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Alles ist gut

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27.07.2001
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Alles ist gut

Sechs Jahre war ich nicht im Freibad gewesen. Sechs Jahre nicht im Wasser, sechs Jahre hatte ich dieses nasse Element gemieden, und nun wusste ich wieder warum. Die vielen lärmenden Jungs, die vielen Eindrücke, Dutzende, vielleicht sogar über hundert, zu viele, um sie zu zählen. Aber alle auf ihre Art süß, mit strahlenden Gesichtern, grinsend, lächelnd, lachend, kichernd. Alle leicht bekleidet, mit diesen modernen knielangen Badehosen, die es damals noch kaum gab. Ich hatte mir zwei Tage zuvor auch so eine gekauft, mit meiner alten, knapp geschnittenen Hose konnte ich mich ja nicht mehr blicken lassen.

Ich machte einen Bogen um die kalte Dusche, die das Schwimmbecken von der Liegewiese trennte. Ich sprang vom Beckenrand ins Wasser, das mich sofort angenehm kühl umfing. Ich machte ein paar Kraulschläge, offenbar stimmte es, Schwimmen verlernt man nie, genau wie Fahrrad fahren.

Ich schwamm vorbei an ihnen, vorbei an kichernden, lachenden Jungen, manche mit hoher Stimme, manche mit tieferer, manche im Stimmbruch. Viele mit den inzwischen wieder modernen langen Haaren, was ich bei Jungs einfach toll fand. Dann sah ich dich.

Du warst vielleicht 12, möglicherweise schon 13, hattest ein rundliches Gesicht und fast schwarze Haare. Anscheinend warst du gerade aus dem Urlaub zurück gekommen, deine Haut war tief braun gebrannt. Die Augenfarbe konnte ich nicht erkennen, da deine Augen gerade geschlossen waren, weil dich dein Kumpel mit Wasser bespritzte. Prustend, lachend spritztest du zurück, was dein Freund sofort mit einem Gegenschlag beantwortete. Ich schaute euch zu, stand auf Zehenspitzen, konnte gerade so den Boden des Beckens berühren. Ich freute mich mit euch, freute mich, dass ihr so viel Spaß hattet, genauso wie ich damals, als ich in eurem Alter war. Ihr beachtetet mich nicht, obwohl ich nur wenige Meter entfernt stand. Eine ältere Frau mit grauem, dünnem Haar schwamm zwischen euch und mir vorbei, den Kopf starr über das Wasser haltend.

Dein Kumpel sagte etwas zu dir, zeigte auf das Drei-Meter-Brett. Du schütteltest den Kopf, doch dein Kumpel schwamm an den Beckenrand und kletterte aus dem Wasser. Dann rannte er zu der langen Schlange vor dem Sprungturm. Du bliebst zurück, schwangst dich ebenfalls aus dem Wasser, bliebst aber am Beckenrand sitzen. Du schautest deinem Kumpel nach. Ich bewunderte deinen schlanken Oberkörper, schwamm näher heran, betrachtete die Wassertropfen auf deinem haarlosen Bauch, die in der Sonne glänzten. Deine Brustwarzen waren aufgerichtet, an den Armen hattest du eine Gänsehaut. Offenbar frorst du, trotz der Sonne.

Du sahst mich, bemerktest, wie ich dich anstarrte. Ich tauchte schnell unter und fühlte mich ertappt. Trotzdem schwamm ich nicht fort, sondern näherte mich dir weiter, tauchte rechts von dir wieder auf. Du blicktest zu deinem Kumpel, der langsam in der Reihe der Wartenden, fast alles Jungs in deinem Alter, vorrückte. Inzwischen war ich beinahe bei dir. Ich betrachtete deine dünnen Beine, sah den leichten Flaum an deinen Waden. Gedankenverloren schautest du auf das Wasser, blicktest kurz zurück zu deinem Kumpel, standest auf und klettertest auf einen Startblock. Mit einem Kopfsprung stießt du dich davon ab und landetest mit einem großen Klatscher im Wasser. Einige Tropfen berührten mich, ich schmeckte Chlor auf den Lippen und ich dachte daran, dass diese Tropfen noch einen Sekundenbruchteil zuvor deine weiche, braun gebrannte Haut umschmiegt hatten. Ich suchte dich, fand dich, du tauchtest fast zehn Meter weiter wieder auf, schwammst unter einem Absperrseil her, das offenbar die letzten beiden Bahnen für diejenigen freihalten sollte, die lediglich stur ihre Meter abarbeiten wollten. Doch das Seil lag schief im Wasser, die eine Seite hatte sich gelöst, irgendwo zog jemand daran.

Ich suchte nach dir, fand dich aber nicht. Hättest du nicht längst wieder auftauchen sollen? Das Zerren am Seil ließ nicht nach. Ich wunderte mich, sah niemanden, der zerrte. Dann sah ich dich. Du warst unter Wasser, schon viel zu lange, wie mir schien. Ich näherte mich dir. Du warst es, der am Seil zerrte. Es hatte sich um dein linkes Bein gewickelt, du kamst nicht mehr hoch, strampeltest in blinder Panik um dich. Ich schaute mich um. War ich der einzige, der es bemerkte? Der Bademeister stand auf der gegenüberliegenden Seite des Beckens und unterhielt sich mit einer dicken Frau, deren Bauch sich über dem Bikiniunterteil wölbte. Er sah nicht aufs Wasser, bemerkte dich nicht, der du es nicht schafftest, zurück an die Oberfläche zu kommen, wo es die rettende Luft gab. Sollte ich dem Bademeister zurufen? Würde er mich hören? Sollte ich zu ihm hinschwimmen? Wäre es dann für dich zu spät? Sollte ich versuchen, dich zu befreien? Hatte das lose Seil keiner kontrolliert? Konnte ich dich retten, ohne dich zu berühren? Musste ich dich berühren, um dich zu befreien? Durfte ich dich überhaupt berühren?

Dein Strampeln und Zerren unter Wasser ließ nach. Ich hatte keine Wahl. Mit wenigen Schwimmzügen hatte ich die Stelle erreicht, tauchte nach dir, du warst fast auf den Boden hinabgesunken, das Absperrseil war immer noch um dein Bein gewickelt, um die Waden, die ich zuvor so bewundert hatte. Du hattest die Augen geschlossen, Luftblasen kamen aus deinem Mund, die Haare wehten um deinen Kopf, getrieben von der von dir selbst verursachten Strömung. Ich versuchte, das Seil zu packen, du tratst mir in deiner Panik in den Bauch, ich schrie auf, schluckte Wasser, blieb aber dennoch unten. Ich versuchte es noch einmal, packte das Seil, versuchte, es von deinem Bein zu lösen, schaffte es nicht. Ich erwischte dein Bein, es war warm und weich, trotz des kühlen Wassers. Ich spürte deinen Widerstand, ließ aber nicht locker, packte das Seil, befreite dich davon, deine Gegenwehr wurde schwächer. Ich ließ Seil und Bein los, du hattest die Augen geschlossen, versuchtest gar nicht, an die rettende Wasseroberfläche zu kommen. Ich erinnerte mich an meine Zeit bei der DLRG, damals, als ich so alt war wie du, tausend Mal hatten wir es geübt, mindestens ebenso viele Jahre schien es her zu sein, doch nie hatte ich es gebraucht. Ich packte dich unter den Achselhöhlen, spürte, dass du dort keine Haare hattest, ärgerte mich selbst über diesen Gedanken, absolut sinnlos und unangemessen in dieser Situation.

