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- 07.08.2003
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Allerheiligen mal anders
Pater Jim Tillinger kniete vor dem Altar seiner Kirche. Seine Augen hatte er geschlossen. Seine Lippen fest aufeinander gepresst.
Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. In seiner linken Hand hielt er einen Rosenkranz. Nein, er umklammerte einen Rosenkranz. So fest, dass die Knöchel seiner Finger weis geworden waren.
Wie viel Zeit vergangen war, als er sich endlich erhob, das wusste er nicht.
Er sah sich in der Kirche um. Außer ihm war niemand mehr da. Die Sonntagsmesse war bereits seit einigen Stunden vorüber und alle „Besucher“ der Messe waren jetzt entweder wieder zu Hause oder in einem der nahe gelegenen Restaurants oder Cafès, um dort gemeinsam ein Bier (oder auch mehrere) zu trinken.
Für gewöhnlich war auch Jim dabei. War ja dem Alkohol nicht gerade abgeneigt. Nicht diesmal. Er hatte eine Mission zu erfüllen. Schien schon während der Messfeier nicht bei der Sache zu sein. Aber niemand sprach ihn darauf an.
Vielleicht hätte es was geändert, hätte jemand gefragt, was mit ihm los war. Aber eher wohl nicht.
Der Friedhof tat sich vor Jim auf.
Früher, vor vier oder fünf Jahren, war es noch ein wunderschöner Friedhof mit gepflegten Gräbern gewesen. Wenn es so etwas wie einen wunderschönen Friedhof gab. Aber wahrscheinlich schon.
Heute war dieser Friedhof verwahrlost. Es stimmte Jim traurig. Jeden Tag aufs Neue. Freilich wusste er auch, warum dem so war. Oder er glaubte es zumindest zu wissen.
Gerüchte über Dämonen und böse Geister waren aufgekommen. Gerüchte, welche die Ängste der Menschen schürten… und Friedhöfe eigneten sich hiefür nun mal ausgezeichnet.
Jim hatte dieses Gerede immer für Schwachsinn gehalten. Hatte nicht an Dämonen und sonstige Wesen der Hölle geglaubt… bis…
Ein einzelner Kastanienbaum wuchs zwischen den Gräbern empor. Ein uralter Baum mit einem mächtigen Stamm, der über viele Jahre hinweg Wind und Wetter trotzte.
Ein Relikt aus längst vergangenen Jahren. Wahrscheinlich überdauerte dieser Baum noch viele weitere Jahre. Vielleicht stand dieser Baum auch bis zum Tage des jüngsten Gerichts hier.
Wer wusste das schon?
Ein grausiges Geheimnis lag wie ein unsichtbarer Schleier über dem alten Baum. Zuerst hatte Jim es nicht geglaubt, als ihm ein alter Mann davon erzählte. Diesen Mann hatte er danach nie wieder gesehen. Er hatte mehrere Nächte nicht schlafen können. Immer sah er das alte, eingefallene Gesicht vor sich.
„Dämonen gibt es nicht“, dachte er.
Doch dieser Baum hatte etwas Dämonisches. Etwas Bösartiges.
Unwillkürlich dachte Jim, als der alte Mann ihm die Geschichte über den Baum erzählte, an den langweiligen Low – Budget – Horrorfilm „Das Kindermädchen“, welcher er als Kind irgendwann einmal gesehen hatte.
Dieser Baum war blutrünstig. Eigentlich war das für Jim abschreckend genug, denn er hasste Gewalt. Faszinierend aber war, dass ein alter Aberglaube besagte, dass man wenn man sich dem Baum als Opfer darbrachte, wiedergeboren wird.
Jim war wie besessen davon, wiedergeboren zu werden. Eine vollkommen neue Welt würde sich ihm auftun.
Und er war bereit dafür. Möglicherweise war es auch eine Art Größenwahn, die ihn dazu trieb.
Die Äste des Baumes umschlungen ihn. Hoben ihn empor. Schleuderten ihn brutal zu Boden. Immer fest umschlungen. Der Priester wollte vor Schmerz brüllen, doch er wusste, dass er es nicht durfte, um das Ritual nicht zu unterbrechen.
