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Alles was man braucht
Alles was man braucht
Er kam gerade aus dem kleinen Straßencafe an der Ecke. Es hatte vor einigen Minuten angefangen zu regnen und die Wassertropfen klatschten auf den noch warmen Asphalt. Er hatte den Kopf gesenkt und den Kragen seines Hemdes hochgestellt um sich wenigstens einigermaßen vor dem Regen zu schützen.
Ganze sechs Stunden hatte er nun in diesem Café verbracht und in der ganzen Zeit nur zwei kleine Tassen starken Kaffee getrunken. Die Kellnerin hatte ihn mehrmals darauf aufmerksam gemacht, dass er mehr bestellen müsse um nicht den anderen Kunden den Platz weg zu nehmen. Er wusste, daß Sie Ihn nur loswerden wollte. Er passte einfach nicht hierher. Die anderen Gäste in dem Café beäugten Ihn mißtrauisch und man vermied es sich zu nah an seinen Tisch zu setzen. Tatsächlich war seine Erscheinung eher heruntergekommen. Er trug ein weißes Hemd mit ettlichen undefinierbaren Flecken und eine ausgebeulte Jeans die auch bestimmt schon von alleine gestanden hätte. Seine Haare waren ungewaschen aber gekämmt und dieser ganze Eindruck wurde durch den struppigen Bart noch verstärkt. Immer wenn die Kellnerin wieder kam um Ihn nach einer neuen Bestellung zu Fragen, hatte er sie schroff zurückgewiesen und nach einer Weile hatte die Kellnerin dann wohl genug und kam nicht mehr zu Ihm. Mag sein daß sie Angst vor Ihm hatte, aber das war Ihm in diesem Moment nur Recht. Er wollte seine Ruhe.
Der Roman sollte eigentlich schon längst fertig sein, aber es fehlte Ihm an Inspiration. Er trank zuviel und er rauchte ohne Unterlass. Für diesen Tag hatte er sich vorgenommen einen klaren Kopf zu behalten und wenigstens ein paar Seiten zu schaffen aber obwohl er nichts getrunken hatte fiel Ihm wieder nichts ein und hatte nun endlich frustriert und sauer das Café verlassen. Sein Verleger würde Ihn sicher bald fallen lassen und dann wäre er endgültig zum Penner geworden, doch irgendwie schien Ihm das auch egal zu sein. Es bestand eh kaum mehr ein Unterschied. Mit der Miete war er bereits seit drei Monaten im Rückstand und das bischen Geld, das er hier und da durch die ein oder andere Kolumne verdiente gab er für Brandy und Rotwein aus. Den letzten Scheck, immerhin 400 € hatte er noch am selben Abend in eine Nutte investiert.
Langsam begann der Regen durch seine Kleidung zu dringen und Ihm am Kragen hinunter zu laufen. Er ging schneller und der Regen wurde von Minute zu Minute heftiger. Als er schließlich vor seiner Haustüre angekommen war, war er bis auf die Knochen durchnässt. Er suchte seinen Schlüssel, fand Ihn in der Tasche seiner alten Jeans und öffnete die Türe. Als er in den Flur eintrat konnte er ein Würgen nicht unterdrücken. Es roch nach Moder und Urin und überall war Staub und Reste von alten Zeitungen lagen auf dem Holzboden. Normalerweise hatte es Ihn nie gestört, er war ja auch meistens besoffen oder zumidest soweit angetrunken, daß seine Nase durch den Alkohol betäubt war. Jetzt allerdings, da er nüchtern war haute Ihn dieser Gestank fast um und er machte, daß er so schnell wie möglich in seine Wohnung kam.
Überall lagen leere Flaschen und Zigarettenkippen auf dem Boden und auch hier stank es. Er zog seine nassen Klamotten aus und warf sie achtlos in die Ecke.Hinter einem Karton fand er eine noch halb volle Flasche Brandy, setze sich nur mit seiner Unterhose bekleidet in den Stuhl am Fenster, steckte sich eine Zigarette an und begann zu trinken. Der Brandy tat gut. Ihm war kalt geworden und der Alkohol wärmte zumindest von innen. Er trank weiter und bald war die Flasche leer aber es ging Ihm nun besser und auch seine Wohnung hatte plötzlich den Gestank wieder abgelegt. Draußen regnete es immer noch. Er sah aus dem Fenster auf das Haus gegenüber, aus dem noch Licht drang.
Das Ehepaar war dort erst vor kurzem eingezogen und meistens hörte er nur ihre schrillen Schreie, wenn Sie Ihn anbrüllte wegen irgendwelcher Nichtigkeiten. Er sah Sie durch das Fenster in dem anderen Haus. Sie hatte die Lockenwickler im Haar und wirkte durch das fahle Licht wie eine zu fette Made im Morgenmantel. Der Ehemann tat Ihm leid. Er sah Ihn öfters morgens das Haus verlassen und dann erst am Abend wieder heimkehren. Wahrscheinlich geht er einer ordentlichen Arbeit nach, dachte er sich. Wieder schrie sie ihn an und warf sogar irgendwas, es sah aus wie ein Aschenbecher, nach Ihm.
Müde geworden lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. Ein Furz dröhnte in die Stille und er Griff nach seiner letzten Flasche Wein, eigentlich seiner Notration und ein Lächeln huschte Ihm über sein Gesicht. Er drückte den Korken in die Flasche und trank.
Er hatte alles was man braucht.