“
„Sie wohnt nun mal hier.“
„Du wolltest nicht, dass sie auszieht. Ich hätte sie rausgeworfen.“
„Hattest ja auch schon viele Freundinnen zum Rausschmeißen.“
„Touche.“
Minuten später lag Michaela schwarzgekleidet mit auf dem Sofa und alle drei sahen fern.
Roland kam ins Wohnzimmer. „Meint ihr nicht, wir sollten doch Masken benutzen?“ Er stand vorm Sofa wie der Kandidat einer Casting-Show, linkisch und unbehaglich. Die schwarzen Klamotten hatte er sich von einem Freund geliehen, weil seine eigene Garderobe zu bunt war – normalerweise trug er T-Shirts in Primärfarben und Hosen in senfgelb oder bordeaux.
Michaela stieß Luft zwischen den Zähnen durch. „Wir haben gesagt, ohne Masken und du wolltest mitmachen. Jetzt heul nicht rum.“
„Zur Abwechslung könntest du mal auf meiner Seite sein.“
Sie zuckte die Schultern und hauchte einen Kuss auf seine Wange, als er sich setzte.
„Kannst du mir wenigstens den Grund sagen?“, wandte sich Roland an Konstantin.
„Mein Lieber, wenn wir uns da heute mit Masken hinstellen, dann sind wir nicht besser als irgendwelche Politikfreaks. Dann besteht kein Unterschied zu ein paar Nazis, die ein bisschen Randale machen. Für echte Kunst darf man sich nicht verstecken. Man muss bereit sein, die Konsequenzen zu tragen.“
„Ich will keinen Ärger.“
Konstantin lächelte, strahlend und breit wie ein Autoverkäufer. „Ganz ehrlich, es ist irre unwahrscheinlich, dass uns tatsächlich wer erkennt. Und selbst wenn, wird kaum einer loslaufen und uns anzeigen. Letztlich ist es denen doch egal, was wir machen.“
„Der Guru hat gesprochen.“ Michaela drückte sich vom Sofa hoch.

Sie fuhren mit Fahrrädern den Campusberg hinauf. Wasser fleckte den Asphalt und die Luft roch frisch gewaschen. Aber die Sonne schien wieder, glasig hinter Dunstschleiern, und heizte die Straße zur Sauna.
„Fuck, ist das schwer.“ Konstantin keuchte. Er schleppte einen Ghettoblaster am Schulterriemen mit.
„Du wolltest die lautstarke Version.“ Eric lachte. In der rechten Hand hielt er die Kamera und schwenkte damit über die Häuser am Straßenrand und in die Fluchtpunktperspektive zum Gipfel. „Mein Weg zur Uni. Wie werd ich diesen Scheißberg vermissen.“
Im Herbst würde er für seinen Master nach Leipzig ziehen. Eine WG war bereits organisiert und abends chattete er stundenlang mit seiner zukünftigen Mitbewohnerin.
Eigentlich hätte auch Konstantin dieses Semester fertig werden sollen, aber er verschleppte seine letzten Hausarbeiten, besuchte wahllos fachfremde Vorlesungen und wusste nicht recht, was er nach seinem Abschluss machen sollte. Manchmal erwachte er nachts mit dem Gefühl, dass ihm die Zeit zwischen den Fingern zerrann – grenzenlose Tiefsee im Kopf.
Vor der Mensa stellten sie ihre Fahrräder in Straßennähe ab. Konstantin wuchtete den Ghettoblaster von der Schulter.
Studenten strömten vorüber wie Fische – Mädchen in Hot-Pants, Uniordner unterm Arm, zukünftige Anwälte im Anzug, Hipster auf Fahrrädern ohne Gangschaltung, dazwischen vereinzelte Professoren mit Dreitagebart und Umhängetasche aus Leder. Etwas abseits pries ein Telekom-Stand Flatrates für unter vierzig Euro an, die Mitarbeiter verteilten Grillzangen als Werbegeschenke.
„Wir hätten doch Masken mitbringen sollen.“ Roland kaute auf seiner Unterlippe – in Prüfungen lief ihm davon manchmal Blut übers Kinn und die überforderte Aufsicht bot ihm Taschentücher an, die er ablehnte, weil er Wattebäusche dabei hatte und Heftpflaster.
Michaela hieb ihm mit der flachen Hand über den Hinterkopf. „Jetzt zeig mal Eier und hilf mir.“
Sie sortierte Flaggen auf dem Boden, schwarzer Stoff um Dachlatten gewickelt, sodass nur vereinzelte weiße Buchstaben zu lesen waren. Beim Bücken rutschen ihr Pulli und T-Shirt über den Rücken. Konstantins Blick klebte an ihrer Haut. Währenddessen suchte Eric den besten Winkel für die Aufnahme, zwängte sich, die Kamera überm Kopf, durch die Menge und verscheuchte ein Pärchen von der Bank am Mensaeingang. Unter bösen Blicken räumten sie den Platz.
Die ersten Schaulustigen blieben stehen, vereinzelte Neugierige und kleine Gruppen, die einen Halbkreis bildeten und den Strom der Passanten stauten. In kaum fünf Minuten sammelte sich ein Publikum. Die Stimmung erinnerte an den Auftritt einer Lokalband – niemand erwartete echtes Können, aber alle wollten sich begeistern.
„Also“, sagte Konstantin: „wir hauen ab, bevor sie uns die Fresse einschlagen.“
Roland wurde blass.
Michaela grinst. „Hört sich nach 'nem Plan an.“
„Und los geht‘s.“
Wie Wasser trug der Bass über den Asphalt. Konstantin fing an zu tanzen – kantige Schritte, aggressive Körperhaltung, stundenlang eingeübt an blassen Frühlingsnachmittagen im Hinterhof. Er fühlte sich wie ein Gangster aus dem Film, groß und furchteinflößend. Aus dem Augenwinkel sah er Michaela und Eric, die seine Bewegungen kopierten.
Im Publikum wurde Murmeln laut. Die Zuschauer schüttelten den Kopf oder lächelten mitleidig, flüsterten sich Abfälliges ins Ohr. Denn die Drei tanzten zu schlecht für einen öffentlichen Auftritt, ihre Bewegungen erinnerten mehr an Bronzetanzkurs als an Streetart. Die Ersten wandten sich ab.
Konstantin griff sich eine der Flagge, schwenkte sie wie ein Revolutionär auf den Barrikaden und flatternd im Wind entrollte sich die Aufschrift: Multikulti wegbassen.
Verwirrung breitete sich aus. Augenbrauen zogen sich kraus, Freunde wechselten zweifelnde Blicke und Buhrufe wurden laut. Ganz vorne im Publikum stand ein Professor mit Hippietuch im weißen Haar, Unverständnis und Empörung furchten sein Gesicht. Er gestikulierte heftig in Konstantins Richtung. Der ließ die Flagge fallen und griff nach der zweiten: Tanz den Fremdethnien. Die Musik wurde schneller.
Konstantin stütze den Flaggenstab auf den Boden und beugte sich vor wie gegen Wind und Regen und spürte Michaelas und Rolands Hände auf seinen Schultern - eine Imitation des Iwo Jima Memorial.
Die Stimmung kippte ins Feindselige. Eine Gruppe Sportwissenschaftler, braungebrannte Muskeln in Tank-Tops, drohten mit Mittelfingern und Fäusten, einige Pakistani sprachen heftig durcheinander und schienen kurz vorm Angriff zu stehen, und der Professor verlor jede Fassung und spie Schimpfworte, die Konstantin wegen der Musik und dem Stimmengewirr nicht verstand.
„Zeit für den Abgang.“
Konstantin schnappte sich den Ghettoblaster und sie flüchteten zu den Fahrrädern. Einige halbherzige Flaschen flogen ihnen nach, als sie den Campusberg hinunter jagten. Wind rauschte in Konstantins Ohren und schluckte die Schreie und Verwünschungen, schluckte Michaelas Glücksgeheul. Links zappten die Autos vorbei – blau, silber, silber, rot standen sie im Mittagsstau. Eine Oma lief auf den Fahrradweg. Haarscharf wich Konstantin aus und der Ghettoblaster riss an seiner Schulter und warf ihn fast in die Flanke eines Lieferwagens. Sein Puls sprang auf über 200.
Sie bogen von der Hauptverkehrsader ab, hinein in ein Gewirr aus Nebenstraßen - krakeliges Graffiti auf grauen Fassaden, Gardinen hinter fleckigen Fenstern, Punks standen mit Bierflaschen vor einem Hauseingang und johlten, als sie vorüber fuhren. Fast klang es wie Beifall. Endlich auf ihrem Hinterhof, sprangen sie von den Rädern und fielen sich in die Arme wie Sportler nach dem Rennen. Michaela hing an Konstantins Hals, ihr Mund, ihr Lachen ganz nah, ihre Brüste fest an seinen Rippen, und er hielt sie fest, bis sie sich befreite. Sie legte den Kopf zurück und drehte sich begeistert wie ein Kind auf dem Jahrmarkt. Eric lief in die Wohnung, holte Wodka und Gläser. Die Dinge fühlten sich wie früher an – ein Leben aus lockerleichter Zuckerwatte.

Abends lagen sie angetrunken auf dem Sofa. Im Fernsehen lief eine Dokumentation über die Slums in Indien. Familien drängten sich zwischen Wellblech, Pappe und Sperrholz. Kinder verbrannten Elektroschrott, um an Edelmetalle zu kommen.
„Immer das gleiche“, sagte Konstantin. „Sie sprechen nur vom Elend in den Slums. Dabei ist es der Motor für den Aufschwung. Billige Arbeitskräfte und alle sind super motiviert.“
„Überleg mal, was du da sagst“, erwiderte Eric.
„Nur die Wahrheit.“
„Mir ist langweilig“, sagte Michaela. Sie aß Zwieback und Krümel bedeckten ihr T-Shirt wie Staub.
„Lasst uns tanzen gehen.“
„Gute Idee.“ Konstantin stand auf.
„Abflug in ner halben Stunde“, sagte Michaela und verschwand mit Roland in ihrem Zimmer.
Nur Eric blieb mit einem Gesichtsausdruck sitzen als hätten ihn alle verraten. „Komm schon, lass sie doch alleine gehen, wenn ihr langweilig ist.“
„Beweg dich.“
Konstantin wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser, strich seine Haare mit Gel zum Seitenscheitel, wechselte sein T-Shirt. Zurück im Wohnzimmer trank er einen Energy-Drink aus der Palette, die Michaela bei ihrem Supermarktjob geklaut hatte, ein Geschmack wie aufgelöste Gummibärchen und auf seinen Zähnen wuchs Moos. Er warf ein Mint-Bonbon hinterher.
Sie verließen die Wohnung. Leichter Wind wehte. Die Straßen glänzten fettig vom Laternenlicht. Eric ließ eine Flasche Cola-Rum wandern.
Im Club zog Michaela Roland zur Tanzfläche, wo Kunstnebel wallte und Stroboskoplicht die Bewegungen auf Einzelbilder reduzierte. Konstantin und Eric setzten sich ans Ende der Bar, bestellten Cocktails, sprachen über Leipzig. Der Barkeeper jonglierte mit Glas und Shaker und verbeugte sich nach jedem Cocktail wie ein Zirkusstar. In seiner Braue steckte ein Piercing.
Als die Musik lauter wurde und das Sprechen schwierig, saßen sie schweigend nebeneinander, zwei Freunde aus Kindheitstagen. Eric simste mit seiner neuen Mitbewohnerin und Konstantin fühlte sich betrunken.
„Na, wie wär‘s mit einer von denen?“ Eric berührten fast sein Ohr, blies ihm feucht-warme Luft in den Kopf.
Mit Minirock und der Schminke im Gesicht wirkten sie wie Nutten, aber sie waren hübsch und die Kleinere hatte niedliche Ohren. Sie standen am anderen Ende der Bar, warteten auf ihre Cocktails und applaudierten dem Barkeeper bei seinen Kunststücken. Der schenkte ihnen ein Playboy-Lächeln und der Shaker glitt ihm durch die Hände. Glassplitter und Eis spritzen lautlos über den Boden und er sprang fluchend zur Seite, ein Pantomime mit hochrotem Kopf.
Konstantin lachte. „Nur, wenn du die andere übernimmst.“
„Ne, danke.“ Eric deutete auf sein Handy.
„Dann mal viel Spaß mit deinem Date.“ Er verließ die Bar und wanderte zur Tanzfläche, suchte Michaela im Menschenmeer und fand sie beim DJ-Pult, wo zwei Frauen auf die umlaufende Sitzbank gestiegen waren und sich als Gogo-Girls versuchten. Zwischen Leibern, von denen Schweiß und After-Shave triefte, schob er sich zu ihr.
„Wo ist Roland?“
Sie zeigte in Richtung Ausgang.
„Was ist los mit ihm?“
„Braucht Frischluft. Und jetzt beweg dich.“
Sie tanzte mit dem Rücken an seiner Brust, lehnte ihren Kopf in den Nacken, bis sie ihn anlächelte, schweißnass, mit der Zungenspitze im Mundwinkel, und fast hätte er sie geküsst. Schwummrig vom Alkohol schloss er die Augen und tastete über ihren Bauch aufwärts. „Nana, du Lüstling.“ Michaela hielt seine Hände fest, altbekannte Finger, altbekannte Zärtlichkeit. Flüchtig sah er Rolands Gesicht, eine Maske zwischen die Tanzenden gehängt, dann drängten zwei Panzerschränke der Security vorüber und er verlor ihn aus den Augen.
Als sie an die Bar zurückkehrten, fragte Michaela nach Roland.
„Der ist nach Hause“, erwiderte Eric.
„Fuck!“ Sie bestellte einen Gin Tonic, den ihr der Barkeeper ohne Kunststücke mischte, und leerte das Glas in einem Zug. „Los wir verschwinden.“
Eric fasste sich an den Kopf.
Draußen war es kühl geworden und Konstantin fröstelte in seinem durchgeschwitzten T-Shirt. Ein Taxi fuhr ein paar Meter im Schritttempo mit, der Fahrer zeigte sein Goldzahnlächeln und brauste fluchend davon, als Konstantin ihn weiterwinkte. Die Hände in den Hosentaschen, stapfte Michaela vorneweg.
„Ist eigentlich was passiert?“, fragte Eric. „Roland sah aus, als wäre er schlecht drauf und ist dann ziemlich ohne Kommentar gegangen.“
„Nein nichts. Hatte wohl keine Lust mehr.“
Als Konstantin im Bett lag, hörte er Michaelas und Rolands Stimmen durch die Wand, hastiges Murmeln und Flüstern, dann das Stöhnen beim Sex. Nach Michaelas zweitem Orgasmus, kramte er im Nachtschrank nach Oropax.

