Was ist neu

Absturz in die Kaffeetasse

Mitglied
Beitritt
04.08.2002
Beiträge
29
Zuletzt bearbeitet:

Absturz in die Kaffeetasse

Das Rauschen von fließendem Wasser aus dem Badezimmer drang schwach an mein Ohr. Wie jeden Morgen baute ich das Geräusch erst in meinen Traum mit ein. Wenige Minuten später riss das Klingeln des Weckers mich aus dem Schlaf. Die bleierne Müdigkeit lag tonnenschwer auf meinen Körper.
Mein Mann kam aus dem Bad ins Schlafzimmer zurück. Der herbe Geruch seines After Shaves lag schwer in der Luft.
„Guten Morgen“, sagte er. „Hängst du mir bitte den blauen Anzug heraus? Ich bekomme in der Firma heute wichtigen Besuch. Es geht um einen bedeutenden Geschäftsabschluss der mich, bei Gelingen, die Karriereleiter höher steigen lässt.“
Ich antwortete nur ein kurzes: „Ja mach ich“, und quälte mich dann mühsam aus dem Bett. Anscheinend ging es bei Georg jeden Tag um irgend einen wichtigen Termin. Er war so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass er es anscheinend nicht bemerkte, wie still ich geworden war.
Ich hängte den Anzug an den Schrank und ging runter in die Küche, um mir einen Kaffee zu kochen. Für Georg kochte ich Tee. Seit einigen Wochen meinte Georg, er könne keinen Kaffee mehr vertragen. Ich deckte den Frühstückstisch, steckte Weißbrot in den Toaster und stellte Aufschnitt, Marmelade und Honig bereit. Dann ging ich an das offene Küchenfenster und rauchte eine Zigarette. Als ich meinen Mann die Treppe herunter kommen hörte, drückte ich den Glimmstengel hastig im Aschenbecher aus. Georg mochte es nicht, wenn im Haus geraucht wurde. Er hatte mich morgens schon oft deswegen angefahren. Heute jedoch schien er bester Laune zu sein. Er kam in die Küche und setzte sich beschwingt an den gedeckten Tisch. Er streute etwas Zucker in seinen Tee, und aß einen Toast mit Erdbeermarmelade. Dabei erzählte er mir einige belanglose Dinge. Wie immer geriet Georg ins Schwärmen über das, was er noch alles erreichen wollte. Ich hörte nur halb hin. Mit Schwung stellte er die Tasse auf den Tisch, gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. Dann eilte er mit dem Mantel über dem Arm, und dem Schirm in der Hand zur Tür, um in die Firma zu fahren. Ich blieb zurück, trank eine weitere Tasse Kaffee und zündete mir eine neue Zigarette an. Ich verfiel weiter in meine trüben Gedanken. Wie gerne würde ich wieder arbeiten. Aber Georg meinte, er verdiene genug Geld. Damals hatte ich mich geschmeichelt gefühlt. Endlich konnte ich mich um Dinge kümmern die mir wichtig waren. Wir hatten uns vor zehn Jahren in der Firma kennen gelernt. Ich war Georgs Sekretärin gewesen. Damals waren wir immer zusammen aus dem Haus gegangen. Jetzt hatte eben alles an Bedeutung verloren, und nur noch das, was Georg tat war von Größe. Ich konnte mich nicht erinnern, wann diese Niedergeschlagenheit angefangen hatte. Meine Welt wurde von Tag zu Tag farbloser. Eigentlich hätte ich auch einmal wieder einen gründlichen Hausputz machen müssen, aber ich hatte einfach keinen Elan. Ich wußte nicht einmal mehr, wann ich das letzte Mal sauber gemacht hatte.

