Was ist neu

Achtzehn

Mitglied
Beitritt
21.02.2002
Beiträge
8
Zuletzt bearbeitet:

Achtzehn

18

Achtzehn Jahre war sie jetzt. Ihren Geburtstag hatte Iris nicht gefeiert. Sie verstand nicht, was an ihm soviel besser sein sollte als an allen anderen. Insgeheim hatte sie vielleicht gehofft, dass es jemanden geben würde, der sie mit einer Feier überraschte, aber das hätte sie niemals zugegeben. Bisher hatte sie an jedem Geburtstag gefeiert. Der letzte hatte ihr nicht sonderlich gefallen. Die Kontakte zu ihren Gästen hatten sich auf Smalltalk beschränkt und gegen Ende waren die meisten sowieso kaum mehr ansprechbar gewesen. Sie wollte an ihrem Achtzehnten nicht das Gleiche erleben. Außerdem war da noch dieser Wunsch anders zu sein, als die anderen, etwas Besonderes zu sein. Sie wollte sich von der Masse abheben, indem sie gerade den, den sonst alle besonders ausgiebig feierten, einfach ignorierte.

Nun befand sie sich auf der Geburtstagsfeier einer Freundin. Vergangene Schulerlebnisse wurden in Erinnerung gerufen. Man lachte über ehemalige Lehrer und lästerte über unbeliebte Mitschüler.
Auf einmal beschlich Iris das Gefühl, schrecklich alt zu sein. Wann hatte sie das letzte Mal etwas wirklich Verrücktes unternommen? Wann hatte sie sich das letzte Mal so richtig ausgelassen und frei gefühlt? Sie kam sich total brav vor, wie sie so am Tisch saß, mit den anderen und über ihre Vergangenheit redete. Was war denn mit der Gegenwart? Oder der Zukunft? Sie verglich sich mit alten Leuten, die keine Zukunft mehr vor sich haben und nur glücklich sind, wenn sie über Vergangenes reden.
Das Gespräch der anderen wurde ausgelassen weitergeführt. Niemand bemerkte Iris’ geistige Abwesenheit. Was, wenn sie aufstünde, zur Tür hinausginge, die anderen zurückließe und heute Abend etwas Wildes unternehmen würde? Der Gedanke gefiel ihr sehr gut. Nun musste ihr nur noch etwas Wildes einfallen. Sich betrinken? Nein, das interessierte sie nicht sonderlich. Vielleicht war es wild, aber sie hatte keine Lust dazu. Sie fühlte sich besser, wenn sie nüchtern war. Sie wollte bei vollen Sinnen sein und so das Leben genießen. Was andere so spannend daran fanden, am Tag nach einer Party aufzuwachen, sich an nichts mehr zu erinnern und ihre begangenen Peinlichkeiten von den anderen erfahren zu müssen, konnte sie nicht nachvollziehen.

Außerdem hätte sie zum Trinken nicht gehen müssen, denn ihre Freunde würden auch bald den Alkohol auspacken.
Die Frage, ob sie sich einmal in ihrem Leben so richtig betrinken sollte, hatte sie sich schon sehr oft gestellt und war immer wieder zu der gleichen Antwort gelangt. Ihre Sehnsucht nach Wildheit und Freiheit wurde mit jeder Minute größer und schien ihr innerlich das Herz zu erdrücken. Sie lastete wie eine schwere Mauer auf ihrem Brustkorb.

Freiheit. Sie ließ sich dieses Wort in Gedanken auf der Zunge zergehen. Je älter sie wurde, desto unfreier fühlte sie sich. Sie durfte jetzt zwar so lange ausbleiben, wie sie wollte, aber das brachte sie nicht dazu sich frei zu fühlen. Es gab immer mehr Dinge, die ihre Gedanken in Besitz nahmen und sie daran hinderten, für kurze Zeit alles loszulassen. Da waren ihre privaten Sorgen um ihre eigene Zukunft. Welchen Beruf sollte sie erlernen? Sie hatte bis jetzt noch keine Entscheidung treffen können und ihre Zukunft kam ihr sehr ungewiss vor. Würde sie später glücklich sein?
Außerdem gab es da noch die restliche Welt mit ihren Kriegen, ihrer Armut, ihren Hungersnöten, ihren Menschenrechtsverletzungen, ihren Umweltverschmutzungen, ihrer Korruption, ihrer Machtgier,... Sie wusste, sie hätte diese Aufzählung noch endlos weiterführen können, ihr fehlte jetzt jedoch die Kraft dazu.

„Iris?"
Ihre geistige Abwesenheit war mit der Zeit wohl aufgefallen.
„Ja?“
„Willst du auch? Es ist was Neues.“
Nein, war sie doch nicht. Ihr wurde lediglich etwas Alkoholisches angeboten, dessen Namen sie sofort wieder vergaß.
„Nein, danke.“
„Ach komm’ schon, das vertreibt dir alle Sorgen. Es ist echt harmlos. Morgen wirst du nichts mehr davon spüren, aber heute Abend wird es dich glücklich machen.“
„Ich weiß nicht.“
„Wir haben auch alle schon davon getrunken. Schau dir doch mal die andern an.“
Iris warf einen Blick in die Runde. Ihre Freunde schienen alle fröhlich und ausgelassen. Sollte sie nicht auch mal? Aber halt! Was war mit ihrem Vorsatz, immer bei vollen Sinnen zu bleiben? Diese Sinne bereiteten ihr im Moment grausame seelische Schmerzen. Es konnte eigentlich nur noch besser werden.
„Von mir aus, was soll’s, ich trinke.“

Mit einem Zug leerte sie das Glas. Es schmeckte widerlich, aber ihr wurde sogleich wohlig warm und ihre Sorgen verflüchtigten sich. Ein Strom von angenehmen Bildern floss vor ihrem geistigen Auge dahin. Sie war entspannt. Sie dachte nicht mehr nach, sondern ließ sich treiben. In ihren Ohren, hallte noch ein lautes „Halt“, das immer leiser wurde, bis es ganz verstummte.
Sie kümmerte sich nicht darum. Sie hörte nicht mehr, wie gesagt wurde, dass sie nur einige Schlucke hätte nehmen sollen. Sie bekam nicht mit, dass sich in dem Glas noch härtere Dinge als Alkohol befanden. Sie bemerkte nichts von der Hysterie, die um sie herum entstand. Sie hörte auch nicht die Sirenen des Krankenwagens, der sie abholte. Als sie im nächsten Krankenhaus ankam, war sie tot.

 

Hallo Rebecca.

Du hast eine schöne Art zu erzählen, die richtig fesseln kann. Und die Geschichte hat mir alles in allem auch ganz gut gefallen - bis auf den Schluß. Den finde ich dann doch ein wenig übertrieben. Ist ja fast lustig; sie trinkt jetzt einmal Alkohol und schon stirbt sie, weil dieser Alkohol mit Drogen zersetzt ist... ;)
Vielleicht hättest Du die Geschichte anders enden lassen können. Daß sie trinkt und daß sie weitertrinkt - immer weiter, bis sie irgendwann einmal abhängig ist. Sie merkt das erst, als es zu spät ist - oder so. Verstehst Du, was ich meine?
Besser würde natürlich nur ein Satz kommen, wie in etwa: "Vielleicht war das schon der Anfang ihrer Sucht. Der Sucht nach Frieden."

So, ich hoffe, ich konnte Dir ein wenig helfen... Wie gesagt; geschrieben ist die Story wirklich nicht schlecht!

Gruß,
stephy

 

Hallo Rebecca,

ich habe deine Geschichte gerne gelesen: der innere Monolog einer 18 jährigen, voller Verzweiflung über die Welt und der Suche nach dem absoluten Moment und der Freiheit. Doch ein bisschen konfus war es schon: die Suche nach Freiheit, der Großvater etc., da wurde viel abgehakt.
Den Schluss fand ich auch sehr übertrieben. Auch die Möglichkeit der Abhängigkeit wäre übertrieben gewesen. Dafür hätte der Schluss ausführlicher sein müssen.
Aber dennoch hat mir die Geschichte ganz gut gefallen.

Grüße

PP

 

Hallo Rebecca,

erstmal willkommen hier.

Ich hätte ähnliches geschrieben, wie Stephy und und Peter Pan.

Eine gute Geschichte, sozusagen natürlich auch ein Aufruf an alle nachzudenken, sich Gedanken über unsere Gesellschaft und den Umgang mit allen Suchtmitteln.

Allerdings ist das Ende sicherlich möglich, aber nicht unbedingt alltäglich. Trotzdem : Gut gemacht.

liebe grüsse archetyp

 

Hallo Stephy, PeterPan und Archtyp!

Vielen Dank für eure Antworten :-) und natürlich für das Lob...!

Stephy, ich wollte einen extremen Schluss. Außer dem Tod ist mir keiner eingefallen, den ich gut fand. Und lustig sollte das eigentlich nicht sein...
Mh...vielleicht hätte ich das ganze als eine Rückblende einer kaputten Persönlichkeit machen können, so wie du es vorschlägst...das hätte mir auch gefallen.

"Vielleicht war das schon der Anfang ihrer Sucht. Der Sucht nach Frieden."

Den Satz würde ich nicht gerne an das Ende schreiben...es würde nicht passen, nicht so wie die Geschichte im Moment aussieht.

PeterPan, wäre es dir lieber gewesen, wenn ich weniger Themen angesprochen hätte?
Ich wollte, dass alle Dinge reinkommen, an die ich, in der Zeit als ich es schrieb, selber auch dachte.

Du sagst:

„Auch die Möglichkeit der Abhängigkeit wäre übertrieben gewesen.“

Ich wollte keine Abhängigkeit beschreiben. Ich wollte ein Mädchen zeigen, dass einfach alle Probleme für kurze Zeit hinter sich lassen, sich für eine Weile von ihrem quälenden Bewusstsein verabschieden möchte...und dafür (ohne es zu wissen) ihr Leben riskiert.

Archtyp, du meinst:

„Allerdings ist das Ende sicherlich möglich, aber nicht unbedingt alltäglich.“

Willst du damit sagen, dass ich mir die Rubrik ausgesucht habe? Ich dachte halt, dass alles bis auf das Ende schon ziemlich alltäglich ist....

 

hi rebecca!

gute geschichte. ich würde den titel ändern, schließlich wusste sie ja nicht ganz, was sie da tat. dieses ende wollte sie sicherlich auch nicht, was immer auch für traurige gedanken in ihr herrschten. ich würde auch den letzten absatz anders schreiben und alles weg lassen, was sie nicht mehr mit bekommen hat. ich würde sie einfach weg kippen und sterben lassen, nicht mehr aus ihrer sicht schreiben, den stil mit ihrem sterben kippen. die notwendigen erläuterungen hätte ich in der art: "die polizei hat ermittelt" gebracht.

aber wie auch immer, gute geschichte.

buji

 

Hallo Kristin, hallo Buji!

So, es wurde aber auch Zeit. Ich habe meine Geschichte leicht verändert. Die Gedanken über den Großvater und einiges andere habe ich gestrichen. Du hast Recht, Kristin, die Böse hat zuviel auf einmal gedacht. Findest du es immer noch zuviel?

Buji: Den letzten Absatz habe ich so gelassen. Ich finde ihn ganz gut und ich verstehe auch nicht ganz, wie du ihn dir vorstellst...wie lässt du jemanden wegkippen und sterben? Und wie schreibt man in der Art: „die Polizei hat ermittelt“?

Danke für euer Lob und eure Kritik :-)

Rebecca

 

Sie hörte nicht mehr, wie gesagt wurde, dass sie nur einige Schlucke hätte nehmen sollen.
da musste ich echt lachen - ich weiss, unpassend.
hi rebecca,
als ich die geschichte las, dachte ich zu mir so: "moment mal, der stil kommt mir doch bekannt vor!"
klar - ich hatte ja eben "abschied" von dir gelesen. *hehe*.
diesmal ist der erzählstil passend, weil die erzählperspektive in der 3. person ist.
die kritiker hier haben es bereits alles gesagt. das ende musste nicht so hart sein, man könnte es auch offen lassen. (letzten satz streichen, z.b.)
diese geschichte ist sehr solide.
eine generelle kritik an euch autoren - *menno* fällt euch nichts mehr ein, was weniger deprimierend ist?? *seufz*.
bis dann
barde

 

Hi Barde!

Ich mag dieses Ende. Was ist so schlimm daran? Es ist doch echt möglich, dass sie stirbt. Vielleicht wäre es
wahrscheinlicher, dass sie es nicht tut, ok. Aber dass sie es doch tut ist doch nicht total aus den Wolken gegriffen...

Zu deiner generellen Kritik kann ich nur für mich antworten. Ich habe halt nicht das Bedürfnis über schöne Ereignisse zu schreiben. Auf jeden Fall hatte ich es bis jetzt noch nicht.

Rebecca

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom