Akihabara
Er steht dort schon seit einer halben Stunde und glotzt ziellos vor sich hin! So oder so ähnlich stellte sich William die Worte des alten Japaners vor, der hinter seiner panzerglasverstärkten, schalldichten Scheibe mit dem Sicherheitsangestellten sprach. Dieser hatte William bereits seit dessen Ankunft vor dem Elektronikwarengeschäft zusammen mit dem externen Überwachungssystem als potenzielle Bedrohung des Ladens ins Auge gefasst. Aber William ließ sich nicht davon abhalten seine gesamte Faszination auf die grünlich schimmernde Statue zu fokussieren, deren Erscheinungsbild etwas Magisches und Unverwundbares ausstrahlte, dessen er sich einfach nicht entziehen konnte. Er hätte gerne durch die Glaswand hindurchgegriffen und sich das Unikat gekrallt, aber ein Dieb war das Letzte was er sein wollte. Daher nahm er seinen Mut zusammen, zog sich seine leicht angegraute Jacke zurecht und griff nach dem altmodisch wirkenden Türknauf. Aber sie öffnete bevor er irgendetwas tat. Japanische Körper in Businessanzügen strömten in der Spiegelung der Glastür durch ein von Neonhologrammen erhelltes Akihabara. Es lärmte und dröhnte von allen Seiten, das Fußgängeraufkommen schien sich gegen Abend allmählich zu intensivieren. Das Letzte was William von der Außenwelt wahrnahm, als er den Fuß auf knallroten Teppichboden setzte, war das imperative Schreien der Computerstimmen in zwei nahe gelegenen Spielhallen. Dann war es still und der tosende Lärm tat sich schwer bei dem Versuch die schalldichte Ladenscheibe zu durchdringen.
Obwohl William im Grunde genommen seit jeher eine Abneigung gegen eng gedrängte Menschenmassen verspürt hat, wäre er in diesen Sekunden doch lieber wieder draußen auf der Hauptstraße unter all diesen hektischen Geschäftsleuten und seltsamen anderen Gestalten, als sich in diesem klimatisierten Elektrowarengeschäft von zwei missmutig dreinblickenden Japanern anstarren zu lassen. Wäre er vernünftig gewesen, hätte er sich augenblicklich umgedreht und das Weite gesucht. Doch das war nicht möglich, nicht bei dem Anblick der Statue. Sein Verstand, da war er sicher, hatte auf jeden Fall das Weite gesucht, und er würde sich erst wieder zurückmelden wenn William Corbett im Besitz dieses Wunderwerks ist. „Hast du vor etwas zu kaufen oder starrst du nur die Waren an ?“, fragte der Händler auf japanisch. Sein Tonfall klang fast beiläufig. „Ich will die grüne Statue kaufen“, sagte William, ebenfalls auf japanisch. Er ging an Regalreihen voller altertümlichem Elektrospielzeug vorbei in Richtung des kleinen Japaners, der ihn über die getönten Gläser seiner tiefsitzenden Leserbrille hinweg musterte. „Ist die Figur schon sehr alt? Ich habe mal gehört, dass man so was normalerweise ins Museum stellt.“ William setzte das Gespräch auf japanisch fort. „Das ist ein Sammlerstück aus dem Peking-Fundus, falls du verstehst“, sagte der Alte.
William stand jetzt vor dem Tresen. Er reichte ihm nur bis zum Halsansatz, der alte Mann musste auf irgendeiner Art Hocker stehen um ihn so weit überragen zu können. Zusätzlich zu seiner Brille trug der Alte eine schwarze Kappe auf dem Kopf, die im die Erscheinung eines in die Jahre gekommenen Rappers verlieh und ansonsten eigentlich völlig fehl am Platz war. William musste bei dem Mann an die Straßenhändler in den autofreien Seitenstraßen von Shinjuku denken, von denen viele Kappen und abgewetzte Lederjacken trugen. „Kaufst du sie jetzt oder soll dich Takeshi aus meinem Reich treten?“, sagte der Alte mit einer Kopfbewegung zu dem schwarzuniformierten Wächter. „Ich interessiere mich eigentlich nur für die Jade-Figur.“ William zeigte etwas zögerlich auf das begehrte Objekt. In diesem Augenblick fragte er sich erstmals, ob er es immer noch so lieben würde, wenn er es endlich in Händen halten würde. Aber das Gefühl der freudigen Erregung verließ ihn nicht, als er daran dachte und das beruhigte ihn ungemein. Die Augen des Japaners fixierten Williams Blick und schienen irgendwie zu schrumpfen. „Ich hoffe für dich, dass du angemessene Zahlungsmittel vorweisen kannst, Junge, ansonsten...“ Er lächelte und schüttelte den Kopf. William steckte zwei Finger seiner linken Hand in eine Tasche seiner Jacke, suchte sein Papiergeld, fischte fünf glatte Dollarscheine heraus und legte sie dem Japaner auf den Tisch. Die Reaktion, die er damit hervorrief, war nicht gerade erheiternd.
Der Wächter sagte etwas auf japanisch, dass William nicht verstand, und der Händler starrte nur die Scheine an.
„Hast du wirklich nichts anderes?“
William schüttelte den Kopf. „Na egal, ich werde sie schon irgendwie umtauschen können“, sagte der Alte und ließ die Scheine verschwinden. Er griff in seine Hosentasche und förderte einen winzig kleinen Schlüssel zutage, den er prompt in einen fast unsichtbaren Schlitz seines Tresens steckte. Die verkratzte Holzplatte klappte nach hinten und offenbarte ihre geheime Rückseite, eine matt beleuchtete Kunststoffvitrine voller Reichtümer. William machte große Augen, als er die Statue zwischen den Miniaturen einer bröcklig aussehenden Pyramide und eines eisernen Turmes sah. Sie war um ganze drei Zentimeter größer als auf dem Podest im Ladenfenster. William sah zu dem Mann.
„Reine Sicherheitsmaßnahme. Die Dinger hinter dem Fenster sind nur Kopien.“
Er nahm die Figur, betrachtete sie noch einmal in der fahlen Neonbeleuchtung seines Ladens und gab sie dann William. „Sieht noch ganz gut aus, aber ich persönlich würde kein Geld dafür ausgeben.“
Er beugte sich nach vorne um seine Arme auf die Vitrine zu stützen und deutete auf die Pyramide.
„Da wo dieses Ding steht, gibt es noch zwei andere, aber ich habe nur von dieser eine Kopie. Die stehen schon seit Jahrtausenden dort. Vor’n paar Jahren gehörten sie noch zu Kairo.“
„Und wem gehören sie jetzt?“, fragte William.
„Tja, schwer zu sagen. Angeblich einer Zaibatsu aus Yokohama. Aber wer weiß das schon so genau.“
„Warum erzählen Sie mir das?“
„Weil du es wissen solltest.“ Die Brillengläser des Alten schimmerten düster in der zunehmenden Dunkelheit. Es war bestimmt schon spät und William hatte noch andere Dinge vor. Aber dafür blieb ihm ja noch die Nacht. Er steckte die Figur schnell in die Tiefen seiner Jacke. Dort ist sie erst einmal sicher, zumindest für die nächste Zeit. Beinahe wollte er sich schon umdrehen und gehen.
