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Airshow
Schon als sie aus dem Auto steigen, liegt ein süßlicher Kerosin-Duft über ihnen. Man hört die markig-blecherne Stimme, welche die einzelnen Flugzeugtypen ansagt. Der Wind verzerrt sie etwas, aber man kann doch alles verstehen. Die Spannung steigt.
„Sieh mal! Das ist mein Dad!“, sagt er und zeigt nach oben. „Ja, ja, natürlich ist er das. Ich bin doch auch so stolz, mein Sohn!“ Irgendwo über ihnen donnern zwei Jets entlang, ganz dicht zusammen. Silbern glänzen sie in der Sonne, sodass es blendet. Man erkennt gerade noch die kleinen Stummelflügel und die dunklen Rauchfahnen.
Sie gehen durch das große Tor am Eingang. Links und rechts davon Stacheldraht. Freundlich winken die Soldaten mit ihren sauberen Helmen und den schön gebügelten Uniformen zwischen den weißen Wachhäuschen, die Gewehre haben sie nur lässig umgehängt.
Drinnen auf dem Flugplatz ist es voll, Menschenmassen schieben sich an kleinen Ständen vorbei, dazwischen wehen überall Flaggen im Spätsommerwind. Man hat sich schick gemacht. Im Hintergrund sieht man riesige Hangars mit offenen Toren, davor stehen schon allerhand Flugmaschinen. Die Menschen, die sich dort tummeln, sehen von hier aus wie winzige Farbpunkte. Noch weiter hinten ist eine Tribüne zu sehen. Die ist voll besetzt mit kleinen bunten Flecken. Es riecht nach Hamburgern, Hot Dogs und Eiscreme. Und nach verbranntem Treibstoff.
Immer, wenn ein Flugzeug tief über die Startbahn fegt, zittert der Boden. Der Lärm ist so laut, dass man sich dann die Ohren zuhalten muss. Manchmal ist es nur eines, dann wieder eine ganze Staffel oder zwei Maschinen, die sich gegenseitig verfolgen und am blassgrauen Himmel Kunststücke vollführen.
Sie betrachtet nachdenklich einen großen Bomber, der mit weit ausladenden Flügeln auf dem Asphalt steht und einen aberwitzigen Schatten wirft. „Wenn sie in der Luft sind, wirken sie gar nicht so groß“, denkt sie und berührt gedankenverloren ein paar Niete, die leicht aus der dunklen Außenhaut hervorstehen. Die Sonne hat das Aluminium aufgewärmt. Der Kleine ist schon längst über eine schmale Leiter nach oben und hinein in den Rumpf geklettert und stürmt nun freudig nach vorne ins Cockpit.
Ein gewaltiges Flugboot kämpft sich mit seinen vier Propellern über ihnen mühsam nach oben, die Zuschauer staunen anerkennend. Dass sowas überhaupt fliegen kann. Das bläuliche Flugzeug ist immer noch so tief, dass man meint, es von unten berühren zu können. Der Junge quietscht vor Freude, als er wieder aus dem Rumpf des Bombers klettert und das Ungetüm sieht.
Das große Eis in der Hand steht er danach zwischen all den Leuten ganz dicht gedrängt an den Zaun, die Bahn ist zum Greifen nah. Gespannt wartet er und vergisst sogar sein Eis für einen Moment.
Gleich muss er kommen! Im Programm-Heftchen steht es ja.
Aus der Nähe des Towers kommen wieder Durchsagen. Dieses Mal werden die Piloten sogar mit Namen genannt. Ja, das ist er! Endlich! Doch die Stimme aus dem Lautsprecher stockt mit einem Mal, mitten im Satz. Man kann die angekündigte Maschine nicht sehen, nur ein ungewöhnlicher Klang kommt jetzt von irgendwo aus den Wolken, es ist ein hässliches, mechanisches Poltern. Ausnahmslos alle scheinen nach oben zu blicken, sehen sich um und warten ängstlich-gespannt auf das, was nun kommt.
Dann plötzlich ein unspektakulärer Knall, so als ob man etwas Großes einfach auf einen harten Boden fallen lässt. Laut zwar, aber doch unspektakulär. Eine schwarze, fettglänzende Wolke erhebt sich von der Startbahn und wälzt sich langsam vorwärts, breitet sich immer mehr aus, darin ein glühender Feuerball. Die Hitze ist nach ein paar Sekunden bis zum Zaun und sogar hinten bis zur Tribüne zu spüren.
Die ganzen Schreie hören beide nicht mehr. „Das, das dort ist dein Dad …“, sagt sie. Er hat gar nicht bemerkt, dass sie auch an den Zaun gekommen ist. Sie steht gerade da, ohne Regung. Ihre Augen sind fest geschlossen, die Hand verkrampft sich in der ihres Sohnes.
Der Kleine blickt an seiner Mutter nach oben: „Mama, du tust mir weh.“