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Abschiedsklopfen

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15.05.2002
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Abschiedsklopfen

Sie leuchteten so blau. Einst hatten sie ihr zugezwinkert und sie angelacht. Freude und Liebe zu ihr hatten darin gelegen. Sie waren offen gewesen, zwei wunderschöne Kornblüten am Anfang ihrer Pracht.
Nun sind sie kalt. Verwelkt. Ihre Augen erheischten noch ein letztes Mal die seinen, bevor sie in das Zugabteil einstieg. Ein kurzer, fester, doch irgendwie schüchterner Druck seiner Hand war der endgültige Abschied gewesen, vor dem sie sich schon so lange gefürchtet, ihn aber auch ersehnt hatte. Er hatte es nie gemocht, wenn sie in der Öffentlichkeit zärtlich zueinander waren. Wenn ihre Lippen sich suchend in seine Richtung gewandt hatten, zog er den Kopf zur Seite, einen Ausdruck der Furcht auf den sonst milden Zügen tragend. Einmal hatten ihre Finger sachte durch sein Haar gestrichen, während sie auf einem abendlichen Bummel durch die Stadt gewandelt waren. Es war unbewusst geschehen, ein Reflex der Zuneigung, unwillentlich von ihrem Herzen geleitet. Hielt sich Liebe an Regeln, auch wenn die Liebenden selbst diese aufstellten? Oh, wie seine tiefen Augenmeere sie voller Panik angefunkelt hatten, sie mit der dumpfen Wucht stummer Rüge trafen. Ihr Kopf war damals nach unten geflogen und ein heißes Brennen war in ihre Wangen gestiegen. Damals war er nicht der einzige geblieben, der sich geschämt hatte.
Nun war sie hier, saß auf einem schmutzigroten Sitz und schaute durch das dicke Seitenfenster nach draußen zum Bahnsteig, auf dem er ruhig dastand. In einer anderen Welt. Etwas hat uns immer getrennt. Eben kam die Sonne aus ihrem Versteck hinter den Wolken am überbauschten Herbsthimmel hervor gekrochen und beschien die Gestalt eines Menschen, den sie niemals wirklich gekannt zu haben glaubte. Sein Mund war von schmalem Ernst. Die Stirn glatt. Ein listiger Windfinger brachte jedoch etwas Unordnung in das gemeißelte Antlitz dieser menschlichen Skulptur, indem er eine dunkelbraune Haarsträhne über seine Schläfe tanzen ließ. Warum hast du es mir nicht einfach gesagt?
Ein Ruck ging plötzlich durch den Zug und langsam setzte sich die Welt draußen in Bewegung. Die Ferne rückte näher, während das ihr so Nahe stetig davon glitt. - Nein, schon lange fort war. War es, er, jemals bei ihr gewesen? Hatte er dieses brennende Gefühl geteilt, das seine Nähe früher, vor so langer Zeit, in ihrem Bauch geschürt hatte?
Noch einmal wandte sie den rot gelockten Kopf in die Richtung seiner hageren, schwarz ummantelten Gestalt. Der Wind hatte aufgefrischt und wallte den Stoff um ihn herum auf. – Sie sog überrascht die Luft ein. Etwas Diamantenes hatte, von einem Sonnenstrahl in eine Korona aus Licht getaucht, auf seiner Wange gefunkelt. Sich hastig abwendend richtete sie den Blick nach vorn ins Leere und konnte doch ihr dummes, heftig klopfendes Herz nicht beruhigen.

 

Hallo Marcus,

da hast du dich ja ordentlich im Fabulieren ausgetobt. ;)
Das ist dir über weite Strecken auch richtig gut gelungen, auch wenn es an einigen Stellen übertrieben scheint, oder an Stimmigkeit verliert.
Was das Lesen etwas chwer macht, sind deine Zeiten. Für meinen Eindruck könntest du es dem Leser etwas leichter machen, wenn du nicht Vergangenheit und vollendete Vergangenheit, sondern Gegenwart und Vergangenheit nutzen würdest. Damit käme auch die ungewisse Zukunft deiner Protagonistin besser zur Geltung.

Oh, wie seine tiefen Augenmeere sie voller Panik angefunkelt hatten, sie mit der dumpfen Wucht stummer Rüge schalten.
Hier bin ich mit dem zweiten Teil des Satzes gar nicht mehr klar gekommen. Das "schalten" konnte ich irgendwie nicht unterbringen. Vielleicht wäre hier ein simples "trafen" treffender. Kann aber auch daran liegen, dass mir "schalten" als vollendete Form von schelten nicht geläufig ist. Kurz, mir erscheint es nciht stimmig. ;)
draußen zum Bahnsteig, auf dem er ruhig dastand
"dastand" klingt für mich auch etwas stilbrüchig und nicht ganz richtig. Vielleicht fällt dir noch etwas anderes ein. Du könntest den Satz noch erweitern, etwa "auf dem er ruhog stand, ohne dem Zug hinterher zu schauen".

Du hast dich in der Szene des Abschieds wahrscheinlich hauptsächlich im Fabulieren geübt, hattest bestimmt auch viel Spaß beim Finden deiner Satzkreationen. Die Sprache hast du bewusst an altertümliche Literatur angelehnt. Das ist sicher Geschmacksache, gefällt mir aber gut. Ein bisschen überdeckt die Sprache dadurch die Gefühle deiner Protagonistin. Auch das scheint mir passend, denn sie ist genau wie deine Worte um die Wahrung der Fasson bemüht.
Was ich bei deinem Text schade finde, ist, dass er, auch wenn er so durchaus für sich stehen kann, eher wie ein Anfang als wie eine fertige Geschichte wirkt.

Lieben Gruß, sim

 
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Hi Marcus,
Im ganzen gefällt mir deine Geschichte recht gut. Obwohl sie nicht viel Handlung beinhaltet schaffst du eine bestimmte Atmosphäre. Trotzdem umschreibst nach meinem Geschmack umscheibst du manche Dinge zu geschwollen.
Das ist aber wahrscheinlich Geschmacksache!!Hier einige Stellen, die mir aufgefallen sind:

Sie leuchteten so blau. Einst zwinkerten sie ihr zu und lachten sie an.
Du beschreibst seine Augen, wie sie damals waren. Da du aber deine gesamte Geschichte im Imperfekt schreibst müsste hier eigentlich (wie du es später ja auch gemacht hast)das Plusquamperfekt stehen.

zwei frisch erblühte Knospen.
Wie können Knospen erblüht sein?


Die Ferne rückte näher, während das ihr so Nahe stetig davon glitt.
Gefällt mir. Vielleicht würd ich ,,das'' und ,,ihr'' vertauschen, ist aber nicht so wichtig.

Warum hast du es mir nicht einfach gesagt?
Was gesagt? Du greifst diese Stelle nicht wieder auf. Der Leser bleibt völlig im unklaren, woran die Beziehung der beiden gescheitert ist. Ich hätte, zumindest nach so einer Andeutung noch mehr Hintergrunginformationen erwartet.

Soviel erst mal von mir, lieben Gruß,
pitufa

 

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