Am nächsten Tag traf er sich mit Roland auf dem Campus. Dichter Regen fiel. Nur vereinzelt hasteten Gestalten vorüber, bei jedem Schritt spritze Wasser unter ihren Schuhen hervor.
Roland schwieg und Konstantin redete drauflos, erzählte von den Videoaufnahmen, die er am Morgen gesichtet hatte, sprach von Erfolg und brillanter Botschaft. Der Regen lief ihm den hinunter Nacken und durchweichte den Kragen seiner Jacke, während sich Roland unter einem Schirm verbarg, groß genug für zwei.
„Nachher zeig ich dir mal das Material. Ist wirklich, wirklich gut geworden.“
„Hoffentlich“, sagte Roland. „Dann hat sich der Ärger wenigstens gelohnt.“
„Die paar Flaschen? Die haben nicht mal getroffen.“
„Nicht die Flaschen. Die Vorladung heute vom Uni-Sekretariat. Wenn ich so was nochmal mache, flieg ich raus.“
„Was?“ Konstantin hoffte, dass er überrascht klang und empört.
„So viel zu deinem das petzt niemand. Scheiße, weißt du, was los ist, wenn meine Eltern rausbekommen, dass ich meinen Platz los bin?“
Gewaltig wie ein Schlachtschiff schälte sich das Hörsaalgebäude aus den Regenschleiern, die oberen Stockwerke ragten über den Vorplatz und die Fenster leuchteten rund wie Bullaugen.
„Aber du hast deinen Studienplatz noch. Und die nächste Aktion findet eh nicht auf Unigelände statt.“
„Und ohne mich.“
Konstantin fasste Roland an der Schulter. „Wirklich? Willst du vor denen einknicken? Oder willst du Mut beweisen? Frag dich mal, was Michaela lieber ist.“
Sie erreichten den Eingang. Drinnen war die Luft feuchtwarm und roch nach durchweichter Kleidung. An der Wand gegenüber hing mondweiß und riesig eine Uhr. Aus den Hörsälen drang das Murmeln einer Legion.
„Tut mir übrigens leid wegen dem Ärger“, sagte Konstantin. „Ich dachte wirklich nicht, dass uns wer erkennt und nichts Besseres zu tun hat als uns zu verpetzten.“ Mit einem Taschentuch wischte er sich das Wasser aus dem Gesicht.
„Wieso? Für echte Kunst muss man doch Konsequenzen tragen.“ Und er rauschte Richtung Fahrstuhl.
Konstantin zeigte Rolands Rücken den Mittelfinger und betrat seine Vorlesung. In aufsteigenden Reihen warteten fünfhundert Studenten auf ihren Professor, der fahrig und hilflos versuchte seinen Laptop mit dem Beamer zu verbinden – anscheinend war sein HiWi krank.
„Hey Konstantin.“ Eine Hand winkte ihm und er setzte sich neben Noi, Kind thailändischer Einwanderer und ebenfalls eine Fachlose, die die Vorlesungen besuchte wie sie ihr in den Weg fielen. Sie hatte Konstantin auf einer Erstsemesterveranstaltung angesprochen. Seitdem lud sie ihn auf Partys ein, auf Kneipenabenden und Clubtouren. Manchmal ging Konstantin mit und erwachte am nächsten Morgen mit grausamem Kater.

Als Konstantin die Tür öffnete, saßen Michaela und Roland auf dem Teppich, der rot und flauschig das halbe Zimmer füllte, und rauchten Joints. Der Qualm stand nebeldick über ihren Köpfen.
„Na, willste auch?“ Michaela grinste.
„Sicher nicht, wir wollen los.“
„Oh scheiße! Das haben wir voll vergessen.“ Roland sprang auf und hielt sich dann am Schreibtisch fest, um nicht umzufallen. Sein Gesicht verlor für einen Augenblick alle Farbe. Michaela lachte so heftig, dass sie auf den Rücken kippte.
„Komm schon“, sagte Konstantin. „Reiß dich zusammen. Abflug ist in fünf Minuten.“
Er überließ die beiden sich selbst und ging in die Küche. Unsichtbar bis auf das Glimmen seiner Zigarette, lehnte Eric am Fenster. Als er Konstantin bemerkte, drückte er die Kippe aus und löste sich von der Wand und das Licht der Straßenlaternen schnitt seine Umrisse aus der Dunkelheit.
„Kein Grund zur Eile“, sagte Konstantin. „Die beiden brauchen noch.“
„Was denn jetzt schon wieder?“ Er strebte an Konstantin vorbei, Richtung Michaelas Zimmer.
„Geh nicht, du regst dich nur auf.“
„Was machen die beiden?“
„Kiffen“
„Fuck! Dass Michaela nicht einmal bei der Sache bleiben kann.“
„Ist nun mal ihre Art.“
„Die hält keine fünf Minuten ohne Bespaßung aus. Wie schafft die eigentlich ihr Studium? Spielt Vier-Gewinnt in der Klausur, oder was?“
„Sie kann dich hören.“
„Und?“
Konstantin faste ihn an der Schulter, schob ihn in die Küche zurück, schloss die Tür. „Ganz ruhig. Ist doch alles in Ordnung.“
„In Ordnung? Scheiße, wir können die Aktion abbrechen. Ich geh doch nicht mit zwei bekifften Vollidioten los und zünde Autos an.“
„Glaub mir, es ist okay. Eigentlich ist es mir sogar ganz lieb so.“
„Was zum …?“
„Roland wäre uns nur abgesprungen. Nach dem kleinen Anschiss braucht der alle Mutmacher, die er kriegen kann.“
„Sollen wir noch Alkohol kaufen? Bisschen Tequila für die Nerven. Damit er uns alles vollkotzt?“
„Vertrau mir, das funktioniert.“ Er grinste. „Und im schlimmsten Fall sind wir ohnehin schneller im Weglaufen.“
„Können wir nicht einfach nur zu zweit losziehen. So wie früher.“
„Du bist bald weg.“
Fünf Minuten später marschierten sie los, Roland an der Spitze - sie gingen zur Wohnung seiner Tante. Kurz vor voll stand der Mond über den Dächern, sein Licht glänzte auf Fensterscheiben und Autos. Immer wieder blieb Michaela stehen und brach in Lachen aus, ihr Kichern trug endlos weit in den menschenleeren Straßen und Konstantin musste zurückgehen, sie am Arm nehmen und weiterziehen. Eric warf genervte Blicke über die Schulter, Roland lief schweigend weiter. Inzwischen hatten die beiden dreißig, vierzig Meter Vorsprung.
Schließlich blieben sie am Anfang einer Nebenstraße stehen.
„Wir sind da?“, fragte Konstantin.“
„Ja.“ Roland kaute wieder seine Unterlippe und wirkte dabei wie ein Teenager, der betrunken vor der Tür stand und darauf wartete, dass ihn seine Freundin zum ersten Mal ins Schlafzimmer rief.
„Gut, dann suchen wir uns mal ein Auto.“
In keinem der Fenster brannte noch Licht, aber die großzügig verteilten Laternen tauchten die Straße in kaltes Weiß. Konstantin warf einen flüchtigen Blick in eines der Zimmer im Erdgeschoss - Spitzengardinen, Blumen auf dem Fensterbrett, weiter hinten ein Schatten, der ein riesiger Fernseher sein konnte - und wandte sich dann den Autos zu. Familienkutschen dominierten die markierten Parkflächen, aber auch zwei Geländewagen standen da und einige Modelle von BMW und Audi.
„Deine Tante muss gut Kohle haben“, sagte Konstantin.
„Ne, die wohnt nur noch von früher hier und die Vermieter wollen sie nicht rausschmeißen.“
„Was für Gutmenschen.“
„Wie wär‘s mit dem Porsche da?“, fragte Eric.
Konstantin schüttelte den Kopf und zeigte auf einen blauen Golf am Ende der Straße. „Ne, der da. Der ist gut.“
Eric sah ihn verständnislos an, sagte aber nichts.
Konstantin umrundete das Auto. Das Wageninnere wirkte sauber und gepflegt, auf dem Beifahrersitz lagen eine gefaltete Wolldecke und ein Stadtplan. „Jap, der ist perfekt.“
Michaela und Roland stellten sich je an eine Ecke des Autos, während Eric seine Kamera aus dem Rucksack fischte. Rot glomm die Aufnahmeleuchte und schräg darunter die Glut seiner Zigarette.
„Meint ihr wirklich, dass das eine gute Idee ist?“, fragte Roland.
„Klappe“, fuhr ihn Michaela an. „Ich hab kein Bock zu diskutieren. Wir machen das jetzt.“
Konstantin war überrascht - er hatte damit gerechnet, das selbst regeln zu müssen, aber Roland wich dem Blick seiner Freundin aus und kaute wieder seine Lippe.
Als Konstantin die Grillanzünder anbrach, stach ihm der chemische Geruch in die Nase, eine Erinnerung an Abende im Park, heiter und warm, an Handymusik, schmelzende Kräuterbutter auf saftigem Fleisch und Shisharauchen in der Dämmerung, wenn die Kohle ausglühte und der Bauch schmerzte vom vielen Essen. Er gab Roland und Michaela je zwei der weißen Brocken, dazu ein Feuerzeug.
„Dann mal los.“ Gelb und orange leckte die Feuerzeugflamme über die Anzünder in seiner Hand. Als sie brannte, legte er sie auf den linken hinteren Reifen des Golfs, direkt unter den Fahrzeugtank „Und jetzt weg hier.“
Kurz bevor sie um die Ecke bogen, brach Michaela in Lachen aus. Die Arme um den Bauch geschlungen ging sie in die Knie und rollte sich auf dem Boden als hätte sie Schmerzen.
„Fuck, reiß dich zusammen.“ Konstantin beugte sich zu ihr, versuchte sie auf die Beine zu ziehen.
„Da geht Licht an.“ Hektisch zeigte Roland auf ein Fenster im dritten Stock, wo ein Mann erschien, ein Scherenschnitt im Gegenlicht.
„Ruhe! Ich will schlafen, ihr scheiß Jugendlichen. Verpisst euch. Sucht euch Arbeit.“ Seine Stimme übertönte mühelos Michaelas Lachen und hallte zwischen den Häusern. Weitere Fenster erwachten zum Leben.
„Was machen wir jetzt, was machen wir?“ Rolands Stimme klang kläglich hoch.
Ein Blick und Konstantin und Eric packten Michaela unter den Armen und schleiften das kichernde Bündel um die Ecke der Kreuzung. In ihrem Rücken beschimpften sich die Anwohner gegenseitig.
„Nun halt endlich den Rand.“ Eric zog Michaela an den Haaren hoch und sie kam japsend auf die Beine und wischte sich Lachtränen aus dem Gesicht.
„Tut mir leid. Tut mir leid. Passiert nicht wieder.“
Sie liefen um den Block und dann über den Hinterhof ins Treppenhaus. Die Stufen knarrten verräterisch unter ihren Füßen und sie erstarrten, als fremde Schritte zu hören waren, schlurfend hinter einer Wohnungstür, aber das Licht über der Schwelle erlosch und Ruhe kehrte ein.
Roland sperrte die Wohnung seiner Tante auf und Eric eilte an ihm vorbei ins Wohnzimmer, stellte die Kamera aufs Fensterbrett und zoomte den Golf auf volle Bildschirmgröße. Erste Flammen leckten aus den Radkästen. Das Feuer warf bereits Schatten auf den Bürgersteig. Konstantin kramte in seinem Rucksack nach der Sektflasche zum Feiern, billig aus dem Supermarkt und kühl in seiner Hand. Langsam sickerte das Adrenalin aus seinen Adern.
„Scheiße!“ Alle zuckten zusammen. Roland stand mit offenem Mund am Fenster. „Das ist das Auto meiner Tante.“
Inzwischen füllte Rauch das Wageninnere und Flammen schlugen aus den Ritzen der Motorhaube. Die Anwohner hatten ihren nächtlichen Hass gestillt und betrachteten das brennende Auto wie hilflose Insekten, hirntote Zaungäste.
„Scheiße! Scheiße! Scheiße!“
„Du Idiot. Sag das doch früher“, fuhr ihn Eric an.
„Wir müssen was machen. Scheiße! Das Auto.“
„Zu spät. Das Teil brennt.“
Michaela lachte – sie fiel auf einen der Sessel, ein Designer-Stück mit seltsam geschwungenen Lehnen, ihr Japsen klang als würde sie ersticken. Scheinbar mit der Kamera beschäftigt, wartete Konstantin auf das soziale Armageddon.
„Halts Maul! Halts Maul! Halts Maul! Halts Maul!“
Michaela biss sich auf die Hand, aber das Lachen schüttelte ihren Körper.
„Du sollst dein Maul halten!“ Die Ohrfeige warf Michaelas Kopf gegen die Rückenlehne, ein Klatschen gefolgt vom dumpfen Aufschlag, und sie klappte zusammen wie ein Taschenmesser, zog die Knie an, hob die Arme vors Gesicht. Ihre Schutzhaltung wirkte erschreckend einstudiert. Roland stand schwer atmend vorm Sessel, sein Gesicht unsichtbar im Dunkel. Langsam sank seine Hand herab.
„Fuck!“ Eric packte Roland an der Schulter, stieß ihn aus dem Zimmer. „Verpiss dich!“
Zaghaft beugte er sich zu Michaela, streichelte ihr Haar und sprach beruhigend auf sie ein, als sie zurückzuckte. „Los hilf mir.“
Konstantin löste sich vom Fenster und gemeinsam griffen sie Michaela unter den Armen und trugen sie aus der Wohnung und auf die Straße. Sirenen rasten heran und zwei Feuerwehrfahrzeuge jagten in Gegenrichtung vorbei.
Zu Hause saß Michaela auf ihrem Bett, drückte ein Taschentuch auf ihre gerissene Unterlippe, weichte Zwieback in warmer Milch auf. Sie weinte nicht. Konstantin blieb die Nacht bei ihr, streichelte ihren Rücken, genoss ihre Nähe und dachte an glückliche Tage.

