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Albtraum
Dir ist kalt. Und du bist ganz allein. Es ist Nacht und trotz Mondschein siehst du nicht viel. Auf der Suche nach etwas ess- oder trinkbarem schleppst du dich durch die kleine, dunkle Gasse in einer Stadt aus Trümmern. Vor Angst und Kälte zitternd schaust du dich um. Dein Blick schweift ständig von Links nach rechts und zurück. Du weißt nicht wieso, aber du hast das Gefühl verfolgt zu werden. Mehrmals drehst du dich hektisch um. Keine Menschenseele weit und breit. Die unheimliche Stille schnürt die Kehle zu. Trotzdem fühlst du dich beobachtet und ziehst die Schultern hoch, als wolltest du dich in deiner Jacke verstecken. Du hörst nur deine eigenen Schritte, hörst das knirschen der Trümmer auf denen du gehst und ein leises flackern der letzten Flammen, ansonsten herrscht absolute Totenstille.
Links und rechts zerstörte Fassaden, ausgebrannte Ruinen. Hier und da sind noch vereinzelt Feuer und Glut zu sehen. In keinem Fenster ist mehr Glas vorhanden, die Glassplitter glitzern zwischen all den Trümmern vom Mondschein angestrahlt auf dem Boden. Du steigst vorsichtig über den Schutt und die Trümmer um die Gasse weiter zu gehen. Du blutest am Kopf, am Knie und an den Händen, aber das einzige, was zu spürst ist der Durst. Der Durst ist unerträglich. Überall verbrannte, grausam entstellte Kadaver, teilweise angefressen von Ratten. Der Gestank der Leichen lässt dich fast erbrechen.
Es muss noch andere Überlebende geben. Wo sind sie? Du fährst dir durch die Haare und merkst, dass dabei ungewöhnlich viele ausfallen. Was hat das zu bedeuten?
Plötzlich ein schwaches Stöhnen aus dem Hauseingang neben dir. Als du vorsichtig das halb in sich zusammengefallene Haus betrittst, huschen kaum erkennbar Ratten über den Boden in ihre Löcher. Du betrittst den Hauseingang durch eine offene Wand und siehst ihn trotz der Dunkelheit sofort. Ein Mann liegt zwischen dem Schutt auf dem Rücken und er lebt noch. Seine Augäpfel sind geschmolzen und seine Kleidung ist teilweise mit seiner Haut verschmolzen, verbrannte Hautfetzen hängen von seinem Arm herab. Alles was du von seinem Körper siehst ist verbrannt. Der Anblick ist kaum zu ertragen. Du fragst ihn, ob er dich verstehen kann, doch die Antwort ist wieder nur ein leises stöhnen.
Was jetzt? Hilfe holen? Woher? Alleine bekommst du ihn sicher nicht aus dem Schutthaufen geborgen.
Instinktiv, wie aus dem Affekt fängst du an zu rennen. So schnell du kannst, ganz weit. Um dieser riesigen, toten Stadt zu entkommen. Vorbei an brennenden Häuserreihen durch Gassen und Straßen. Vorbei an unzähligen Leichen und eingestürzten Gebäuden.
Völlig außer Atem lässt du dich an einer mit Ruß bedeckten Häuserwand nieder. In Embryonalstellung versuchst du so vielleicht die Nacht überstehen zu können.
Aus Angst vor den Ratten traust du dich aber nicht die Augen zu schließen. Schließlich tust du es doch und versuchst so dem Albtraum zu entkommen. Aber es ist kein scheiß Science-Fiction Film. Keine Utopie. Es ist Realität.
Ein Albtraum.
Seit die Bombe fiel ist alles aus. Wir haben alles verloren. Ihr Größenwahn hat uns vernichtet. Du hättest nie gedacht, dass sie so weit gehen würden. Du hattest sie unterschätzt, es hatte dich nie interessiert.
Und dir ist kalt und du bist ganz allein...