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Ach, das ist doch alles für die Katz!
Du! Ja, genau dich mein ich! Dich, mit deinen Glubschaugen, deinem weichen Fell und den zierlichen Tätzchen. Du bist ja noch so jung, so unschuldig, so rein!
Wenn man mich früge: Du stinkst, bist hässlich und gemein. Aber mich frägt niemand. Ich bin ja nur der alte Hund, dem der Sabber aus dem Mund läuft. Wir beide sollen jetzt Freunde auf Lebenszeit werden? Dann musst du aber noch eine Menge lernen! Heute bist du zu weit gegangen! Das ist mein Revier!
Ich fletsche meine Zähne und knurre dich an. Geh doch fort!
„Aus! Balou! Aus! Sofort!“, schreit Frauchen in einem Tonfall, der mir verrät: Mach, was ich sage, dann gibt es ein Leckerli.
Leise knurr ich dich noch einmal an, aber wirklich so leise, dass es unter uns bleibt, dann schnappe ich mir meine Beute.
„Was schimpfst du denn immer mit der armen Nora? Sie ist doch so lieb!“
Ja, sie hat mir so lieb auf meine Decke gemacht. Ganz brav hat sie von meinem Napf gegessen, feines Kätzchen, ich tu dir nichts, gleich spiel ich mit dir. Ja, sobald Frauchen das Haus verlässt und den Schreihals vom Kindergarten abholt.
„Du kriegst auch noch was!“
Da geht Frauchen zu Nora und bringt ihr eine Knuspertasche. Auch noch die mit Rind! Warum wird dieses kleine Biest belohnt? Ich war gehorsam, ich war brav. Und sie? Steht nur herum und hat auf meine Decke …
„So ihr beiden, jetzt muss ich aber. Seid brav!“
Ich setze mich, stelle den Kopf leicht schräg und hebe das rechte Ohr an, als wolle ich nicht wahrhaben, was Frauchen da gesagt hat. Wie traurig, dass ich gleich mit Nora alleine sein werde. Da kann mich ja gar niemand aufhalten! Schade, schade, jetzt aber zackig!
Meine Hundeaugen folgen Frauchen, bis die Tür zufällt.
Endlich. Nora! Jetzt bist du dran!
Lass uns spielen. Noch ahnen deine unschuldigen Äuglein nichts von meinem Plan. Anmutig schleiche ich mich an dich heran.
Du musterst mich aufmerksam: wie ich vor dir innehalte, wie sich mein Körper nach vorne beugt und wie ich mich freue.
Versteh mich nicht falsch, ich will wirklich nur spielen. Wir sind doch Freunde. Ach, warum dieser Buckel, warum dieses Fauchen? Ich tanze um dich herum. Spielen? Verstanden? Dein Körper entspannt sich. So ist gut. Spielend schnappe ich nach dir, du flitzt davon und ich treibe dich in die Küche. Es poltert. Braves Kätzchen, du bist gerade gegen den Beistelltisch gerannt, auf dem der Farn steht. Ich meine natürlich stand, jetzt liegt er auf dem Boden. Deine Tätzchen verbinden sich mit Pflanzenerde und hinterlassen eine Spur bis zu dem Küchenschrank mit den großen Kochtöpfen. Das wird Frauchen gar nicht gefallen!
Wir sind aber noch nicht fertig. Komm sofort unter dem Schrank hervor! Ich fahre mit meiner Pfote in die Spalte und erreiche beinahe die Wand. Weil du Angst hast, saust du wieder davon. Gut! Sehr gut! Jetzt springst du auf einen Stuhl, dann auf den Küchentisch und verteilst weitere Spuren auf der weißen Tischdecke. Ich ramme den Tisch, du jammerst und machst einen Satz auf die Herdplatte, die leider aus ist.
Das reicht für heute. Tolles Spiel! Bleib nur da oben. Ich gehe jetzt raus in den Garten, wie immer. Da lege ich mich in meine Hütte und tu so, als schliefe ich. Gute Nacht!
Wer glaubt, dass ich wirklich schlafe, ist ein Narr. Manuels Geschrei kündigt Frauchens Rückkehr an. Niemand könnte bei solch einem Schreihals schlafen! Trotzdem bleibe ich liegen. Als Manuel auf mich zustürmt, schreit er: „Wau, wau!“, und krallt seine Finger in mein Fell. Ruckartig stehe ich auf, schüttle mich und habe nun auch offiziell einen Grund ganz zufällig in die Küche zu fliehen.