Menschen füllten den Garten. Unter rauschenden Bäumen, im Licht von Lampions unterhielten sich Erasmusstudenten auf Englisch, Tschechisch und Spanisch. Mädchen mit Blumen im Haar tranken Erdbeer-Bowle und ein schwarzes Jazzquartett aus der bayrischen Provinz spielte Klassiker wie Take Five und Kind of Blue. Fast unsichtbar huschten Fledermäuse durch die Baumwipfel. Zwei Zwillinge standen am Grill und wendeten Schafskäse, Knoblauchsteaks und Maiskolben, während sie mit einer Dänin flirteten, die sich ihr Blondhaar um den Finger wickelte und lachte wie ein Schaf.
Konstantin und Michaela standen beim Haus. In Naturstein gefasste Gemüsebeete trennten sie vom Rest der Party. Michaela lehnte an der Hauswand und rauchte eine schwarze Zigarette, fadendünn stieg der Rauch vor ihrem Gesicht empor. Schorf bedeckte den Riss in ihrer Lippe, von Zeit zu Zeit leckte sie darüber - vermutlich unbewusst, aber frivol und sexy für Konstantin.
„Wie steht es zwischen dir und Roland?“
Michaela blies ihm Qualm ins Gesicht. „Seit wann interessiert du dich für unsere Beziehung?“
„Ich will nur, dass es dir gut geht.“
„Oh danke.“ Und nach einer Pause, in der sie ihre Lippe befühlte. „Wir haben uns wieder vertragen. Er hat sich entschuldigt. Ich hab mich entschuldigt.“
„Wo ist er dann?“
„Lernen. Er muss Statistik nochmal schreiben.“
„Ah, okay.“ Er wandte sich zum Gehen. „Ich hol uns mal was zu trinken.“
Vorbei an einer Gruppe Kunststudenten, die Richters Einfluss auf die moderne Malerei diskutierten, suchte er sich seinen Weg zum Getränketisch. Eine aufgebockte Sperrholzplatte bog sich unter der Last von Spirituosen und Soft-Drinks. Plastikbecher lagen im Gras verstreut und die Papiertischdecke war aufgeweicht vom verschütteten Alkohol. Er mischte einen Gin-Tonic für sich und Rum-Cola für Michaela. Inzwischen stand nur noch ein Zwilling hinterm Grill, sein Bruder lutschte am Gesicht der Dänin.
Michaela wartete mit einer frischen Kippe in der Hand. Ihr Lippenstift klebte am Filter.
„Danke.“
„Bitte, bitte.“ Er lehnte sich neben ihr an die Wand. Die Steine strahlten Restwärme ab und doch frisierte der Wind seine Arme zu Punks. „Weißt du, ich hab über deine Antwort nachgedacht.“
„Welche?“
„Zu deiner persönlichen Lieblingsaktion.“
„Ich dachte, du willst, dass es mir gut geht?“
„Macht es dich wirklich so fertig, wenn wir darüber reden?“
Sie trat ihre Zigarette in den Staub. „Natürlich nicht.“
„Gut.“ Er trank einen Schluck wie ein Redner, der sich für sein Publikum vorbereitet, eine Pause, ein Spannungsmoment. „Also, du bist gegen die Vergewaltigungsnummer. Und soweit ich das verstanden habe, ist der Grund, dass wir damit echte Vergewaltigungsopfer verhöhnen?“
„Ja.“
„Okay. Damit hast du recht.“
„Wirklich?“ Ihre Augenbrauen wanderten die Stirn hinauf.
„Natürlich. Die meisten Opfer werden es als Verhöhnung empfinden, wenn wir Vergewaltigung zur Kunst machen. Nun funktioniert aber praktisch jede unserer Aktionen über Hohn.Weißt du noch, die Sache mit der Burka. Du und die kleinen Schulmädchen. Das war purer Hohn. Oder die Nazi-Aktion. Da haben wir Rassismus verharmlost, haben ihn als Kunst benutzt. Wir haben jeden einzelnen Ausländer verhöhnt, der von Nazis ins Krankenhaus geprügelt wurde. Wenn du‘s genau nimmst haben wir sogar den Holocaust verhöhnt. Und das alles war für dich kein Problem. Warum also bei den Vergewaltigungen?“ Er sprach sachlich und gelassen, ein Professor beim Vortrag. Michaela wartete mit schmalen Lippen, trank ihren Rum, raucht die nächste Zigarette.
„Können wir nicht einfach Sachen machen wie früher?“
„Wenn‘s die Moral also nicht ist, was dann?“
„Du kannst so ein Arsch sein.“
„Wer ausfallend wird hat die Diskussion verloren, meine Liebe.“
Auf Michaelas Wangen blühten hektische Flecken und Falten furchten ihre Stirn – Konstantin verkniff sich ein Lächeln.
„Fick dich!“ Michaela warf ihren Becher ins Beet, schwarze Flüssigkeit spritze über die Erde wie Pech. Sie wollte gehen, aber Konstantin stieß sie gegen die Mauer zurück. Die Arme auf beiden Seiten ihres Kopfes gegen die Wand gestützt, versperrte er ihr den Weg und kam dabei ihrem Gesicht so nah, dass er trotz der Dunkelheit die Sommersprossen sah und den Schönheitsfleck links vom Mund. Erschrocken schloss sie die Augen.
Konstantin zischte ihr ins Ohr: „Mir ist diese Aktion sehr wichtig. Und ich brauch dich dafür. Also lass mich nicht hängen.“
„Ich kann nicht. Ich hab noch nicht mit Roland gesprochen.“
„Der hat längst zugesagt.“
„Du bist so ein beschissener Kontrollfreak!“ Sie tauchte unter seinem Arm durch und floh übers Beet, ihre Schuhe zerdrückten Zucchini und Kohlrabi. Zwei Männer, die mit ihren Bierflaschen in der Nähe standen, rissen Witze über Beziehungskrisen und starke Frauen. Konstantin lehnte sich an die Wand und trank seinen Gin Tonic.
„Hey, Konstantin.“ Noi winkte ihm von jenseits des Beetes. Sie trug ein auffallend elegantes Abendkleid, changierendes Grün, gesticktes Dekolleté, und wirkte zwischen blumenbedruckten Röcken und einfachen Blusen fast übertrieben schick. „War das deine Freundin?“
„Meine Ex.“
„Ah, okay.“ Sie lief ums Beet herum und brachte eine Wolke Parfüm mit sich, tropisch-schwül und zuckersüß. „Ich wollte nicht lauschen.“
„Ich fürchte wir waren zu laut, zum weghören.“
„Habt ihr euch vor kurzem getrennt?“
„Nein, letztes Semester.“
„Und ihr streitet euch immer noch?“
„Manche Dinge werden nicht besser.“
Sie nickte und nippte an ihrem Mojito – die Minzblätter schwammen darin wie Unterwasserpflanzen. „Du, ich wollte dich fragen, ob du zu meiner Geburtstagsfeier kommen willst?“
„Wann denn?“, fragte Konstantin und schüttelte bedauernd den Kopf, als sie ihm das Datum nannte. „Da kann ich nicht. Da haben wir eine Performance.“
„Oh, schade. Aber du hast ja meine Nummer. Also falls doch ...“

Eric rauchte am Küchenfenster. Er trug noch seinen Pyjama, blaue Quadrate auf Dunkelgrau, und leichter Fettglanz überzog Haut und Haare, Bartstoppel bedeckten die Wangen. Auf dem Küchentisch stand eine Müslischüssel, an deren Rand Haferflocken und Joghurt klebten. Das Radio, ein schwarzer Würfel auf der Fensterbank, spielte Rockmusik.
„Ich glaube, ich hab Michaela soweit.“ Konstantin suchte sich einen Apfel aus der Obstschale und scheuchte dabei eine Horde Fruchtfliegen auf, schwarzer Pixel, die ihm entgegenschossen wie ein zorniger Dämon. Angewidert legte er den Apfel zurück. „Lass mich noch einmal mit ihr reden und sie mach mit.“
„Schön für dich.“
„Du klingst nicht gerade begeistert.“
„Ist halt nicht sehr relevant für mich.“
Auf der Straße donnerte eine Müllabfuhr vorbei und der Geruch von Abgasen und Fäulnis wehte durch die Küche. Konstantin stand am Regal und versuchte eine Packung Kaffeebohnen zu öffnen. „Was soll das heißen?“
„Du hast mich nie gefragt, ob ich mitmache.“
„Natürlich machst du ...“
„Nein, eben nicht.“
„Ist nicht dein Ernst.“ Die Tüte riss der Länge nach auf und die Bohnen spritzten wie Schrapnell über den Küchenboden. „Scheiße!“
Auf den Knien krochen sie übers Linoleum und schaufelten die Bohnen händeweise in Tupperdosen.
„Die Aktionen in letzter Zeit, ich weiß nicht“, sagte Eric. „Du wusstest doch, dass wir das Auto von Rolands Tante abfackeln, oder?“
„Sch!“ Konstantin warf einen Blick Richtung Tür, aber alles blieb still, kein Wutschrei, kein Fluchen, Roland und Michaela schliefen wohl noch oder ihr Fernseher überdeckte alle Geräusche.
„Ich liege echt richtig?“
„Ist doch egal.“
„Eben nicht. Ich hab keine Ahnung, worum es geht. Du erzählst mir nichts. Aber du willst, dass ich mitmache.“
„Es geht nicht, ich kann‘s dir nicht sagen.“
„Weil ich dann nicht mitmachen würde?“
Konstantin wich seinem Blick aus.
„Siehst du“, sagte Eric. „Was immer du mit Roland und Michaela klären musst, klär das allein. Ich will da nicht reingezogen werden, das ist nicht meine Sache.“
Neben Staub und versprengte Kaffeebohnen fand Konstantin ein unbenutztes Kondom unterm Küchenregal. Er wedelte damit in der Luft. Eric lächelte müde.
„Es ist nur noch eine Aktion“, sagte Konstantin.
„Du weißt, ich hab immer gerne mitgemacht. Aber nein.“
„Fuck!“
Eric stand auf und klopfte sich Krümel von der Jeans. „Was regst du dich eigentlich so auf?“
„Scheiße, du bist in einem Monat weg.“
„Und?“
„Ich will nochmal was mit dir unternehmen, aber du sagst mir, meine Aktionen sind fürn Arsch.“
„Das hab ich nicht gesagt.“
„Hast du. Und du willst auch immer, dass ich mit meiner Beziehung klar komme. Du sagst, ich soll von Michaela los kommen. Aber eigentlich hast du keine Ahnung. Wie willst du wissen, wie das mit Frauen ist? Du hast noch nie eine angefasst.“
„Tolles Argument, Arschloch!“
Eric warf seine Tupperdose auf den Tisch, die Box schlitterte über die Kante und die Bohnen schwebten für einen Augenblick in der Luft, bevor sie verschwand. Eric stürmte aus der Küche.

Als Konstantin die Tür öffnete, saß Michaela auf dem Bett und hörte Musik über Kopfhörer. Sie hielt die Augen geschlossen, bemerkte ihn nicht. Die Fenster standen offen und der Wind blies die Vorhänge über Sessel und Schreibtisch wie verspielte Zungen. Trotz der frischen Luft roch das Zimmer nach Räucherwerk, ein Relikt der letzten Nacht, als sie kifften, bis ihnen schlecht wurde, und anschließend Opferriten abhielten gegen den verräterischen Geruch. Die Asche häufte sich noch in Porzellanschalen auf dem Regal.
Er stupste Michaela an, sie schreckte zusammen und öffnete die Augen.
„Störe ich?“, fragte er.
„Kommt drauf an.“ Sie nahm die Kopfhörer ab und rückte zur Seite, während er sich aufs Bett setzte. „Was willst du?“
„Nur ein bisschen Reden.“
„Wirklich? Müssen wir da nochmal durch.“
„Warum so misstrauisch?“
Sie stieß die Luft zwischen den Zähnen aus. „Als hätte ich keinen Grund dazu.“
Konstantin lehnte den Rücken gegen die Wand. Noch blieb der Weg zurück, er konnte die Sache vergessen, konnte Noi anrufen und ihr sagen, dass er Zeit hatte für ihre Party. Vermutlich wäre es nicht schwer, sie ins Bett zu bekommen. Vermutlich wäre sie eine tolle Freundin, einfühlsam und lieb und weniger anstrengend als Michaela, weniger fordernd. Aber Michaela würde bei ihm bleiben, in Gedanken und im Traum, und er würde auch an Nois Seite mit Kopfschmerzen erwachen, mit der Sehnsucht nach früher. .
„Also gut, du hast Recht. Ich wollte ...“
„Dann raus.“ Ihr Finger wies den Weg.
„Komm schon. Nur ein bisschen Reden.“
„Raus aus meinem Zimmer!“ Ihre Unterlippe bebte – früher hatte Konstantin das süß gefunden, seine kleine Kriegerin, früher war sie auf andere wütend gewesen. Er stand auf, ging zur Tür und stieß fast mit Roland zusammen, der mit alarmierter Miene hereinstürmte.
„Was ist denn los?“
„Wir unterhalten uns nur über die kommende Performance.“
Verwirrte blickte Roland zu Michaela, schien ihre Erklärung zu erwarten. Sie schwieg und er ging zu ihr und berührte zögernd ihre Schulter. „Was ist denn?“
„Halt‘s Maul!“
Er zuckte zurück. „Ich hab doch nur gefragt.“
„Bei dem Thema ist sie überempfindlich. Sie reagiert da sehr heftig.“
Aber Roland schien Konstantin nicht zu hören. Mit verständnisloser Miene stand er am Bett, ein getretener Hund, rehäugig und hilflos.
„Manchmal hab ich das Gefühl, ich bin nur ein Anhängsel für dich. Ein Haustier, mit dem du manchmal spielst.“
Michaela rieb sich die Schläfe wie bei Kopfschmerzen, Zeige- und Mittelfinger kreisten auf der braunen Haut. „Nicht jetzt Roland, nicht jetzt.“
„Aber wann dann? Du lässt mich nie mit dir reden. Du würgst mich immer ab. Nicht jetzt, nicht jetzt. Aber wir kommen nie darauf zurück. Du hörst mir einfach nicht zu. Ist es dir wirklich egal, was ich fühle?“
Auf der Straße schwebten die Köpfe von Zaungästen, fein säuberlich abgeschnitten vom Fensterbrett, und sie wandten betreten die Gesichter ab, als Konstantin versuchte das Fenster zu schließen. Aber die Vorhänge verhedderten sich und verklemmten das Scharnier und er kämpfte mit einem Meer bunter Gaze, säuselnd und zart und nervig wie Juckreiz. In seinem Rücken hörte er Roland: „Dir geht es immer nur um Spaß. Ich bin einfach Unterhaltung für dich. Stimmt doch? Ich soll Party machen, soll kiffen, soll saufen, soll ficken wie‘s dir passt. Ich bin wie ein Vibrator für dich.“
„Bitte Roland, wir klären das. Wirklich. Egal wann. Aber nicht jetzt.“
„Nein.“
Schließlich war das Fenster geschlossen, die Außenwelt ausgesperrt. Konstantin wandte sich wieder dem Zimmer zu. Michaela kauerte an der Wand, die Knie unters Kinn gezogen, während Roland noch immer vorm Bett stand und sich beim Sprechen soweit vorbeugte, dass er wie ein Krüppel wirkte.
„Um wieder zum Thema zu kommen“, sagte Konstantin. „Unsere Liebe hier will nicht mitmachen.“
Roland hörte ihm nicht zu, sprach nur weiter mit rauer Stimme auf Michaela ein: „Du machst mich fertig. Du machst es mir so schwer, mit dir zusammen zu sein. Als wäre unsere Beziehung Leistungssport.“
„Aber nach dem Grund gefragt, weicht sie nur aus. Ich hab sie gefragt. Ist es dies, ist es das. Und dann sagt sie ja und ich denke, endlich verstehe ich sie. Aber dann kommt raus, dass es der Grund gar nicht sein kann. Weil er nicht zu ihr passt.“
„Ich fühle mich unbedeutend neben dir. Auf Partys stellst du mich nie vor. Ich stehe dann nur am Rand und warte darauf, dass du dich auch mal mit mir unterhältst. Aber du trinkst mit den Andern, lachst mit den Andern.“
Michaela verbarg das Gesicht zwischen den Händen und Konstantin fühlte sich schlecht.
„Aber die Frage hat mir keine Ruhe gelassen. Was stört sie an einer gespielten Vergewaltigung?“
Inzwischen kniete Roland vorm Bett und berührte Michaelas Füße, süße Zehen, mit rot lackierten Nägel, und eine Feder über den Knöchel tätowiert.
„Ich fühl mich unbedeutend neben dir. Und das will ich nicht mehr. Ich liebe dich. Ich will glücklich mit dir sein. Aber ich fühle mich so hilflos.“
„Und dann die Idee: Vielleicht hat sie selbst Erfahrungen in die Richtung machen müssen. Nicht unbedingt eine Klischee-Vergewaltigung vom Fremden im Park. Aber vielleicht ein lieber Onkel. Oder ein Junge auf der Party. Eigentlich ganz süß, nur etwas aufdringlich. Der sie abfüllt und dann auf sein Zimmer zieht. Der sie überall anfasst. Aber Schreien geht nicht. Schließlich ist er kein Ungeheuer. Vielleicht hat sie so ihre Unschuld verloren.“
„Ich mach mit.“ Michaelas Stimme klang dünn hinter ihren Händen.
„Was?“
„Hör auf. Bitte.“
Michaela weinte, zwischen ihren Fingern liefen Tränen durch. Völlig überfahren saß Roland vorm Bett. Sein Kiefer hing herunter wie ausgeklinkt und er sah Konstantin an, als erwartete er eine Erklärung.
Konstantin ging.

Eric schnitt Rohkost in Streifen und füllte einen Teller mit Paprika, Mohrrüben und Gurken, sein Beitrag für den Fernsehabend – falls es einen geben sollte, denn Michaela hatte sich seit dem Nachmittag im Zimmer eingesperrt und sprach mit niemanden. Er führte das Messer routiniert wie ein Profikoch. Konstantin saß ihm gegenüber am Küchentisch und trank Bier aus der Flasche.
„Ich hab Michaela überredet.“
„Ich hab das Geschrei gehört.“
„Tut mir leid.“
„Nicht so schlimm.“ Eric hielt kurz inne, wischte sich eine Wimper aus dem Augenwinkel. Dabei verzog er sein Gesicht zur Fratze.
„Ich mein auch wegen heute Morgen.“
„Ist mir schon klar.“
„Weiß auch nicht, was mit mir los ist. In letzter Zeit bin ich einfach schlecht drauf.“ Die Flasche war leer, er ging zum Kühlschrank und nahm sich die vierte für den Abend. Im obersten Fach schimmelte trug ein Stück Gouda einen flauschiger Pelz in grün und weiß. Er ließ es liegen.
„Du solltest die Sache vergessen. Und lass Michaela in Frieden. Du hast schon genügend kaputt gemacht. Ich mein, Roland kann nicht mal seine Sachen aus ihrem Zimmer holen.“
„Das wird schon wieder bei den Beiden. Die sind da unverwüstlich.“
Eric schüttelte den Kopf. „Ich mein‘s ernst. Vergiss das Ganze. Ruf lieber die Kleine an, von der du mir erzählt hast.“
„Werd ich machen, werd ich machen.“ Er stand jetzt am Fenster, den Kopf an die Scheibe gelehnt und sein Atem beschlug die Scheibe. Jemand rauchte jenseits der Straße, der Glutpunkt wanderte im Dämmerlicht wie ein Glühwürmchen.
„Wirst du nicht.“ Eric warf das Messer in die Spüle, Metall polterte auf Metall. „Warum kommst du nicht von ihr los?“ Und nach einer Pause. „Ach, vergiss es. Ich versteh‘s einfach nicht.“
Konstantin löste sich vom Fenster, gab auch Eric ein Bier. Trocken stießen die Flaschen zusammen.
„Hast du Helmkameras?“
„Ja, wieso?“
„Weil wir eine Möglichkeit zum Filmen brauchen.“
„Du willst die Sache also wirklich durchziehen.“
„Ich muss. Wie komme ich sonst von ihr los?“
„Sag ihr, sie soll ausziehen.“

Der Marktplatz lag verwaist im Mondlicht. Rolands Cowboystiefel hallten weit und der Schatten des Brunnens kauerte als verzerrter Zwilling auf dem Pflaster. Nur in den Schaufenstern der Häuser brannte noch Licht, die Stockwerke darüber wirkten tot. Ein Nachtbus grollte vorüber. Seine Scheinwerfer wischten über den Rande des Platzes und verschwanden wieder.
„Ich glaube, wir sollten abbrechen.“ Roland verlagerte sein Gewicht so häufig von einem Fuß auf den andern, dass er fast tanzte.
„Ernsthaft? Müssen wir das wieder durchgehen? Schau dir unsere Klamotten an. Darin erkennt uns niemand.“ Konstantin breitete die Arme aus. In Fransen fiel die Cowboyjacke an ihm herab. Roland trug eine Hose mit Strassbesatz und ein Hawaiihemd in purpur und türkis – selbst im schwachen Licht schmerzten die Farben.
„Das mein ich gar nicht.“
„Was dann?“
„Michaela.“
„Die wird kommen.“
„Und wenn sie ihre Meinung geändert hat? Wenn sie nicht mehr zustimmt? Dann ist es echt. Eine echte Vergewaltigung. Scheiße, dann wander ich in den Knast.“
„Erstens, dann wandern wir in den Knast. Und zweitens, warum sollte sie?“
„Naja, seit dem Streit...“ Mit fahrigen Fingern fitzelte er ein Kaugummi aus der Verpackung, drückte sich den rosa Streifen in den Mund. Beim Kauen traten seine Kiefermuskeln vor.
„Ich dachte, sie lässt dich wieder in ihr Zimmer.“
„Aber sie redet nicht mit mir. Sie liegt nur den ganzen Tag im Bett und hört Musik und ich schlafe auf dem Fußboden.“
„Hör zu. Wenn Michaela sagt, sie macht mit, dann ist das Fakt. Die heult nicht rum und kneift.“
Roland sah ihn hilflos an, ein Wrack mit Schatten im Gesicht und entzündeten Augen, und Konstantin fühlte sich befreit – alles würde funktionieren und er würde nach Hause gehen und traumlos schlafen, keine Berührungen mehr im Moos, keine Reibeisenstimme und keine verklebten Laken, keine Sehnsucht mehr am Morgen.
„Aber ...“
„Halt den Rand!“ Er packte Roland am Hinterkopf, zog sein Gesicht heran, bis er das Glitzern von Tränenflüssigkeit in dessen Augen sah, die Augen einer Kuh, treulos und dumm, die Augen eines Kaninchens.
„Wir ziehen die Sache jetzt durch. Kapiert? Nichts wird schief gehen. Das Ganze dauert kaum fünf Minuten und alles ist erledigt. Wir haben unser Filmmaterial und die Sache ist aus der Welt.“
Roland nickte und stolperte zurück, als Konstantin ihn losließ.
„Gib mir mal ein Kaugummi.“
Der Geschmack von Himbeeren füllte Konstantins Mund. Er sah sich um, von Michaela keine Spur, nur ein Männchen im Regencape schob seinen Einkaufswagen voller Plastiktüten über den Platz. Ein Rad klemmte und quietschte erbärmlich. Das Männchen murmelte Unverständliches in seinen Bart. Haare wuchsen wie Tang unter seiner Mütze hervor.
„Scheiße!“
„Was denn jetzt?“
„Ich blute.“ Roland befühlte seine Lippe und Blut ran dick und schwarz wie Teer über seine Finger. Mit der freien Hand wühlte er in seiner Hose nach einem Taschentuch. „Fuck! Was mach ich jetzt?“
„Kommt mit.“ Konstantin zog ihn zum Brunnen. Die Engel schliefen längst und spendeten keinen Wein mehr aus Bronzeamphoren, aber im Becken stand das Wasser knietief, aufgequollene Kippen schwammen darin und am Boden blinkten Münzen, Augen in der Tiefe.
„Los wasch dir das Gesicht.“ Roland patschte ins Wasser und das Blut verteilte sich wie Tinte, traumschöne Formen, schwebende Schleier und Schlieren, und Konstantin bedauerte, seine Kamera nicht eingeschaltet zu haben. Tot und nutzlos hing sie an seinem Kopf, ein ungewohntes Gewicht, das ihn nach vorne zog.
„Nimm das Taschentuch.“
An Rolands Lippe färbte sich das Papier dunkel als würde es sekundenschnell verfaulen.
„Passt soweit alles?“
Roland nickte und nahm auch das zweite und dritte Taschentuch. Inzwischen war das Männchen verschwunden, nur das Quietschen seines Einkaufswagens hielt sich im Ohr, ein feines Fiepen wie das Leck einer Gasflasche.
Ein Polizeiwagen fuhr mit Blaulicht vorüber und wäre Roland los gelaufen, hätte Konstantin ihn nicht festgehalten.
„Reiß dich mal zusammen.“ Er spürte Rolands Zittern durchs Hawaii-Hemd. „Ich kapier ehrlich nicht, was Michaela an dir findet.“
„Sie wird nicht kommen.“ Roland nuschelt mit der Hand vorm Mund. Schweiß perlte auf seiner Stirn, überdeutlich wie im Film.
„Klappe! Und halt dich mal gerade. Du siehst aus wie ein Krüppel.“
Eine Gestalt bog um die Ecke von Karstadt. Gegen die Weite des Platzes wirkte sie klein und schüchtern und hilflos, ein verirrtes Mädchen in der Nacht. Konstantin schaltete seine Helmkamera ein und stieß Roland in die Seite, der das Taschentuch fallen ließ und an seiner Stirn fummelte bis Aufnahmelampe leuchtete.
„Action!“
Und Roland lief quer über den Platz, stürmte auf Michaela zu als wolle er sie umrennen, ein Rugbyspieler auf der Jagd. Konstantin blieb stehen. Er spürte seinen Pulsschlag im Kopf, das Hämmern einer Schmiede.
Wie zwei Billardkugeln prallten Roland und Michaela zusammen und gingen zu Boden. Sie schrie, vielleicht gespielt, vielleicht echt, versuchte ihn mit den Füßen wegzustoßen, zerkratze sein Gesicht. Aber er packte ihre Kehle und schlug ihren Kopf aufs Pflaster. Mit der freien Hand riss er ihren Rock hoch bis zum Brustkorb und fummelte an seiner Hose. Michaela weinte, abgehackt als hätte sie Schluckauf. Aus der Entfernung konnte Konstantin ihr Gesicht nicht erkennen, nur ihren hilflosen Körper unter Rolands Gewicht und ihre Beine, lang und grazil und gespreizt wie bei einem Pornosternchen.
Er wandte sich ab. Im Gehen wurde Michaelas Schluchzen leiser. Er holte sein Handy aus der Tasche und rief Noi an.
„Alles Gute zum Geburtstag.“
„Oh, Konstantin. Toll, dass du anrufst.“
„Ist es okay, wenn ich noch vorbei komme?“
„Natürlich. Ich freu mich.“

 

Mal zum Anfang: Echt gut. Der Zwieback ist gut, sehr plastisch alles. Dann wirken diese wie diktierten, etwas gesteltzen Hauptsätze auch: „Der Zwieback beschrieb einen dramatischen Bogen.“ - durch den Satz mit dem Zwieback, ist dann auch der Satz okay: Sonnenlicht kroch über den Boden und wärmte Konstantins Füße.

Das einzige, was mich am Anfang gestört hat, war:

Jetzt huschte sie wie ein Tier durch seine Träume, ein Tier, das sich an ihn schmiegte im modrigen Laub, mit heißem Atem und Reibeisenzunge, und ihn vor seiner Zeit aus dem Schlaf riss.
Das ist ein toller Satz, aber dieses „vor seiner Zeit“ braucht 3 Ecken, damit ich es verstehe (Aha, er meint mit Zeit, die Zeit, in der er aufstehen muss) – und es ist völlig überflüssig, weil ja „aus dem Schlaf reißen“ schon genau das meint. Und der Satz ist sonst so schön, also das sieht immer so kleinlich aus, aber hier dieses „vor seiner Zeit“ - das ist entscheidend, dass das rausfliegt.

liefen nackt und die Oberkörper beschriftet wie Femen-Aktivistinnen über Volksfeste
Ich hab keine Lust wieder meine „Das Deutsche funktioniert so nicht“-Predigt zu halten, aber das Deutsche funktioniert so nicht. Ich seh das oft, dass man einen kleinen Gedanken in einer Aufzählung so reindrücken will in eine grammatikalische Konstruktion, in eine bestehende Verbindung.
Das geht im Deutschen nicht. „liefen nackt und die Oberkörper beschriftet“ - jeder weiß, was gemeint ist, aber es muss heißen „liefen nackt und mit beschrifteten Oberkörpern“ - und das klingt natürlich nicht so gut, aber dieses „die Oberkörper beschriftet“ ist eine grammatikalische Form, die nur in begrenzten Zusammenhängen verwendet werden kann. Wenn man auf was zeigt. Das sind Dinge, die man im Alltag so macht, eine Mischung aus Attribut, Verkürzung und Partizip – aber das ist nicht so frei.

Ich überleg jetzt schon 5 Minuten warum das nicht geht. Man könnte sagen: da geht er hin, nackt und die Taschen voller Geld. Aber z.b.: Da geht er hin, nackt und die Taschen ausgebeult – wär schon wieder komisch. Irgendwas muss mit dem finiten Verb nicht in Ordnung sein in dem Zusammenhang. Herrje, es geht einfach nicht! Partizipiales Temporalgesetz, Oberste Direktive, Sternenflottenkommando!

Das letzte Video zeigte die Drei unterm Titel Freud‘s Fault, wie sie mit Farbe den Triebwagen einer U-Bahn in einen Penis verwandelten und die Tunnelöffnung der ersten Haltestelle in eine tentakelhaarige Vagina.
So lange keiner was ins Ohr kriegt, ist alles okay.
Statt die „Drei“ würde ich so was schreiben wie: Konstantin und die anderen beiden, weil „Konstantin“ ist der personale Erzähler bis hierhin, bei „die Drei“ ist das ein anderer Erzähler, fürchte ich.
Boah – wenn ich versuchen würde, zu erklären, warum ich das so sehe, bräuchte ich noch länger.

Roland kaute auf seiner Unterlippe – in Prüfungen lief ihm davon manchmal Blut übers Kinn und die überforderte Aufsicht bot ihm Taschentücher an, die er ablehnte, weil er Wattebäusche dabei hatte und Heftpflaster.
Alter. Macht mich fertig.

Die ersten Schaulustigen liefen zusammen, vereinzelte Neugierige und kleine Gruppen,
Du bist ja schlimmer als Maria früher.
Die Frage hier ist: Sind da Einzelne und kleine Gruppen, die dort rumstanden, und nun zusammenlaufen und dann eine „größere Gruppe bilden“. Oder: laufen da Leute einfach hin (also nicht zusammen, sondern nur: In eine ungefähre Richtung“ und bleiben dann stehen, manche alleine, manche in kleinen Gruppen.
Die Frage – ich weiß das ist bescheuert - kommt daher, weil“zusammenlaufen“ eine Bandbreite hat von (sich auf was zubewegen bis hin zu wirklich zugehen, bis man in einer Gruppe steht). Von daher hast du hier einen Satz, der keine Fragen beantwortet und nur eine stellt.

Hm, heut bin ich aber komisch …

Endlich auf ihrem Hinterhof, sprangen sie von den Rädern und fielen sich in die Arme wie Sportler nach dem Rennen. Michaela hing an Konstantins Hals, ihr Mund, ihr Lachen ganz nah, ihre Brüste fest an seinen Rippen, und er hielt sie fest, bis sie sich befreite. Sie legte den Kopf zurück und drehte sich begeistert wie ein Kind auf dem Jahrmarkt. Eric lief in die Wohnung, holte Wodka und Gläser. Die Dinge fühlten sich wie früher an – ein Leben aus lockerleichter Zuckerwatte.
Ja, ist schön. Ich versteh zwar nicht so ganz genau, warum da Sport-Studenten ausrasten, weil es ja doch offenbar als Kunst-Performance zu erkennen ist, aber wahrsheinlich weil es eben so betont kitschig ist, mit dem Flags of our Fathers-Bild.

Das ist eigentlich echt eine geile Idee; gab ja vor einer Weile einen Roman „Er ist wieder da“ - da kommt Hitler in Berlin wieder zu sich, und jeder denkt, es wär ein Performance-Künstler, ein method Actour und ist total begesitert, dass der niemals aus der Rolle fällt und den Deutschen einen Spiegel vorhält, dass sie so auf Hitler fixiert seien – Hitler hingegen freut sich, dass er so viel Aufmerksamkeit kriegt und plant seine Popularität für politische Zwecke zu nutzen; in einer zweiten Ebene wurde dem Roman dann tatsächlich auch vorgeworfen, so kalkuliert Tabus zu brechen und sich der Kritik zu entziehen und erfolgreich zu sein, indem er den pathologischen Hitler-Reflex des Publikums dadurch ausnutzt, weil er einen Roman schreibt über die Hitler-Besessenheit usw. - so ein Verhältnis hab ich auch ungefähr zur modernen Kunst. So eine Art von Kunst, die dann gezielt den Tabubruch begeht, um wahrgenommen zu werden, und dann als Begründung hat: Wir bedienen uns der Mittel dessen, was wir angreifen: Ich kann das nachvollziehen, aber es nervt mich auch. Weil es halt auch so billig ist immer. Ich fänd eine Kunst gut, in der mich nicht nur die Idee zu was überzeugt, sondern auch die Ausführung; daran hapert es dann leider oft. Aber natürlich ist das dann auch offensiv schlecht.
Gibt ein Musik-Video von Madsen „Baut wieder auf“, da werden 2 Minuten lang große Aufmärsche, Inzenierungen und Paraden aus Diktaturen präsentiert und erst zum Schluss werden diesen Bildern dann andere ikonische Bilder von Individuen entgegengesetzt. Ist ein großartiges Video. Ich frag mich, wie viele, die das sehen, dann so weit mitgehen, und wie viele nach 1 Minute ausmachen und sagen: Militärverherrlichend. Oder die nach 2 Minuten sagen: Woah, voll beeindruckend, aber was soll denn der Scheiß mit Ghandi am Ende.

Mit Minirock und der Schminke im Gesicht wirkten sie wie Nutten, aber sie waren hübsch und die Kleinere hatte niedliche Ohren.
Oh oh! Er wird doch nicht … (nee, im Ernst in jedem anderen Kontext wär das ja ein Synonym für Möpse, aber sicher ist das auch ein kleiner Insider-Gag hier).

von denen Schweiß troff und After-Shave,
triefen, triefte, getriefte; nicht: triefen, troff, getroffen

Dichter Regen fiel und die Sicht reichte keine fünfzig Meter.
Nicht zur Marotte werden lassen, ich glaub den kleinen Sprachgag hast jetzt schon fünfmal im Text oder so.

„Wirklich? Willst du vor denen einknicken? Oder willst du Mut beweisen? Frag dich mal, was Michaela lieber ist.
Man merkt schon, dass das noch sehr junge Leute sind. So deutlich hier mit: Wir machen das nur, um Michaela zu imponieren – das ist auch ein lustiger Name für eine Künstlerin in einem radikalen Vier-Eck-Verhältnis: Michaela.

„Wieso? Für echte Kunst muss man doch Konsequenzen tragen.“
Ja, das ist auch schön, woher diese Idee immer kommt. Das der große Künstler auch die große Pose, das große Pathos braucht. Ich glaube, in vielen Fällen ist es so, dass einem großen Künstler sich überall Türen öffnen, er erfolgreich ist und überhaupt keine „Konsequenzen“ daraus ziehen muss – in vielen Fällen zumindest. Es ist nur einfach keine schöne Geschichte.
Wenn man beobachtet, wie „Künstler“ auch absichtlich ihre Vita auf-slummen und überdramatisieren. In den USA sind die großen Autoren in jüdischen Familien aufgewachsen, zwei Einkommen waren da, der Bruder ist Zahnarzt geworden und das einzige, worum sie sich wirklich sorgen musste, war der enorme Erwartungsdruck, der dann aufgebaut wurde.
Ich mein, das ist klar, woher das kommt. Aber die meisten „Künstler“ haben heute eine grade Biographie, die dann lieber verschwiegen oder überdramatisiert wird – sicher gibt es auch Ausnahmen, aber wenn das stimmen würde, dann käme heute jede Form von großer Kunst aus Schwarzafrika und den Elendsländern in Südamerika.

Sie hatte Konstantin auf einer Erstsemesterveranstaltung angesprochen, weil sie ihn für naives Frischfleisch hielt.
Perspektiv-Fehler, bleib doch in der personalen Sicht Konstantins.

und ein schwarzes Jazzquartett aus der bayrischen Provinz spielte Klassiker wie Take Five und Kind of Blue.
Oh Mann. Da steckt auch viel drin, so bayrische Provinz Schützenfenst. Und was machst du so? - Ich bin schwarz. - Ja, ich auch - - Lass eine Jazband gründen!

Sie nickte und nippte an ihrem Mojito – die Minzblätter schwammen darin wie Unterwasserpflanzen.
Was ist das eigentlich für ein dekadenter Haufen? Haben die einen Cocktail-Guide gelesen oder was? Ich mach mir mal einen Manhattan! Haben wir noch Cherry-Kirschen – Ja, natürlich, gestern kam die Lieferung. Liegt gleich neben der frischen Hemingway-Minze. - Wer hat denn überhaupt Tonic Water im Haus? Wenn die Malaria kommt, oder was.
Ich mag den Text, ist dein bester bisher, find ich. Weil die Figuren wiggle-room haben, die haben Spielraum, man weiß nicht, was als nächstes passieren wird. Den Ausbruch hier hätte ich Konstantin nicht zugetraut. Und aus dem Messias-Freund, den du sonst in deinen Texten hast, ist hier Eric geblieben, der bald verschwindet, und das löst wohl dieses Gefühl in Konstantin aus, jetzt irgendwas zu machen. Das ist diesmal auch eine Gruppe mit Vergangenheit: Früher war es mal so, jetzt ist es anders. Jetzt geht was zu Ende. Diese Änderung im Szenario tut der Geschichte gut, die erdet das. Die Leute haben „History“, wie man das so schön bei meinen schwarzen Tubaspielern-Freunde aus der bayrischen Provinz sagt.

„Hast du. Und du willst auch immer, dass ich mit meiner Beziehung klar komme. Du sagst, ich soll von Michaela los kommen. Aber eigentlich hast du keine Ahnung. Wie willst du wissen, wie das mit Frauen ist? Du hast noch nie eine angefasst.“
„Tolles Argument, Arschloch!“
Das hast du aber bald in jeder Geschichte drin, dass der Messias-Freund zölibatär lebt. Ist das irgendwie dann Potential für eine homosexuelle Nummer oder was fasziniert dich so an dem Motiv? Ist ja schon auffällig.

Du machst es mir so schwer, mit dir zusammen zu sein. Als wäre unsere Beziehung Leistungssport.
Ich stell mir das auch so unheimlich anstrengend vor, wie die zu sein. Weil die ja nichts „natürlich“ fühlen oder so eine Orientierung haben, sondern sich dann scheinbar immer fragen: Was ist jetzt los? Was mach ich jetzt? Was mach ich da? Wo ist die Aktion? Wo ist die Botschaft? Was können wir machen?
Hier das Gespräch – die ersten Szenen aus Social Network, wenn Zuckerberg auf seine Freundin einredet, worum's im Leben geht, was er erreichen muss, welche Illusionen er wegräumen muss, dass das Leben ein Wettlauf ist und er ist an Stelle 42 und muss unbedingt auf 41 kommen, sonst fällt er noch auf 43 zurück und dann verschwendet er ja sein Leben völlig – und sie macht dann mit ihm Schluss, weil er so furchtbar anstrengend ist, weil er nie abschalten kann, weil er sie wahnsinnig macht mit diesem unsicheren Gequatsche. Daran musste ich hier denken.

„Und dann die Idee: Vielleicht hat sie selbst Erfahrungen in die Richtung machen müssen. Nicht unbedingt eine Klischee-Vergewaltigung vom Fremden im Park. Aber vielleicht ein lieber Onkel. Oder ein Junge auf der Party. Eigentlich ganz süß, nur etwas aufdringlich. Der sie abfüllt und dann auf sein Zimmer zieht. Der sie überall anfasst. Aber Schreien geht nicht. Schließlich ist er kein Ungeheuer. Vielleicht hat sie so ihre Unschuld verloren.“
Das ist schon echt krank, was hier passiert. Da ist ein Typ, der nicht damit klar kommt, dass er abserviert wurde. Und dann hat er Angst, auch noch von seinem besten Freund verlassen zu werden. Und seine Lösung ist nicht etwa, einfach damit klar zu kommen und damit halt zu leben, sondern er entwirft ein Szenario, indem er sich und seine Freunde „radikalisiert“ (fast schon sektenartig) und dann ein Szenario entwirft, in der er die eX-Freundin vergewaltigen kann als Kunst-Performance.
Und als die sich weigert, greift er sie hier auf einer Ebene an, die wirklich widerlich ist. Mit so einer „Eine gesunde Frau würde sich vergewaltigen lassen, offensichtlich stimmt was mit dir nicht; wenn du uns beweisen willst, dass du authentisch und bei dir bist, dann musst du da auch mitmachen“. Hallo?

„Ich muss. Wie komme ich sonst von ihr los?“
„Sag ihr, sie soll ausziehen
Ja, die Geschichte ist wie die Ekel-Version vom Gute-Laune-Film „Zack and Miri make a porno“. Da drehen zwei Mitbewohner zusammen, weil sie chronisch pleite sind, einen Porno, verlieben sich dabei ineinander und haben dann tatsächlich auch vor der Kamera Sex – der überhaupt nichts bedeuten soll, ihnen aber die zärtliche Romanze total zerschießt. Bei dem Film ist die Idee, dass sie schon miteinander schlafen können, ohne was passiert; Hier ist die Geschichte, dass er mit ihr nochmal schlafen muss, damit es vorbei sein kann.

Der Marktplatz lag verweist im Mondlicht
Verwaist - von Waisen – Stell dich mal drauf ein, dass hier noch so 40 Fehlerchen im Text sind. Ich such die nicht raus, aber die sind auf jeden Fall da.


Ah, okay, ich dachte die Geschichte läuft am Ende darauf hinaus, dass Konstantin sie „vergewaltigt“, aber tja. Also das ist, in der Form, i … mit dem Ende, ist das schon sehr gewagt. Dass es wirklich ein Einschnitt war, innerhalb der Geschichte, und für die Figur des Konstantin jetzt ein Happy-End bei rauskommt, das ist schon eine krasse Entscheidung. Alles zu Bruch, und er macht weiter.

Ich weiß nicht, ich finde sie ist auf der Ebene der Konfliktgestaltung, der Szenenführung, dass man immer weiß, wer wo ist und was wer vorhat, ist das deine beste Geschichte bisher. Ich weiß nicht, ich seh die Geschichte eben anders als sie da steht. Ich hab gedacht: Er will sie vergewaltigen. Es ist aber wohl „ernst gemeint“, dass er das nur filmen will. Aber das ist doch so krank … beides ist so irre.
Ist ihm denn die Idee, Roland könne den Abflug machen und er springt ein, überhaupt nicht gekommen? Hat Konstantin das von Anfang an so ernst gemeint. Herrje.

Ich find die Geschichte schon ziemlich heftig. Ich weiß nicht, ob der Konflikt zum Ende hin dann maximal ausgeschöpft wurde. Hier „gewinnt“ ja praktisch der Bösewicht. Diese Konsequenzen, von denen er faselt, die ein Künstler auf sich nehmen müsste, die trägt er ja nicht. Sondern der macht mit Vorwand die anderen beiden kaputt, in so fern ist das ein Porträt über die Egomanie eines Künstlers, wenn man so will, der da wirklich über Leichen geht. Aber warum kommt er damit durch? Wär die Geschichte besser, wenn Eric einen stärkeren Widerstand bilden würde? Wenn ihn einer stellt. Wenn ihm einer sagt: Du machst das und das, mach dir das klar, es ist unverantwortlich. Aber das scheint ja in der Welt dieser Geschichte nicht vorgesehen zu sein. Sondern das ist dann wirklich das Überschreiten von Grenzen. Das ist ja auch keine „gespielte Vergewaltigung“ hier, wie's im Ehebett vielleicht mal passiert, sondern, zumindest wie's geschldert wird, etwas viel Hässlicheres.

Fällt mir schwer, da sehr sachlich zu sein. Wo man vielleicht ansetzen könnte, um die Geschichte noch weiter auszubauen: Dass Eric zu einem Antagonisten wird, der zumindest versucht, Konstantin in diesen Ideen Einhalt zu gebieten. Das ist nur ein ganz vorsichtiger Widerstand hier. Die Geschichte verträgt eine starke vierte Figur, weil Roland ja auch ein ziemliches Klischee ist eigentlich. Ich mach mal hier Schluss, ich bin sehr gespannt, was die anderen sagen.

Gruß
Quinn

 

Hej Kew,

sprachlich fand ich's okay.

Ich versteh das folgendermaßen:
Konstantin weiß, dass sie vergewaltigt wurde, will ihr das "gespielt" noch einmal antun (lassen), um ... und da komm ich nicht weiter.
Irgendwo stand, dass er ein Kontrollfreak ist. Isses das?

Ich hab den Eindruck, dass die Geschichte vom Schwerpunkt her eher von ihren provokativen Elementen lebt, weniger von den Charakteren oder den möglichen Hintergründen. Das zieht mich einmal durch die Geschichte, funktioniert beim zweiten Lesen aber nicht mehr so gut.

Ich hab versucht, das rauszufischen was mir dazu noch aufgefallen ist (und noch ein bisschen Kleinkram):

„Du würdest zu stimmen,
zustimmen

im staubigen Licht schimmerten Arme und Beine braun wie frisch gebackenes Brot.
: ) Brot wie Brotkruste? Brot wie mehlig bestäubt und rissig?
Ja, ja, ich weiß da steht auch schimmernd ...

„Man spielt das einfach nicht.“
Konstantin lachte. „Dir geht es tatsächlich um die Moral.“
„Und?“
was auch bedeutet "Ja, es geht mir um die Moral". Aber ganz egal ob sie nun depressiv ist oder gelangweilt, ob sie "Erfahrungen" in diese Richtung gemacht hat oder ihn irgendwie durchschaut - dieses "Und?" passt zu einer, die nicht betroffen ist und es nicht sein wird.
Das versteh ich nicht.

stahl sie Billigschmuck aus Trödelläden und brach nachts in ihre alte Schule ein, um durch monddämmrige Korridore zu tollen, SED-Parolen an die Tafel zu schmieren und auf dem Lehrerpult zu ficken - weil das Leben sonst langweilig war.
Hm. Das geht doch irgendwie nicht, weil das seine Perspektive ist. Er weiß doch aber schon, dass es ihm nicht um Langeweile geht oder um noch mehr noch schrägere Nummern.
Er kann sich das Motiv für die ganze Idee ja nicht einfach aus dem Kopf schneiden.

„Das verharmlost das“, sagte Michaela.
Wieder so distanziert. Aber ich les nur mit Mühe hinein, dass sie das Thema vermeiden will, weil sie betroffen ist oder war. Wenn so gemeint, ist das (mir) zu subtil.

„Touche.“
Touché

Für echte Kunst darf man sich nicht verstecken. Man muss bereit sein, die Konsequenzen zu tragen.“
Konstantin wirkt an wichtigen Punkten plump und kaum überzeugend. Nix Alpha. Aber keiner lacht ihn aus oder zieht ihn auf, sie wirken wie Schäfchen, beinahe unschuldig, was eine seltsamen Kontrast bildet, zu ihren provokativen "Aktionen".

Dazu auch:

Er zuckte zurück. „Ich hab doch nur gefragt.“
„Bei dem Thema ist sie überempfindlich. Sie reagiert da sehr heftig.“

Michaela verbarg das Gesicht zwischen den Händen und Konstantin fühlte sich schlecht.
„Aber die Frage hat mir keine Ruhe gelassen. Was stört sie an einer gespielten Vergewaltigung?“
Das sind doch offensichtlich blöde Behauptungen und Fragen. Da wird doch jeder Idiot misstrauisch.

Tut mir leid, dass ich es nicht positiver sagen kann, ich hab das Gefühl, da steckt viel Arbeit drin, für mich isses nix,

LG
Ane

 

Hey Quinn,

danke fürs Lesen und Kommentieren.

Mal zum Anfang: Echt gut. Der Zwieback ist gut, sehr plastisch alles. Dann wirken diese wie diktierten, etwas gesteltzen Hauptsätze auch: „Der Zwieback beschrieb einen dramatischen Bogen.“ - durch den Satz mit dem Zwieback, ist dann auch der Satz okay: Sonnenlicht kroch über den Boden und wärmte Konstantins Füße.

Das einzige, was mich am Anfang gestört hat, war:

Freut mich, dass er für dich funktioniert. Hab versucht mir nicht gleichwieder mit einem überfrachteten Satz im ersten Absatz den Eingang zu verbauen.
Das mit "vor seiner Zeit" hab ich rausgenommen.
Und das mit den Femen-Aktivisten hab ich auch übernommen.

Statt die „Drei“ würde ich so was schreiben wie: Konstantin und die anderen beiden, weil „Konstantin“ ist der personale Erzähler bis hierhin, bei „die Drei“ ist das ein anderer Erzähler, fürchte ich.
Boah – wenn ich versuchen würde, zu erklären, warum ich das so sehe, bräuchte ich noch länger.
Ah, okay, jetzt weiß ich, was ihr gestern meintet. Hab ich geändert: jetzt zeigt das Video nur noch Michaela und Konstantin (Eric filmt ja). Müsste jetzt also stimmen.
Auch den Nebensatz, der bei Noi die Perspektive sprengt, hab ich rausgenommen.

Die Frage – ich weiß das ist bescheuert - kommt daher, weil“zusammenlaufen“ eine Bandbreite hat von (sich auf was zubewegen bis hin zu wirklich zugehen, bis man in einer Gruppe steht). Von daher hast du hier einen Satz, der keine Fragen beantwortet und nur eine stellt.
Jetzt bleiben sie nur noch stehen. :)

Das ist eigentlich echt eine geile Idee; gab ja vor einer Weile einen Roman „Er ist wieder da“ - da kommt Hitler in Berlin wieder zu sich, und jeder denkt, es wär ein Performance-Künstler, ein method Actour und ist total begesitert, dass der niemals aus der Rolle fällt und den Deutschen einen Spiegel vorhält, dass sie so auf Hitler fixiert seien – Hitler hingegen freut sich, dass er so viel Aufmerksamkeit kriegt und plant seine Popularität für politische Zwecke zu nutzen; in einer zweiten Ebene wurde dem Roman dann tatsächlich auch vorgeworfen, so kalkuliert Tabus zu brechen und sich der Kritik zu entziehen und erfolgreich zu sein, indem er den pathologischen Hitler-Reflex des Publikums dadurch ausnutzt, weil er einen Roman schreibt über die Hitler-Besessenheit usw. - so ein Verhältnis hab ich auch ungefähr zur modernen Kunst. So eine Art von Kunst, die dann gezielt den Tabubruch begeht, um wahrgenommen zu werden, und dann als Begründung hat: Wir bedienen uns der Mittel dessen, was wir angreifen: Ich kann das nachvollziehen, aber es nervt mich auch. Weil es halt auch so billig ist immer. Ich fänd eine Kunst gut, in der mich nicht nur die Idee zu was überzeugt, sondern auch die Ausführung; daran hapert es dann leider oft. Aber natürlich ist das dann auch offensiv schlecht.
Gibt ein Musik-Video von Madsen „Baut wieder auf“, da werden 2 Minuten lang große Aufmärsche, Inzenierungen und Paraden aus Diktaturen präsentiert und erst zum Schluss werden diesen Bildern dann andere ikonische Bilder von Individuen entgegengesetzt. Ist ein großartiges Video. Ich frag mich, wie viele, die das sehen, dann so weit mitgehen, und wie viele nach 1 Minute ausmachen und sagen: Militärverherrlichend. Oder die nach 2 Minuten sagen: Woah, voll beeindruckend, aber was soll denn der Scheiß mit Ghandi am Ende.
Ja, eigentlich hatte ich da noch einen Abschnitt drin, in dem es um Blut-Künstler ging und um diese Gruppe aus Russland, Voyna - alles so richtig abgefahrenes, krasses Kunstzeug. Und das ist echt merkwürdig, weil ich mich da frage, gut, kann man machen, aber was will man damit erreichen? Bekannt werden, weil sich alle irgendwie davor ekeln? Weil das so krass ist? Das ist eine Sache, zu der ich kaum Zugang habe, ich stehe da eher als kopfschüttelnder Zuschauer. Wollte das aber drin haben, weil es letztlich ein super Schutzschild ist. Man kann ja (fast) alles machen, wenn man behauptet, dass es Kunst ist. Das ist so ein moralischer Freibrief. Auch für einen Selbst, man ist da, denke ich, viel eher bereit Grenzen zu überschreiten. Ist eher bereit einen Teil der eigenen Persönlichkeit auch fremden zu zeigen oder auch aufzugeben.

Oh oh! Er wird doch nicht … (nee, im Ernst in jedem anderen Kontext wär das ja ein Synonym für Möpse, aber sicher ist das auch ein kleiner Insider-Gag hier).
Ich weiß doch, was ich meinen Lesern schuldig bin. :D

Man merkt schon, dass das noch sehr junge Leute sind. So deutlich hier mit: Wir machen das nur, um Michaela zu imponieren – das ist auch ein lustiger Name für eine Künstlerin in einem radikalen Vier-Eck-Verhältnis: Michaela.
Sicher, richtig erwachsen sind die nicht. Gerade Konstantin, der hat ja auch was von einem quengeligen Kind, das sein Spielzeug nicht mehr hat. Und jetzt darf es auch kein anderer haben.

Ja, das ist auch schön, woher diese Idee immer kommt. Das der große Künstler auch die große Pose, das große Pathos braucht. Ich glaube, in vielen Fällen ist es so, dass einem großen Künstler sich überall Türen öffnen, er erfolgreich ist und überhaupt keine „Konsequenzen“ daraus ziehen muss – in vielen Fällen zumindest. Es ist nur einfach keine schöne Geschichte.
Wenn man beobachtet, wie „Künstler“ auch absichtlich ihre Vita auf-slummen und überdramatisieren. In den USA sind die großen Autoren in jüdischen Familien aufgewachsen, zwei Einkommen waren da, der Bruder ist Zahnarzt geworden und das einzige, worum sie sich wirklich sorgen musste, war der enorme Erwartungsdruck, der dann aufgebaut wurde.
Ich mein, das ist klar, woher das kommt. Aber die meisten „Künstler“ haben heute eine grade Biographie, die dann lieber verschwiegen oder überdramatisiert wird – sicher gibt es auch Ausnahmen, aber wenn das stimmen würde, dann käme heute jede Form von großer Kunst aus Schwarzafrika und den Elendsländern in Südamerika.
Wenn man halt selbst schlechtes/schreckliches erlebt hat, dann hat man halt eher was zu erzählen. Wer in einem Slum aufgewachsen ist, muss seiner Thema nicht erst suchen. Aber ich habe das Gefühl, dass wird manchmal so als Vorraussetzung angesehen, man muss eine harte Kindheit gehabt haben, um große Kunst zu machen. Glaube, aber nicht, dass das stimmt. Sonst wäre es wirklich, wie du sagst: Alles Kunst aus Entwicklungsländern.
Ich denke, dass bei Kunst häufig immer noch dieser romantisierte Geniebegriff eine Rolle spielt. Dabei wird es häufig gar nicht so wild zu gehen. Sondern eher normal und dann sind so Sachen wie Konsequenz in der Kunst sicher eher eine Floskel, ein dramatisches Bild. Aber es eignet sich halt gut, um andere Leute zu Opfern zu überreden.
Oh Mann. Da steckt auch viel drin, so bayrische Provinz Schützenfenst. Und was machst du so? - Ich bin schwarz. - Ja, ich auch - - Lass eine Jazband gründen!
:)

Ich mag den Text, ist dein bester bisher, find ich. Weil die Figuren wiggle-room haben, die haben Spielraum, man weiß nicht, was als nächstes passieren wird. Den Ausbruch hier hätte ich Konstantin nicht zugetraut. Und aus dem Messias-Freund, den du sonst in deinen Texten hast, ist hier Eric geblieben, der bald verschwindet, und das löst wohl dieses Gefühl in Konstantin aus, jetzt irgendwas zu machen. Das ist diesmal auch eine Gruppe mit Vergangenheit: Früher war es mal so, jetzt ist es anders. Jetzt geht was zu Ende. Diese Änderung im Szenario tut der Geschichte gut, die erdet das. Die Leute haben „History“, wie man das so schön bei meinen schwarzen Tubaspielern-Freunde aus der bayrischen Provinz sagt.
Das freut mich natürlich riesig. :) Das ist immer wieder toll, wenn ich hier Rückmeldungen bekomme, was nicht funktioniert und dann versuche ich es beim nächsten Mal anders zu machen, und es klappt tatsächliches. Irres Gefühl.

Deswegen an dieser Stelle: Danke an Alle, die mir hier geholfen haben. :)

Das hast du aber bald in jeder Geschichte drin, dass der Messias-Freund zölibatär lebt. Ist das irgendwie dann Potential für eine homosexuelle Nummer oder was fasziniert dich so an dem Motiv? Ist ja schon auffällig.
Ist mein Beitrag zum göttlichen Gebote: Kein Sex vor der Ehe. ;)

Ich stell mir das auch so unheimlich anstrengend vor, wie die zu sein. Weil die ja nichts „natürlich“ fühlen oder so eine Orientierung haben, sondern sich dann scheinbar immer fragen: Was ist jetzt los? Was mach ich jetzt? Was mach ich da? Wo ist die Aktion? Wo ist die Botschaft? Was können wir machen?
Hier das Gespräch – die ersten Szenen aus Social Network, wenn Zuckerberg auf seine Freundin einredet, worum's im Leben geht, was er erreichen muss, welche Illusionen er wegräumen muss, dass das Leben ein Wettlauf ist und er ist an Stelle 42 und muss unbedingt auf 41 kommen, sonst fällt er noch auf 43 zurück und dann verschwendet er ja sein Leben völlig – und sie macht dann mit ihm Schluss, weil er so furchtbar anstrengend ist, weil er nie abschalten kann, weil er sie wahnsinnig macht mit diesem unsicheren Gequatsche. Daran musste ich hier denken.
Das ist halt dieses Gefühl, im Leben was zu verpassen. Was muss ich mit 30 alles gemacht/ausprobiert haben? Wo stehe ich mit 40? Ich hab auch immer mehr das Gefühl, dass so normale Lebensläufe mit Haus/Familie irgendwie ein schlechtes Image bekommen. Klar, das machen und wollen immer noch viele. Aber eigentlich wird einem eingeredet, sollte man doch global leben, auf Partys in Tokio, San Franciso und dann nen Wochenende in der Toskana.
Außerdem, wenn man viel macht, hat man weniger Zeit zum nachdenken, was man im Leben eigentlich will.

Und als die sich weigert, greift er sie hier auf einer Ebene an, die wirklich widerlich ist. Mit so einer „Eine gesunde Frau würde sich vergewaltigen lassen, offensichtlich stimmt was mit dir nicht; wenn du uns beweisen willst, dass du authentisch und bei dir bist, dann musst du da auch mitmachen“. Hallo
Die Stelle fand ich beim Schreiben echt schwer. Wie komme ich von, sie macht nicht mit, zu, sie gibt auf und lässt es über sich ergehen. Bin da sehr erleichtert, dass es funktioniert.

Verwaist - von Waisen – Stell dich mal drauf ein, dass hier noch so 40 Fehlerchen im Text sind. Ich such die nicht raus, aber die sind auf jeden Fall da.
Das ärgert mich immer. Ich mache das ja nicht mit Absicht, so viele Fehler drin zu haben. Aber ich seh die echt nicht. Muss mir wohl nen Testleser suchen, der wirklich fitt ist in sowas. Dabei wurden mir schon ein paar Dutzend Fehler gezeigt, bevor ich den Text hier eingestellt habe ...

Ah, okay, ich dachte die Geschichte läuft am Ende darauf hinaus, dass Konstantin sie „vergewaltigt“, aber tja. Also das ist, in der Form, i … mit dem Ende, ist das schon sehr gewagt. Dass es wirklich ein Einschnitt war, innerhalb der Geschichte, und für die Figur des Konstantin jetzt ein Happy-End bei rauskommt, das ist schon eine krasse Entscheidung. Alles zu Bruch, und er macht weiter.
Für mich war die Überlegung beim Ende: Er muss diesen Schwebezustand durchbrechen, in dem er sich gefangen fühlt, und will gleichzeitig die Beziehung zwischen den beiden kaputt machen, so aus Futterneid heraus. Und da ist es effektiver, er überläßt die beiden sich selbst, nachdem er sie in diese Situation beweget hat, als, dass er sich selbst beteiligt.

Ich weiß nicht, ich finde sie ist auf der Ebene der Konfliktgestaltung, der Szenenführung, dass man immer weiß, wer wo ist und was wer vorhat, ist das deine beste Geschichte bisher. Ich weiß nicht, ich seh die Geschichte eben anders als sie da steht. Ich hab gedacht: Er will sie vergewaltigen. Es ist aber wohl „ernst gemeint“, dass er das nur filmen will. Aber das ist doch so krank … beides ist so irre.
Jo, krank ist es sicher.
Das mit dem anders sehen, passiert mir ja häufiger, dass ich da nicht ganz das Ende mache, dass ich quasi angelegt habe. (Bin halt ein Meister der unerwarteten Wendungen. :D) Ist ne Sache, auf die ich mal zu achten versuche. Damit es sich am Ende dann natürlicher ließt.
Das Lob geht natürlich runter wie Honig. :)

Wo man vielleicht ansetzen könnte, um die Geschichte noch weiter auszubauen: Dass Eric zu einem Antagonisten wird, der zumindest versucht, Konstantin in diesen Ideen Einhalt zu gebieten. Das ist nur ein ganz vorsichtiger Widerstand hier. Die Geschichte verträgt eine starke vierte Figur, weil Roland ja auch ein ziemliches Klischee ist eigentlich. Ich mach mal hier Schluss, ich bin sehr gespannt, was die anderen sagen.
Ja, haste Recht. Roland ist nicht der große Widerstand. Ich fürchte nur, wenn ich den stärker mache, dann läuft es darauf hinaus, dass er Michaela erklärt, was da eigentlich abgeht und vor allem Roland und dann war's das. Ich traue mir das noch nicht zu, da gegen einen echten Antagonisten anzuschreiben. War schon schwer genung mit Michaelas Ablehnung. Ist aber ne Sache, die ich im Hinterkopf behalten werde, wenn ich mal wieder was manipulatives Schreibe. Aber momentan ist das wohl noch nicht drin.

Danke nochmal.

Muss hier erstmal Schluss machen. Und morgen hab ich keinen PC-Zugang. Aber Montag geht's weiter.

Gruß,
Kew

 

Hallo Kew,
zur Geschichte kann ich nicht viel sagen, ausser dass ich sie gut lesen konnte. Der Inhalt ist aber derart weit von mir entfernt, dass ich mich nicht einfühlen kann. Ich kenne all die Musikstücke und die Ausdrücke nicht und zum Googeln bin ich zu faul. Bin halt eine ‚Fachlose‘, wie du es im Text erwähnst. Macht ja nix, Viele sind schon drauf eingegangen, haben Freude daran und da muss ich ja nicht unbedingt mitmischen. Deshalb hier nur ein paar Korrekturen:

„Du würdest zu stimmen, damit wäre es per Definition nicht echt.“
zustimmen
Ihr Mitbewohner schliefen noch.
Ihre Mitbewohner schliefen noch oder: Ihr Mitbewohner schlief noch.
„Dass man dich nackt sieht? Dass wir das ganze filmen?“
das Ganze glaub ich gross?
liefen nackt und mit beschrifteten Oberkörper wie
mit beschrifteten Oberkörpern oder: mit beschriftetem Oberkörper
Michaela grinst. „Hört sich nach nem Plan an.“
‘nem
„Abflug in ner halben Stunde“, sagte Michaela
‘ner, hast du noch ein paar Mal drin.
sprach von Erfolg und brillianter Botschaft.
brillanter Botschaft.
schälte sich das Hörsaalgebäude aus den Regenschleier,
aus den Regenschleiern, oder: aus dem Regenschleier,
ebenfalls eine Fachlose, die dieVorlesungen besuchte
Leerschlag: die Vorlesungen
jede unserer Aktionen über Hohn.Weißt du noch,
Leerschlag: Hohn. Weißt
„Halt‘s Maul!“
„Halts Maul!“ ohne '

Ist nich viel von meiner Seite, aber ich hoffe das dient deiner Geschichte.

Lieben Gruss,
Gisanne

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Kew,

ich denke auch, das ist sicher Deine beste Geschichte bisher. Die hat einen klugen Plot, einen starken Spannungsbogen, plausible Figurenpsychologie und ist ingesamt sehr dicht und gnadenlos. Deine Beschreibungen mag ich ja eh immer. Aber es ist auch so eine hässliche Geschichte! Ich weiß gar nicht so recht, was ich dazu sagen soll. Einiges zu diesem Kunstbegriff, der sich über primär über Provokation und absolute Freiheit von Moral konstituiert, hat Quinn ja schon gesagt. Das ist auch echt so hohl, wenn es nur noch darum geht, herauszufinden, was anderen Menschen noch wichtig ist und das dann auch noch zu "verhöhnen" wie es da heißt. Und da muss man sich heute, wo pc sein ja eh maximal uncool ist, schon ziemlich anstrengen, was zu finden. Fremdenfeindlichkeit und Vergewaltigung halt. Wobei mich auch wundert, dass die damit relativ viel Aufsehen erzeugen, es will sich ja heute kaum mehr jemand die Blöße geben an irgendwas zu glauben, sich geplant provozieren zu lassen. Das sollte denen eigentlich passieren, dass die da ihre Show abziehen und alle zucken nur gelangweilt die Schultern. Die haben ja echt ein sehr dankbares Publikum mit dem Linksprof und den Ausländern.
Dass es da um so eine gemischte Gruppe geht, die Aktionen plant, erinnert so ein bisschen an ein paar Kubus-Geschichten. Aber es ist eben auch ganz anders, weil denen hier einfach nichts wichtig ist, weil die nur extrem gelangweilt sind. Und die arme Michaela verrennt sich eben so in diese "es gibt keine Tabus"-Pose, bzw. wird da rein manipuliert, dass sie überhaupt keinen Zugang mehr dazu hat, was sie eigentlich will und eigentlich fühlt. Erinnert mich so ein bisschen an das, was ich über die sexuelle Revolution gelesen hab, wo sich einige Frauen und bestimmt auch Männer gezwungen gefühlt haben, alles mitzumachen, nur um nicht als Spießer dazustehen.
Das ist wirklich grausam, wie Du das hier zeigst. Und dann diese armen Würstchen drumrum, dieses Konstantin-Schwein, das nur kaputt machen will, was er selbst nicht haben kann und der Roland-Trottel, der die Gelegenheit nutz, sich für seine Unterlegenheit zu rächen. Das ist ja auch echt ironisch, dass das wahrscheinlich ihre erste "Aktion" ist, die nicht nur hohle Provokation ist, sondern bei der es im Kern um was geht, nämlich eigentlich echt um ne Vergewaltigung, die dann mit dem Mantel einer Kunst-Vergewaltigung, einer uneigentlichen Vergewaltigung verbrämt wird. Also, äch, wirklich. Man kann ja auch nicht eine dieser Figuren mögen. Michaela tut mir echt leid, wie sie da manipuliert wird und sich selbst manipuliert, aber als Gruppe sind die einfach alle so schief und leer und ...
Also ich weiß auch nicht. Das ist auf jeden Fall ein Text der sehr gut gemacht ist und bei mir sehr stark gewirkt hat. Nur ist mir das alles so maximal unsympathisch. Ich weiß nicht, ob Du das jetzt als Kompliment auffassen kannst. Eine Kritik ist es nicht wirklich. Ich hab Deine weniger perfekten aber wärmeren Texte nur lieber gelesen.

lg,
fiz

 

So, weiter geht's:

@maria

Nach so einer Einleitung muss man einfach weiter lesen.
Schön, dass sie auch für die funktioniert.

Oh, Gott, da musste ich voll lachen.
Ich versuche das ja öfter, stellen einzubauen, die etwas absurd sind, etwas ironisch. Coll, dass man tatsächlich drüber lachen kann.

Diese beiden Sätze sind so heftig, da muss ich kurz inne halten und es unbedingt hervorheben und lobpreisen. Es sind nur wenigen Wörter und doch ist da gleich so viel Geschichte eingepackt, dass es mich voll erwischt hat. Respekt!
Danke. Da funktioniert mal genau eine Sache, die ich so haben wollte und die mir wichtig war. Sonst hab ich das ja gerne, dass die Sätze am besten funktionieren, auf die ich gar nicht geachtet habe - quasi als Zufallsprodukt. Wenn ich endlich lernen kann, dass zu kontrollieren, ist das eine große Sache.

Du bist so krank! So abartig krank!
Tja :D

Doch wegen der Länge muss ich dich schon rügen. Wieso ist die Geschichte nur so kurz? Wieso kann sie nicht noch länger sein! Verdammt, ich würde jedes einzelne Wort hinunterschlucken und hätte dabei meinen spaß!
Und ich hatte schon die Befürchtung, es sei zu lang. Hab da auch einiges rausgekürzt, glaube aber nicht, dass eine gute Idee gewesen das drin zu lassen, weil es keine neuen Wendungen mehr gab, sondern nur hier und da ein Bild mehr oder eine Beschreibung. Aber tendenziel will ich eh in Richtung längerer Geschichten gehe. Verzeih mir also den Fehltritt für diesmal. :)

Ich finde es toll, dass du die Vergewaltigungsgeschichte von Michaela nicht in einen Flashback eingebaut hast, sondern daraus ein Geheimnis macht. Die Auflösung ihrer Geschichte ist völlig überflüssig, da du genug von ihren Gefühlen so wunderbar (was in diesem Fall nicht gerade ein gut gewähltes Wort ist) beschrieben hast, dass ich es gar nicht wissen wollte. Respekt!
Wäre ja auch schwierig geworden mit der Perspektive, weil eigentlich ist die Geschichte ja schon aus Konstantins Sicht geschrieben und Michaela schneidet das Thema ihm gegenüber ja nie an.
Freut mich aber, dass es mit der Andeutung reicht. Ist ja dann auch schnell mal zu viel, dass man mehr erklärt als nötig und dann die sache schwammig wird. Oder es versteht einfach niemand, weil's zu subtil ist.

Und die Entwicklung von Michaela! Am Anfang die Rebellin schlechthin und plötzlich ist sie ein Opfer, das in der Rebellion wahrscheinlich ihre wahren Gefühle versteckt hat. Also ich bin begeistert. Und dass der Typ eine brutale Vergewaltigung braucht, damit er sich endlich von ihr lösen kann, finde ich auch gelungen.
Ja, Michaela hat dann am Ende einen echt beschissenen Stand, eigentlich, weil sie zu lange versucht mit Konstantin zu diskutieren. Wenn sie das Gespräch viel früher abgebrochen hätte, wäre es für ihn ja viel schwerer geworden.

Mah, ich bin beeindruckt, von mir gibt es nichts Negatives zu hören.
Weiter so! Und verdammt noch mal, mach das nächste Mal die Geschichte noch länger!
Muss ja nicht immer etwas negatives sein. :)

Vielen Dank dir fürs lesen und Kommentieren.

@Ane

sprachlich fand ich's okay.
Das ist schon mal was. :)

Ich versteh das folgendermaßen:
Konstantin weiß, dass sie vergewaltigt wurde, will ihr das "gespielt" noch einmal antun (lassen), um ... und da komm ich nicht weiter.
Irgendwo stand, dass er ein Kontrollfreak ist. Isses das?
Für mich, muss Konstantin nicht umbedingt wissen, dass sie tatsächlich vergewaltigt wurde. Für mich schießt er da eher ins Blaue bzw. hat sich wirklich überlegt, was der Grund sein könnte.
Und der Grund ist, meiner Vorstellung nach, dass es seine Möglichkeit ist, aus dem für ihn quälenden Schwebezustand rauszukommen, dass er eigentlich noch was Michaela möchte, sie aber nen neuen hat, dabei aber immer noch unterm selben dach lebt. Klar, normalerweise regelt man das anders, aber dann wär's ne andere geschichte geworden. Hinzu kommt noch: Er ruiniert da ja auch die Beziehung der beiden, der gönnt den beiden kein gemeinsames Glück. Etwas aus dem Ruder gelaufene Eifersucht.
Das sind jedenfalls meine Vorstellungen, wenn das nicht so raus kommt, meine Schuld. Werd versuchen, beim nächsten Mal noch etwas mehr darauf zu achten, was ich als Thema der Geschichte haben und rausbringen will.

was auch bedeutet "Ja, es geht mir um die Moral". Aber ganz egal ob sie nun depressiv ist oder gelangweilt, ob sie "Erfahrungen" in diese Richtung gemacht hat oder ihn irgendwie durchschaut - dieses "Und?" passt zu einer, die nicht betroffen ist und es nicht sein wird.
Das versteh ich nicht.
Für mich versucht sie das Thema an der Stelle abzuwürgen. Klappt halt nicht wie geplant. Sie will desinteresse an seinen Fragen signalisieren und er ignoriert das halt.

Hm. Das geht doch irgendwie nicht, weil das seine Perspektive ist. Er weiß doch aber schon, dass es ihm nicht um Langeweile geht oder um noch mehr noch schrägere Nummern.
Er kann sich das Motiv für die ganze Idee ja nicht einfach aus dem Kopf schneiden.
Jo, das ist sehr knapp am Perspektivbruch, aber: Er kennt ja ihre Motive bzw. hat seine eigne Meinung dazu. Für mich geht das also noch.

Konstantin wirkt an wichtigen Punkten plump und kaum überzeugend. Nix Alpha. Aber keiner lacht ihn aus oder zieht ihn auf, sie wirken wie Schäfchen, beinahe unschuldig, was eine seltsamen Kontrast bildet, zu ihren provokativen "Aktionen".

Das sind doch offensichtlich blöde Behauptungen und Fragen. Da wird doch jeder Idiot misstrauisch.
Hm, ich sehe, was du meinst. Vielleicht fällt mir da noch was Besseres/Überzeugenderes ein. Ansonsten ist schon so, dass ich das nicht viel besser machen kann, weil mir noch die Übung fehlt. Ich habe versucht eine Geschichte zu schreiben, bei der ich mal ein Risiko eingehe, weil es eigentlich zu schwer für mich ist bzw. nahe dran, eine solche Manipulation umzusetzten. Wenn es nicht ganz geklappt hat, kann ich damit leben. Aber vielleicht kommt mir eben noch die Lösung. Danke jedenfalls für den Hinweis.

Ich hab den Eindruck, dass die Geschichte vom Schwerpunkt her eher von ihren provokativen Elementen lebt, weniger von den Charakteren oder den möglichen Hintergründen. Das zieht mich einmal durch die Geschichte, funktioniert beim zweiten Lesen aber nicht mehr so gut.
Die Gefahr besteht sicher, dass es eben provokativ wirkt und eben nicht tief. Geb ich gerne zu, dass man da mehr in Sachen Charaktere und Hintergründe unternehmen könnte. Aber das wird wohl ein Merkpunkt für meine nächste Geschichte sein oder wenn ich zu der hier deutlich mehr Abstand habe. Momentan bin ich einfach froh sie in eine Form zu bekommen zu haben, mit der ich halbwegs zu frieden bin. Jetzt brauch ich erstmal Urlaub von der. Und ein paar Hausaufgaben zu haben, ist ja auch eine gute Sache.

Tut mir leid, dass ich es nicht positiver sagen kann, ich hab das Gefühl, da steckt viel Arbeit drin, für mich isses nix,
Trotzdem vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren. Ist immer wichtig auch zu wissen, warum ein Text für manche nicht funktioniert.

@Gisanne

Hallo Kew,
zur Geschichte kann ich nicht viel sagen, ausser dass ich sie gut lesen konnte. Der Inhalt ist aber derart weit von mir entfernt, dass ich mich nicht einfühlen kann. Ich kenne all die Musikstücke und die Ausdrücke nicht und zum Googeln bin ich zu faul. Bin halt eine ‚Fachlose‘, wie du es im Text erwähnst. Macht ja nix, Viele sind schon drauf eingegangen, haben Freude daran und da muss ich ja nicht unbedingt mitmischen.
Kann ich verstehen, der Inhalt ist schon weitweg vom Alltagsgeschehen (zum Glück). War eben ein gewisses Wagnis. Das es trotz fehlender Nähe gut für dich zu lesen war, ist mir wichtig. Damit funktioniert ja der "wichtigere" der beiden Teile schonmal. Den Inhalt kann ich ja bei der nächsten Geschichte viel leichter ändern, als das Handwerkszeug. Insofern auch dir vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren und auch für die Fehlerliste.

@feirefiz

ich denke auch, das ist sicher Deine beste Geschichte bisher. Die hat einen klugen Plot, einen starken Spannungsbogen, plausible Figurenpsychologie und ist ingesamt sehr dicht und gnadenlos. Deine Beschreibungen mag ich ja eh immer.
Hach, das freut mich. :) Der Text hat mir schon viel Arbeit gemacht und dann ist es natürlich toll, wenn es sich tatsächlich gelohnt hat und nicht alles umsonst war. Und du nennst echt die Sachen, auf die ich versuchte habe zu achten, die ich diesmal umsetzen wollte, um zu lernen wie das geht und mich dann entscheiden zu können, wie ich weiter machen will.
Aber es ist auch so eine hässliche Geschichte! Ich weiß gar nicht so recht, was ich dazu sagen soll.
Mir ist das erst beim Schreiben der letzten Szene aufgefallen, wie kaputt die Geschichte eigentlich ist (und dabei hatte ich die als Idee eigentlich von Anfang an dabei: war mein Ausgangspunkt). Aber beim Ausformulieren ist mir dann aufgegangen: Das ist echt fies. Insofern: Ja, hast du absolut recht.

Einiges zu diesem Kunstbegriff, der sich über primär über Provokation und absolute Freiheit von Moral konstituiert, hat Quinn ja schon gesagt. Das ist auch echt so hohl, wenn es nur noch darum geht, herauszufinden, was anderen Menschen noch wichtig ist und das dann auch noch zu "verhöhnen" wie es da heißt. Und da muss man sich heute, wo pc sein ja eh maximal uncool ist, schon ziemlich anstrengen, was zu finden. Fremdenfeindlichkeit und Vergewaltigung halt. Wobei mich auch wundert, dass die damit relativ viel Aufsehen erzeugen, es will sich ja heute kaum mehr jemand die Blöße geben an irgendwas zu glauben, sich geplant provozieren zu lassen. Das sollte denen eigentlich passieren, dass die da ihre Show abziehen und alle zucken nur gelangweilt die Schultern. Die haben ja echt ein sehr dankbares Publikum mit dem Linksprof und den Ausländern.
Ja, das ist halt die Sache mit der Skandalkunst. Das ärgert mich immer, wenn ich das mitbekomme, dass das jemand macht, also nur fiese Sachen aneinander hängen oder ekelige oder was auch immer - damit es Aufmerksamkeit erzeugt. (Muss ich mich eigentlich über mich selbst ärgern, meint Text neigt ja, je nach Lesart, auch leicht in die Richtung. :) )
Klar, eigentlich wünscht man denen Missachtung, aber dann hätte ich ein Problem mit der Handlungs/Spannungsführung. Es ist ja schon wichtig, dass Roland für die Aktion eins auf die Mütze bekommt, dass da ein Konfliktpotential eingeführt wird. Ansonsten wäre das von seiner Seite her zu einfach. Zumal es Konstantin bei den ersten beiden Aktionen ganz bewusst darauf anlegt, dass es gegen Roland geht.

Und die arme Michaela verrennt sich eben so in diese "es gibt keine Tabus"-Pose, bzw. wird da rein manipuliert, dass sie überhaupt keinen Zugang mehr dazu hat, was sie eigentlich will und eigentlich fühlt. Erinnert mich so ein bisschen an das, was ich über die sexuelle Revolution gelesen hab, wo sich einige Frauen und bestimmt auch Männer gezwungen gefühlt haben, alles mitzumachen, nur um nicht als Spießer dazustehen.
Jup, die verpasst eigentlich den Punkt, wo sie ganz klar, nein sagt und dann auch jede weitere Diskussion ablehnt. Die lässt es ja zu, dass Konstantin jedes ihrer Argumente relativiert. Und sicher blockiert sie sich da auch selbst. Die Gemeinsamkeit mit der sexuellen Revolution finde ich interessant. Passt aber auch jedenfall. Dieses Mitmachen, weil man sich und anderen nicht eingestehen kann/will, dass man das eigentlich nicht machen will.

Man kann ja auch nicht eine dieser Figuren mögen.
Ja, das Problem habe ich auch beim Schreiben bemerkt. Gerade Konstantin als Perspektivträger ist halt ein ziemlicher Arsch. Ist schon gefährlich, dass einem die Leser dabei abspringen. Wäre, aus meiner Sicht, aber schwierig gewesen, diese Geschichte mit netten Leuten umzustetzten, um so was zu machen, muss man schon auf eine gewisse Weise kaputt sein.
Also ich weiß auch nicht. Das ist auf jeden Fall ein Text der sehr gut gemacht ist und bei mir sehr stark gewirkt hat. Nur ist mir das alles so maximal unsympathisch. Ich weiß nicht, ob Du das jetzt als Kompliment auffassen kannst. Eine Kritik ist es nicht wirklich. Ich hab Deine weniger perfekten aber wärmeren Texte nur lieber gelesen.
Ich nehm's auf jedenfall mal als Kompliment. :) Das hier ist halt ein wichtiger Text für mich zum Üben gewesen und wenn ich jetzt die gelernten Sachen für die nächste Geschichte mitnehmen kann ... Dann kann ich auch wieder was wärmeres Schreiben, aber hoffentlich mit den gleichen Stärkern in Sachen wie der Text hier. Insofern kann ich damit leben, dass das hier mein "böse" Geschichte ist.

Danke dir fürs Lesen und KOmmentieren.