Obwohl das Aufschlagen am harten Boden brutal war, so wurde es doch so ausgeführt, dass Jim nicht schnell starb, sondern sich sein Sterben hinauszögerte.
Nur das Knacken und Splittern seiner Knochen war zu hören. Blut hatte seinen Körper überzogen. Die Schmerzen waren unerträglich. Knochen hatten sich durch das Fleisch und die Haut gebohrt und ragten jetzt aus dem geschundenen Körper.
Doch nach dem nächsten Mal, als Jim zu Boden geschleudert wurde, war er endlich erlöst.
Der Baum gab den toten, schlaffen Körper für wenige Augenblicke frei, um diesen im nächsten Moment in Stücke zu reißen und zu verschlingen.
Ein Ort des Schreckens. Unendliches Leid. Sich vorzustellen, wie die Hölle wohl aussehen mochte gehörte wohl schon seit Urzeiten zur menschlichen Fantasie. Am einfachsten war wohl, sich vorzustellen, dass die Hölle ein heißer, feuriger „Ort“ war. Und irgendwo zwischen den ganzen Höllenfeuern hielt sich Luzifer auf. Und natürlich die „schlimmen“ Verstorbenen. Wie oft wurde Kindern gedroht, dass sie in der Hölle landen würden, wenn sie nicht brav waren.
Jim wurde eines besseren belehrt. Die Hölle war ein barbarischer Ort des Schmerzes.
Grässliche Folterknechte banden einen „Neuankömmling“ auf eine Art Schlachtbank. Begannen bestialische Dinge mit ihm anzustellen.
Jim gefror das Blut in den Adern. Regungslos stand er da, sah hilflos zu. Hörte gequälte Schreie. Sah Blut und Eingeweide.
Einer der Folterknechte drehte sich zu Jim um. Ein Auge fehlte. Maden und Würmer hatten das „Loch“ zu ihrem zu Hause gemacht und labten sich am verwesenden Fleisch.
Er grinste den Priester an. Dabei quollen Eiter und Blut aus seinem Mund.
„Er ist ein Mörder“, fing der Peiniger an. Seine Stimme war absolut unangenehm. Bei jedem Wort spuckte er Blut aus und traf Jim auch einige Male im Gesicht. Reflexartig wischte sich Jim das Blut aus dem Gesicht. Es war heißes, stinkendes Blut.
„Durch einen Schusswechsel mit der Polizei liegt er im Krankenhaus im Sterben“, fuhr der Zweite fort, ohne sich umzudrehen.
Jim kannte sich schon aus. Wollte gar nicht mehr wissen. Hier wurde eine andere Art der Sterbehilfe angewandt.
Der Mörder brüllte vor Schmerz, als ihm mit einer Zange die Zähne gezogen wurden… ohne Narkose versteht sich. Mit einem Löffel wurden ihm die Augen herausgeschält.
Schreckliche Dinge wurden ihm angetan. Dinge, die nicht in Worte zu fassen waren. Mit einem Hammer wurden seine Hände zertrümmert. Sein Bauch wurde mit einem rostigen Messer aufgeschlitzt. Die Eingeweide herausgerissen. Immer noch brüllte er.
Jim war klar, dieser Mann würde nicht sterben. Im wirklichen Leben schon. Nicht aber in der Hölle. Und dieses Wissen war abscheulich.
So hatte es sich der Priester nicht ausgemalt.
Er hatte sich die Hölle überhaupt nicht vorgestellt. Und wenn, dann als heißen, feurigen Ort mit Luzifer.
Nicht aber als einen Ort, wo Sterbehilfe angewandt wurde und wo man durch Blut und Eingeweide stapfen musste.
Dieser Ort war eine Ansiedlung absoluten Grauens. Rücksichtslos und grausig.
Aus allen Richtungen konnte er Klageschreie hören. Im Sumpf aus Blut und Gedärmen hockten „Menschen“, die sich selbst fraßen.
Jim schloss die Augen. Begann zu laufen. Hatte das Gefühl, als gab der Boden unter seinen Füßen nach.
Verschlang ihn.
Vielleicht fiel er auch den Folterknechten zum Opfer und musste ewige Qualen über sich ergehen lassen.
Nein!
Das war nicht was er wollte. Er wollte wiedergeboren werden. Nicht für ewig in der Hölle schmoren.
Mike Moore und sein bester Freund Ben Willing waren Teenager. In dem Alter, wo man zu experimentieren anfing und wo auch das Geschlecht Frau wirklich interessant wurde. Dabei war es nur zu verständlich, dass die Strip – Show in der Disco von Overville einen gewissen Reiz auszuüben vermochte.
Ihre Eltern hätten sie niemals gehen lassen. Also schlichen sie sich aus den Zimmern, trafen sich am Hauptplatz und machten sich auf den Weg zur Disco.
Mike kannte eine „Abkürzung“ zur Disco, welche durch eine dunkle, enge Gasse führte. Nur… er war noch nie bei Nacht durch diese Gasse gegangen. Kannte diese Gasse nur bei Tag.
Jetzt, in dieser bedrückenden, kalten Dunkelheit hatte diese Gasse etwas Beängstigendes an sich. Möglicherweise war es auch nur die Einbildung der Jungs, welche ihnen einen Streich spielte.
Es war ziemlich kalt geworden. Regnete. Gerade, dass es noch nicht schneite. Wäre an und für sich auch nichts Besonderes gewesen. Es war schon des Öfteren vorgekommen, dass es zu Allerheiligen Schnee gab.
Gespenstische Nebelfetzen „hingen“ an den Straßenlaternen, welche in dieser Nacht kein Licht spendeten. Stromausfall.
Kam manchmal vor. In letzter Zeit häuften sich diese Stromausfälle allerdings.
Diese Nebelschwaden erzeugten eine geisterhafte, geradezu bedrohliche Atmosphäre.
Unerwartet war er da. Erschienen aus dem Nichts.
Ein Mann war unmittelbar vor den Jungs aufgetaucht.
Trotz der bedrückenden Dunkelheit konnte man das Antlitz erkennen.
Die leblosen, toten Augen, die sie anstarrten.
Jim!
Der Priester, welcher vor einigen Tagen spurlos verschwunden war. Nun stand er vor ihnen. Starrte die Teenager aus toten Augen an.
Eindringliche, schmerzhafte Blicke. Jim hatte Mike anvisiert. Starrte ihn kalt an. Mike wollte sich abwenden, doch es gelang nicht. Der Priester hatte ihn in seinen Bann gezogen.
Ben war vor Schreck wie gelähmt. Konnte nichts unternehmen, um seinem Freund zu helfen. Konnte nur fassungslos zusehen.
Schreckliches geschah…
Blut begann aus den Augenwinkeln zu rinnen. Auch aus der Nase und seinen Ohren. Ben konnte sehen, dass Mike fürchterliche Schmerzen litt. Krümmte sich vor Schmerz. Glucksende Laute kamen aus seinem Mund.
In der nächsten Sekunde kam Ben zu sich und begann zu laufen…
Lief so schnell ihn seine Beine trugen. Sein Körper begann zu schmerzen. Wusste, er hatte seinen besten Freund im Stich gelassen. Aber was hätte er können tun?
Nichts.
Er versuchte sich zu beruhigen. Sein Gewissen zu beruhigen, doch ihm war klar, dass er niemals vergessen würde, was in dieser Nacht geschah.
Mike versuchte immer noch gegen die unglaubliche Kraft des Priesters anzukämpfen. War nicht stark genug. Seine Augen platzten. Seine Haut riss. Blut lief aus unzähligen Wunden aus seinem Körper.
Er wollte schreien. Doch seine Kehle war wie zugeschnürt. Vielleicht war es auch nur das Gefühl, sich jeden Moment übergeben zu müssen, welches sein Schreien verhinderte.