Am Abend machte Georg mir wieder Vor-würfe. Er lief durch das Wohnzimmer, und meckerte über die halb gelesene Zeitschriften auf dem Wohnzimmertisch herum. Er mißachtete auch meine Versuche das Haus für uns ein wenig gemütlicher zu machen.
„Liebes, du weißt doch, dieses Haus ist vom besten Innenarchitekten eingerichtet worden. Betreibe doch bitte nicht immer Stilbruch, wenn du deine eigenen Ideen hier hereinbringst.“ Ich hatte das Dekorieren dann aufgegeben. Nun saß ich im Sessel und sah aus dem Fenster.
Ein spät sommerlicher Tag war zu Ende gegangen. Die Blätter verfärbten sich schon deutlich. Wieder konnte ich mich nicht konzentrieren. Ich schloß die Augen und meinte in einem Karussell zu sitzen. Georgs Stimme hatte sich zu einem gespenstischen Flüstern verändert.
„...und dann hole ich dich zu dem kleinen Empfang von zu Hause ab.“
Verwirrt sah ich zu Georg auf.
„Träumst du, oder was ist los“, fragte Georg leicht gereizt. „Die Geschäfte in der Firma laufen gut, ich denke, morgen werden die Verträge zur Übernahme der finanzschwachen Firma unterschrieben. Und bitte geh zum Friseur und kleide dich mit was Elegantem, aber bitte nicht zu overdressed.“ Georg ermahnte mich, wenigstens den Anschein von Interesse zu zeigen. Ich sollte mich aber aus allem raushalten, wenn ich nicht wüsste, worum es gehe.
„Ich gehe noch mal weg“, sagte er. „Warte nicht auf mich, es wird sicher spät.“ Mit diesen Worten verließ er das Haus.
Ich saß noch einige Zeit nur so da und trank die zweite Tasse Kaffee aus. Ich hasste es, wenn er mit mir sprach als sei er der Vater und ich seine Tochter. Ich beschwerte mich aber nicht darüber, denn ich wusste, er würde es sowieso nicht verstehen.

Ich streckte meine schmerzenden Beine aus. Langsam kehrte das Gefühl in meine müden Glieder zurück. Eine Weile brauchte ich um zu verstehen, wo ich war. Ich setzte mich langsam auf und schaute mich im Zimmer um. Am Abend hatte ich es nicht geschafft ins Bett zu gehen, und hatte im Sessel übernachtet. Ich wollte auf Georg warten, war aber dann eingeschlafen. Ich fühlte mich wie immer müde und ausgelaugt.

„Georg“, rief ich. Doch keine Antwort kam. Warum hatte ich auch nicht nachgefragt, wo er denn noch hin wollte. Oder hatte ich gefragt? Ich konnte mich nicht erinnern. Ich stellte mir erst einmal einen Kaffee an und rauchte dazu eine Zigarette. In der Küche hatte ich mich an den Tisch gesetzt und versuchte krampfhaft einen klaren Gedanken zu fassen. Das Klingeln an der Haustür ließ mich zusammenzucken. Auf wackeligen Beinen tastete ich mich langsam zur Tür. Das Klingeln gab nun einen Dauerton von sich. Ängstlich schaute ich durch den Türspion. Erleichtert erkannte ich meine Freundin Renate, und öffnete den Eingang.
„Hallo Renate.“
„Darf ich rein kommen“, fragte Renate ohne Umschweife.
„Ja, aber nicht so lange. Ich muß noch irgendwo hin, nur in Moment weiß ich nicht, was es war.“ Ich sah sie mit erstaunten Blick an. Schon vor längerem hatte ich mit ihr über meine Antriebslosigkeit gesprochen, und das es immer schlimmer wurde. Ich ging ein Stück zur Seite, um sie herein zu lassen. Wir gingen zurück in die Küche.
Renate sah mich besorgt an.
„Jette, wie geht es dir?“
„Ich weiß nicht so recht, ich glaube ganz gut.“ Ich hatte das Gefühl, als hätte ich einen Knoten in der Zunge.
Renate versuchte mir einiges zu erklären.
„Ich habe, ohne es zu wollen, Bruchteile eines Telefongesprächs von Georg mit angehört. Am Dienstag mußte ich für einige Stunden zur Vertretung in das alte Büro zurück. Jette“, sprach Renate weiter, „ich habe einen Verdacht, aber ich möchte meine Vermutung erst von einem Arzt bestätigt wissen. Bitte ziehe Dich an und begleite mich.“

Das war vor genau drei Monaten. Renates Vermutung hatte sich bestätigt. In meinem Blut wurde ein hoher Spiegel an Beruhigungsmittel nachgewiesen. Es hätte nur noch kurze Zeit gedauert, bis ich an einer Überdosis gestorben wäre. Renate hatte eine Anzeige gegen Georg gemacht. Ich war dazu nicht in der Lage. Georg hatte dann der Polizei gestanden, mir Valium in das Kaffeepulver getan zu haben. Er selbst habe zu Hause nur noch Tee getrunken. Auf die Frage, was ihn dazu getrieben habe, antwortete er ziemlich abfällig, dass wir uns wohl auseinander gelebt hätten. Er meinte, nur mit Valium konnte er mich kontrollieren. Er hatte Sorge, ich würde ihn vor seinem Chef und den Kollegen blamieren. Seine Karriere als Jurist war ihm wichtiger. In Kürze sollte er in den Vorstand der Firma gewählt werden. Er sagte, ich wäre dann nur im Weg gewesen. Eine Scheidung hätte angeblich seinen Ruf in der Firma ruiniert. Georg hatte dafür gesorgt, dass Renate in eine andere Abteilung versetzt worden war. Seinen Kollegen hatte er erzählt, ich sei schwer herzkrank, und daher nicht sehr belastbar.

Ich hatte es wohl Renate zu verdanken, das nichts schlimmeres passiert war. Mit der Trennung von Georg hatte für mich ein neues Leben begonnen. Jetzt lebe ich allein in meiner kleinen Eigentumswohnung. Georg habe ich seit dem nicht mehr gesehen. Wenn nun morgens mein Wecker klingelt, spüre ich nur eine leichte Decke auf meinen Körper. Das Valium hat starke Spuren an meinen Körper hinterlassen.
Nur langsam finde ich in ein normales Leben zurück.

 

Hallo Conny, ich hoffe echt, dass das nur Fiktion ist.
Übrigens, als ich hier vor 3 monaten anfing, war deine story "tonlos" die erste, die ich überhaupt las. "Du hast gar keinen ponny!!"

Also die story ist flüssig und glasklar geschrieben, sachlich zudem. Klare Schilderung der Ereignisse, hat mir gefallen.

Sie kommt ohne grossartige Spannung aus, hier bei dieser Story geht das auch. Regt eher zum nachdenken und auch aufregen an. Georg-->krimineller Arsch.

Liebe grüsse Stefan

 

Hallo Stefan,

vielen Dank für deine positive Kritik. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Es ist in der Tat richtig, dass ich keinen Ponny habe.
Also nochmals vielen Dank.

Liebe Grüße
Conny

 

Hallo Conny,

ich komm morgens *gähn* auch nie richtig aus dem Bett, ob ich lieber umsteige und statt Kaffee auf Tee wechsele? :D

Also deine Geschichte hat mir gut gefallen. Die Idee ist gut und obendrein gut umgesetzt. Flüssiger Schreibstil und du hast die Figuren gut dargestellt.
Die Antriebslosigkeit deiner Protagonistin ist anschaulich geschrieben.
Ein paar Fehler, nämlich Bindestriche, die gelöscht werden könnten, hatte dein Text noch. Sind aber schnell beseitigt.

Lieben Gruß
Lakita


Ach so, ich hab noch ein Lob vergessen: der Titel ist erfrischend und passend und animiert zum auf diese Geschichte klicken. Gut gemacht!

 

Hallo Lakita,

auch in Tee ist Valium mit Sicherheit geschmacklos! :-)
Ich freue mich, dass dir meine Geschichte gut gefallen hat. Die kleinen Bindestrich Fehler habe ich eben beseitigt.
Bei der Überschrift hatte ich erst bedenken, ob man was gutes dahinter vermuten könnte. Du hast meine Zweifel nun aber ausgeräumt. Danke auch dafür.

Liebe Grüße

Conny

 

Hallo Conny!

Gefällt mir, deine Geschichte. Zum Titel: Ich war auf der Suche, nach etwas, wobei einem nicht die "Pseudo-Tränen" in die Äuglein steigen, und dein Titel klang interessant. Tja, zuerst hielt ich ihn für positiv, aber da ich mir ohnehin nichts Wirkliches darunter vorstellen konnte, fand ich die dazugefügte Geschichte wirklich gut.

Ist eine wirklich tolle Kurzgeschichte, sogar mit einem plötzlichen Wendepunkt am Schluss, der irgendwie alles umkippt. Ich finde das echt super. Ich dachte, es sei so nach dem Prinzip: Wir wollen uns nicht- wir schaffen uns affären an- wir kommen wieder zusammen- die affären finden sich gegenseiteig

:) Also war ich über dein Ende sehr überrascht und ich fand die Story wirklich gut gelungen..

was mir noch aufgefallen ist:

Am Abend hatte ich es nicht geschafft ins Bett zu gehen, und hatte im Sessel übernachtet. Ich wollte auf Georg warten, war aber dann eingeschlafen.

Ich kanns nicht mit hundertprozentiger sicherheit sagen, aber da das vorzeitig ist, und du davor Plusquamperf. hattest, musst du es in diesem Satz glaub ich auch machen...


Liebe Grüße
Merdania

 

Hallo Merdania,

hezlichen Dank für deine so positive Kritik meiner Geschichte.

Zu deinem Zitat, muß ich gestehen bin ich zur Zeit überfragt. Ich werde mich einmal auf die Suche nach der Richtigkeit des Satzes machen.

Vielen Dank noch einmal. Es tut gut wenn man positiv bewertet wird.

Viele Grüße

Conny

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Conny,

die Geschichte hat mir recht gut gefallen. Du hast sie flüssig und sprachlich sicher und gekonnt erzählt. Die Lethargie deiner Protagonistin – die im Gegensatz zum Schwung und zur Dynamik ihres Mannes steht – hast du gut rübergebracht. Ich hab mich zwischendurch gefragt, warum sie sich das gefallen lässt, aber es gibt sicherlich (leider) viele Frauen, denen es so ergeht und die sich nicht dagegen wehren können, und die Medikamente tun hier sicherlich ein Übriges.

Gefragt hab ich mich auch, und das ist mein einziger wesentlicher Kritikpunkt, warum du den Schluss so kurz gefasst hast. Die Sache mit den Beruhigungsmitteln ist für mich der zentrale Punkt der Story, die Zuspitzung dessen, was du vorher erzählt hast. Das hätte ich mir wesentlich ausführlicher gewünscht. Also den Besuch beim Arzt und diese Erkenntnis, die du als Gedanken deiner Protagonisten bzw. im Dialog mit dem Arzt und der Freundin sicherlich spannend und vielleicht sogar ein bisschen schockierend rüberbringen könntest. Hier hast du ein wesentliches Spannungselement verschenkt, indem du den Höhepunkt der Geschichte mit ein paar Sätzen abgetan hast. Diese unglaubliche Handlungsweise des Ehemanns wirkt natürlich auch so, aber nicht so stark, wie sie wirken könnte, wenn du diese Auflösung nicht so knapp präsentiert hättest.

Eigentlich hätte ich auch einmal wieder einen gründlichen Hausputz
"wieder einmal" ist mE als Formulierung griffiger und liest sich für mich besser

"Du", "Dich" >> "du", "dich"; nur "Sie" wird groß geschrieben

Morgen werden die Verträger zur Übernahme

Renate hatte eine Anzeige gegen Georg gemacht.
Klingt nicht gut. Warum nicht einfach "Renate hatte Georg angezeigt."?

Einen Trennstrich hast du noch im Text (zu-sammenzucken). Ist zwar nicht schlimm, aber ein Tipp dazu (falls du es nicht weißt): Wenn du in WORD schreibst, nutz doch den "weichen Trennstrich", also STRG + -, der verschwindet beim Rüberkopieren ins Editierfenster.

Ich hoffe, dass du mit meinen Anregungen etwas anfangen kannst.

Viele Grüße

Christian

 

Hallo Christian,

ich bin Dir sehr dankbar für deine Kritik. Ich bin immer froh, wenn andere einem ihre Meinung mitteilen, denn daraus lernt man meiner Meinung nach am besten. Die kleinen Fehler, die sich eingeschlichen haben, verbessere ich. Dies war mir nicht aufgefallen. Danke für deine Sorgfalt.
Ich habe ein kurzes Ende gewählt, weil ich mir nicht sicher war, ob es dann nicht zu langatmig wird.
Ich werde aber über eine Erweiterung nachdenken.

Liebe Grüße

Conny

 

Hallo Conny,

ich denke nicht, dass die Geschichte durch eine Erweiterung langatmig werden würde. Du musst es ja nicht übertreiben. Aber ich denke, dass du mit einer Erweiterung aus einer recht guten Geschichte eine bessere machen könntest.

Natürlich kommt es auch immer darauf an, was du mit einer Geschichte erreichen willst. Aber ein mehr an Spannung hat eigentlich selten geschadet.

Viele Grüße

Christian

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom