Mitglied
- Beitritt
- 30.01.2013
- Beiträge
- 17
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 11
Abstracts& Relations
Ich bin schwanger. Peng. Ein Satz, und schon habe ich ihn (also Martin) einen guten Batzen Realität angetan. Obwohl, in gewisser Weise fing er ja damit an (glaubt mir bloß nichts).
Seine erste Reaktion ist, er rollt sich von mir runter. Luft dringt da ein, wo vorher keine war. Es gibt ein saugendes Geräusch. Noch nackt, wie eine ausgebreitete Krabbe auf dem Rücken liegend denke ich (ich habe ihn nicht mehr im Blick) es gibt nichts einsameres als die Geräusche des Menschen neben dir, nein das macht keinen Sinn, zurück zu ihm, Martin.
Vor einigen Minuten noch lag er auf mir drauf, beide Arme angewinkelt als wolle er ein Huhn parodieren, und drehte an meinen Brustwarzen. Dem ging eine unweigerlich hier endende Kette von noch-mal-kurz abwaschen, warten, ein schneller Fick, zusammen kochen, essen und Wein trinken voraus.
Das was wir haben (oder, warscheinlicher, bis gerade hatten) könnte man wohl eine eingespielte Affäre nennen. Bei mehreren Gelegenheiten meinte er zu mir: „Schön, dass das mit dir so unkompliziert ist“, in Variationen natürlich, wohl immer dann, wenn er selbst die Sehnsucht spürte oder von sonst einen schlechten Gewissen geritten wurde … Ich selbst habe das Thema nie gestreift, warum auch.
Martin: „Spürst du mich? Spürst du mich?“
Was ich zunächst einmal spüre ist, auf eine eigentümlich grundliegende Art, klar, sein Gewicht. Das Raue des Schamhaars. Falten oder Risse, die sich öffnen und, durch eine hauchdünne Schweißschicht geleitet, wieder verkleben. Diese eigenartige, fast nie sicher wahrzunehmende Wabenstruktur, die seiner Haut innezuwohnen scheint. Sie ist mir schon vorher aufgefallen, als hätte er ein verstecktes Gerüst aus Kaninchendraht.
Kurzum, mit dem echten Martin oder Martin als Person hat das erschreckend wenig zu tun, oder ich finde es erschreckend nicht erschrocken zu sein ..
Aber wie ist das Martin-Ding (schon beim Schreiben, ich meine natürlich beim Erzählen bekomme ich ein schlechtes Gewissen, was sollt ihr erst denken? Aber nennen wir ihn ruhig so).
Also, wie ist das Martin-Ding da auf mich rauf-gekommen. Viel eher: Was fällt mir eigentlich zu ihm ein?
Ein paar Bilder, es muss sie ja geben, wir haben ja so etwas wie eine Vergangenheit: Wie standhaft er den aufgestellten Kragen seines Polo-Hemdes verteidigte, an dem Abend als wir uns kennenlernten. Danach habe ich ihn nie wieder mit aufgestellten Hemdkragen gesehen. Eine Strähne, nein eine umgekehrte Strähne an seinem Haaransatz, die Momente in der ich seiner Dummheit (ich weiß ich bin ungerecht) wie einem Ablauf folgen kann. Ach wie süß.
Es war wohl seine Hartnäckigkeit, und Gewohnheit. Nein, kann man jemanden, noch dazu jemanden der einen gerade voller Sympathie fickt, ein härteres Urteil ausstellen? Memo an mich: Ihm dabei öfters in die Augen schauen. Wo habe ich das nur geklaut? Und warum überkommt mich bei seinen Augen doch das schlechte Gewissen, meine alte Bekannte, zu spät wie immer?
Ach ja, das war so:
Martin: „Spürst du mich? Spürst du mich?“
Ich (darunter): „ -“
Martin: „?“
Ich: „Wir müssen reden.“
Kind (Aus dem Off, also der Nachbarwohnung): „Oijoijoijoijoi.“
Ich: „Martin, ich bin schwanger.“
Da wären wir wieder, zum Glück bei einer kleinen Denkpause (dabei hätte ich ja gedacht das er sie jetzt braucht, nein eigentlich hatte ich mir überhaupt nichts dabei gedacht).
Beide flach auf dem Rücken, den Blick an der Decke. Martin hatt eine angenehme Stimme: „Ok.“
Einen Moment lang kann ich mir vorstellen wie Liebe sich anfühlt, vielleicht auch nur das Gefühl von Liebe – Was soll er denn sonst sagen? Stimmt schon.
Vor allem: Dass ich so verlogen sein kann. Das ich nicht schwanger bin ist eine Tatsache, die ich nicht aus den Augen verlieren sollte, langfristig gesehen jedenfalls nicht, obwohl ich es gerade ganz lustig finde mir eine potentielle Zukunft vorzustellen.