Er übergab sich…
Sackte zu Boden. Erschöpft und sterbend. Kippte mit dem Kopf nach vorne und schlug hart am kalten Asphalt auf.
Ein bisschen außerhalb von Overville gab es einen jungen Mann mit dem Namen Thomas Dörner. Er lebte alleine in einem alten Haus, das schon mehr als baufällig war. Aber dort war er glücklich. Und solange in Overville nichts passierte, hatte er auch seine Ruhe. Doch wehe, es geschah etwas, wie er Tot von Mike…
Immer bekam Thomas die Schuld.
Er war ein Außenseiter. Ein bisschen zurück geblieben. Und dadurch war er anders. Overvilles Bewohner hatten Angst vor allem und jedem, was anders war.
Dabei wollte er gar nicht anders sein. Wollte nur seine Ruhe haben…
Mikes Vater war der Erste, welcher Thomas’ Haus erreichte. Wütend. Brüllend. War mit einer Axt bewaffnet, mit der er die Türe einschlug.
Er stürmte die alte Treppe in den ersten Stock und schrie wütend nach Thomas.
„Komm raus! Ich werde dich töten!“.
Bestimmt war das nicht das, was Thomas hören wollte und deshalb blieb er auch in seinem Versteck. Dabei wusste er, dass sie ihn finden würden… und dann…
Daran wollte er nicht denken…
Es hatte nicht lange gedauert, bis Thomas gefunden worden war. So gut war das Versteck dann doch nicht gewesen. Mikes Vater schleifte den wehrlosen jungen Mann aus dem Haus, schleifte ihn mit bis zu sich nach Hause. Gefolgt von einer wütend brüllenden Meute. Thomas wurde mit Steinen beworfen, angespuckt, getreten. Sogar Kinder beteiligten sich gnadenlos an dieser Lynchjustiz.
Eine Fräsmaschine befand sich in der Werkstatt von Mikes Vater. Auch noch unzählige andere Werkzeuge. Aber im Moment war nur die Fräsmaschine interessant.
Er schaltete die Maschine ein. Surrend lief diese an. Wurde immer lauter. Das monotone Geräusch war äußerst beunruhigend. Gefährlich.
Die Meute brüllte. Wie bei einem Pferderennen. Oder vielleicht bei den Gladiatorenkämpfen im alten Rom. „Der Pöbel tobte“.
Mikes Vater hob Thomas auf.
Dieser zappelte zwar. Versuchte sich zu wehren, doch hatte keine Chance. Schrie laut um Hilfe, doch wusste, dass es umsonst war.
Niemand würde ihm helfen. Alle warteten gespannt auf die weiteren Geschehnisse.
Die Schmerzen waren unvorstellbar. Mikes Vater – Bruce – ließ Thomas leiden. Der rotierende Fräskopf fraß sich erbarmungslos ins Fleisch von Thomas.
Riss Fetzten heraus. Blut spritzte. Das grausige Geräusch der Fräse wurde nur durch die Schreie von Thomas übertönt.
Erst nachdem Bruce Thomas lange genug leiden ließ, ließ er ihn langsam sterben. Bewusstlosigkeit hatte Thomas nicht befreit. Er musste die gnadenlose Tortour über sich ergehen lassen.
Bis…
… der Fräskopf fraß sich durch die Schädeldecke. Knochen splitterten. Wurden durch die Luft gewirbelt. Das Gehirn wurde zerfetzt.
Obwohl Thomas schon tot war, ließ er den Fräskopf noch weiter arbeiten. Erst als Thomas’ gesamter Kopf nur noch aus Fetzen bestand, schaltete er die Maschine ab.
Die Leiche ließ er auf der Maschine liegen. Drehte sich zu den Schaulustigen um und grinste widerlich. Blut lief von seinem Körper. Verklebte seine Haare. Wahnsinn stand in seinem Gesicht geschrieben.
In den Gesichtern der Gaffer konnte er blankes Entsetzen erkennen. Niemand hatte mit dieser grausigen Tat gerechnet. Okay, man wusste, was kommen würde, aber dass es derart entsetzlich war…
Nach der Bluttat gönnte Bruce sich erst einmal ein Bier, vielleicht waren es auch zwei oder drei. Anschließend wollte er seine Werkstatt reinigen. Hatte da noch einiges vor sich. Die Fräse musste sauber geputzt werden. Die Leiche musste er auch beseitigen.
Umso mehr staunte er, als er die Werkstatt betrat und feststellte, dass die Leiche verschwunden war.
Ein abstoßender Gestank herrschte in der Werkstatt. Gestank nach Blut und totem Fleisch.
Bruce begann die Werkstatt zu reinigen. Fluchte leise, als er feststellte, dass er die Fräsmaschine auseinanderbauen musste, um diese zu reinigen. Dachte gar nicht mehr länger an die Leiche.
Es war ihm ziemlich egal. Vielleicht hatte sich auch jemand die Leiche als Souvenir nach Hause mitgenommen. Ausgestopft neben dem Eingang…
Wie auch immer… es war ihm egal.
Es war ihm aber nicht egal, als die Türe zur Werkstatt abgeschlossen wurde. Die Türe quietschte, gehörte schon lange geölt und Bruce nahm es sich auch schon lange vor, getan hatte er es bis heute nicht. Ein Gefühl der Angst stieg in ihm auf.
„Wer ist da?“, fragte er mit schwacher Stimme. Sein Machogehabe war verschwunden. Keine Antwort. Er konnte niemanden sehen. Doch hören. Es war nicht dunkel in der Werkstatt und so benötigte Bruce auch kein Licht. Vorsichtig tastete er nach der Axt. Ohne sich dabei umzudrehen. Immer noch glaubte er, dass jemand in der Nähe der Türe war.
Schmerzen schossen wie Nadeln durch seinen Körper.
Er brüllte. Im ersten Moment versuchte er sich loszureißen, wodurch die Schmerzen nur noch intensiver wurden.
Ein Nagel war durch seine Hand und durch die Arbeitsplatte seiner Hobelbank geschlagen worden. Ein zweiter folgte.
Panisch starrte er zuerst auf seine blutige, schmerzende Hand und dann in das zerfetzte Gesicht von Thomas.
Glaubte seinen Augen nicht zu trauen.
Thomas griff nach der zweiten Hand von Bruce. Dieser versuchte sich zwar zu wehren, doch der Untote war stärker. Und die Schmerzen setzten Bruce zu. Schwächten ihn.
Er spannte die Hand in den Schraubstock und drehte langsam zu. Knacken war zu hören. Knochen splitterten. Die Qualen waren unvorstellbar.
Hätte der Tote noch ein Gesicht gehabt, so hätte er bestimmt belustigt gegrinst.
Eines war klar, Thomas wollte ihn töten.
Die lebende Leiche griff nach einer Säge und begann am Bauch von Bruce zu sägen. Die grobe Zahnung fraß sich in das Fleisch.
Vor Schmerz riss Thomas seine linke Hand an, welche an die Arbeitsplatte genagelt war. Riss die Hand los. Die Hälfte seiner Hand blieb auf der Arbeitsplatte zurück. Noch nie in seinem Leben litt er derartige Schmerzen.
Bewusstlosigkeit, welche Thomas vorbehalten geblieben war, holte ihn ein. Es war erlösend.
Thomas zerfetzte den Bauch von Bruce, riss die Eingeweide heraus und stopfte sich diese hinein. Obwohl er keinen Mund mehr hatte, fraß er die Eingeweide genüsslich…
Als der damit fertig war, verließ er die Werkstatt wieder und verschwand.
Allerheiligen. Das „Fest der Toten“.
Gräber von Verstorbenen besuchen. Kleine Feiern.
Nicht in Overville.
Schwer lasteten die brutalen Geschehnisse der vergangenen Tage auf den Einwohnern. Etwas Schlimmes ging vor.
Kratzende, schabende Geräusche waren am Friedhof zu hören. Grabsteine kippten um. Die Erde bewegte sich leicht.
Asseln und Würmer ergriffen aufgeschreckt die Flucht.
Hände kamen aus der Erde. Verweste Hände. Haut hing lose weg. Eine bräunliche Flüssigkeit trat aus. Eine Art von Eiter und altem Blut.
Langsam zogen sich die Wesen aus den Gräbern. Mörderische Kreaturen mit verwesenden Fratzen. Irgendwelches Getier labte sich am toten Fleisch. Getier, welches man nicht gerne in der Wohnung hatte. Sie waren da. Niemand hätte sagen können warum. Es war wie eine Krankheit, die sich rasend verbreitete.
Monster. Blutrünstige Kreaturen der Hölle.
Eine Epidemie aus brutalen Wesen der Hölle.
Richard Comm war der Besitzer eines gut gehenden Restaurants. Nicht nur nach sonntäglichen Messen, sondern überhaupt.
Auch jetzt, zu Allerheiligen, war sein Restaurant voll und seine Angestellten hatten alle Hände voll zu tun.
Richard war ein Mann Ende vierzig. Klein. Dick. Unsympathisch. Behandelte seine Angestellten oft wie den letzten Dreck. Böse Zungen behaupteten auch, dass man in seinen Augen nur Dollarzeichen sah. War wohl nicht einmal gelogen, da allseits bekannt, dass für Comm Geld das wichtigste war. Nicht seine Mitarbeiter. Nicht seine Frau. Nicht sein Kind.
So eine Art Dagobert Duck. Vielleicht noch eine Spur skrupelloser, wenn so etwas möglich war.
Trotzdem blieben ihm seine Mitarbeiter. Irgendwo auch verständlich. In der näheren Umgebung von Overville gab es keine guten Jobs – es ließ sich darüber streiten, ob der Job bei Comm gut war oder nicht – und wenn man nicht ausgerechnet im McDonalds enden wollte, blieb man eben bei Comm.
Obwohl es vielleicht bei McDonalds gar nicht schlechter gewesen wäre und möglicherweise auch besser bezahlt.
Schlagartig waren sie da.
Eine Armee aus Untoten. Lebende Leichen.
Schreie. Panik. Hysterisch versuchten die Gäste die Flucht zu ergreifen, doch es war unmöglich. Die Zombies waren keine abgestumpften, dummen Wesen. Nicht wie die Zombies in George A. Romeros Klassiker „Night of the living dead“.
Die Zombies hatten die Gäste eingeschlossen. Das Restaurant war zu einem mörderischen, blutigen Gefängnis geworden.
Richard versuchte sich mit zwei großen Fleischmessern zu verteidigen. Stand einem der blutrünstigen Wesen gegenüber. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn.
Sprang nach vorne. Bohrte dem Untoten eines der Messer in die faulige Brust. Eine bräunliche Flüssigkeit lief aus. Altes Blut.
Der Zombie ließ sich dadurch aber nicht aufhalten. Trieb Richard in die Enge. Dieser versuchte zwar, das Monster fern zu halten, doch es gelang nicht.
Das blutgierige Monster fiel über ihn her. Grub seine langen Finger in Richards Bauch. Essen a la carte. Entfernte die Eingeweide und fraß diese genüsslich. Stopfte sich die blutigen Gedärme in den Mund und verschlang diese schmatzend.
Ob es wirklich Zombies waren oder doch andere der Hölle entlaufene Kreaturen, darüber konnte man diskutieren. Auf der einen Seite verhielten sie sich wie Zombies. Fraßen ihre Opfer. Auf der anderen Seite aber schienen sie zu denken. Nicht abgestumpfte Monster. Aber wahrscheinlich war der Ausdruck Monster anstelle des Ausdruckes Zombie eher angebracht.
Eine Invasion.
Anders konnte man das Einfallen der Monster nicht beschreiben.
Die Hölle auf Erden war ausgebrochen.
Ja, es war die Hölle. Unvorstellbar. Wie Jim sie gesehen hatte, aber doch mit einem klitzekleinen Unterschied – man musste nicht erst tot sein, um in die Hölle zu gelangen.
Schmerzen und Leid. Verderben.
Wider jeder menschlichen Vorstellung. Kein Ort, wo die Feuer der Hölle loderten. Kein Luzifer. Widerliche Kreaturen.
Ein Überlebenskampf der menschlichen Rasse hatte begonnen. Es war wie eine Krankheit. Ein brutales Virus. Blutrünstig. Bereit, die menschliche Rasse auszurotten.
Eine Epidemie des Schreckens.
Folter. Qualen. Unvorstellbare Schmerzen.
Abartiges, widerliches Gelächter. Schmatzen. Todesschreie. Schüsse.
Eine Bürgerwehr hatte sich gebildet. Bis an die Zähne bewaffnet. Doch kamen sie gegen die Kreaturen nicht an. Zwar fielen immer wieder Schüsse, hallten erbarmungslos durch Overville und streckten eines der Monster zu Boden. Doch es schienen immer neue nachzukommen. Tote Monster säumten die Straßen. Wieder explodierte der Kopf eines Untoten, als eine Kugel in den Kopf einschlug.
Kippte um wie ein Sack Kartoffeln. Fliegen surrten aufgebracht hoch, ließen sich aber gleich wieder auf ihrem Brutplatz nieder. Stinkende Flüssigkeit lief aus dem Körper.
Schwerfällig bewegten sich die Leichen weiter. Achteten nicht auf die Toten.
Hatten nur ein Ziel vor Augen. Töten und Fressen.
Sie wurden getrieben von ihrem unstillbaren Hunger nach frischem Fleisch.
Ben Willing war in die Klauen von Zombies geraten, als er versucht hatte zu fliehen. Er wollte durch den Hinterhof flüchten.
Seine Eltern waren tot. Wurden gerade gefressen.
Ben hatte gehofft, dieses Massaker vielleicht überleben zu können. Doch dem war nicht so. Wahrscheinlich würde niemand dieses Massaker überleben. Allerdings, anstatt ihn zu fressen, schleiften die Zombies ihn nach. Brutal schleiften sie ihn über den kalten Asphalt. Bens Körper war geschunden. Blutete.
Schleiften den Jungen zur Kirche… in eine Gruft.
Es stank nach Moder und Verwesung.
Eine enge Wendeltreppe führte in die Dunkelheit.
Es war kalt und feucht. Unheimlich und bedrohlich.
Die Untoten ließen den Jungen los und warteten. Es dauerte eine Weile. Vielleicht zehn Minuten. Ein Mann trat aus der Dunkelheit.
Ben erkannte diesen Mann. Er hatte Mike auf dem Gewissen. Hatte Mike grausam ermordet.
Jim Tillinger!
Er betrachtete den Jungen einen Augenblick und deutete den Zombies, die ihn herbrachten an, Ben auf einen Sarg zu heben, welcher sich in der Gruft befand.
Jim quälte Ben.
Ließ ihn Höllenqualen durchleben. Folterknecht der Hölle. Was für ein Karriereschritt.
Mit einem Messer verursachte er in den Fersen von Ben feine Schnitte. Nur wenig Blut kam heraus. Dafür waren die Schmerzen unerträglich.
Er begann mit einer Zange Bens Zähne zu ziehen, wie er es bei den Folterknechten gesehen hatte. Führte das ganze aber bis zur Perfektion fort.
Mit einem Skalpell ritzte er das blutige Zahnfleisch. Spielte mit den Nerven, welche brach lagen.
Ben wollte schreien. Verschluckte sich aber immer wieder mit seinem Blut. Atmete schnell. Ungleichmäßig. Hoffte, dass er bald bewusstlos wurde.
Doch dem war nicht so…
Er ahnte nicht, dass er niemals bewusstlos werden würde.
Die Schmerzen würden ewig dauern. Niemals vorüber gehen, denn er war in der Hölle… und Jim sein Folterknecht… und nur wenige Schritte von ihm entfernt stand Mike und lächelte ihn wissend an…
Hölle auf Erden…