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Alles in Socke: Onkel Otto und die DSG
Onkel Otto und die DSG
„Wo ist eigentlich die dicke Frottier-Socke?“
„Im Survival-Lager.“ *zwinker*
„Oh je, ist Onkel Otto wieder da?“ *entsetzt*
„Jep.“ - Betroffenes Schweigen.
„Kann man denn nichts dagegen tun?“
„Was willst du denn dagegen machen? Ein Edikt aufsetzen, das es Onkel Otto untersagt bei seinen Besuchen die Socken zu vergessen?“
„Ach, ich weiß auch nicht. Aber irgendetwas muss man doch dagegen tun können. Ich meine: Schweißfüße sind ja eine Sache. Aber die von Onkel Otto sind ja schon lebensbedrohend.“
Wenn Onkel Otto zu Besuch kam, brach jedes Mal Panik in der Sockenschublade aus. Er war ein Erbonkel der Frau und deshalb stets ‚herzlich willkommen'. Normalerweise ginge es die Socken ja auch nichts an, wer wann zu Besuch kam. Doch Onkel Otto vergaß, ganz dem Klischee eines zerstreuten Professors entsprechend, mit großer Regelmäßigkeit die Hälfte seiner benötigten Dinge. Diese lieh er sich dann von seiner Nichte, bzw. ihrem Mann. Die T-Shirts oder Jeans ließen es auch wortlos über sich ergehen. Aber die Socken hatten zweifellos den schlimmsten Part bei dieser Erbonkel-bei-Laune- halten-Aktion.
Gut, die meisten Socken waren nicht unmittelbar betroffen (gestreifte, geblümte oder gar mit Häschen bestickte Socken würde Onkel Otto niemals tragen). Doch alle empfanden tiefstes Mitleid mit den abkommandierten Schubladengenossen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die nächste Wäsche nicht unbedingt alle, vor allem geruchliche Folgen beseitigte. Und wenn man in einen so engen Raum, wie hier in die Schublade, gepfercht war, beeinträchtigte das das Zusammenleben doch enorm.
„Ich hab's“, freute sich eine der Neuzugänge. Sie war eine Bestickte, mit bunten Luftballons. Die Frau liebte solche Spielereien. „Wir gründen eine Gewerkschaft!“
Doch anstelle der erhofften Anerkennung erntete sie nur Gelächter.
„Eine Gewerkschaft“, prustete die Tennissocke. „Nee, is' klar. Als erstes sollten wir uns dann aber über die Höhe der Beiträge unterhalten.“
„Und ganz wichtig sind die Trillerpfeifen. So eine wollte ich schon immer mal haben.“ Die Dunkelblaue konnte vor lauter Lachen den Satz kaum aussprechen.
„Ich dachte ja nur, weil die Menschen doch auch Gewerkschaften haben. Dann kann es doch nicht so verkehrt sein“, entgegnete die mit den Luftballons beleidigt.
„Was willst du denn mit ner Trillerpfeife?“ fragte die Tennissocke die Dunkelblaue. „Du pfeifst doch so schon aus dem letzten Loch.“
„Sei bloß vorsichtig, mit dem was du sagst“, fuhr ihn die Dunkelblaue an. „ICH HABE KEINE LÖCHER! Ich bin an manchen Stellen nur etwas zart besaitet.“
„Nee, is klar. Und ich bin meliert.“ Die Tennissocke und die Dunkelblaue waren nicht die besten Freunde.
Ob die Dunkelblaue den Gedanken an sich auf einmal gut fand, oder ob sie nur Verbündete gegen die Tennissocke suchte, lässt sich im Nachhinein nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Auf jeden Fall konnte sie der Gewerkschaft nun doch etwas Positives abgewinnen.
„Und wenn wir erst einmal Mitglieder der DSG sind, müssen sie uns stopfen. Dann haben wir nämlich Kündigungsschutz“, schleuderte sie der Tennissocke entgegen. „Ich wäre dann an Hacken und Zehen deutlich verstärkt. Du würdest aber weiter ‚meliert' bleiben.“
„Oh, du hast dem Ganzen schon einen Namen gegeben. Na, dann ist ja auch klar, wer der Präsident werden wird.“
„Was heißt DSG?“ fragte die Hellblaue die Wollne flüsternd.
„Ich nehme an ‚Deutsche Socken-Gewerkschaft“, flüsterte die Wollne zurück, ohne die beiden Streithähne aus den Augen zu verlieren. Es knirschte schon eine ganze Weile zwischen den beiden. Irgendwann musste die Bombe ja platzen. 'Besser jetzt, wenn ich dabei bin', dachte sich die Wollne, als wenn sie eines Tages von der Wäsche zurückkäme und nur noch Sockenfetzen vorfinden würde.
„Wer geht in die Wirtschaft?“ fragte einer der Kniestrümpfe. „GEWERKSCHAFT!“ brüllte sein Nachbar ihm entgegen. (Schlecht hören konnte der Kniestrumpf gut.) Er war auch ein Gestrickter. Zwar kein Selbstgestrickter, wie die Wollne, dafür aber mindestens doppelt so lang. Wenn der Mann in den Bergen wandern ging, nahm er ihn immer mit. Ein paar Mal ist der Mann dabei schon ausgerutscht und bekam mächtig Sand und Erde in die Schuhe. Seitdem hört der Kniestrumpf nicht mehr viel.
„Ein Gewehrschaft? In unserer Schublade?“ Der Kniestrumpf war entsetzt.
„Kein Gewehrschaft, eine GE-WERK-SCHAFT --- Ach, vergiß es,“ sein Nachbar hatte keine Lust mehr.
„...dann brauchen wir noch einen Sekretär.“ Die anderen Socken befanden sich mitten in der Planung.
„Der passt hier doch gar nicht rein.“ Die mit den Luftballons wunderte sich, dass das nicht allen Socken einleuchtete.
„Ich meine nicht das Möbel. Wir brauchen jemanden, der alles protokolliert.“ Die Hellblaue war sich sicher zum Präsidenten gewählt zu werden. Schließlich kannte sie den Unterschied zwischen einem Sekretär und einem Sekretär.
„Ich schlage die Seidene vor,“ sagte die Getupfte. „Sie hat eine so schöne Schrift.“
Die Seidene hatte sich, wie üblich, an dem Gespräch des niederen Volkes nicht beteiligt. Aber Komplimente hört jede Seidene gern. „Wenn ihr darauf besteht“, sagte sie mit stolzgeschwelltem Hacken.
„Es war nur ein Vorschlag“, mischte sich die Dunkelblaue unwirsch ein. Sie mochte die Seidene genauso wenig, wie die anderen. Nicht auszudenken, wenn die auch in die Gewerkschaft eintreten wollte.
„Wir könnten einen Sitzstreik machen“, platze die Hellblaue dazwischen. Sie war ganz aufgeregt. Endlich war was los in der Schublade.
„Was ist das denn?“ fragte die Seidene (Sie kam wirklich nicht viel herum).
Um einem weiteren Streit vorzubeugen, übernahm die Wollne die Erklärung. „Bei einem Sitzstreik bleibt jeder auf seinem Platz, bis er weggetragen wird.“
- „Ach so - aber, das machen wir doch schon die ganze Zeit“, überlegte die Seidene laut. (Ja, sie war zwar unbeliebt, aber nicht dumm.)
„Aber dann würdet ihr organisiert auf eurem Platz bleiben und nicht einfach nur so“, frotzelte die Tennissocke. Sie versuchte den anderen zu verdeutlichen, wie lächerlich eine Gewerkschaft für Socken wäre. Schließlich sind Socken keine Menschen. Und was für die einen gut ist, muss es nicht zwangsläufig auch für die anderen sein.
Die Zimmertür ging auf. Schritte näherten sich der Kommode mit der Sockenschublade. Panisch verharrten die Socken mit zusammengekniffenen Augen auf ihren Plätzen. (Ob allen klar war, dass dieses kein Sitzstreik war, ist nicht geklärt.)
Die Schublade wurde geöffnet. Eine Stimme erklang: „Die Dunkelblauen, Onkel Otto?“
Nachdem sich die Schublade wieder geschlossen hatte, öffneten die Socken ihre Augen. Entsetzt stellte die Tennissocke fest, dass sein Nachbar fehlte.„WO KANN ICH UNTERSCHREIBEN?“