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Alisha und das Kopftuchverbot

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12.04.2002
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Alisha und das Kopftuchverbot

Alisha und das Kopftuchverbot
(Eine etwas andere Geschichte zum Kopftuchverbot in Frankreich unter der Prämisse "Das Zeitalter des laizistischen Fundamentalismus im Europa 2004")

Alisha ist achtzehn Jahre alt und lebt mit ihren 1994 aus Afghanistan geflüchteten Eltern in Lyon, Frankreich. Ihre Eltern sind sehr fortschrittlich gesinnt und sind deshalb einst vor den vor den immer mächtiger werdenden und immer grausamer agierenden Taliban geflüchtet, also noch bevor sie 1996 an die Macht gekommen sind. Ihr Vater wirkt als Arzt, sogar als ein in Frankreich zugelassener, er hat ja hier studiert. Mutter war in Afghanistan Lehrerin, heute ist sie jedoch als Mutter von zwei Töchtern und zwei Söhnen vollends ausgelastet. Außerdem wäre es für sie nicht leicht hier einen auch nur einigermaßen gleichwertigen Job zu finden, und dies trotz Vaters guter Beziehungen.

Die Eltern und ihre jüngeren Geschwister sind das Beste, das Alisha in ihrem Leben hat. Dies ist ihr mehr als nur bewusst. Natürlich sind da auch noch einige Freundinnen aus ihrem Glaubenskreis. Natürlich hat Alisha auch einige "weiße" Freundinnen aus ihrer Schule, aus dem Jugendzentrum des Stadtviertels und der Nachbarschaft.

Alishas Eltern sind, wie schon gesagt, sehr fortschrittlich eingestellt, aber sie sind strenggläubige Moslem. Das fortschrittliche Element zeigt sich bloß dadurch, dass sie ihre Kinder zu Nichts zwingen. Ihre Erziehung ist auf gegenseitiger Liebe und einander vertrauen aufgebaut. Alisha ist ein aufgewecktes Mädchen, sie weiß also genau, was dies bedeutet, was sie an ihren Eltern hat. Sie kann ja in ihrer Umwelt sehen, so und so, was Zwang bedeutet.

Alisha liebt Allah, sie liebt ihren Gott. Alisha möchte Nichts mit dieser absoluten Freiheitshörigkeit der Franzosen oder des Westens überhaupt zu tun haben. Sie kann ja täglich sehen, wie unter anderem dieser sexuelle Freiheitswahnsinn diesen ganzen Westen immer mehr frisst, ja auffrisst. Das ganze Beziehungsgefüge des Westens zerbricht. Ehen, sogar Freundschaften, zerbrechen daran. Hier weiß doch Niemand mehr wirklich, was Liebe ist. Bei Vielen ist diese Liebe allein reduziert auf Sex.

Und was sie am Schlimmsten empfindet, die Seelen so vieler Kinder im Westen werden im Scheidungswaisendesaster brutal zerfetzt. Sie werden in die Einsamkeit getrieben, in dieses Höllental, wo sie nicht mehr wissen, wer nun der "gute Vater" oder die "gute Mutter" ist. Dazu werden diese Kinder dann auch noch von den Gutmenschenbehörden zu reinen Bürokratieobjekten degradiert und den entsprechenden Gesetzen nach "verwaltet". Einfach furchtbar.

Alisha hat manchmal das Gefühl, wenn sie Nachrichten liest oder im Fernsehen sieht, dass ein wahres Gedankenmonster von einer immer mehr ausartenden Gutmenschenphilosophie, die ihre Grenzen nicht mehr kennt, nun die ganze, und nicht bloß diese westliche Welt, die angeblich eine modern zivilisierte und freiheitsliebende ist, verbrennt.

Alisha ist heute soooo traurig. Sie will mit Niemandem reden. Sie hat sich auf dem Dachboden versteckt, schaut aus dem kleinen Fenster hinaus und dem lustigen Schneetreiben zu, das die Dächer der umliegenden Häuser und die Straßen so wunderschön weiß bedeckt. Sie kann die Stille hören, ja sogar riechen. Die Luft in der Stadt ist heute so sauber, wie schon lange nicht.

Alishas Vater ist zwar ein strenggläubiger Moslem, aber er hat vom Kopftuchzwang der Fundamentalisten oder gar vom Bhurkazwang der Taliban für die Frauen nie Viel gehalten. Er meint, damit eine Frau des Propheten Mohammed treu und anständig ist, bedarf es keiner Schleierpflicht. Es genügt, wenn der Ehemann treu und anständig ist und die Frau mit dem nötigen Respekt behandelt.

Als Alisha dann mit sechzehn auf einmal anfing, ein Kopftuch zu tragen, hatte ihr Vater nicht gerade eine Freude damit. Schließlich wusste er über diese Auswirkungen, so und so, genau Bescheid. Weil er dieses Gebot in der Alten Heimat so hasste, musste er ja mit seiner Familie diese seine Heimat verlassen. Er wollte nicht, dass seine Frau und seine Töchter von Heute auf Morgen Unpersonen waren, sich nicht mehr alleine in der Öffentlichkeit bewegen durften und das auch noch in der stickigen Hölle dieses Kleidungsirrsinns der Bhurka.

Vater war also nicht gerade glücklich darüber, als sie auf einmal nur noch hoch geschlossene Kleidung und auch noch dieses Kopftuch trug. Also hat er sie zur Rede gestellt. Als ihm Alisha dabei jedoch von den unglaublichen Zuständen in ihrer Schule, in den Tanzcafes, dem Jugendzentrum in ihrem Stadtteil, wo sie ihre Freundinnen zum Wochenende traf, und von den Straßen überhaupt erzählte, insbesondere was ihr schon des Öfteren widerfahren war, da hat er dann verstanden. Er war erschüttert, denn das hat er bis dahin ja nicht gewusst. Sie hat es ihm zuvor noch nie erzählt. Und da hat er dann das Kopftuch akzeptiert.

Dieses Kopftuch war nämlich Alishas Schutz vor der immer brutaler werdenden und so sehr auf Sex orientierten Männerwelt, vor der brutalen sexuellen Anmache mancher pubertierender Jugendlicher und mancher Männer überhaupt, die keinerlei Skrupel kannten, insbesondere wenn sie betrunken oder sonst irgendwie "dicht" waren. Manchmal, wenn sie im Jugendzentrum bei einer Abendveranstaltung war, hatte sie sowieso das Gefühl, als wäre dort das "Dichtsein" allgemeine und oberste Pflicht. Dort wurde auch ganz offen und völlig ungeniert gedealt. Als sie das erste Mal sah, wie so ein dealender Junge ganz offen auf der Tanzfläche stand und eine Marlboro-Schachtel voll mit Ecstasy-Tabletten herum reichte, zehn Euro das Stück, dachte sie, sie wäre in einem Film. Sie dachte entsetzt: Das gibt es doch nicht! Aber Das gab es.

Und das Schlimme an der Sache war auch noch, dass ihre eigenen Glaubensgenossen, die aus allen möglichen Ländern der dritten Welt kamen, und vor Allem diese Schwarzen aus den gewissen Ländern Afrikas, die schlimmsten Anmacher waren. Diese Typen hatten nicht den geringsten Respekt vor einer Frau. Es schien, als wären alle Frauen Freiwild für sie. Die hielten sich nicht lange auf mit Reden, wenn sie mit ihr tanzten. Diese Jungen, diese Männer gingen gleich voll zur Sache. Mal schnell nach dem Busen grabschen oder bei einem langsamen Tänzchen auf ihren Hintern greifen oder ihr gar zwischen die Beine fassen, das konnte einem so verdammt hübschen, exotisch schönen Mädchen wie Alisha jeden Tag geschehen. Und die französischen Jungs waren da auch nicht ganz ohne. Es schien, als wollten sie hinter den dunkelhäutigeren Jungs auch nicht zurück stehen. Eine Leiterin des Jugendzentrums meinte eines Tages zu Alisha, als sie Zeugin so eines ungustiösen Vorfalles mit einem französischen Jungen wurde, dass die Franzosen schnell gelernt hätten. Früher, als sie noch jung war, da hätte es so was noch nicht gegeben, da waren die Jungs noch Gentlemen und Kavalier.

Ihr Vater hat dann Alisha gefragt, ob sie mit dem Kopftuch nicht auch Probleme hätte, andere halt. Ja, schon, meinte sie. Klar, nun würde sie oft von diesen Rechten angestänkert. Aber sie sah ja sehr arabisch aus, das konnte ein Jeder leicht erkennen. Also wäre sie auch früher schon von diesem rechten Gesindel angepöbelt worden. Aber das geschah nicht jeden Tag und war auch oft nur eine schnelle Sache, so im Vorbeigehen halt, so in der Art von: "Du Araberschlampe, schau dass du nach Hause kommst, hau ja schnell ab, sonst machen wir dir Beine!" Sie ging dann immer schnell weiter und versuchte nicht zu viel daran zu denken.

Mit der offenen Gemeinheit dieses Nazi-Gesindels konnte sie umgehen, wenn es auch nicht leicht war, damit musste man hier im Westen wohl leben, ob man nun wollte oder nicht. Aber diese dummen Arschlöcher gingen ihr nicht gleich zwischen die Beine und so. Nun, jedenfalls, seit sie ihr Kopftuch auf hatte, hätte diese Anmache aufgehört, zumindest war es besser geworden. Und das Eigenartige war nun auch, dass die selben arabischen Typen, die sie zuvor belästigt hatten, sie nun auf einmal sogar vor derartigen Angriffen Anderer, wenn sie doch einmal vorkamen, beschützen würden. Vor Kurzem hat so ein Ehemaliger sogar wegen ihr eine Rauferei angefangen und einen frechen Franzosen verprügelt.

Alisha war ein braves Mädchen. Sie träumte davon, eines Tages so ein freundlicher und umsichtiger Arzt zu werden, wie ihr Vater, .... Ärztin natürlich, klar. Und Alisha träumte davon, dass sie eines Tages einen netten und anständigen jungen Mann kennen lernen würde, den sie lieben und dem sie eine gute Frau sein konnte. Einer, der ihr auch treu sein und sie so gerecht und liebevoll behandeln würde, wie ihr lieber Vater ihre liebe Mutter.

So sehr sie auch Angst davor hatte, dass sie einst einen Mann erwischen würde, der sie einsperren würde, schließlich konnte man in einen Menschen ja nicht hinein sehen, sie könnte sich ja in so einem Mann vor lauter blinder Liebe auch irren, so sehr hatte sie auch Angst vor einer dieser offenen Ehen, wie sie von den meisten Menschen hier im Westen geführt wurden, so eine wollte sie jedenfalls auch nicht. Alisha träumte von einem Mann, der ihr treu sein würde, der sie ehren würde als die Mutter seiner Kinder und der auch ihrem Sein als Frau, so wie Das nun einmal war, mit Allem Drum und Dran, respektvoll gegenüber stand. Und auf so einen Mann wollte sie warten. Na ja, .... und sie wusste in ihrem Innersten, dass sie so Einen auch finden würde. Dafür lohnte es sich schon die Probleme wegen dem Kopftuch auf sich zu nehmen.

Doch nun scheint Alles für sie zusammen zu brechen, all ihre Träume, all ihre bisherigen Vorstellungen vom Leben. Und dabei hatte sie selbst es ja noch gut. Sie wurde von ihrem Vater ja nicht dazu gezwungen, dieses Kopftuch zu tragen, wie dies bei den meisten anderen Mädchen und Frauen, die so ein Kopftuch auf hatten, der Fall war. Für diese Mädchen und Frauen brach nun die Welt zusammen. Manche dieser Mädchen würde nun wohl zu so einer Art "U-Boot" werden.

Ja, sind denn diese Franzosen nun völlig wahnsinnig geworden? Die verdrehen jetzt doch glatt die Freiheitsgedanken ihrer eigenen, der Französischen Revolution ins glatte Gegenteil. Diese Franzosen haben doch nun glatt ein Gesetz beschlossen, das aus einem Freiheitsgedanken ein Verbot macht. Freiheit des Glaubens bedeutet doch auch die Freiheit, den Glauben öffentlich bekennen zu können. Man kann doch keine Probleme lösen, wenn man die Religionen in den privaten Haushalt drängt. Natürlich kann sie die Angst der Franzosen vor der Bestimmung des Alltagslebens durch eine Religion verstehen, aber darf diese Angst denn so weit gehen? Alisha hat keine Ahnung.

Wahnsinn! Was soll sie nun tun? Sich unterordnen und in der Schule ihren Schutz, das Kopftuch, abnehmen? Oder sich solidarisch mit ihren Leidens- und Glaubensgenossinnen erklären? Das Kopftuch also nicht abnehmen und vielleicht damit riskieren, dass sie von der Schule fliegt? Verdammt! Alisha war die beste Schülerin in ihrem letzten Schuljahr und in den Jahren zuvor natürlich auch. Sie ist ein gescheites Mädchen. Sie wollte Ärztin werden und dann kranken und armen Menschen helfen. Vielleicht könnte sie ja dereinst in ein freies Afghanistan zurückkehren und wie einst ihr Vater (für leider nur sehr kurze Zeit) in ihrer Heimat als solche Gutes bewirken?

Was geschieht bloß hier im Westen? Was geschieht bloß zur Zeit in der ganzen Welt? Alisha hat keine Ahnung. Alisha hat Angst. Diese ganze Welt scheint nun (wieder einmal) wahnsinnig zu werden. Überall in der Welt scheint es nun mit den Freiheitsrechten bergab zu gehen. Ist dieser "laizistische Fundamentalismus" denn Alles, was den Franzosen auf den islamischen Fundamentalismus einfällt? Die derzeitigen Sanktionen gegen die muslimischen Schülerinnen gleichen doch den Zwangsmassnahmen gegen fromme Katholiken und Protestanten im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Hier wie dort folgte der Staat dem kulturkämpferischen Vorurteil, dass die demonstrative Inszenierung religiöser Identität einen Mangel an Staatsgesinnung und Bürgertugend ausdrücke.

Verdammt! Alisha ist doch jetzt keine schlechtere Französin, nur weil sie zu ihrem Schutz gegen die abartige Sexualmoral einiger Männer ein Kopftuch trägt. Verstehen diese Franzosen denn nicht, dass sie mit diesem neuen Gesetz, diesem Kopftuchverbot, wieder einmal nur die Opfer treffen? Wir islamischen Frauen, die wir es sowieso nicht leicht haben in dieser Männerwelt, wir müssen das alleine ausbaden. Haben diese Gutmenschen-Franzosen denn keine Ahnung, was dieses Kopftuch Alles bedeuten kann? Glauben diese naiven Gutmenschen denn, nur weil es jetzt dieses Kopftuchverbot gibt, würden die arabischen Männer und Väter nun zu ihren Frauen und Töchtern sagen: Okay, nehmt halt das Kopftuch ab. Oder wollen die gar diese Folgen, die dieses Gesetz tatsächlich haben wird?

Alisha weiß von einigen ihrer Freundinnen, die von ihren Vätern zum Tragen gezwungen werden, dass ihre Väter nun vorhaben, ihre Töchter von der Schule, der Universität, zu nehmen. Manche dieser Väter haben sogar vor, die jüngeren Mädchen, die noch keine vierzehn Jahre alt sind und somit noch der Schulpflicht unterliegen, beim Meldeamt abzumelden. Ihre Freundinnen haben Angst vor diesem neuen Leben ohne Identität. Keine Chance auf Schule, auf Bildung, bedeutet für diese Mädchen keine Chance auf ein freies, gleichheitliches Leben in dieser westlichen Welt, womöglich sogar der viel zu frühe Zwang hinein in eine ungewollte Heirat mit einem Unbekannten aus der tief im Fundamentalismus begrabenen eigenen arabischen Welt.

Alisha möchte am Liebsten in die Politik gehen. Die Franzosen sind ja nicht Alle so, zum Glück. Doch was könnte sie schon bewirken? Zumindest würde sich nicht sofort Etwas ändern. Dieses "Gesetz", das angeblich auf den Freiheitsgedanken beruhen soll, ist nun beschlossen. Es wird womöglich Jahre dauern, bis es wieder aufgehoben wird. Und wenn sich Alisha die Radikalisierung der ganzen Welt von Heute ansieht, dann verliert sie den Glauben daran. Und sie hat ja heute dieses Problem.

Ihre beste Freundin, die mit ihr in der selben Klasse ist und die auch dieses Kopftuch trägt, aber nicht freiwillig, hat gestern zu ihr gesagt: "Wenn das hier so weiter geht, dann schließe ich mich gleich den Radikalen an. Ich kenne da eh ein paar. In eine Zwangsehe gehe ich sicher nicht. Mein Vater hat vor ein paar Tagen gemeint, er werde mich nun sicher nicht studieren lassen. Er werde sich in der Heimat, in Pakistan, nach einem guten Mann für mich umsehen. So viel ich weiß, hat er da auch schon Verbindungen aufgenommen. Ne, da gehe ich lieber in den Tod und werde ein Zeichen setzen. Ich will mich in der U-Bahn in Paris in die Luft sprengen, .... so Selbstmordattentate sind doch eh gerade voll IN."

Alisha war schwer entsetzt, als sie ihre Freundin so dumm reden hörte. Sie hat dann zu ihr gesagt, sie soll nicht so einen Blödsinn reden. Aber gleichzeitig fühlte sie auch, dass dies nicht bloß "Gerede" war. Ihre Freundin war völlig verzweifelt. Sie hat dabei die ganze Zeit geweint. Bitterlich. Sie ließ sich gar nicht trösten. Alisha hat sie in die Arme genommen und mit ihr dann mit geweint, eine ganze Ewigkeit lang und dabei konnte sie ihren verzweifelt schnellen Herzschlag spüren. Es hat auch ihr so weh getan.

"Oh Allah, oh Herr, oh sag mir bitte, Was ich machen soll? Ich weiß nicht mehr noch ein noch aus. Wo wird dies Alles noch enden? Treibt diese sich gegenseitig radikalisierende Welt nun in einen Neuen Untergang?"

Alisha ist so verzweifelt. Was tun? Alisha weiß es nicht. Und ich, der Buji, ehrlich gesagt auch nicht.

© Copyright by Lothar Krist (29.9.2003)

Laizismus der Franzosen - Der Staat hat versucht mit der radikalen Trennung von Staat und Kirche die Religionen in die Privatsphäre abzudrängen.

Mir fällt gerade ein Zitat ein, das gestern im Smaragd von meinem Freund Harry während einer Debatte zur aktuellen Pensionsreform kam, die ja wieder einmal nur die "kleinen Leute" trifft. Aber es passt irgendwie auch hierher:
"Gerechtigkeit existiert nur in den Köpfen der kleinen Leute und sonst Nirgends." Da hat er wohl verdammt Recht.

 

Positiv finde ich zunächst, dass du versucht hast, aus einer anderen Sicht zu erzählen, zu schreiben.
Es ist nicht immer der strenge Vater bzw. die streng religiöse Familie, die dieses Instrument "Kopftuch" den Töchtern anhaftet, sondern es ist die Tochter selbst, die sich für eine derartige Kopfbedeckung entscheidet.
Allerdings tut sie das nicht aus ihrer (religiösen) Überzeugung heraus; sie betrachtet das Kopftuch viel mehr als reine Schutzmaßnahme präventiven Charakters. Das ist ein weiterer Pluspunkt.
Ebenso die Darstellung der Umkehr, die so ein Dagegenhalten bzw. Entgegenwirken (contra Kopftuch) nach sich ziehen kann, hat mir gefallen.

Diese drei Aspekte waren auf Anhieb so ziemlich das Positive, was sich mir eingeprägt hat.


Doch wie jede Medaille, hat auch diese ihre Kehrseite und es gibt einige Punkte, an denen ich mich nicht sonderlich erfreuen konnte.
Doch dazu später mehr. Bin momentan zu müde dafür.

 
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Lieber Hendek!

Danke für deine Kritik. Du hast wahrscheinlich (teilweise) die selben Probleme mit der Geschichte, wie Tagträumer.

Lieber Tagträumer!

Danke, dass du dir die Mühe gemacht und so viele Worte zu meiner Geschichte gefunden hast. Aber du begehst den selber Irrtum, wie die meisten LeserInnen hier im Forum. Du wirfst mich, den Autor, mit dem Inhalt meiner Geschichte in einen Topf. Ich bin brutaler Realist. Im Gegensatz zu vielen alten AutorInnen schreibe ich nicht das, was ich mir wünschen würde - ich setze also nicht meinen Wunsch, meinen Traum vom Leben in der Geschichte um. Ich schreibe das, was ich sehe.

Ist es nicht furchtbar, dass in unserer Welt ein Mädchen, wie Alisha, Zuflucht nehmen muss zu einem negativ besetzten Symbol, das Frau Chahdortt Djavann mit dem Gelben Stern der Juden im Nazi-Deutschland vergleicht und welches für die Unterdrückung der Frau steht.
Ist es nicht furchtbar, dass sie unter der kranken, sexuellen Anmache von Jungs und Männern mehr leidet, als unter den meist ja nur verbalen "Angriffen" der Nazis auf der Straße.

Der Hinweis auf die sexuellen Übergriffe durch Schwarze und Typen aus ihrem eigenen Glaubenskreis ist beinharte Realität. Diese Leute haben tatsächlich nicht den geringsten Genierer. Ich nehme da keinen Buchstaben zurück. Ich bin Stammgast in einem Multi-Kulti-Lokal und kann das an den Disco-Tagen von Donnerstag bis Samstag, also nahezu jedes Wochenende hautnah erleben. Ich habe dort einige Freunde aus Afrika, Asien, Südamerika, dem ganzen arabischen Raum, meist Künstler, Maler (deren Bilder bei mir sogar in der Wohnung hängen), und die sind selbst entsetzt davon. Sie können diese Übergriffe selbst nicht verstehen, und wenn du meine Geschichte "Zeitgeist" liest, dann weißt du auch, dass diese Übergriffe sogar noch viel weiter gehen.

Für dieses Mädchen Alisha, das in ihrer Not zum Kopftuch greift, musste ich nicht lange suchen. Sie wohnt in Linz und ich habe mich schon oft mit ihr unterhalten, auch darüber, warum sie das Kopftuch trägt. Ich kenne sogar ihren Vater, der sie meist um 3.00 h früh von der Disco abholt, und dann manchmal mit mir an der Bar ein Bierchen trinkt.

Ich will jetzt nicht auf Alles von dir eingehen, du hast Recht und auch wieder nicht. Das Gutmenschen-Problem liegt ja darin begraben, dass sie diese Problematik tabuisiert haben. Man darf heute nicht einmal sagen, dass durch Schwarze sexuelle Übergriffe passieren, da stellen sie dich als Autor gleich auf die selbe Stufe wie die Nazis, so in dem Sinn, was nicht sein darf, das ist auch nicht.

Du drückst dich ja auch in diesem Sinne, zwar vorsichtig, aus. "... würde jeder Nazi oder Latzhosenträger bei seiner Stammtischrunde auch so sagen."

Genau diese Art von Tabus, die vom 68er-Gutmenschen errichtet worden sind, zerfetzen heute unsere Welt. Diese feige und hinterhältige Verlogenheit, diese Vorbeiträumerei am tatsächlichen Leben wirken heute wie ein Rohrkrepierer. Unsere europäische Gutmenschen-Philosophie ist seit Srebrenica tot. Seit 1995 wissen wir, was wir sind: Wir sind nicht besser als die Nazis, diese Massenmörder. Wir sind die andere Seite der Medaille des Mords, des Bösen. Der 68er-Gutmensch ist der perfekteste Massenmitmörder der Menschheitsgeschichte. Im Nachkriegstrauma wechselte der Europäer von einem Extrem zum anderen. Vom Massenmörder zum Massenmitmörder. Ich schätze, unsere Kinder werden uns das in den nächsten 30 Jahren begreiflich machen. Es wird so ähnlich ablaufen, wie mit unserer eigenen Vergangenheitsbewältigung. So wie die Nazis werden wir bis zu unserem Tod nicht verstehen wollen, wer und was wir waren. Und als Mittäter haben wir ja nicht nur (im TV zB) genüsslich zugesehen, nein, wir haben meist auch überall irgendwie mitgeholfen (Waffenlieferung an die Despoten, logistische Unterstützung, usw). Oft haben wir sogar für die Freilassung eines Täters demonstriert.

Na ja, ist ja wurscht. Jedes Wort in meiner Geschichte ist böse Realität in unserer Gutmenschenwelt, die halt Nichts von diesen Dingen wissen möchte. Eine Zeit lang konnte man diese Dinge ja unter den Teppich kehren, sie kamen nicht ans Licht der Öffentlichkeit, dafür haben unsere Herren über Verlage und Vertriebe schon gesorgt. Doch nun gibt es dieses geile Internet. Oh, ich liebe es.

Nichts für Ungut. Vielleicht liest du die Geschichte noch mal und denkst dir den Autor weg. Ich schreibe ja zur Zeit auch ein Buch "Ich Täter. Ich Opfer." Da schreibe ich aus Täter- und Opfersicht heraus. Ich bin ein großer Mann, ich hatte mal einen Dan in Karate, habe noch immer ein paar Tricks drauf, auch wenn ich schon lange nicht mehr trainiere, ich habe also keine Angst, usw. Ich kann mich wehren. Ich hatte auch eine schöne Kindheit.
Ich bin also weder Täter noch Opfer. Verstehst du, was ich damit sagen will. Ich schreibe nicht das, was ich selber denke, zumindest versuche ich es immer wieder. Ich schreibe das, was ich sehe, was ich von anderen höre. Ich schreibe nicht wie die alten Intis. Ich unterhalte mich mit den Opfern, den Tätern, und schreibe dann so wie diese denken.

Ich weiß, Viele hier im Forum mögen mich deshalb nicht sonderlich. Aber sie missverstehen meine Intentionen. Ich nenne meinen Stil den "brutalrealistischen Exzessionismus". Ich versuche hinter die Worte zu schauen, so in der Art: Was geschieht wirklich bei einer Vergewaltigung? Was steckt da wirklich drin, welche Emotionen gehen von Täter und Opfer aus. Meine Humangefühle halte ich da voll raus.

Ach noch was: du schreibst am Schluss, dass ich das Vorurteil stärke, dass in jedem Menschen mit islamischem Glaubensbekenntnis auch ein Extremist steckt. Dann hast du nicht verstanden, warum ich unter den Titel diese Worte gesetzt habe: "Eine etwas andere Geschichte ..."

Genau aus diesem Grund habe ich dem Vater von Alisha ja diese Persönlichkeit verliehen, um zu zeigen, dass nicht alle Moslems Extremisten sind. Ich denke, besser kann man dies nicht mehr darstellen. Alishas Vater ist übrigens wirklich so. Die Worte, die ich in diesem Sinn verwendet habe, in Bezug auf Familie usw, die stammen tatsächlich von ihrem Vater.

Und was die Gedanken der armen Freundin von Alisha anbelangt. Ich wette, diese Gedanken sind in manchen Köpfen in Frankreich nun Realität. Und nicht diese armen Köpfe sind daran schuld. Wenn du mir Verallgemeinerung vorwirfst, dann deshalb, weil du sie dir selbst hinzu denkst. Jede Interpretation ist meist im Kopf des Interpreten begraben und nicht in einer Geschichte, die das Leben schreibt. Ich weiß, ich habe eine Familie aus Linz zum Vorbild meiner Geschichte genommen, aber ich bin mir sicher, diese Familie gibt es auch in Frankreich.

Ich hoffe, ich konnte einiges ein wenig verständlicher machen. Liebe Grüße
buji

 
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Hi!

Freut mich, dass ich in meiner Antwort einiges verständlich machen konnte. Ja, ich weiß, mein ganzes Leben als Autor ist so ein Drahtseilakt. Ich spiele auf volles Risiko. Entweder Sieg oder Niederlage. Mein Schreiben ist allein auf meine "Bilder" aufgebaut. Wenn diese Bilder nicht stimmen, dann werde ich zur Null. Ich fühle da voll mit den ersten Expressionisten mit, die haben schon 1910/12 zwei Weltkriege vorher gesehen. Ich sehe auch zwei, in einem, dem Weltkrieg gegen den Terrorismus, sind wir schon. Den Vierten sehe ich zwischen 2014/17, dabei wird es um das Imperium Americanum gehen. Und dann kommt die Weltrevolution. Ich denke, der Mensch ist nicht für Big Brother auf der Welt, der Arsch muss dann ja auch wieder weg.

Außerdem glaube ich daran, dass sich der Mensch nun von den extremen Gutmenschenphilosophien (Judentum, Christentum, die Ideologien usw) verabschieden wird. Was der Mensch braucht ist eine Philosophie, in der sich die Masse der Menschen zu Recht findet. Die anfangs immer so schön klingenden Gedanken unserer Intellektuellen an den jeweiligen Rändern müssen dieser Philosophie völlig wurscht sein. Wir benötigen Gedanken, mit denen wir das Leben meistern können. In diesem Sinn ist es einer Gesellschaft auch erlaubt, ein wenig böse zu sein, zB zu den Bösen. Eine Gesellschaft, wie die unsere, die sich mit den Tätern verbündet hat (Täterhumanismus und -sozialismus), ist ja unfähig ihre Opfer zu beschützen. So eine Gesellschaft hat auf Dauer keinen Bestand, weil die Opfer immer mehr werden und sich irgendwann in Massen gegen diese sie ignorierende Gesellschaft stellen, siehe die Freiheitskämpfer in der 3. Welt. Wir hofieren die Bösen, zB die Despoten. Und wir wollen die wahren Hintergründe nicht sehen.

Vor ein paar Tagen war ich wieder einmal schwer entsetzt. Ich weiß nicht, wie oft ich mir von manchen Leuten anhören musste: "Sind denn diese Tschetschenen wirklich so böse?" Du weißt, das Bombenattentat in der Moskauer U-Bahn. Wir vergessen ganz, dass wir schwer manipuliert werden. Wir sehen keine Bilder im TV von den Gräueltaten der Russen in Tschetschenien. Dort werden täglich Menschen entführt, gefoltert, umgebracht, Frauen vergewaltigt, Kinderköpfe an Hauswänden zerschlagen, usw. Wir sehen nur die grauslichen Bilder davon, wie sich diese Tschetschenen zur Wehr setzen, die ja nicht so gut bewehrt sind, wie die russische Armee. Den Tschetschenen bleibt, wie übrigens auch den Palästinensern, nur der feige Hinterhalt.

Wie gesagt, meine Schreibe ist ein Drahtseilakt. Ich versuche ja auch diese Problematik des Freiheitskampfes der 3. Welt aufzuzeigen, siehe meine Bin Laden-Geschichten. Da hat auch Jemand hier im Forum gemeint, ich würde Bin Laden hoch loben oder irgend so einen Scheiß.

Für mich ist Bin Laden ein fundamentalistisches Arschloch, und doch denke ich, es könnte sein, dass man ihn eines Tages als Vater der Weltrevolution sieht. Er wusste schon 1986, wohin die USA gehen. Diese USA sind halt heute noch unsere Freunde, nicht mehr so gute, wie noch vor ein paar Jahren, aber wir wollen es noch immer nicht glauben, WER da heran wächst.

Na ja, mir ist Alles so schön wurscht und auch wieder nicht. Ich kann sowieso Nichts daran ändern. Ich ziehe einfach mein Projekt durch, egal wo es mich hin führt.

Liebe Grüße
buji

 

Lieber Red!

Ja, ich weiß, ich muss das Geschichten schreiben erst wieder "lernen". Ich schreibe ja seit gut 4 Jahren nur noch Prosa und Gedichte. Ich möchte wieder einmal einen Roman angehen, dafür passt die Prosa nicht, aber ich komme einfach nicht davon weg. Weiß zur Zeit nicht Recht, was ich da machen soll. Habe mir für Alisha und auch die Geschichte über Rocky, den alten Suderanten eine neue "Trockenheit" verschrieben. Ich weiß, das haut noch nicht recht hin. Bin auch wieder am Überlegen, ob ich mein Prosa-Feeling nicht doch noch eine Weile ausquetschen sollte.

Na ja, mal sehen. Liebe Grüße
buji

 

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