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Alleine zu zweit
„Erinnerst du dich noch an all die Abende? Wir haben Chopin gehört, schwenkten im Wohnzimmer. Ich erinnere mich an den Geruch deiner Haare, an die Wärme deiner Wangen und wie ich mich fühlte.“
„…“
Er packte den Korb: zwei Teller, zweimal Besteck, zwei Gläser und einen Wein. Über zehn Jahre lebte er schon hier. Auf dem Weg zum Park beobachtete er seine Umgebung. Nichts hatte sich verändert, die Sonne strahlte gleich, das Getose der Straßen war noch immer beruhigend und unangenehm zugleich.
Es brauchte ein wenig bis er einen geeigneten Platz im Park fand, auch das hatte sich nicht verändert. Schon immer war er ein bisschen zu perfektionistisch gewesen, eines der Dinge, die sie an ihm liebte. Den rennenden Kindern schenkte er keine Aufmerksamkeit. Das Sonnenlicht befleckte den Rasen, hier und da ein Schimmern.
Sie hatten noch keinen Hunger, weshalb er die Gläser herausholte und hineinblies, um sie von den Fusseln zu befreien. Er hörte ihr Kichern: „Sowas macht man doch nicht.“ Der Wein gluckerte, Bordeaux füllte das Glas.
Ihre Haare glänzten im Wind, das Lächeln war noch das gleiche wie am ersten Tag. „Manche Dinge kann man sich eben nicht abgewöhnen.“ Es klirrte und er trank.
„Könnte man nur immer in solchen Momenten versinken.“ Er spürte, wie sie mit ihrer Hand über seine Stoppeln fuhr. Ihr Kuss war leicht wie ein Windzug, ihr Geruch nicht mehr als eine Erinnerung. Es brauchte alles, um sie zu spüren, alles, um sie zu riechen.
„Erinnerst du dich noch an das eine Mal, als wir dort drüben lagen?“ Sein Finger zeigte auf eine kleine Eiche. Ein junges Pärchen neckte sich dort, er blendete sie aus.
„Du trugst das weiße Sommerkleid, das ich dir gekauft hatte. Ich las dir eine meiner neuen Geschichten vor und wusste, sie war nichts Besonderes, doch du warst begeistert. Sie handelte von einem Jungen, der sein ganzes Leben noch vor sich hatte und einer Straße folgte, dessen Ende er nicht kannte.“ Seine Stirn schlug Falten.
„Nein, es war der alte Mann! Sie handelte von einem alten Mann, der sein Leben schon hinter sich hatte und über eine Schneelandschaft wanderte. Ich kann mich an seine Gedanken erinnern, die vergangenen Momente, an die er im Schnee dachte.“
Zwei Mädchen liefen an ihm vorbei. Eine schaute bedrückt zu ihm, doch ihre Freundin zog sie weiter. Er beachtete sie nicht.
Sein Weinglas war schon halbleer, als würde sie ihn umarmen, wurde ihm ganz warm.
„Wir müssen uns das nächste Mal in die Sonne setzen, hier im Schatten wird dir bestimmt kalt.“ Mit einem letzten Zug trank er aus.
Ein Apfel löste sich vom Ast und fiel neben ihn. Das Gras fing ihn dumpf auf. Er rollte zum zweiten Glas, nicht ein Tropfen fehlte.