- Beitritt
- 20.12.2002
- Beiträge
- 924
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 1
Al
Dieser text ist eine Aufforderung. Er ist ein Aufruf an allen verwahrlosten, anarchischen und unzufriedenen Menschen auf der Welt:
Leistet Widerstand! Lasst euch nicht von den alltäglichen Beschäftigungen und Arbeiten der Bourgeoisie verwirren. Werdet nicht von dem großen Strom mitgeschleppt und in den Abflussrohr des Lebens hineingespült! Schwimmt gegen den Strom. Sie sehen keinen Sinn? Sie haben keine Lust mehr? Die Tage fließen an dir vorbei und du hängst fest. Tag rein Tag raus, immer die gleiche, graue, erstickende, kranke Scheiße. Du arbeitest und du weiß nicht wofür? Du schuftest und schuftest und weiß nicht wohin?Ich gebe euch diesen Rat: Kauft euch ein Bob Marley Album, raucht einen Joint und euch wird es bald besser gehen.
Al schaute sich das Pamphlet, das er in den Händen hielt, verwirrt an: Das war‘s?! Das ist das große Geheimnis? Das ist alles. Wollen die mich verarschen?!
Al war enttäuscht. Einen Augenblick lang glaubte er, er wäre auf etwas Besonderem gestoßen, als der Mann mit dem Che T-Shirt und den Dreadlocks, ihn das Blättchen in den Händen gedruckt hatte. Jetzt war sein Leben wieder da wo es eigentlich immer war. Die kurze Euphorie war schnell verblasst.
Die Sommerferien hatten heute angefangen, und für die meisten Schüler war das Grund genug fröhlich zu sein. Aber nicht für Al. Er war gerade auf dem Weg nach Hause von seinem Gymnasium. Sein Zeugnis war gar nicht so schlecht, aber das änderte nichts an seiner Gemütslage. Ihm standen jetzt sechs ganze Wochen Ferien vor der Tür. Er wußte nicht, was er in dieser Zeit machen sollte. In Urlaub gefahren wäre er gern, aber der 3 Weltkrieg stand vor der Tür und das war nicht empfehlenswert. Nun schlich er nachdenklich dahin, sich überlegend was aus ihm werden sollte. Er war nun sechzehn Jahre alt. Al war mittelgroß, vielleicht knapp unter eins achtzig. Er hatte blaue Augen und kurze braune Haare, die er meistens irgendwie verwurstelt trug. Sportlich war er nicht und von der Statur her eher dünn und schmächtig. Eben so, wie viele pubertierende Jungs gebaut sind, die noch nicht die Statur eines erwachsenen Mannes bekommen hatten. Er hatte aber viele Freunde und bei den Frauen kam er auch nicht unbedingt schlecht an, wenn auch nicht wirklich gut. Seine Gesichtszüge waren weich, fast frauenhaft, und er hatte überhaupt ein recht hübsches Gesicht für einen Jungen in seinem Alter.
Trotzdem war Al irgendwie unzufrieden. Es gab oft Momente wie jetzt, wo er sein ganzes Dasein in Frage stellte.
Al beschloss ein Eis zu essen, als er die örtliche Eisdiele sah. Er nahm zwei Kugeln in einem Waffel: Hummer und Ochsenblut. Ihm gefallen die makabren Geschmacksrichtungen und er probierte gerne was Neues aus. Und in der Tat fühlte er sich sogleich besser, als er anfing das eiskalte, knallrote Ochsenblut zu schlecken. Es schmeckte irgendwie salzig und doch zugleich süß. Es erinnerte leicht an Ketchup, nur blutiger. Al dachte an den Messai. Der Nomadenstamm in Afrika, der einst existierte. Sie waren mit ihrem Vieh umhergereist und hatten sich von dem Blut der Tiere ernährt und in ihrem Urin geduscht. Schade, dass es sie nicht mehr gab, dachte Al. So was hätte er gerne mitgemacht. Obwohl... na ja, überlegte er. Das ist vielleicht Ur-instinkt, aber Urin stinkt!
Plötzlich fiel sein Blick auf, seiner Meinung nach, eines der schönste Wesen der gesamten Welt und riss ihn aus seinen Gedanken: Maria! Sie war bei ihm in der Klassenstufe aber er hatte nicht viel mit ihr zu tun. Sie war vor einem jahr aus Spanien zu Als Schule gestoßen. Sie hatte sich soeben auch ein Eis gekauft, und saß ganz allein auf einer Bank. Sie hatte Al nicht gesehen.
Als Gedanken spielten verrückt: Jetzt muss ich hingehen. Ich werde es ihr sagen. Ich werde ihr sagen, was ich für sie empfinde. Das kommt doch immer gut. Die Wahrheit! Alles ganz genau wie ich es fühle. Was soll schon schief gehen? Wenn sie mich nicht will, dann will sie mich eben nicht! Das hier ändert nichts daran. Lange zu leben habe ich wahrscheinlich ehe nicht, mit dem Krieg und allem. Ist doch sowieso alles Scheiße. Ich werde es versuchen!
Und so marschierte er motiviert aus sie zu, und versuchte seine Ängste zu unterdrücken.
„Hi, Maria“, sagte er schüchtern und fühlte sich plötzlich nicht mehr so selbstbewusst wie noch vor zwei Sekunden.
„Hi, Al“, sagte sie fröhlich. „Wie geht‘s dir. Ich habe dich ja gar nicht gesehen.“
„Mir geht‘s gut. Hör mal, es gibt da etwas, was ich dir sagen muss.“
„Was denn?“
„Maria“, Al setzte sich neben ihr auf auf der Bank, „du bist das schönste Mädchen, das ich kenne. Deine üppigen Brüste sind wie zwei Honigmelonen, und wenn du läufst, dann gehen sie langsam auf und ab wie ein Boot auf das Meer, mitten in einem Sturm .“
Al stoppte kurz um sich zu sammeln. Er hatte die Szene sich tausend Mal im Kopf vorgespielt. Er musste es richtig rüber bringen. Er fing wieder kraftvoll an:
„Dein scwarzes Haar ist so weich und seidig und obwohl man eindeutig sieht, dass sie leicht gefärbt sind, stehen sie die Haare keiner Pornodarstellerin in irgendwas nach. Deine glatte, solariumgebräunte, pickelfreie Haut ist beneidenswert. Die Art wie du dein perfekt geformter Arsch bestialisch hin und her bewegst beim Laufen, reizt mich aufs Äußerste.“ Al stoppte kurz, um sie anzuschauen. Wirkte es? Noch saß sie regungslos da und schleckte ihr Eis. Er musste weitermachen.
„Deine Lippen, die so... so...“, jetzt fiel ihm nichts mehr ein, „die so plump und wohlgeformt sind, sind eigentlich viel zu schön für deinen fett-aufgetragenen roten Lippenstift und erinnern mich an... Schamlippen!“
Das war ihn jetzt rausgerutscht. Er ließ es sich aber nicht anmerken.
„Hör mal, was ich dir eigentlich sagen will ist: Du hast alles, was ein Mann wie ich begehren könnte, und ich würde dich liebend gern knallen. Was sagst du dazu?“
Maria konnte es nicht glauben. Noch nie war ein mann so direkt, romantisch und unverschämt zugleich zu ihr gewesen. Ihr kamen die Tränen. Sie war sprachlos.
„Heißt das ja?“
Maria war schockiert. „Jetzt gleich, oder wie?“
„Warum nicht? Morgen fallen vielleicht schon die Bomben. Jetzt oder nie.“
„Wo?“
„Hmmm... wir könnten in das Jugendhaus gehen. Das ist gleich um die Ecke und zu dieser Zeit ist keiner drin. Wir können dort ein Bett finden und wenn‘s nicht geht eben aufs Klo!“
„Okay!“, sagte sie mit ihrem spanischen Akzent. „Ich habe noch nie einen Mann so arg gewollt. Noch nie habe ich einen Mann so begehrt! Treiben wir es wie die Tiere!“ Ihre Augen funkelten hell und verlangend auf und sie fasste seinen Oberschenkel an. Sie schaute ihn tief in die augen und Al wusste: Sie meint es ernst!
Al konnte es nicht glauben. Er hatte noch nie Sex gehabt. Er war schon ein paar mal ziemlich nahe dran gewesen, aber bis jetzt hatte noch keine Frau mit ihm schlafen wollen. Teilweise lag es auch an ihm , dass er noch Jungfrau war, oder „Jungmann“ wie seine Kumpels manchmal spöttisch zu ihm sagten. Er hatte immer Angst gehabt. Und wenn es dann ernst wurde, hatte er immer gewittert, dass irgendetwas nicht ganz richtig war. Jetzt war aber alles anders. Das Mädchen war keine Dreizehnjährige, die gerade auf ihn stand und glaubte die große Liebe gefunden zu haben. Das hier war Maria Ortega. Die rassige Sexgöttin aus Spanien. Die begehrenswerteste und populärste Frau der Schule. Die Frau, die schon Hunderte von pubertierenden Jungen in ihren Köpfen zum Höhepunkt begleitet hatte. Die Frau, die man noch nie mit einem Mann unter zwanzig gesehen hatte. Diese Frau stand jetzt vor ihm und hatte ihm lautstark mitgeteilt, dass sie mit ihm Sex haben möchte.
Er nahm ihre Hand und sie liefen gemeinsam zum Jugendhaus. Dort angekommen gingen sie schnell hinein. Al fand zwar kein Bett aber ein Sofa sollte genügen.
„Besser als das Klo“, sagte Maria, und fing an sich auszuziehen. Al schloss die Tür ab. Er wurde vielleicht spät nach Hause kommen, aber wen interessierte das schon? Maria lag jetzt nackt auf dem Sofa. Das hier wird in die Geschichte eingehen, dachte Al. Es gab nicht wenige Jungs auf seiner Schule, die ihre Hand ins Feuer gelegt hätten für einen Quickie mit Maria. Nun hatte der unauffällige Al das Undenkbare geschafft. Seine Freunde würden es ihm nicht glauben, aber das tat jetzt nichts zur Sache. Al blickte auf Marias perfekten Körper und das wunderschöne Gesicht, das ihn jetzt anlächelte. Sie grinste wie ein kleines Mädchen, das Freude daran hatte, etwas Boshaftes zu tun und doch strahlte sie Reife und Selbstbewusstsein aus. Al merkte wie seine Hände zitterten. Noch vor einer halben Stunde war er traurig und unzufrieden mit der Welt gewesen. Jetzt konnte er sein Glück kaum fassen. Er setzte sich neben ihr auf dem Sofa, und küsste sie leidenschaftlich.
Zwanzig unglaubliche Minuten später war alles vorbei. Es war nicht der der beste Sex, den die beiden in ihren kürzen Leben haben sollten, aber sie fanden es traumhaft. Maria war auch nicht so erfahren gewesen, wie man es hätte denken können, wenn auch erfahrener als Al. Sie lagen jetzt beide da, ihre Körper umeinander geschlungen. Sie atmeten noch heftig.
„Wow!“, sagte Al und wischte sich den Scheiß von der Stirn. Er lachte und Maria kicherte ebenfalls. „Also wenn ich heute sterben sollte, wenn heute die Bomben fallen sollten, ist es mir egal. Heute bin ich zufrieden, heute bin ich glücklich. Mich kann jetzt nichts anfassen“. Al rutschte ein wenig zur Seite, um Maria in die Augen schauen zu können. „Maria, du bist die tollste Frau, die ich kenne, und ich sage das jetzt nicht, weil du den geilsten Body überhaupt hast. Ich mag dich Maria. Als ich dich zum ersten Mal sah, wusste ich schon: Die Frau muss eines Tages mir gehören! Das hier war für mich mehr als nur ein One-Night-Stand. Ich will mit dir zusammen sein und das hier oft wiederholen. Wir gehen dann zusammen weg und spazieren Hand in Hand durch die Stadt. Ich will immer für dich da sein. Du sollst nur mir gehören. Was hältst davon?“
Maria schaute ihn mistrauisch an, setzte sich dann wieder aufrecht hin, und atmete tief durch. „Hör mal“, fing sie an mit ihrem Akzent und schaute jetzt ihn in die Augen. „Ich weiß du empfindest viel für mich und ich finde dich echt süß. Das hier war wirklich die spontanste und aufregendste Sache, die ich bisher gemacht habe. Du warst echt toll. Trotzdem muss du verstehen, dass ich die beliebteste Frau der Schule bin und dass ich nicht mit jemand aus meiner Kassenstufe zusammen sein kann“.
Al nickte mit dem Kopf. Das war doch klar.
„Trotzdem“, sagte sie dann, „würde ich auch sehr gern so etwas wiederholen. Wir könnten doch so etwas wie eine offene Sexbeziehung führen, oder nicht? Keine Verpflichtungen, kein Zwang, nur Sex. Was hältst du davon?“
Hatte Al das jetzt richtig gehört? Er glaubte es kaum. Maria Ortega wollte mit ihm eine zwanglose Sexbeziehung führen. Das war wie Weihnachten und Ostern auf einmal. Klar, Al mochte sie. Aber wer tat das nicht? Was er vorher gesagt hatte über „nur mir gehören“ und „immer für dich da sein“ war nicht nur Geschwätz gewese, aber Sex sollte ihm auch genügen.„Also... wenn ich mir das jetzt so recht überlege“, stammelte Al, „wäre das durchaus eine Möglichkeit. Ja doch, das finde ich auch gut“.
Maria lachte. Sie stand jetzt auf zog sich wieder an. Al lag noch auf dem Sofa, konnte sich kaum bewegen. Maria ging auf ihn zu, gab ihm einen flüchtigen Kuss, lächelte ihn an, und drehte sich zum Gehen. „Ach, genau“, sagte sie noch und drehte sich um. „Hier ist meine Nummer. Ruf mich an wenn du Lust hast. Man sieht sich aber bestimmt. Bis dann!“
„Bis dann!“ Und schon war sie weg.
„Hart!“, sagte Al vor sich hin als Maria dann weg war. „Hart, hart!“
Als Al wieder draußen war, schaute er hoch zum Himmel. Es war ein wunderschöner Tag im Juli. Die Sonne schien, ein kühler Wind wehte, die Blätter in den Bäumen rasselten. Plötzlich verblasste alles und Al hörte Stimmen von ganz weit weg. Dann wachte Al auf.