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- 27.01.2020
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- Anmerkungen zum Text
Das ist die erste Kurzgeschichte die ich geschrieben habe und selbst wirklich sehr mag. Sie ist aus einer Mischung eigener Erfahrungen und Hoffnungen, wie es doch einmal sein könnte entstanden. Ich bin offen für ehrliche Kritik und Verbesserungsvorschläge, hoffe aber von ganzem Herzen, dass ihr nicht "zu hart" urteilt und auch den ein oder anderen positiven Aspekt findet - es ist immerhin meine erste Kurzgeschichte.
Alles nur ein Traum?
Bin da - eine kurze SMS, zwei Wörter, obwohl nicht einmal hunderte diesem Menschen gerecht werden konnten. Nervös wartete ich, nestelte am Saum meiner Bluse herum.
Ein Pfiff - ich zuckte zusammen und blickte auf.
Da stand er, in derselben zerrissenen Jeans, in der ich ihn kennen gelernt hatte, ein spöttisches Grinsen auf den Lippen.
Mein Atem stockte. Er schaffte es immer noch, mir die Luft zu rauben, mein Herz so viel schneller schlagen zu lassen. Langsam ging er auf mich zu. Große elegante Schritte, selbstsicher. Ich bezweifelte, dass es ihm jemals bewusst gewesen wäre, wie attraktiv er in meinen Augen war, welche Wirkung er auf mich hatte.
Er lehnte sich neben mich an meinen alten Skoda, starrte schweigend in den Nebel, der langsam über die Felder hinweg in das kleine Wohngebiet zog.
Worte hätten diesen Moment zerstört, obwohl sie doch so unabdingbar waren, um den Versuch zu wagen, wiederherzustellen, was einmal gewesen war.
Mit einem Kopfnicken deutete er mir, ich solle ihm in seine Wohnung folgen.
Während wir den mir so vertrauten Weg entlangliefen, begann ich zu erkennen, dass ich ihn mit meiner Anspannung angesteckt hatte. Seine Hand zitterte, als er den Schlüssel in das Türschloss steckte.
Ich betrat die Wohnung vor ihm, fand mich in einem kleinen, vertrauten Raum wieder. Es roch nach ihm. Ich atmete tief ein, nahm den Geruch von Tabak und seinem ausgefallenen Parfüm wahr, fühlte mich, als würde ich von einer tröstlichen Umarmung gewärmt.
Die Wände geziert von Zeichnungen, die direkt aus seiner Seele stammten. Dunkel, bedrückend und mit so viel Tiefe, dass man sich mühelos darin verlieren konnte. Einige der Bilder wirkten so depressiv, dass man das Monster, welches sie zu Papier gebracht haben musste, in den Arm nehmen wollte, ihm versprechen, die Alpträume einfach wegpusten zu können, wie Mama es einst mit dem Schmerz eines aufgeschlagenen Knies getan hatte.
Unsicher bewegte ich mich durch das Zimmer und nahm auf seinem Bett Platz. Er starrte mich an, verharrte im Türrahmen, sich mit einer Hand lässig abstützend.
Ob er an dasselbe dachte, wie ich?
An Momente in denen ich schluchzend in seinen Armen gelegen hatte, er mich einfach nur hielt. Momente, in denen wir lachten, unser Glück kaum fassen konnten.
Momente, in denen wir uns durchs Bett warfen, vereinigten und ein Vertrauen genossen, welches jegliche Tabus brach. Momente, in denen ich mit nichts als einem seiner Hemden bekleidet auf dem Bett lag, er mir gegenüber an seinem Schreibtisch saß und mich auf seinem Block skizzierte. Auf seinen Zeichnungen hatte ich immer so viel schöner gewirkt, als ich mich fühlte. Sah er mich so, war ich in seinen Augen so schön?
Momente, in denen wir die Angst teilten, es würde irgendwann nicht mehr so sein, wie es war. So unkompliziert, so magisch.
Waren wir nun dort angekommen, wo unsere kleine Seifenblase platzen musste, unsere kleine Wolke sich in einen Schauer aus tausend bitteren Tränen auflöste?
Wir hatten uns geschworen ehrlich zueinander zu sein, uns niemals zu verletzen, so wie es der Rest der Welt getan hatte.
Er nahm neben mir Platz und klopfte sanft auf seine Brust.
„Oder willst du nicht?“
Ich schmiegte mich wortlos an ihn, so nah, dass kein Blatt dazwischen gepasst hätte, dass ich jeden seiner Atemzüge im Heben und Senken seiner Brust an meiner Wange spüren konnte. Zwei Körper, die nicht perfekter aufeinander hätten abgestimmt sein können, dankbar über die schützende Nähe des Anderen, die jeglichen Weltschmerz zu verdrängen schien, zwei Herzen im Gleichschlag. Sein Arm um meine Schultern gelegt, seine Hand vorsichtig über meine Haut streichend, als ob es in diesem Moment nichts Kostbareres gab.
Ich wollte diese heile Welt auf keinen Fall zerstören, indem ich zu früh mit der Unterhaltung begann, wegen der ich eigentlich gekommen war, aber was blieb mir anderes übrig?
„Bist du noch wütend?“
„Das war ich nie… Ich war verletzt, wusste nicht wie ich damit umgehen sollte. Weißt du nicht mehr, was wir uns einst versprochen haben? Weißt du noch, wie du es geschafft hast, dass Monster in mir zu verbannen?“
Doch ich wusste es. Ich wusste ganz genau, was ich versprochen und nicht gehalten hatte.
„Wieso hast du nicht mit mir gesprochen? Ich bin nicht verletzt, weil du getan hast, was du getan hast. Ich bin verletzt, weil du mich im Unklaren gelassen hast, weil du mir meine Entscheidung genommen hast, wie ich mit der Situation umgehen sollte.“
„Es tut mir so leid.“
All die Dinge, die ich ihm sagen wollte, Formulierungen, die ich mir während der Autofahrt zurechtgelegt hatte, kamen mir nicht über die Lippen.
Den Menschen, der mich durch meine schwerste Zeit begleitet, mich hindurchgeführt, mir das Licht am Ende eines jeden dunkeln Tunnels gezeigt hatte, hatte ich schamlos belogen. Ich hatte ihm meine Liebe versprochen, ohne dabei zu bemerken, dass ich mit ihm spielte. Mit keiner Silbe hatte ich erwähnt, dass ich längst den Glauben an eine gemeinsame Zukunft verloren hatte, dass ich mehr wollte, als er mir geben konnte und mit einem anderen Mann zusammenlebte, der mir augenscheinlich so viel mehr zu bieten hatte.
„Du weißt, dass ich dich mehr liebe als mein eigenes Leben. Doch manchmal muss man auf den Kopf hören und vergessen was das Herz so sehr will, zu sehr will.“
„Bitte…“
Er schnitt mir das Wort mit einem innigen und doch so unendlich verzweifelten Kuss ab.
Zwischen uns loderte ein Feuer aus so vielen Emotionen auf und brannte eine tiefe Schneise, die unmöglich zu überwinden war.
Es war vorbei gewesen, in diesem Moment.
Ich konnte nicht atmen, schlug um mich, versuchte zu schreien. Kein Sauerstoff füllte meine Lungen, kein Laut verlies meine Kehle. Fühlte sich sterben so an?
Langsam, ganz langsam kam, ich zu mir und bemerkte, dass ich in meinem Bett lag, das Kissen auf meinem Gesicht, die Decke um meine Beine gewickelt, alleine. Und wieder hatte ich von ihm geträumt.
Tränen liefen nur so über meine Wangen, lautlos und doch ohne Erbarmen.
Ich trug sein T-Shirt, dass einzige was mir von ihm geblieben war. Es roch schon lange nicht mehr nach ihm, es tröstete schon lange nicht mehr darüber hinweg, dass ich leichtfertig verloren hatte, wonach andere ihr ganzes Leben so verzweifelt suchten. Den einen Menschen, der einen erfüllte, einen nahm wie man war, einen liebte, über alle Grenzen hinaus. Wofür?
Für einen Mann, der mir Sicherheit und Liebe versprach, mir aber nichts davon ehrlich geben konnte, sich meine Gesellschaft erkaufte, mich wie eine Trophäe vorführte und mich doch niemals überhaupt zu bemerken schien.
War es das, was ich wollte?
Wie eine wandelnde Tote schwankte ich ins Bad und betrachtete mich im Spiegel.
Fahle Haut, stumpfes Haar, ein ausdrucksloser Blick aus nahezu leblosen Augen.
Das Geräusch der Klingel lies mich aufschrecken, klang unwirklich in meinen Ohren.
Wie von Zauberhand gelenkt, stolperte ich zur Tür und öffnete diese.
Und da stand er, in derselben zerrissenen Jeans, in der ich ihn kennen gelernt hatte, ein spöttisches Grinsen auf den Lippen…