„Weißt du was das ist?“, sagte der Alte. Er meinte den eisernen Turm, der für William aussah wie ein aufgerichtetes Glied. „Nein, aber Sie werden es mir bestimmt gleich sagen.“
„Den hat man für `ne Weltausstellung gebaut, vor einer ganzen Ewigkeit. Touristen dürfen da aber schon lange nicht mehr rauf. Wegen den Verwüstungen in der Stadt, du kannst es dir sicher vorstellen.“
William nickte geistesabwesend und war schon auf dem schnellsten Weg nach draußen, als der Händler seine Schulter berührte. „Wenn ich du wäre, würde ich vorsichtig mit dem Ding sein. Am besten holst du es nur raus, wenn du absolut sicher bist.“ Der Alte zwinkerte ihm leicht zu, dann vertiefte er sich augenblicklich in ein Gespräch mit dem Ladenwächter, dass die beiden wohl schon vor seiner Ankunft begonnen haben mussten. Der Wächter lehnte lässig mit der Schulter an einer grauen Wand, die rechte Hand hielt mit nur zwei Fingern seine Dienstwaffe umschlossen, die linke zupfte ein paar wenige Falten in seiner makellosen, schwarzen Sicherheitsdienstuniform zurecht. Er trug schwarze Kampfstiefel und dunkelgrüne Handschuhe als Schutz vor Viren aus schmutzigen Spritzen oder Pistolen. In diesem Moment als William endlich das viel zu enge Geschäft verlassen konnte, dass über und über mit sinnlosem Kram zugerammelt war, stellte er sich einige sehr eigenartige Fragen. Und zwar solche, die ihn unter normalen Umständen rein gar nicht interessiert hätten, wie z. B. ob dieser Wachmann selbstständig oder Angestellter bei einer der zahlreichen globalen Security Corporations war, und ob der alte Händler seinen Laden aus einer treuen Erbschaftslinie erhalten hat oder einfach hier reinspaziert ist als für längere Zeit niemand mehr drin war. Wie die Dinge auch immer sein mochten, er hatte jetzt weder die Zeit noch die Lust um sich groß Gedanken zu machen. Das einzige was jetzt zählte, war die Statue, denn dafür hat er viel (aber weitestgehend wertloses) Papiergeld hingeblättert, das Typen wie er normalerweise in Zigaretten oder eine Tasse Kaffee bei einem Straßenhändler investierten. Die Statue war in Sammlerkreisen ein Vermögen wert und in China hatten bereits holländische Bankenvertreter durch den Verkauf von ähnlichen Bildnissen ausgesorgt.
In der Kernzone von Beijing ist vor ein paar Jahren ein ganzer Kult um derartige Ikonen des prä-elektronischen Zeitalters ausgebrochen. Man verehrt sie wie Gottheiten, allerdings wie längst verstorbene Gottheiten. Das wusste er von CJ und Raven, und die mussten es ja wissen. CJ war ein selbsternannter Techno-Intellektueller aus L.A., der in seiner Jugend viele Stunden, die er in lebensfeindlichen Wohnblockruinen überdauerte, damit verbrachte Bücher aus bedrucktem Papier zu lesen, während er in einer Ecke kauerte und die Biowaffen-Warnsignale an den Wänden bewusst missachtete. Raven hingegen hatte nichts Großartiges außer seiner bloßen Präsenz anzubieten, was schon eine ganze Menge war bei dem Körpervolumen, das er an den Tag legte. Er trank chinesischen Wodka und spritze sich importiertes Green Pilot aus Singapur. CJ und Raven, das waren die Typen zu denen er jetzt unterwegs war. Und die Statue sollte der Grund sein, warum sie ihn noch zwei weitere Nächte bei sich aufnehmen würden.
William seufzte bei dem Gedanken sich bald wieder eine neue Bleibe suchen zu müssen, doch er hatte keine andere Wahl. Das war eben sein Leben. Auch wenn er es hasste. Doch jetzt verdrängte er die Gedanken, im abendlichen Gewühl von Akihabara gelang das beinahe jedem erstaunlich gut, man musste sich lediglich auf die knallbunten Kleiderkonstellationen der vorbeiströmenden Masse konzentrieren und sich dabei auf ein Muster einlassen. Für ihn war es Punk-Businessmensch-Autonomer. Das Muster lief erstaunlich regelmäßig vor seinen Augen ab, auch wenn es eigentlich gar nicht vorhanden war.
Irgendwo hinter ihm schrieen mehrere Frauen um Hilfe.
Er drehte sich nicht um. Die Menge lichtete sich allmählich als William eine Hauptverkehrsader der Fußgängerzone erreichte. Hier kurvte, wie immer, verbotenerweise ein Haufen Biker-Punks auf ihren Speedflitzern in der Gegend herum. Ihre kräftigen, künstlich verstärkten Oberkörper beugten sich nur leicht über die Lenkstange des Gleiters. Sie hoben sich mit den nachtschwarzen Jacken radikal von asiatischen Schriftzügen ab, die aus überdimensionalen Werbehologrammen hervorflackerten und neue Vorteile der Bank of Nippon anpriesen. Einer der Gleiter wäre beinahe mit einer japanischen Matrone kollidiert, scherte aus und rempelte William gegen den halb abgebauten Stand eines Straßenhändlers. Das Luftkissen schürte unangenehm über den stark beschädigten Asphalt, um kurz vor einem deaktivierten Spielzentrum zum Stehen zu kommen. Der Fahrer, ein stachlig frisierter Malaie, zog seine Maschinenpistole und rannte durch eine Versammlung von Gaijin-Punks direkt in eine verlassene Gasse voller verbranntem Elektroschrott.
„Na, das war’s dann wohl“, sagte William, während in seinen Ohren unentwegt die französischen Flüche des algerischen Händlers echoten. In diesem Moment der Besinnung, bemerkte er zum ersten Mal die Frau, die gerade dabei war wieder auf die Beine zu kommen, wenn auch etwas wacklig. Sie trug schwarze hochhackige Lederstiefel, einen grünen Rock, eine grüne Weste und hatte blonde Haare. Typische Gaijin-Frau. Sie sah jung aus, vielleicht Mitte zwanzig. Die Augen verrieten das Alter. Sie waren giftgrün. Eindeutiges Indiz für regelmäßiges K1. Die letzte Injektion konnte noch nicht lange her sein.
„Bist du verletzt?“, fragte William.
„Alle Glieder noch dran“, sagte die Frau. Sie stand langsam auf und ging ein paar Schritte. „Okay, alles klar“, sagte sie mit gelangweiltem Blick auf William. Sie schien sich nicht weiter für ihn zu interessieren und ging ihres Wegs in Richtung U-Bahn-Station. William fiel auf, dass die Rückenfläche ihrer Weste wie ein Spiegel wirkte, der in regelmäßigen Abständen den umliegenden Neondschungel in den schrillsten Farben reflektierte. Ihre Stiefel glitten förmlich über den regennassen Boden. Eigentlich sollte William zusehen wie er auf dem schnellsten Weg zu CJ und Raven gelangt, aber als er sie in dem sich verdichtenden, allabendlichen Tokioter Japaner-Gaijin-Gewühl verschwinden sah, spürte er diesen Drang in sich. Das Gefühl, das einem sagt, was momentan angebracht ist. Und das war ihr zu folgen.
Er verlor keine Sekunde mehr, sondern stürzte sich Hals über Kopf in eine Meute Techno-Punks. Gekrümmte Haarkämme in unterschiedlichen Farben versperrten ihm die Sicht nach vorne. Hysterische Gesichter stierten ihn von allen Seiten an. Er drängte einen kleinen Freak beiseite, der mit seiner elektrisch geladenen Grünhaarfrisur auf bösen Macker machen wollte. Und da war sie wieder. William erspähte sie zwischen zwei geparkten Polizeiwagen. Sie saß am Rand eines künstlich angelegten Brunnens. Das Wasser, das nicht einmal Wasser war, sondern lediglich ein Hologramm gespeist aus acht symmetrisch positionierten Projektoren, floss kontinuierlich gegen den Uhrzeigersinn. Die Frau bemerkte seine Anwesenheit erst, als William bereits neben ihr saß.
„Haben wir uns nicht gerade verabschiedet?“
„Ich gehe in die selbe Richtung.“ Er bemühte sich halbwegs glaubhaft zu klingen.
„Spar’ dir das Gelaber. Zeig mir lieber, was du mir verkaufen willst.“ Giftgrüne Augen starrten ihn ruhig von der Seite an. „Wie kommst du denn darauf? Ich hab’ nicht mal was bei mir“, sagte William.
„Und was ist damit?“ Sie hielt ihm die grüne Statue entgegen.
„Wie bist du...?“
„Sag mir lieber, was du dafür willst“, sagte die Frau.
„Unverkäuflich.“
„Unsinn, alles ist zu haben. Man muss sich nur auf den Preis einigen.“
Sie war genauso unnachgiebig wie sie stehlen konnte und das sollte was heißen. William hätte vielleicht nachgegeben, wenn er den Wert dieses Prachtstücks gekannt hätte. „Tut mir leid, aber solange ich nicht weiß, was dieses Ding ist, bleibt es bei mir.“
Sie streckte die Beine ein wenig, dabei scharrten die schwarzen Stiefel über alte Papierzeitungen. William bemerkte, dass die Bräune auf ihren Oberschenkeln künstlich war. Vermutlich das Werk von Spezialisten aus Yokohama. Genau wie seine Augen.
„Und wenn ich’s dir sage?“ Sie gab William die Statue zurück und als er sie so in den Händen wälzte, wurde ihm klar, dass er sich vermutlich zehnmal das Gehirn zermartert hätte, bevor er ihren Ursprung wüsste. Er betrachtete besonders den ausgestreckten Arm, der eine brennende Fackel hielt, und das Gewand, das extrem antik wirkte. So was gab es nicht einmal mehr in Museen zu besichtigen, weder in realen noch in virtuellen.
„Wo kommst du eigentlich her?“, fragte die Frau.
„Aus den Vorstädten von Shanghai. Bin mal hier, mal da gewesen.“
„Aber von wo stammen deine Eltern?“
„Keine Ahnung. Ich glaube aus Hongkong.“
„Und was ist mit deinen Großeltern?“
„San Francisco, Kalifornien. So erzählt es jedenfalls die Legende.“ Er lächelte. Aus den Augenwinkeln sah er, dass sie auch lächelte.
„Na also, ich stamme auch aus Kalifornien. Aus San Diego.“
William schwieg. Er hatte keine Ahnung, was sie ihm damit sagen wollte. Er kannte die ehemaligen Vereinigten Staaten aus urbanen Legenden, er wusste, dass sich dort einst das wahre Leben abspielte, aber die Dinge hatten sich geändert.
„Ein Krieg. Hat das halbe Land entwurzelt“, sagte William.
„Genau. Mehr weiß ich auch nicht.“ Sie blickte zu den vier Polizisten, die gerade dabei waren in ihre Autos zu steigen. Schwarze Hochgeschwindigkeitsgeräte mit integrierter Antigravitation. Blaue Lichter blinkten kurz auf, dann hoben sie ab.
„Und du denkst, das Ding kommt von da drüben?“ William bemühte sich nicht erstaunt zu sein.
Die Frau spitzte die Lippen, starrte auf ihre Schuhspitzen. „Ja. Aus einer Stadt an der Küste.“
Eine halbe Stunde später standen sie an einer Promenade und betrachteten die zahlreichen Boote bei ihren Rundfahrten um die künstlich angelegten Inseln in der Bucht von Tokio. Er dachte nichts und sie wohl auch nicht. Im Taxi nach Shinjuku sprachen sie kein Wort. Im Curtano erklärte sie ihm, dass sie die Figur nicht mehr haben wollte. Das Cafe war voller Japaner. Doch fast niemand hatte sich umgedreht und gestarrt, als die Frau mit Dollarscheinen zahlte. Die Promenade wäre der ideale Ort zum Nachdenken, aber er konnte nicht. Die Hovercrafts, die Touristen zu ihren Wasserhotels chauffierten, die Katamarane, deren Besitzer wie gebannt auf die Wolkenkratzerwälder starrten, der endlose Strom der Fußgänger. All das lenkte ab. Er brauchte sie nicht zu fragen um zu wissen, dass sie noch eine Weile bei ihm bleiben würde. Er legte seine Hand auf die Balustrade. Sie legte ihre auf seine. Die Begegnung war kein Zufall, soviel stand fest. Sie hatte seine Gesellschaft nötig, so wie er die ihre. Noch ein kurzer Blick zu den immens aufragenden Wohn- und Geschäftstürmen, den Hologrammfratzen der neuesten Stars auf den Werbeschildern, die wie Unsterbliche auf eine Welt hinunterblicken, in der sich buntes Völkergemisch, Chaos und Düsternis gegenseitig befruchten. Es war die Welt von CJ und Raven, die Welt der Außenseiter und Verlierer. Die beiden saßen jetzt in dem Loft in Asakusa, vegetierten dahin in ihrem Flüchtlingsdasein und dachten sie wären zuhause.
Aber nicht William. Er holte die Figur aus seiner Jackentasche, betrachtete ihre grüne Farbe und warf sie in die Bucht. „Das brauche ich hier nicht“, sagte er auf japanisch.
Sie drückte seine Hand. Ihr Name war Jane.
Er war zuhause.
S.P.
Oktober 07