Ich schwamm mit dir aufwärts, auch mir wurde die Luft knapp. Der Beckenrand war nicht weit. Ich schwamm auf dem Rücken, zog dich hinter mir her, erreichte das rettende Ufer. Ich hob dich aus dem Wasser, du warst schwerer als ich dachte. Ich legte dich am Rand ab, die ersten Leute schauten auf, auch der Bademeister, der nun auf uns zugerannt kam. Du atmetest, ich sah, wie dein Bauch sich auf und ab bewegte. Doch du regtest dich nicht. Ich kletterte aus dem Becken, hockte mich neben dich, versuchte dich wach zu rütteln, streichelte dir über die Wange, die warm und sanft und haarlos war. Nun kam wieder Leben in dich. Du hustetest, spucktest Wasser und schlugst schließlich die Augen auf. Du schautest nach oben, betrachtetest den Himmel, dann blicktest du mich an. Deine Augen waren dunkelbraun, fast so dunkel wie deine Haare. Ich lächelte dich an, konnte nicht anders, vergaß, mich zu verstellen, mich zu tarnen, wie ich es sonst tat. Doch du warst nicht irritiert, warst nicht verunsichert, lächeltest zurück. Ich sah deine strahlend weißen, nahezu perfekten Zähne. Du hattest eine Zahnlücke, vielleicht vom letzten Milchzahn, der dir vor kurzem ausgefallen war.

Um uns herum versammelten sich die Menschen, der Bademeister bahnte sich seinen Weg durch die Menge, fragte, was los sei. Auch dein Kumpel gesellte sich dazu. Doch ignorierte ich sie alle, hatte nur Augen für dich, ich lächelte dich weiter an, du lächeltest zurück, ich streichelte dir durchs Haar. „Alles ist gut“, flüsterte ich. „Alles ist gut.“ Du nicktetest, glaubtest, zu verstehen. Ich weiß nicht, ob du wirklich verstandst, doch ich tat es. „Alles ist gut.“ Und das war es, das war es in der Tat, zum ersten Mal seit Jahren. Ich streichelte dir durchs Haar, spürte deinen ruhigen Atem auf meinem nassen Arm und alles war gut.

 

Uff ...

Künstlerische Freiheit und so, aber das liest sich doch verdammt wie die Masturbationsfantasie eines Pädophilen. Teilweise fand ich's echt übelkeiterregend.

Tja, weiß nicht ... ist das nun applauswürdig, weil du Klischees meidest, ist es mutig, solch einen Menschen zum Protagonisten zu machen, auch noch die Ich-Perspektive zu wählen? Ich bin schockiert, war das die Absicht des Autors?

Aber alle auf ihre Art süß, mit strahlenden Gesichtern, grinsend, lächelnd, lachend, kichernd. Alle leicht bekleidet, mit diesen modernen knielangen Badehosen, die es damals noch kaum gab.

Du warst vielleicht 12, möglicherweise schon 13, hattest ein rundliches Gesicht und fast schwarze Haare. Anscheinend warst du gerade aus dem Urlaub zurück gekommen, deine Haut war tief braun gebrannt

Bah. Lolita in homosexuell? Kalkulierter Tabubruch, Effekthascherei?

Ratlos
JC

 

Hallo JC,

danke für das Lesen und Kommentieren meiner Geschichte.

Übelkeit zu erregen und den Leser zu schockieren war beim Schreiben keineswegs meine Absicht, im Gegenteil, ich habe eigentlich versucht, die Geschichte so zu erzählen, dass sich der Leser in den Protagonisten einfühlen und vielleicht ein Stück weit nachvollziehen kann, was in einem Pädophilen vor sich geht (soweit man das als "normaler" hetero- oder rein homosexueller Mensch nachvollziehen kann).

Ich denke auch nicht, dass ich das wie eine "Masturbationsfantasie" geschrieben habe, dafür hätte ich sicher andere Begriffe verwenden müssen (wie "Du hattest voll die geile Beule in der Hose" oder ähnliches) - und auch Effekthascherei hatte ich beim Schreiben nicht im Hinterkopf.

Was die Geschichte hingegen sicher ist, ist ein Tabubruch, denn ich denke, dieses Thema ist durchaus wichtig, gerade die homosexuelle Pädophilie wird oft noch mehr in der Gesellschaft verdrängt als die heterosexuelle, wo ein erwachsener Mann auf Mädchen steht (dabei kommt nach aktuelleren wissenschaftlichen Studien die homosexuelle Pädophilie weitaus häufiger vor).

Darum denke ich, dass es durchaus auch wichtig ist, das Thema in Kurzgeschichten zu behandeln, was ich schon mehrfach hier getan habe (dies war auch nicht die erste solche Geschichte in der Ich-Perspektive), und ich habe eigentlich jedes Mal versucht, Dinge wie Effekthascherei zu vermeiden.

 

Wäre die Sache fies ausgegangen, wäre davon bestimmt nicht die Rede gewesen

Ist mir schon klar, dass es als angenehm oder intellektuell stimulierend empfunden wird (werden kann), das Thema so weit ab der dominierenden Bildzeitungs-Kinderficker-Schwanz-ab-Polemik verwertet zu sehen. Aber es bleibt dabei: Ich hab kein gutes Gefühl bei der Sache.

 

Hallo Are-Efen,

vielen Dank für deinen Kommentar :)

Die Sache mit dem Absperrseil ist mir persönlich nicht ganz so klar geworden - ich meine, wie es sich so fest um das Bein gewickelt hat und nicht loszukriegen war. Das mag ein bisschen zu sehr "Phantasie" sein, wäre es aber vom "Mechanismus" her wert, genauer untersucht zu werden.

Auf den Punkt ist auch ein Bekannter von mir gestoßen, dem ich die Geschichte vorab zu lesen gegeben habe. Vielleicht habe ich das nicht klar genug herausgearbeitet, aber ich denke einfach, der Junge hat sich vielleicht erst durch sein panisches Strampeln wirklich in dem Seil verheddert und hätte sich, wenn er besonnener reagiert hätte, bis zu einem bestimmten Moment selbst befreien können. Nur der Protagonist bekommt das ja nicht in allen Details mit, jedenfalls nicht, bevor er schließlich einschreitet.

Die Entknotung, die zu dem besänftigenden "Alles ist gut" führt, ist ein Indiz für die, wenn man es so nennen will, reine Pädophilie des Protagonisten und kein Grund zu Übelkeit.
Wäre die Sache fies ausgegangen, wäre davon bestimmt nicht die Rede gewesen.

"Reine Pädophilie" ist ein schöner Begriff, finde ich, denn das trifft genau den Punkt: Ich wollte halt (mal wieder) zeigen, dass eine pädophile Neigung an sich nichts Schlimmes ist. Schlimm wird sie erst durch die eventuellen Handlungen, die aus der Neigung resultieren können - und in diesem Fall hat sich der Pädophile ja absolut nichts vorzuwerfen. Im Gegenteil: Denn etwas wirklich Schlimmes wäre wahrscheinlich erst ohne sein Eingreifen passiert.

 

Ich denke, dass besonders Leute die mit Kindern arbeiten sich immer wieder ganz genau Gedanken machen müssen wo die Grenzen des Umgangs und der Gedanken liegen. Es ist normal, dass man einige Kinder lieber mag als andere, aber es ist nicht normal, wenn man plötzlich Vorstellungen entwickelt wie "Wie fühlt sich wohl die Haut von XY an" etc, oder einzelne Kinder klar bevorzugt usw. Das kann mit simplen Beobachtungen und Gedanken und Ideen beginnen, die einfach so kommen. Ich finde das hast du sehr treffend beschrieben. Und wichtig ist genau, dass eine Person das von sich selbst merkt, und es wenigstens nicht zur Handlung kommen lässt!!!

Was mich am Ablauf deiner Geschichte leicht stutzig gemacht hat war nur, dass er scheinbar lange gewartet hat, bis er wirklich zur Rettung hinging. Ich stelle mir vor, dass jemand, der sogar eine Ausbildung bei der DLRG absolvierte, schneller reagieren würde. -> Lass den Protagonisten sich selbst weniger Fragen stellen in diesem Moment, oder kürzere, um den Ablauf schneller wirken zu lassen.

Liebe Grüsse,
Siiba Bulunji

 

Noch etwas: Wie bekannt ist die DLRG in Deutschland? Sollte das Möglicherweise ausgeschrieben werden?

 

Hallo Siiba,

Danke für deinen Kommentar zu meiner Geschichte :)

Was mich am Ablauf deiner Geschichte leicht stutzig gemacht hat war nur, dass er scheinbar lange gewartet hat, bis er wirklich zur Rettung hinging. Ich stelle mir vor, dass jemand, der sogar eine Ausbildung bei der DLRG absolvierte, schneller reagieren würde. -> Lass den Protagonisten sich selbst weniger Fragen stellen in diesem Moment, oder kürzere, um den Ablauf schneller wirken zu lassen.

Findest du, dass die Stelle zu lang ist? Die Gedanken rasen ja immerhin in wenigen Sekunden durch seinen Kopf, und man muss ja auch bedenken, dass er unsicher ist, weil er sich so zu dem Jungen hingezogen fühlt und ihm ja schnell klar wird, dass er ihn berühren muss, wenn er ihn retten will. Aber ich überlege mal, ob ich die Sätze zumindest noch etwas kürzen kann, damit es eher so wirkt, als würden die Gedanken durch den Kopf des Protagonisten rasen.

Ich denke, DLRG ist den meisten Leuten schon ein Begriff, und "Deutsche Lebensrettungsgesellschaft" ist halt ein extrem sperriges Wort.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Arne,

Ihr beachtetet mich nicht, obwohl ich nur wenige Meter entfernt stand.

tetetete habt mich nicht beachtet klingt besser


Doch ignorierte sie alle, hatte nur Augen für dich, ich lächelte dich weiter an, du lächeltest zurück, ich streichelte dir durchs Haar.
Ich


Das klingt nicht nur wie die Fantasien eines Pädophilen, sie sind es!

Das finde ich schon mal gelungen, dass du Themen behandelst, die andere nur mit der Kneifzange anfassen würden.

Da kommen wir dann auch schon zum Problem. Können wir denn wirklich denken, uns ernsthaft in die Gedanken eines Kinderfickers schleichen zu können. Die Frage ist alt: Dostojewski hat so eindringlich beschrieben, wie sich ein Mörder fühlt, ohne jemals einen Menschen ungebracht zu haben. Aber wie sich ein wirklicher Mörder fühlt, weiß nur der Mörder.
Lange Diskussion ohne Ende.

Ich finde es gut, sich solche fragwürdigen Persönlichkeiten anzueignen und über sie zu schreiben.

Allerdings hab ich schon länger Abstand davon genommen, zu versuchen wie Pädophile oder Geisteskranke zu denken. Du versuchst hier, wie ein Geisteskranker zu denken. Und das liest man, finde ich. Es ist zu offensichtlich, dass hier ein Autor krampfhaft versucht, die Gedanken eines P. nachvollziehen zu können. Stattdessen, das ist eine Grundkonzeptfrage. Ich finde es angebrachter, die Personen unberechenbar und fragwürdig zu machen. Denn ein P. denkt nicht so, wie wir uns vorstellen, dass ein P. denkt! Er denkt wie ein Mensch. Deine Geschichte spricht ihm genau dies ab. Und zwar, weil du es zu ernsthaft versuchst! Die Gedanken, die hier aus deiner Feder flutschen, sind zu konkret, zu gemacht, ja sogar zu pädophiel.

Ich packte dich unter den Achselhöhlen, spürte, dass du dort keine Haare hattest, ärgerte mich selbst über diesen Gedanken, absolut sinnlos und unangemessen in dieser Situation.

hier vielleicht ein kleiner Ansatz. Ein einziger Selbstzweifel, ein Selbsthass. Aber auch hier wird der Autor gelesen. Nicht eine Sekunden meint der Leser tatsächlich in der Gedankenwelt eines P. zu sein. Sondern wir sind in der Welt des Autors, wie der sich die Gedankenwelt eines P. vorstellt. Und die ist zu konkret, zu gemacht und zu hergestellt, zu typisch, zu allgemein populär psychologisch.

Das Buch, das ich gerade lese, ist da sehr interessant aufgebaut. (ja, das soll ein Buchtipp sein)
Thomas Brasch Mädchenmörder Brunke.
Da geht es, klar, um einen Mädchenmörder. Aber Brasch versucht eben nicht, sich in die Gedanken eines Mächenmörders zu schleusen. Sondern er beschreibt eine Person, die sich aufmacht, eben dies zu tun. Er schreibt also um zwei Ecken. Und das ist auch das einzige, was ein Autor kann. Er kann keinen Mörder oder Geisteskranken beschreiben, sondern nur beschreiben, wie jemand darüber denkt.

lieben Gruß

 

Hi Aris,

vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar.

Zu dem Wort "beachtetet": Ich fand anfangs auch, dass das Präteritum teils etwas seltsam klingt, besonders in der zweiten Person Plural, wo dann solche Worte wie "redetet" oder "beachtetet" zustandekommen, aber ich fand irgendwie, dass es insgesamt schöner klang, alles im Präteritum als im schnöden Perfekt zu schreiben - und da ich die Zeiten nicht wechseln wollte, habe ich eben auch solche Wortungetüme in Kauf genommen.

Das klingt nicht nur wie die Fantasien eines Pädophilen, sie sind es!

Das finde ich schon mal gelungen, dass du Themen behandelst, die andere nur mit der Kneifzange anfassen würden.


Danke :)

Aris Rosentrehter schrieb:
Da kommen wir dann auch schon zum Problem. Können wir denn wirklich denken, uns ernsthaft in die Gedanken eines Kinderfickers schleichen zu können. Die Frage ist alt: Dostojewski hat so eindringlich beschrieben, wie sich ein Mörder fühlt, ohne jemals einen Menschen ungebracht zu haben. Aber wie sich ein wirklicher Mörder fühlt, weiß nur der Mörder.
Lange Diskussion ohne Ende.

Also zum einen, nicht jeder Pädophiler ist gleich ein Kinderficker, ich würde sogar sagen, es ist nur die Spitze des Eisbergs, die jemals im Leben auffällig wird. Die meisten leben vermutlich genau so im Verborgenen wie der Protagonist, der ja auch nichts unrechtes getan hat.
Und zum anderen, wirklich in einen Pädophilen, einen Vergewaltiger oder einen Mörder einfühlen kann man sich wahrscheinlich nur, wenn man selbst Erfahrungen damit hat. Aber das heißt ja trotzdem nicht, dass man's nicht zumindest versuchen kann, sich in andere einzufühlen. Das fängt ja schon bei solch profanen Dingen an wie dem Versuch, sich als Mann in eine Frau einzufühlen.

Aris Rosentrehter schrieb:
Allerdings hab ich schon länger Abstand davon genommen, zu versuchen wie Pädophile oder Geisteskranke zu denken. Du versuchst hier, wie ein Geisteskranker zu denken.

Nein, ich versuche nicht, wie ein Geisteskranker zu denken, sondern wie ein Pädophiler :) Der Protagonist leidet ja schließlich nicht an Schizophrenie oder ähnlichem, sondern "nur" an einer von der Gesellschaft (und deshalb auch von sich selbst) verachteten sexuellen Orientierung.

Aris Rosentrehter schrieb:
Es ist zu offensichtlich, dass hier ein Autor krampfhaft versucht, die Gedanken eines P. nachvollziehen zu können. Stattdessen, das ist eine Grundkonzeptfrage. Ich finde es angebrachter, die Personen unberechenbar und fragwürdig zu machen. Denn ein P. denkt nicht so, wie wir uns vorstellen, dass ein P. denkt! Er denkt wie ein Mensch. Deine Geschichte spricht ihm genau dies ab. Und zwar, weil du es zu ernsthaft versuchst! Die Gedanken, die hier aus deiner Feder flutschen, sind zu konkret, zu gemacht, ja sogar zu pädophiel.

Den Kritikpunkt kann ich nicht so ganz nachvollziehen, denn ich hab schon versucht, den Protagonisten als Menschen darzustellen und bei seinen Fantasien keinesfalls zu übertreiben. Und ich denke, die meisten Leute kennen das auch, wenn sie irgendwo jemandem begegnen, den sie besonders toll finden, dass sie ihn im Geiste anhimmeln und von Kopf bis Fuß beobachten. Und nichts anderes tut der Protagonist hier. Zumal bei der Pädophilie ja noch dazu kommt, dass es eben eine "verbotene" Neigung ist, die von vielen Betroffenen verdrängt und unterdrückt wird und die sie nicht ausleben können (bzw. dürfen). Dass da die Fantasie schon mal etwas lebhafter ist, halte ich durchaus für realistisch und nicht überzogen.

Aris Rosentrehter schrieb:
Das Buch, das ich gerade lese, ist da sehr interessant aufgebaut. (ja, das soll ein Buchtipp sein)
Thomas Brasch Mädchenmörder Brunke.
Da geht es, klar, um einen Mädchenmörder. Aber Brasch versucht eben nicht, sich in die Gedanken eines Mächenmörders zu schleusen. Sondern er beschreibt eine Person, die sich aufmacht, eben dies zu tun. Er schreibt also um zwei Ecken. Und das ist auch das einzige, was ein Autor kann. Er kann keinen Mörder oder Geisteskranken beschreiben, sondern nur beschreiben, wie jemand darüber denkt.

Danke für den Buchtipp :) Das ist sicher auch ein sehr interessanter Ansatz, dieses "um zwei Ecken schreiben", aber eben nicht der Ansatz, den ich hier verfolgt habe. Mein Ziel war eben, dass der Leser sich ein Stück weit in den Protagonisten einfühlen und nachvollziehen kann, wie ein Pädophiler "tickt".

Viele Grüße
Arne

 

Hallo Arne!

Was ich mich bei der Geschichte frage: Warum geht dein Prot an so einen Ort? Wieso quält er sich selbst, er weiß genau, dass er dort "gereizt" wird.
Sein Motiv bleibt aber im Dunklen, genauso, warum es gerade sechs Jahre her sind, dass er wieder herkommt?
Auch, weil er sich so gut kennt, sich so bewusst Gedanken macht, hat man den Eindruck, er hätte schon mal eine Grenze überschritten.
Saß er also im Knast? Hatte er schon eine Therapie hinter sich, und macht das als Feuerprobe?

Was mich stört, ist die "du-perspektive", also die direkte Anrede des Jungen. Das lässt es tatsächlich ein wenig nach "Masturbationsfanatsie", wie Proof schreibt, aussehen. Wenn das weg wäre, dann würde das glaub ich anders klingen. Irgendiwe neutraler. So hat dieses ständige "du, du, du" etwas fanatisches, etwas selbts-hyptnotierendes.
Es gibt Geschichten, in denen passt das "du" aber hier finde ich es nicht passend.
Ich finde auch, dass dieses "du" eher passt, wenn man in der Gegenwart schreibt. Aber so frage ich mich: Wem erzählt er das? Weißte, wenn das gerade passiert, wenn das im Präsens geschrieben wird, hat das ne wirkung, aber so?

gerade die homosexuelle Pädophilie wird oft noch mehr in der Gesellschaft verdrängt als die heterosexuelle, wo ein erwachsener Mann auf Mädchen steht
Ja, das hatte man jetzt auch in der "Courage des Cornelius Müller" Geschichte von gox.
Es wird auf jedenfall mehr polemisiert, als wenn ein Mann auf junge Mädchen schaut.

Interessant finde ich den Plot, wie er dann in diese Lage kommt, wo er den Jungen anfassen muss, und dafür wahrscheinlich noch Lob bekommt. Das wirkt regelrecht, als könnte er so ein Ventil finden, das ihn aber auch verwirren könnte.

Bis dann: Timo

 

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