Was ist neu

Abschiedsbrief

Mitglied
Beitritt
08.02.2006
Beiträge
15

Abschiedsbrief

„Liebe Eltern, meine libe Schwester und alle anderen, die mich liben.
Es tud mir wirklich laid, aber ich kann einfach nicht mer. Mein Leben ist so sinlos, die Tage sind grau und hässlich, seit vielen Tagen schon.
Ich will einfach nicht mer leben.
Bitte verzeit mir, ich libe euch alle!
Euer todtrauriges Mauerblümchen „


„Oh mein Gott, was musste ich das auch anklicken! ABSCHIEDSBRIEF!!!
Sehen wir mal, wie die anderen so reagieren – keine Antworten – komisch.
Seit wann liegt der Brief da herum? Oh – drei Stunden schon.
Und keine einzige Reaktion! Was tu ich nur, was soll ich nur ... ?
Rettung rufen? Wo schicke ich die dann hin?
Was erwartet dieses Mauerblümchen, wenn sie das ausgerechnet hier postet? Soll ich’s auch ignorieren?
Aber, wenn sie ernstlich Schluss macht?
Wenn sie überhaupt noch lebt!
Vielleicht braucht sie ja nur ein klitzekleines Zeichen warmherziger Anteilnahme?

„Liebes Mauerblümchen!
Die Tage sind nur grau, weil Winter ist und hässlich – daraus schließe ich, du wohnst im Ruhrgebiet.
Bitte mach keinen Blödsinn!
Das Leben geht weiter, wenn du es nicht beendest.
Liebe Grüße, dein WarAuchEinmalEinMauerblümchen“

Und absenden.
Ich denke, das genügt fürs Erste. So Selbstmörder lesen ja nicht gerne lange emails. Die haben wahrlich andere Probleme: Strick auf Reißfestigkeit überprüfen, Messer schärfen, Tabletten abzählen, ... Man kennt sich ja aus in der Branche.

Was sie wohl gerade macht?
Hoffentlich schreibt sie zurück. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät!

Guter Trick übrigens, das mit dem Nicknamen. WarAuchEinmalEinMauerblümchen. Das soll ihr das Gefühl geben: Du bist nicht die einzige, du brauchst dich nicht alleine zu fühlen.

Kling!
Neues email.
Absender: Mauerblümchen.
Gott sei Dank! Sie lebt noch!

„Liebes WarAuchEinmalEinMauerblümchen!
Danke, das du dich gemeldet hast. Aber es nuzt nichts, ich muss mich einfach umbringen.
Nie lassen sie mich in Ruhe, meine Eltern! Immer mischen sie sich ein.
Ich darf nichts alleine entscheiden oder alleine durchzihen. Und dabei werde ich sechzen, nächstes Jar.
Dein Mauerblümchen“

Oh, oh, die fühlt sich ja gar nicht einsam. Mehr zu sehr bedrängt.

„Liebes Mauerblümchen!
Was würdest du denn gern alleine machen? Hast du etwa so altmodische Eltern, die dich nicht einmal samstags über Nacht fortgehen lassen?
Liebe Grüße,
deine IchLassMirNixMehrDreinreden vormals WarAuchEinmalEinMauerblümchen „

Perfekte Hinhaltetechnik. Fragen stellen!

Werde mal etwas Tee kochen. Das macht man immer in so Krisensituationen.
Aber wie bringe ich den ins Ruhrgebiet? Soll ja heiß getrunken werden.

Kling!
Huch!
Sie schreibt wieder, JA!

„Liebe IchLassMirNixMehrDreinReden!
Gestern hab ich die Liebe meines Lebens kennengelernt und heute hat er mich verlasen!
Und wer ist schuld? Meine Eltern!!!
Durfte heute abend nicht mit im zur obercoolen Party seiner Clique gehen.
Da ging er ainfach mit meiner besten Freundin hin! Gemein!
Dein Mauerblümchen“

Mhm. Mhm.

