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Alkohol und der Tag danach

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15.01.2003
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Alkohol und der Tag danach

Unsanft riss sie der Wecker aus ihrem vierstündigen Schlaf.
Vorsichtig öffnete Marie ihre Augen, um festzustellen, wo sie sich überhaupt befand.
Sofort überflog eine Welle der Übelkeit ihr inneres.
„Scheiße“, dachte Marie.
Sie erinnerte sich an den gestrigen Abend, was sich sofort mit einem Hämmern in ihrem Kopf bemerkbar machte.

Gestern war mal wieder einer der Abende gewesen, an denen ihre innerliche Welt zusammen zu brechen drohte.
Sie war darauf hin auf ein Gläschen Wein zu ihrer Nachbarin gegangen, in der Hoffnung die quälenden Gedanken loszuwerden und sich ein wenig abzulenken. Die Ablenkung fand sie.
Nach dem 5. Glas dieses, wie sie jetzt fand grässlichen Rotweins, war es ihr fast nicht mehr möglich gewesen überhaupt noch zu klar zu denken, wie konnte es dann was negatives sein?
Marie´s Kehle schmerzte und sie erinnerte sich ebenfalls an die Vielzahl der Zigaretten, die sie gestern Abend noch für unabkömmlich hielt.

Heute war Montag und der Gedanke an das Büro, rang ihr ein leises Wimmern ab.
Sollte sie sich das antun?
„Dem Büro fernzubleiben und sich nicht den Problemen zu stellen, ist der falsche Weg, Marie“.
Die Worte ihrer Therapeutin hallten in ihrem Ohr.
Fluchend kroch sie aus dem Bett.
Auf allen vieren den Lichtschalter suchend, wurde ihr klar, dass sie heute nicht wieder im Büro fehlen durfte.
Sie befand sich noch in der Probezeit und 3 x hatte sie schon gefehlt.
Somit blieb ihr nur die „Zusammen-reiß-der-Tag-geht-schon-vorbei“ Variante übrig.

Mit verquollenen Augen und einer halben Stunde Verspätung begann ihr Arbeitstag.
Warum war sie wieder nur so genervt und deprimiert?
Es half nichts.
„Widme Dich Deiner Arbeit“, hämmerte sich Marie ein.
„Können Sie mir zeigen, wie ich diesen Dateinamen überschreiben kann, ohne den Text zu löschen?“
Marie zuckte bei dem Klang dieser Stimme, die sie schon den ganzen Morgen als Peggy Bundy-ähnlich interpretierte, zusammen.
Die neue Urlaubsvertretung in ihrem Zimmer war gerade dabei auf dem Stuhl hin und her zu rutschen, und wie eine Wilde mit der Mouse in ihre Richtung zu gestikulieren.
Genervt versuchte Marie, nachdem sie das vermeintliche Problem für sich erst einmal erörtert hatte, dann von ihrem Helfersyndrom gepackt, nützliche Tipps zu einer Lösung herbeizuführen.
Vergebens.
Die Neue, deren Parfum Marie das Atmen erschwerte, wusste es schließlich besser.
Müde setzte sie ihre Arbeit fort.
In Gedanken beschäftigte sie sich mit der Überlegung, morgen zum Arzt zu gehen und sich den Rest der Woche krank schreiben zu lassen.
Es würde das Problem nicht lösen, hörte sie sich sagen.
Wohl ein wenig zu laut, denn ihre Kollegin krähte ein nicht wirklich interessiertes „Hä?“ zu ihr hinüber.
Wie sie es hasste an solchen Tagen im Büro zu sitzen.
Ihre Lieblingskollegin war im Urlaub und konnte sie somit nicht aufheitern.
Sich zusammen zu reißen war an manchen Tagen für Marie nicht möglich. Stunden, in denen sie sich nicht ablenken lassen konnte und somit so tief in die eigenen Gedanken versank, dass ein Ausbruch nur mit Tränen möglich ist.
Doch Marie schluckte tapfer die Tränen herunter, wohlweislich mit dem Gedanken, dass ihr Innenleben heute genug davon hatte.
In der Mittagspause brach es dann doch heraus.
Ohrensausen, Atemnot und Schwindelheit, ihre kleinen Begleiter seit der diesjährige Sommer seinen Höhepunkt, ihre Seele alles satt hatte und sie sich, um von ihren eigenen Problemen abzulenken, auch noch in ihren Chef verguckte.
Während Marie aus der Küche an ihren Platz zurücktorkelte und versuchte über ihre Atemwege wieder eigener Herr zu werden, steht ihr Chef, den Ausdruck eines bedröpschten Hundes im Gesicht, neben ihr.
Marie will noch was sagen, doch auf das Hecheln und Pusten konzentriert bekommt sie keinen Ton raus.
Ihr nächster Gedanke galt dem Alkohol.
War sich noch betrunken und träumte oder was passierte gerade?
Ihr Chef kniete neben ihr, nahm ihre Hand und – oh Gott, in welchem Kitschfilm befand sie sich gerade bloß?
Sein Gesicht war ihrem so nah, so dass sie unwillkürlich an den ersten richtigen Kuss von Richard Gere und Julia Roberts (sie vergötterte diesen Film) dachte, als die Worte „sie kommt wieder zu sich, meine Güte haben Sie uns einen Schrecken eingejagt“, in ihr Bewusstsein drangten.
Doch nicht Richard Gere.
Marie wurde schlagartig klar, dass sie ohnmächtig geworden war und auf dem Boden ihres Bürozimmers lag und die stinkende Kollegin ihr einen kalten Lappen auf die Stirn knallte.

Scheiße, vielleicht hätte sie sich heute doch einmal den Worten ihrer Therapeutin wiedersetzen und zu Hause bleiben sollen.

 

Hi,

okay, ich hatte hierauf schon einmal geschrieben, aber der Crash hat's mit ins Nirwana genommen.

Erstens finde ich die Geschichte nicht witzig, sie ist in der falschen Kategorie, gehört unter Alltag oder Gesellschaft.

Ich weiß aber, dass viele Leute gern darüber lachen, wenn jemand von seinen Alkoholeskapaden erzählt, damit kokettiert, verharmlost, dass er/sie eigentlich Gewohnheitstrinker ist und mal wieder beim "feiern" (sprich: sinnlos saufen) über die Stränge geschlagen hat...

Lachen ist einfacher als denjenigen zu fragen, warum er denn zuviel getrunken hat, und ob man ihm mit seinem verdrängten Problem helfen kann.

Die Gründe dafür, dass Marie ungern ins Büro geht, habe ich leider nicht erfahrn. Das Ende zeigt dann schön die Uneinsichtkeit der Protagonistin, denn sie macht die ganze Zeit nicht, was die Therapeutin ihr sagt. Was Du der nämich in den Mund legst, ist unvollständig, oder Marie hat beim Rest nicht zugehört. Bei Mobbing-Opfern machen Therapeuten beispielsweise Rollenspiele, damit das Opfer lernt, sich zur Wehr zu setzen.

Mit mehr Tiefgang wäre die Story ein brauchbares Drama über Mobbing und Selbstbewusstsein, aber das war, wenn man Deine Genre-Zuordnung berücksichtigt, vielleicht gar nicht das Ziel.

Fazit: Ein schwaches Plädoyer gegen Alkoholmissbrauch, humorlos und ohne Spannung.

Uwe

 

Hallo Marie,

ich finde, dass die Innenansichten der Protagonistin als ernste Themen rüberkommen und nicht zum Lachen anregen.

Einige sprachliche Wendungen fand ich aber sehr schön, wie z.B.

"...dass ein Ausbruch nur mit Tränen möglich ist."


Ich könnte mir gut vorstellen, dass diese Geschichte zur Einleitung einer größeren Story gut geeignet ist, da sich mir doch viele Fragen stellen, wie:

Bekommt sie ihre Probleme in den Griff?

Wird sie den Chef kriegen?

Wird sie für bessere Arbeitsverhältnisse sorgen?

Wird sie ihrer Therapeutin irgendwann in den Arsch treten?

Der Stoff in deiner Kurzgeschichte deutet immerhin vielversprechend auf mehr Themenpotential, als du vielleicht geplant hast ;)

Cheerz,

Der Silencer :cool:

 

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