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Ager
Es ist kein Jahr her, als der erste Fall des Virus’ in Kansas City auftrat. Man sagte, die Medien würden übertreiben, obwohl man von immer mehr Infizierten sprach. Niemand sah es kommen obwohl es doch so offensichtlich war…
Claire schlug die alte Zeitung zu und versuchte es sich in dem engen Kleiderschrank einigermaßen gemütlich zu machen. Sie wusste, dass sie morgen früh mit schmerzenden Beinen aufwachen würde.
Aber wenigstens war es keine Kloake -tröstete sie sich.
Vor zwei Wochen musste sie auf der Flucht vor den Ager in eine alte Klärgrube springen um ihren Körpergeruch zu überdecken. Sie war ihnen nur knapp entkommen, nachdem ihr eigentliches Versteck im wahrsten Sinne des Wortes zu Staub zerfallen war.
Die Ager akzeptierten keine leerstehenden Gebäude mehr. Ihr Ziel war es die Menschheit der Erde und alles was an ihre Existenz erinnerte zu vernichten. Seitdem das Virus in ihren Köpfen die Behauptung ausgeprägt hatte, dass sie von den Göttern mit dem Auftrag auserwählt wurden die Welt von den Menschen zu säubern, versuchten sie mit aller Macht die Menschen einzufangen. Damit aber nicht genug, brachte das Virus sie dazu die übrigen Menschen zu Essen oder eher gesagt anzuknabbern, damit sie einer von ihnen wurden. Sie nennen es Nah-Tod-Erlebnisse mit denen die ungläubigen von der Existenz der Götter überzeugt werden. Jammerschade ist, dass sie nicht mehr soweit denken können, was sie wohl tun würden falls keine Menschen mehr übrig sind. Wahrscheinlich aßen sie sich jetzt schon gegenseitig. Schließlich musste man ziemlich viele Menschen an einem Tag annagen um satt zu werden.
Claira schauderte bei dem Gedanken an diese Wesen, die halb Mensch halb Virus waren.
Ein Bild von ihrem kleinen Bruder blitzte vor ihren Augen auf. Zeitgleich löste sich eine warme Flüssigkeit von ihren Lippen, die über ihr Kinn floss. Sofort löste sie den Druck von ihren Zähnen. Ihre wahre Wut galt eigentlich denen, die es erst soweit hatten kommen lassen. Wäre dies ein natürliches Virus gewesen, dann könnte man es als Gottes Fingerzeig bezeichnen, aber die Tatsache, dass dies aus einem Versuch, ein Virus künstlich mutieren zu lassen, entstanden war, machte es für Claire unerträglich. Weil eine Hand voll Menschen größenwahnsinnig versucht hatten Gottes Werk in Frage zu stellen musste die ganze Welt dafür bluten.
Blut! Blut zog diese Biester an, aber da sie sich in einem geschlossenen Raum, in einem Kleiderschrank befand, hatte sie wenig zu befürchten. Um sie ausfindig zu machen müssten die Ager dann schon direkt vor ihrer Tür stehen. Aber welchen Grund hätten sie dafür?
Plötzlich hörte sie ein leises Kratzen und vergaß vor Schreck zu atmen. Nichts geschah. So genau sie auch in Dunkelheit hörte, nahm sie kein weiteres Geräusch wahr.
„Die Einsamkeit hat dich paranoid gemacht.“, dachte sie und atmete langsam aus. Doch auf einmal ertönte das Kratzen erneut. Panik stieg in ihr auf. Konnten sie sie gefunden haben? Wie viele waren es und was sollte sie jetzt unternehmen? Adrenalin stieß in ihren Körper und sie spürte wie ihre Sinne sich erweiterten. Der Schweiß auf ihrer Stirn lief langsam und unbeeinflusst, seinen Weg über die Schläfen bis zum Kinn, wo er sich wieder zu einem Tropfen formte und verharrte.
Claire griff an ihr Becken und tastete. „Verflucht!“, schoss es ihr durch den Kopf. Ihre Hand bewegte sich schneller und hektischer. „Wo habe ich sie denn nur?“ Erneut ertönte das Kratzen an der Tür. Nun nahm sie auch die zweite Hand zur Hilfe und wühlte in den Kleidern, die sich unter ihr Befanden um ihr die Nacht etwas angenehmer zu gestalten. Das ein Paar alte Klamotten ihr zum Verhängnis wurden hätte sie nie für möglich gehalten. Das Kratzen an der Tür kam jetzt in kürzeren Abständen und wurde lauter. Tränen der Angst schossen Claire in die Augen, sodass ihre Sicht –sowie geschwächt durch die Dunkelheit, noch schlechter wurde.
Entsetzen und Wut machte sich in ihr Breit, als plötzlich ihre Hand auf kalten Stahl traf. „Gott sei Dank!“, sie zog kräftig und aus dem Kleiderhaufen entblößte sich eine Schnellschussfeuerwaffe. Wenn sie schon starb, dann nahm sie wenigsten ein Paar von ihnen mit! Sie trat die Tür auf und war bereit sofort zu schießen, doch zu ihrem Verblüffen war niemand da. Normalerweise hätten ein Ager sie sofort angegriffen, da er sich an ihrem Körpergeruch orientierte. War das eine neue Taktik? Hatten sich diese Biester etwa weiterentwickelt? Gerade als sie ihre Waffe senken und erleichtert ausatmen wollte hörte sie ein quiekendes Geräusch aus der hinteren Ecke des Raumes. Claire fuhr herum und löste reflexartig einen Schuss aus der Waffe. Der Schuss hätte den Ager treffen müssen, aber sie hörte kein Stöhnen und sah auch keine Leiche. Das Einzige was sie sah, war eine verletzte Katze. Sie ging vorsichtig auf sie zu und tätschelte behutsam ihren Kopf. Claire wusste nicht ob die Katze es zu lies oder einfach zu schwach war um sich zu wehren. Sie sah sich die Seite der Katze genauer an und es lief ihr eiskalt den Rücken hinunter. Dies war keine normale Verletzung. Fünf lange Kratzer gingen über die Seite der Katze. „Diese Miestviecher!“, schoss es ihr durch den Kopf. Sie stob aus dem Zimmer und rannte auf die Tür zu. „Seid wann konnten diese Dinger weiter als bis zu ihrem Gott denken?“, sie schüttelte den Kopf. „Eine Katze als Köder zu benutzen und sie anhand des Blutgeruches zu verfolgen ist schon fast ein Geniestreich für ihre Gehirne.“
Sie lief so schnell sie konnte. Vielleicht hatte sich die Katze ja auch einfach wo anders verletzt, aber diese Kratzer waren eindeutig und gehörten einem ausgewachsenen Ager. Es war äußerst gefährlich in der Nacht durch die Straßen zu laufen, da die Ager nachtaktiv waren.
„Lauf zurück! Die Katze ist vielleicht von einem Baum gefallen und hat deshalb nach deiner nähe gesucht!“, hallte es in ihrem Kopf wider. „Du begibst dich in Gefahr, die Ager werden dich finden wenn du nicht zurück gehst!“
Ein ohrenbetäubendes Quietschen durchdrang die kühle Nachtluft, woraufhin die Stimme in ihrem Kopf sofort verstarb. Claire kannte dieses Geräusch. Dieser Ton gab anderen Ager zu verstehen, dass jemand die Fährte einer Beute aufgenommen hatte -und diese Beute war Claire. Bisher hatte sie den Tag genutzt um sich ein sicheres Versteck zu suchen. Wie sollte sie es schaffen jetzt einen solchen Ort zu finden? Wieder erklang das quietschende Geräusch, das bis in die Knochen zu spüren war. Dazu hörte sie Schritte. Sie waren ihr dicht auf den Versen. Wie dicht sie waren, konnte sie nicht feststellen. Sie schwang ihren Kopf herum, konnte aber nichts erkennen, obwohl die Schritte deutlich zu hören waren. Sie mussten ganz nahe sein. Ihre Beine schmerzten und das stechen in ihrer Brust begann langsam nicht mehr aushaltbar zu sein. Abermals ertönte der hohe Ton, der ihr Ende verheißen sollte. Diesmal noch dichter und gefährlicher. Es hallte in ihrem Kopf wider und das Einzige, was außer dem grellen Ton noch in ihrem Kopf platz fand, war eine Stimme die: Lauf! Schrie. Plötzlich spürte sie etwas Kaltes in ihrem Rücken. Sie fuhr herum und stolperte über eine Bodenwelle, die sie hart auf den Asphalt aufschlagen lies.
„NEIN!“, schrie sie und versuchte sich rückwärts von dem Ager zu entfernen, wobei sich ihr Mittelfinger auf den Handrücken bog. Den Schmerz nahm sie nur am Rande wahr. „Verschwinde!“, kalte dünne Finger schlangen sich um ihre Handgelenke. „Nein, bitte nicht!“, sie trat um sich, aber der fremde Körper hielt sie fest unter Kontrolle. Plötzlich beute sich der Ager dicht über ihren Kopf. Sein bleiches haarloses Gesicht war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt und eine woge vergammelten Todes stieg in ihre Nase. Wo Augen hätten sein sollen befand sich eine pure weiße Masse, die von dünnen roten Linien durchzogen war. Die Statur des Ager lies Claire darauf schließen, dass es früher mal ein Mann gewesen sein musste. Der Ager riss seinen Mund weiter auf und entblößte eine reihe vergilbter Zähne. „Aaahhhh!“, sie schrie als sie die Zähne in ihrer Schulter spürte. „Das brennt!“, sie versuchte sich zu befreien wie eine Mücke im Netz einer Spinne. Ohne Aussicht auf erfolg „Es brennt so sehr…“, erneut drangen die Zähne in ihren Körper ein und sie spürte, wie das Gefühl aus allen ihren Gliedern wich. Sollte es das schon gewesen sein? War dies das Schicksal welches ihr bestimmt war?
In einem letzten Kraftakt stieß sie den Ager von sich, zog ihre Waffe von ihrem Gürtel und schoss. Sie schoss bis der Knall einem regelmäßigem Klacken wich und selbst dann löste sich ihr Finger nicht vom Abzug. Allein ein markerschütternder Ton, lies sie ihren starren Blick von dem leblosen Wesen nehmen.