Schadenfroh betrachte ich mein Werk. Ich meine natürlich Noras Werk, doch …
„Armes Kätzchen. Was hast du denn da angestellt? Das ist aber nicht nett.“
Frauchens Zorn klingt sonst anders.
„Hast du dich auch nicht an den Scherben verletzt? Zeig mal her!“
Mein Plan ging nicht auf. Nächstes Mal muss ich härter durchgreifen.
„Die Mama macht das jetzt sauber und dann bekommst du erst einmal Leckerchen.“
Ich setze mich und starre mit hypnotischen Blick Frauchen an. Bekomme ich auch etwas? Sie ignoriert mich. Das muss ich ändern! Es stört sie, wenn ich belle, also winsle ich nur ganz sanft.
„Ach, Balou! Du hattest doch schon.“
Nora auch.
„Na gut, hier noch ein kleines, aber dann ist gut!“
Ja, für die nächsten fünf Sekunden sollte das reichen. Ich schnappe nach der Knuspertasche. Es stört mich übrigens überhaupt nicht, dass es Katzenfutter ist. Dir fresse ich nämlich gerne das Futter weg. Während Frauchen den Küchenboden wischt, machst du es dir auf der Couch im Wohnzimmer gemütlich. Was soll´s, dann bist du eben morgen dran.
Am nächsten Tag verabschiede ich Frauchen wieder mit dem Unschuldsblick. Tja, das kannst du eben nicht. Ich höre die Tür und bin schon ganz aufgeregt. So, wollen wir?
Dieses Mal mache ich mir nicht die Mühe, dich zu einem Spiel aufzufordern, sondern lege gleich los. Wunderbar! Wieder fliehst du vor mir, aber dieses Mal spielen wir im oberen Stockwerk. Hey! Oberes Stock …
Wo rennst du hin? Nach draußen? Ach, du meine Güte! Klettere mir bloß nicht auf diesen verdammten Baum, klar?
Danke, danke, dass du dich nicht den Baum entschieden hast, sondern für den Palisadenzaun. Mit einem Satz donnere ich gegen das Holz. Na, klasse. Du weißt wohl genau, dass ich da nicht rüber komme, was?
Ja, ich muss hier versauern, während du jederzeit die Welt da draußen erkunden kannst! Biest! Jetzt glotz mich nicht so an! Schau lieber, wo du stehst! Hey! Straße! Auto! Dummkopf!
Ich höre einen dumpfen Schlag, dein Gekreische und den Wagen, der einfach weiter fährt. Wahrscheinlich denkt der Fahrer das Gleiche wie ich: Du bist ja nur eine Katze.
Meine Augen wandern über deinen schmalen Körper und erkennen ein leichtes Zucken. Ich belle, aber es scheint dich nicht zu interessieren. Erneut versuche ich, auf die andere Seite des Zaunes zu gelangen. Mist, der ist ja immer noch so hoch wie vorher.
Willst du jetzt die ganze Zeit da liegen bleiben? Ach, komm schon! Schwing deinen Hintern hoch! War doch nur ein dummes Auto. Jetzt bleib nicht einfach liegen! Wen soll ich denn sonst ärgern? Wie langweilig! Mach jetzt nicht die Mitleidsnummer! Ach, Nora, weißt du was: Eigentlich find ich dich ganz okay. Für eine Katze. Steh bitte wieder auf, ja?
Zwei Tage später tut es mir leid. Ja, es tut mir wirklich leid, dass ich dich vermisst habe. Wie konnte ich nur? Auf der Straße hast du mir ganz gut gefallen, doch heute liegst du wieder auf der Couch. Der Unfall hat dich ein Bein gekostet, einen Grund mehr auf der faulen Haut zu liegen. Frauchen sitzt natürlich neben dir, krault dir den Nacken, die Ohren und füttert dich mit Knuspertaschen.
Ich dagegen sitze hier, draußen, in meiner Hundehütte – ausgesperrt. Eine Katze mit so einem alten Hund ginge einfach nicht gut. Also müsse man die beiden eben trennen. Es ist ja Sommer, schön warm. Das schadet Hunden nicht. Im Winter darf ich aber wahrscheinlich auch draußen bleiben. Wofür gibt es Winterfell?
Nur durch die Glastür, die in den Garten führt, kann ich euch beobachten.
Du schnurrst und grinst mich an.