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Alarm im Wald
Alarm im Wald
„Au, aua, mein Knie!“ Rotkäppchen stand wieder auf und sah, dass sie über einen alten, zerbeulten Kochtopf gestolpert war, der auf dem Waldweg lag.
Doch der Weg durch den Wald schien anders, als sonst. Es roch irgendwie eigenartig, die Blümchen ließen die Köpfchen hängen, die Blätter an den Bäumen säuselten nicht und die Vögel zwitscherten kein Liedchen. Rotkäppchen fühlte sich gar nicht wohl und Unbehagen überkam sie.
Peng! Plötzlich hallte ein ohrenbetäubender Knall durch den Wald. Rotkäppchen versteckte sich rasch hinter einem alten, dicken Kastanienbaum.
Dann war alles ganz still und nichts, aber auch gar nichts, regte sich mehr. Sogar die Pilze verschwanden wieder im Waldboden.
Dann war ein kicherndes Liedchen im Unterholz zu hören: „Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß. Der Reifen ist geplatzt, der Wald ist unser Schatz!“
Rotkäppchen kam hinter ihrem Versteck hervor und sah ein kleines Männlein durch den Wald hopsen. Fast wäre es mit ihr zusammengestoßen.
„Rumpel, du? Was hast du schon wieder angestellt? Ich habe mich fürchterlich erschreckt!“ Ihr war sofort klar, dass Rumpel etwas mit dem Knall zu tun hatte.
„Ich... ich, na ja, da kam ein Auto und hatte einen dicken Müllsack abgeladen. Und immer wieder passiert das. Und da habe ich eine große Nadel von meinem Spinnrad vor ein Rad gelegt und dann ist der Reifen geplatzt.“ Rotkäppchen war etwas erleichtert. „Ach, das war der Knall. Rumpel, der ganze Wald hatte einen riesigen Schreck bekommen. Das kannst Du doch nicht machen!“
„Aber die Menschen, die können das machen, die dürfen das, oder wie?" Rumpel war richtig aufgebracht. Er bekam dicke Wangen, eine große, rote Knollennase und funkelnde Augen. Rotkäppchen versuchte, ihn etwas zu beruhigen. „Was machen die Menschen denn? Nun erzähle doch mal der Reihe nach.“ Und das tat Rumpel dann auch. Er berichtete von den vielen Menschen, die immer wieder in den Wald kamen und ihren Unrat abluden; von Autos, die anhielten und Müllsäcke, kaputte Fernseher und alte Stühle abstellten. Und von den vielen Wanderern, die nach dem Picknick eine Menge Unrat und anderen Müll einfach liegen ließen.
„Nein, das geht nun wirklich nicht!“, sagte Rotkäppchen. „Jetzt weiß ich auch, was hier im Wald so anders ist, warum es so übel riecht und warum man gar keine Freude mehr empfindet. Wir müssen etwas unternehmen!“ Rotkäppchen überlegte und ging dann mit Rumpelstilzchen geradewegs zum weisen Onkel Uhu. Er hat schon viel gesehen und erlebt und konnte bestimmt helfen. Sie klopften an eine uralte, knorrige Eiche, auf der er wohnte. Sie klopften ziemlich lange, bis Onkel Uhu es hörte: „Kinder, Kinder, es ist mitten in der Nacht. Da weckt man doch niemanden!“ „Aber, aber, es ist doch heller Tag, Onkel Uhu und wir brauchen deinen Rat!“ Rotkäppchen und Rumpel sahen etwas verdutzt aus. „Nun, wir Uhus schlafen am Tag und wachen in der Nacht! Aber da ich nun schon mal wach bin … was gibt es denn Wichtiges?“
Onkel Uhu hatte kaum ausgesprochen, da plapperte Rumpel auch schon los, wie eine aufgezogene Spieluhr und berichtete, was sich zugetragen hatte.
„So ist das also in unserem Wald. Wartet hier, ich fliege schnell los und hole Hilfe.“
Es dauerte gar nicht lange, da versammelten sich die sieben Zwerge, Frau Holle, Aschenputtel, der Wolf, Hänsel und Gretel und Dornröschen am Haus vom Onkel Uhu. Sie machten sehr besorgte Gesichter, freuten sich aber riesig, dass sie sich wieder sahen und umarmten sich herzlich. Sonst sahen sie sich alle nur zu Ostern, Weihnachten oder Silvester.
Plötzlich standen sie aber, wie von Zauberhand, ganz still und steif, bewegten sich nicht mehr und starrten auf eine Gestalt. Die dreizehnte Fee war mit einem dunklen, silbergrünen Nebel erschienen und sprach sehr zornig: „ Dornröschen, kann es sein, dass ich zu diesem Fest wieder nicht eingeladen wurde? Was geschieht hier? Sprich!“ Dann gab ihr Zauberstab die Märchenwaldbewohner wieder frei. „Aber wir feiern doch gar nicht. Onkel Uhu hat uns herbestellt. Es eilt, hat er gesagt und ist von großer Wichtigkeit“, erklärte Dornröschen. Frau Holle fragte nun auch sehr aufgeregt:“ Herr Uhu hat uns aus einem ganz bestimmten Grund hergebeten, wer kann uns nun endlich eine Antwort geben?“ „Rumpel kann das“, sagte Rotkäppchen. Rumpelstilzchen erzählte nun noch einmal von vorn, was er im Wald alles gesehen hatte. Er tat das sehr gern, denn er fühlte sich nun äußerst wichtig.
„Puh, das ist ja ein Ding“, sagte die Fee. „Da vergesse ich doch glatt, böse zu sein. Wir müssen etwas tun und brauchen jetzt einen Plan.“ Alle setzten sich in das Moos und berieten sich. Und jeder hatte eine Idee.
In der nächsten Zeit geschahen merkwürdige Dinge. Der ganze Wald knisterte vor Aufregung. Gleich am nächsten Tag kam eine Wandergruppe in den Wald, die nach ihrem Picknick viele Dinge einfach liegen ließen, Plastikflaschen, Bonbonpapier, Dosen und solche Sachen, die in den Müll gehören. Die sieben Zwerge sammelten diesen Unrat auf und schlichen der Gruppe hinterher, ganz vorsichtig, damit sie nicht entdeckt wurden. Bei jedem Halt der Wandergruppe lag dann der Müll wieder neben ihnen, als wäre er von allein hinterhergelaufen. Schließlich war ihnen das doch sehr unheimlich und sie packten den Müll in eine Tüte und verließen ganz rasch den Wald.
Die sieben Zwerge tanzten vor Freude im Kreis und Naseweis schlug einen Purzelbaum.
An einem anderen Tag kam wieder ein Auto in den Wald. Nun war Frau Holle an der Reihe.
Gerade, als der Autofahrer die Kofferraumklappe geöffnete, ließ sie einen heftigen Schneesturm wirbeln. Der Mann sprang vor Schreck zur Seite, guckte ganz ungläubig und fuhr dann schleunigst aus dem Wald.
Hurra, wieder hatte ein Waldverschmutzer das Weite gesucht.
Am dritten Tag wurde ein Fahrradfahrer gesichtet, der zwei alte, verrostete Stühle auf seinem Gepäckträger hatte. Fritz der Fliegenpilz hatte ihn gesehen und hopste auf seinem Stiel ganz schnell zur dreizehnten Fee. Sie versteckte sich hinter einem Holunderbusch, dessen Blüten ganz traurig ausschauten. Die Fee ließ ihren Zauberstab tanzen. Dieser flog durch die Luft und ein Stuhlbein verwandelte sich in den Knüppel aus dem Sack und tanzte auf dem Hintern des Mannes herum, der gerade die Stühle in den Wald geworfen hatte. Sein „au, au, ha, hu, hi“ war durch den ganzen Wald zu hören. Und der Knüppel aus dem Sack rief: “Lade die Stühle wieder rauf, dann höre ich auch wieder auf!“ Der Radfahrer lud die beiden Stühle sehr schnell wieder auf seinen Drahtesel und radelte davon.
„So, das wäre auch geschafft. Na, Holunderbusch, nun mache mal wieder ein freundliches Gesicht“, sagte die Fee, steckte ihren Zauberstab wieder ein und verschwand unsichtbar, wie es ihre Art war.
So ging das noch ein paar Tage und jeder Märchenwaldbewohner hatte seine Idee und Aufgabe, die er mit sehr viel Geschick erfüllte, damit die unvernünftigen Menschen im Wald keinen Unrat mehr entsorgten.
Dornröschen streute spitze Dornen auf einen Weg, und Aschenputtels Tauben steckten mit ihren Schnäbeln alles Weggeworfene wieder in die Taschen der ungebetenen Gäste. Der Wolf heulte fürchterlich und Hänsel und Gretel raunten aus einem Busch, indem sie sich zuvor versteckten: „Der Wind, der Wind, pack wieder ein, geschwind.“
Und so kam es, dass der Wald nun wieder fröhlich wurde. Die Blätter an den Bäumen säuselten wieder, die Blumen öffneten ihre Blüten, die von Schmetterlingen und Bienen besucht wurden und die Vögel sangen so schön, wie nie zu vor.
Onkel Uhu holte noch einmal alle zusammen. Nun gab es ein Fest, mitten im Sommer! Seither gibt es ein Sommerfest ganz hinten links im Wald, bei der großen, dicken, knorrigen Eiche.
Hoppla, was war denn das? Da flitzte doch wieder Fritz der Fliegenpilz umher. Na, der wollte wohl das Sommerfest nicht verpassen.
Und wer nun ganz still und leise und mit offenen Augen durch den Wald wandert, wird ihnen vielleicht begegnen.