„Liebes Mauerblümchen!
Das tut mir aber sehr leid für dich. Die Liebe des Lebens kennen lernen und dann das.
Wie sah er denn aus?
Liebe Grüße,
deine HatteAuchMalLiebeMeinesLebensAberIchStehDaDrüber vormals IchLassMirNixMehrDreinreden vormals WarAuchEinmalEinMauerblümchen

Wirklich schade! Da trifft man ihn endlich, den Traummann, und dann wird es einem dermaßen missgünstig verleidet.
Mir ging es ja mal ganz genauso ...

Kling!
Das ging aber schnell.

„Liebe HatteAuchMalLiebeMeinesLebensAberIchStehDaDrüber!
Er hatte blonde Hare und blaue Augen. Wenn man da hineinsah, sah ich seine Sele.
Dein Mauerblümchen“

Super! Blond und blauäugig. Wie besonders! Wie einzigartig! Gibt’s doch so viele wie Ameisen im Wald.
Aber ich werde mich hüten, ihr dermaßen unsensibel zu antworten a la „Sieh dich einfach in deiner Nachbarschaft um!“. Die ist doch imstande und läuft gleich los, um IHN zu suchen.
Jetzt muss sie erst einmal vor dem Selbstmord bewahrt werden. Das hat einfach oberste Priorität, das muss sie einsehen. Ist immerhin fast sechzehn, das arme Mädchen.

Meine große Liebe war schwarzhaarig mit braunen Augen. Und „Sele“ hatte der, ......
fast schon Seele, soviel!
Naja. Wie auch immer. Ich habe im Moment echt andere Sorgen.
Ich muss ein Leben retten!

„Liebes Mauerblümchen!
Vergiss das mit dem Umbringen!
Andere Mütter haben auch schöne Söhne.
Und überhaupt, das mit der Liebe. Also, wenn du einmal mein Alter erreichst, wobei ich jetzt gar nicht weiß, ob ich dir das wünschen soll ...
Ähm, ja, das mit der Liebe ...
Was soll’s! Wirst schon noch draufkommen! Ich hoffe halt.
Die Liebe ist einfach so irgendwie .... so...so... so speziell... so irrational ... so ...
so VERDAMMT SCHWIERIG!!
Und ehrlich gesagt...
Ach egal, völlig egal! Muss jetzt aufhören. Habe Wichtigeres zu tun.
Muss einen Abschiedsbrief schreiben.
Liebe Grüße,
deine WerIstJetztEigentlichDasVerflixteMauerblümchenUndBrauchstGarNichtLachenDuGöre! vormals .. ?Leben? ..vormals ...?nix?...vormals ...?war?.. isDochWurst! „

 

Hallo gudrun,

och nö...*enttäuschtguck* erst dachte ich, es kommt eine satte Satire über das leidgeprüfte Dasein des Kurzgeschichten.de-Kritikers, der sich ewig und immer mit allem, was sich hier Kurzgeschichte schimpft rumprügeln muss und nun auch noch an eine Selbstmordkandidatin gerät. :D

Innerlich lechzte ich schon nach süffisanten Formulierungen und so etwas wie Schadenfreude. Nee, nicht bezüglich der potentiellen Selbstmordkandidatin, sondern bezüglich der Fehlversuche des Kritikers, auch noch so ganz nebenbei neben einer netten oder konstruktiven Kritik ein kleines Leben zu retten.
So frei nach dem Motto: was mach ich heute mal Gutes? Ich schreib erstmal ne konstruktive Kritik für jemanden und dann rette ich noch schnell ein Leben.

Mist. Leider sitz ich nun enttäuscht und habe, nachdem ichs zuende gelesen habe, das Gefühl, um Genuss betrogen worden zu sein.

Damit will ich sagen, dass mir deine Geschichte viel viel viel zu brav war. Ihr fehlt das Überziehen des Genres, du gehst viel zu vorsichtig heran an die Sache und dadurch wirkt die Umsetzung deiner Idee langweilig.

Das Ende selbst ist zwar aus meiner Erwartungssicht durchaus überraschend für mich gewesen, aber ich denke, da hättest du gerne in der Dramatik besser ausgefeilt schreiben dürfen, denn so kommt es doch schwer nachvollziehbar plötzlich zu Tage, dass sich deine sog. Retterin selbst nicht retten kann.

Schade, so ists nur eine unrunde Geschichte geworden.

Lieben Gruß
lakita

 

Hallo lakita!
Verdammte Erwartungshaltung aber auch :)
Ebenfalls *enttäuschtguck*.

Danke für's Lesen und deine Kritik.

Liebe Grüße, gudrun

 

Hallo gudrun,

grundsätzlich bewegst du dich auf einem verdammt schmalen Grat mit einer SATIRE über den Suizid.

Mir hat da die Reflexion der Probleme, der Jammertüte gefehlt. Sicher hast du das mit

Super! Blond und blauäugig. Wie besonders! Wie einzigartig! Gibt’s doch so viele wie Ameisen im Wald.

angesprochen, aber ich finde, du hättest mehr davon bringen sollen, um jemandem der solche Gedanken mal hatte oder hat zu zeigen, dass sich jeder mal in so einer Situation befindet.

Das Ende war mir zu sehr ins Lächerliche gezogen. Du hättest doch auch schreiben können

"Mann, das hat mich aber mitgenommen, ich schreib jetzt auch so einen, will nima"

oder so ähnlich, stilistisch bin ich nicht grad so toll. *wimmerwimmerjammer*

Gruß

derklabauter

 

Hilfe wie geht das mit dem Zitieren ?

derklabauter schrieb:
Hallo gudrun,
Hallo derklabauter

grundsätzlich bewegst du dich auf einem verdammt schmalen Grat mit einer SATIRE über den Suizid.

Gut, dass du das ansprichst, da bin ich ganz deiner Meinung.

Mir hat da die Reflexion der Probleme, der Jammertüte gefehlt. Sicher hast du das mit
angesprochen, aber ich finde, du hättest mehr davon bringen sollen, um jemandem der solche Gedanken mal hatte oder hat zu zeigen, dass sich jeder mal in so einer Situation befindet.

Eigentlich wollte ich ja zeigen, dass sie eben "keine" Probleme hat, das sagt für mich schon ihr erster Brief aus, dass sie ein vielgeliebtes Mädchen ist.
Ich denke, sie hat den Abschiedsbrief nur als Art Drohung geschrieben: "Wenn ihr mich nicht tun lasst, wie ich will, werdet ihr schon sehen, was ich dann anstelle!"

Das Ende war mir zu sehr ins Lächerliche gezogen.

Ja genau das wollte ich ausdrücken, dass die "Retterin" eben schlimmer jammert und im Grunde selbst eine zu belächelnde Person ist.


Danke für deine konstruktive Kritik
Grüße, Gudrun

 

Juhhu! Zum ersten Mal bin ich konstruktiv!

Klick einfach auf die Sprechblase Zitat und schreibe zwischen deine zwei

's deinen Text rein.

Mfg

derklabauter

 

Zum ersten Mal bin ich konstruktiv
Also, zum erstenmal???
Das glaube ich jetzt nicht ganz.

Ah ja, zu Abschiedsbrief wollte ich noch schreiben.
Das Thema Suizid in einer Satire, da hatte ich auch ein bißchen Bauchweh.
Andererseits ist es, meiner Meinung nach, oft genau diese Art von Humor und Zynismus, warum manche tatsächlich Suizidgefährdete weiterleben.
Aber das ist sicher der Grund, warum meine Satire lakita viel zu brav erscheint.
Man hat da Hemmungen, derb zu schreiben, ähm also ich halt.
gudrun

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom