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Alleen
Allee zum Himmel
Er hatte die Zugverbindung verpasst. Nun befand er sich einsam auf einem Bahnhof mitten in der Nacht in Nirgendwo. Es war Freitagnacht und er wollte eigentlich nach hause fahren. Er war müde von der Arbeit. Bis zu seinem zuhause in einem entlegenen Dorf waren es noch zwölf Kilometer. Das wusste er. Er ging runter in die Hauptstrasse des Ortes. Diese Strasse führte auch bis zu seinem Dorf. Kein Auto hielt an. Es blieb ihm nicht anderes übrig als nach Hause zu laufen. Es ist Sommer, ein glasklarer Himmel über mir, es ist noch warm, ein Spaziergang würde mir gut tun … Der Weg steht dem Wanderer gut, dachte der Mann. Und so nahm er einen Nebenweg, für Fußgänger und Radfahrer, der parallel mit der Landstrasse lief. Eine baumlose Allee. So verließ er die Ortschaft und wanderte zum nächsten Dorf. Manchmal blieb er stehen und beobachtete die Sterne: Da! Der Große Bär! Wo ist der Kleine oder ist das doch der Kleine? Der Orion! Dann ging er weiter. Er erreichte das nächste Dorf und dann das nächste und das nächste. Er war kein bisschen müde oder doch? Das nächste Dorf war sein Dorf. Das müsste doch noch zu schaffen sein! Er wusste nicht mehr wie spät es war. Das spielte auch keine Rolle, Hauptsache er ging weiter, immer weiter. Der Nebenweg endete im letzten Dorf, so musste er direkt neben der Fahrbahn laufen. Es fuhren nur sehr selten Autos. Die Müdigkeit bedrückte sein Gemüt, aktivierte seine unbekannte manisch-depressive Seite. Es war ihm deshalb nicht bewusst, dass er mitten auf der Fahrbahn lief. Verspielt tanzte er einen Walzer mit der Prinzessin der Nacht, die holde Jungfer aus dem Nachbarschloss. Ein dicker Nebel bildete sich plötzlich um ihn und verschlang ihn …
Ein Paar Fernlichter brachten ihn in die Realität zurück. Wo befand er sich? Welche Richtung soll er einschlagen? Rechtzeitig ging er links von der Fahrbahn herunter. Ein großer und langer Lastzug fuhr in voller Geschwindigkeit an ihm vorbei und nahm den ganzen Nebel mit sich. Das Nächste was er sah, war am Himmel direkt vor ihm: Ein strahlendes Wolkengebilde im Silber der Mondlicht getaucht, das wie das Tor zum Himmel aussah. Er war aber nicht tot. Aber er hatte den Tod mit den eigenen Augen gesehen. Wäre es besser gewesen vor dem Lastzug zu springen? fragte er sich. Zum Glück hat er mich nicht erwischt, so hätte ich nichts mehr zu entscheiden haben, grübelte er. Erstarrt vor Angst und Entzücken betrachtete er eine Zeitlang das Wunder am Himmel. Das Licht machte es ihm aber auch möglich sein Dorf zu erkennen. Vorsichtig ging er dann, immer neben der Fahrbahn entlang, nach Hause.