Gruß,
Kew

 

Hey Kew,

jetzt habe ich es auch gelesen :). Und ich sag mal, stünde es unter Maskenball, ich hätte mit Sicherheit auf Dich getippt. Diese ganzen Einschübe, von wegen es sah so und so aus, sie gingen von A nach B, dort gab es dies und das, jener war bekleidet mit ... ich sag ganz ehrlich, mir gibt es davon eindeutig zu viel im Text. Das ist ja ganz schön und gut, Atmosphäre und Bilder erzeugen und so, aber lass das Ding doch mal laufen und drück nicht ständig aufs Gas, um dann kurz die Bremse zu ziehen und wieder auf Gaspedal. Der Text ruckelt da vor sich hin :). Ich habe ab der Mitte angefangen zu überfliegen und die Stellen gesucht, wo es denn weiterging. Aber der Reihe nach.


„Das ist widerlich. Das kann man nicht machen.“ Michaela gestikulierte mit einem Zwieback in der Hand. Ihr Speichel hatte die Bisskante aufgeweicht, ein dunkler Halbmond auf Goldgelb. Auf dem Tisch stand Nachschub bereit, eine ganze Packung voll. Der süßliche Geruch ekelte Konstantin.
„Kunst kann alles“, sagte er. Vor ihm dampfte ein Kaffeebecher und er hielt den Kopf darüber wie bei einer Atemkur. Bitteraromen verstopften seine Nase.
„Ich nicht.“

Guck mal das Verhältnis an, von vorwärts (fett) und auf der Stelle treten. Gerade beim Anfang ...

„Das ist widerlich. Das kann man nicht machen.“ Michaela gestikulierte mit einem Zwieback in der Hand. Auf dem Tisch stand eine ganze Packung von dem Zeug, der süßliche Geruch ekelte Konstantin.
„Kunst kann alles“, sagte er.
„Ich nicht.“

Ihre Schritte klangen klebrig auf dem PVC.

Du willst doch Drehbrücher schreiben, oder? So Regieeinschübe sind voll dein Ding ;).

„Das verharmlost das“, sagte Michaela.
„Was?“
„Echte Vergewaltigungen.“ Sie stieß sich von der Spüle ab. „Ich geh wieder schlafen.“ Ihre Schritte tapsten über den Flur davon und die Jalousie am Küchenfenster knatterte im Luftzug, als sie ihre Zimmertür öffnete.

Ja, sehr starker Anfang. Auf jeden Fall. Aber da kann mindestens ein Drittel raus, damit es Fahrt aufnimmt. Und das täte dem Text im ganzen sehr gut. Ich mein, die vier sind jung und wild und abgefahren und der Text benimmt sich wie ein Bummelzug, wo man sich in Ruhe die Bäume und Sträucher und Kühe aus dem Fenster anguckt, dabei ist das ICE!

Konstantin schaltete den PC ab und ging duschen. Mit tropfnassen Haaren kehrte er ins Zimmer zurück, zog einen schwarzen Pulli, eine schwarze Cargo-Hose an, dazu Nietengürtel und Springerstiefel.
Er wechselte ins Wohnzimmer. Auf dem Sofatisch reihte sich eine Phalanx angesengter Räucherkegel, deren süßlicher Geruch noch immer die Luft verklebte.

??? Ja und?

Minuten später lag Michaela schwarzgekleidet mit auf dem Sofa und alle drei sahen fern.

Das ist so ein typischer kew-Satz :). Und jetzt sieht es so aus und sie machen das. Punkt. Aber eigentlich braucht so einen Satz echt niemand, es sei denn "Film".

Konstantin griff sich eine der Flagge, schwenkte sie wie ein Revolutionär auf den Barrikaden und flatternd im Wind entrollte sich die Aufschrift: Multikulti wegbassen.

Okayyy - oha. Und es steht drei zu eins gegen Konstantin. Warum also machen die den Scheiß mit? So wirklich Kunst sieht ja keiner von denen da drin. Also, da fehlt mir ein bisschen die Motivation, außer, Konstantin ist der Boss. Also, wenn die das wegen eines Kicks machen, oder weil die sich an youtube Zahlen berauschen, oder was weiß ich - aber ich weiß nicht, warum die das machen. Wann und warum haben die irgendwann angefangen das als ihre Art von Kunst zu sehen und was wollen die damit erreichen? Was ist ihre Aussage? Geht es darum zu schocken? Steht das alles unter der Frage, wieviel Zivilcourage steckt in Euch? Also, ich verstehe Aktionskunst oft nicht, aber hier als Leser möchte ich schon wissen, warum die drei mitmachen.

Eine Oma lief auf den Fahrradweg. Haarscharf wich Konstantin aus und der Ghettoblaster riss an seiner Schulter und warf ihn fast in die Flanke eines Lieferwagens. Sein Puls sprang auf über 200.
Sie bogen von der Hauptverkehrsader ab, hinein in ein Gewirr aus Nebenstraßen - krakeliges Graffiti auf grauen Fassaden, Gardinen hinter fleckigen Fenstern, Punks standen mit Bierflaschen vor einem Hauseingang und johlten, als sie vorüber fuhren. Fast klang es wie Beifall. Endlich

Mann, Mann ;).

Die Szene im Club, ich weiß nicht was die mir bringt. Außer, das Ende, wo die im Nebenzimmer poppen und er leidet, das mein ich mit Fahrt aufnehmen und jetzt stehen wir erst mal wieder eine Runde auf dem Abstellgleis. Keine Ahnung, ob die anderen das auch gestört hat, ab hier hab ich angefangen quer zu lesen.

... erzählte von den Videoaufnahmen, die er am Morgen gesichtet hatte, sprach von Erfolg und brillanter Botschaft.

Welche Botschaft denn? Die würde mich echt interessieren.

Michaela und Roland stellten sich je an eine Ecke des Autos, während Eric seine Kamera aus dem Rucksack fischte.

Und du bist sicher, das Roland das Auto seiner Tante nicht erkennt? Wie wäre es, wenn die beiden zum Schmiere stehen abgestellt worden wären? Mir ist das ein bisschen zu konstruiert. Okay - er will mit seinen Aktionen Roland an den Kragen. Aber dann passt die Uniaktion eigentlich auch nicht so recht, weil warum wurde nur er vorgeladen, die anderen aber nicht. Das konnte er vorher nicht wissen oder hatte darauf irgendwie Einfluss.

Also, ich finde die Geschichte an sich gut, auch den Verlauf und irgendwie musst du dich ja zu der Vergewaltigung hinhangeln, aber naja, ich folge Dir nicht einfach so ohne weiteres.

„Natürlich. Die meisten Opfer werden es als Verhöhnung empfinden, wenn wir Vergewaltigung zur Kunst machen. Nun funktioniert aber praktisch jede unserer Aktionen über Hohn.Weißt du noch, die Sache mit der Burka. Du und die kleinen Schulmädchen. Das war purer Hohn. Oder die Nazi-Aktion. Da haben wir Rassismus verharmlost, haben ihn als Kunst benutzt. Wir haben jeden einzelnen Ausländer verhöhnt, der von Nazis ins Krankenhaus geprügelt wurde. Wenn du‘s genau nimmst haben wir sogar den Holocaust verhöhnt. Und das alles war für dich kein Problem. Warum also bei den Vergewaltigungen?“

Okay - hier die Erklärung. Aber ich raff die nicht. Ich verstehe Konstantin nicht. Vielleicht hätte darüber ein Dialog/eine Diskussion am Anfang stehen sollen, oder anstelle der Klubnacht.

„Ich muss. Wie komme ich sonst von ihr los?“

Boah. Was für ein Freak!

Beim Kauen traten seine Kiefermuskeln vor.

Dies Sätze immer :).

Wie zwei Billardkugeln prallten Roland und Michaela zusammen und gingen zu Boden. Sie schrie, vielleicht gespielt, vielleicht echt, versuchte ihn mit den Füßen wegzustoßen, zerkratze sein Gesicht. Aber er packte ihre Kehle und schlug ihren Kopf aufs Pflaster. Mit der freien Hand riss er ihren Rock hoch bis zum Brustkorb und fummelte an seiner Hose. Michaela weinte, abgehackt als hätte sie Schluckauf. Aus der Entfernung konnte Konstantin ihr Gesicht nicht erkennen, nur ihren hilflosen Körper unter Rolands Gewicht und ihre Beine, lang und grazil und gespreizt wie bei einem Pornosternchen.

Ich raff nicht, warum Roland das tut. Echt nicht. Sorry. Aber ich verstehe einiges nicht. Ich weiß auch nicht, warum Michaela mit dem zusammen ist. Was findet sie an ihm? Ich finde es eine spannende Situation. Die Vier, die Aktionen mit dem Kick, die Vergewaltigung. Das ist mal echt ne Basis und ein riesen Thema. Aber für mich ist das so halbgar. Ich verstehe auch die Aktionen als solche nicht. Ich lese mal die anderen Kommentare, vielleicht geht mir ja ein Licht auf.

Großes Thema, kew. Hut ab. Allein dafür hat es sich gelohnt, die Geschichte zu lesen, auch wenn sie für mich nicht so richtig funktioniert hinten raus.

Beste Grüße, Fliege

 

Hey Fliege, danke dir fürs Lesen und Kommentieren.

Und ich sag mal, stünde es unter Maskenball, ich hätte mit Sicherheit auf Dich getippt. Diese ganzen Einschübe, von wegen es sah so und so aus, sie gingen von A nach B, dort gab es dies und das, jener war bekleidet mit ... ich sag ganz ehrlich, mir gibt es davon eindeutig zu viel im Text.
Wie fies, erkannt werden durch die Fehler, die man macht. :)

Das ist ja ganz schön und gut, Atmosphäre und Bilder erzeugen und so, aber lass das Ding doch mal laufen und drück nicht ständig aufs Gas, um dann kurz die Bremse zu ziehen und wieder auf Gaspedal. Der Text ruckelt da vor sich hin . Ich habe ab der Mitte angefangen zu überfliegen und die Stellen gesucht, wo es denn weiterging.
Hm, da fehlt es mir wohl an Erzählökonomie. Liegt zum Teil sicher auch daran, dass ich das Gefühl hatte, mal was längeres Schreiben zu müssen - ist anscheinend zum Teil auf Kosten des Leseflusses gegangen. Ich sollte mir diese verqueren Ziele mal abgewöhnen.

Guck mal das Verhältnis an, von vorwärts (fett) und auf der Stelle treten. Gerade beim Anfang ...
Seh ich, ein seh ich ein. Hab's mal gekürzt.

Du willst doch Drehbrücher schreiben, oder? So Regieeinschübe sind voll dein Ding .
Naja, nicht wirklich. Da muss ich mich ja mit anderen Menschen absprechen. Mit Regisseur und so. :P Aber ich verstehe, was du meinst.

Ja, sehr starker Anfang. Auf jeden Fall. Aber da kann mindestens ein Drittel raus, damit es Fahrt aufnimmt. Und das täte dem Text im ganzen sehr gut. Ich mein, die vier sind jung und wild und abgefahren und der Text benimmt sich wie ein Bummelzug, wo man sich in Ruhe die Bäume und Sträucher und Kühe aus dem Fenster anguckt, dabei ist das ICE!
Teilweise werde ich das sicher noch umsetzten. Aber gerade später sind dir Sachen zu lang, bei denen ich nicht weiß, wie ich die kürzen soll, ohne größeres Umschreiben - und das will ich eigentlich nicht, war froh genug, den Text endlich hinter mir zu haben. Das sind aber Anmerkungen, die ich mir für meine nächste Geschichte merken werde.

Das ist so ein typischer kew-Satz . Und jetzt sieht es so aus und sie machen das. Punkt. Aber eigentlich braucht so einen Satz echt niemand, es sei denn "Film".
Danke für die vielen Beispiele, vielleicht seh ich die Stellen dann in Zukunft von alleine. :)

Okayyy - oha. Und es steht drei zu eins gegen Konstantin. Warum also machen die den Scheiß mit? So wirklich Kunst sieht ja keiner von denen da drin. Also, da fehlt mir ein bisschen die Motivation, außer, Konstantin ist der Boss. Also, wenn die das wegen eines Kicks machen, oder weil die sich an youtube Zahlen berauschen, oder was weiß ich - aber ich weiß nicht, warum die das machen. Wann und warum haben die irgendwann angefangen das als ihre Art von Kunst zu sehen und was wollen die damit erreichen? Was ist ihre Aussage? Geht es darum zu schocken? Steht das alles unter der Frage, wieviel Zivilcourage steckt in Euch? Also, ich verstehe Aktionskunst oft nicht, aber hier als Leser möchte ich schon wissen, warum die drei mitmachen.
Eigentlich sollte der Abschnitt davor die Erklärung liefern, also dieser Zusammenfassung der Vergangenheit. Ich dachte, da wäre es klar, jedenfalls für Michaela, dass es um den Kick geht - und für die anderen beiden, weils halt cool ist. Aber anscheinend kommt das nicht so raus.

Die Szene im Club, ich weiß nicht was die mir bringt. Außer, das Ende, wo die im Nebenzimmer poppen und er leidet, das mein ich mit Fahrt aufnehmen und jetzt stehen wir erst mal wieder eine Runde auf dem Abstellgleis. Keine Ahnung, ob die anderen das auch gestört hat, ab hier hab ich angefangen quer zu lesen.
Also, für mich hat die schon mehr Funktion als nur die Stelle am Ende: Verstimmung zwischen Michaela und Roland/anbahnende Entfremdung zwischen Roland und Konstantin wegen Umzug. Aber kann gut sein, dass die beiden Sachen die Länge nicht tragen.

Und du bist sicher, das Roland das Auto seiner Tante nicht erkennt? Wie wäre es, wenn die beiden zum Schmiere stehen abgestellt worden wären? Mir ist das ein bisschen zu konstruiert. Okay - er will mit seinen Aktionen Roland an den Kragen. Aber dann passt die Uniaktion eigentlich auch nicht so recht, weil warum wurde nur er vorgeladen, die anderen aber nicht. Das konnte er vorher nicht wissen oder hatte darauf irgendwie Einfluss.

Also, ich finde die Geschichte an sich gut, auch den Verlauf und irgendwie musst du dich ja zu der Vergewaltigung hinhangeln, aber naja, ich folge Dir nicht einfach so ohne weiteres.

Also, die Stelle, wo ich, meiner Meinung nach, die Realität eher gebogen habe: Dass er das Auto dann doch noch erkennt. Ich würde nämlich keins der Autos meiner Tanten erkennen. :D Ich denke, die Anmerkung schlägt in die selbe Kerbe, wie Ane schon. Dass es nicht ganz glaubhaft/überzeugend ist. Und das liegt ziemlich sicher daran, dass ich mich mit dem Thema ein klein wenig übernommen habe. Da sieht man dann halt noch Teile des Gerüstes, die nicht ganz sauber verputzt sind. Ich werde da jetzt nicht noch länger dran rumbasteln, weil mir die Geschichte dann irgendwann nur noch auf die nerven geht. Sondern ich lass es so stehen und nehme mit, was ich hoffentlich gelernt habe. :)

Ich raff nicht, warum Roland das tut. Echt nicht. Sorry. Aber ich verstehe einiges nicht. Ich weiß auch nicht, warum Michaela mit dem zusammen ist. Was findet sie an ihm? Ich finde es eine spannende Situation. Die Vier, die Aktionen mit dem Kick, die Vergewaltigung. Das ist mal echt ne Basis und ein riesen Thema. Aber für mich ist das so halbgar. Ich verstehe auch die Aktionen als solche nicht. Ich lese mal die anderen Kommentare, vielleicht geht mir ja ein Licht auf.

Großes Thema, kew. Hut ab. Allein dafür hat es sich gelohnt, die Geschichte zu lesen, auch wenn sie für mich nicht so richtig funktioniert hinten raus.

Tjo, gewollt und nicht ganz gekonnt. Immerhin gibt's Punkte für den Versuch. :)

Ich nehme mir mal mit: Mehr auf Erzählökonomie achten und ein weniger schweres Thema für nächstes Mal.

Danke jedenfalls für die Hinweise.

Gruß,
Kew

 

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