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Abschied

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24.08.2003
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Abschied

Café Uhrlaub, in der Hamburger Langen Reihe, St. Georg. Szeneviertel, nah am Hauptbahnhof. Im Moment viel zu nah für meinen Geschmack. Ich hasse den Hauptbahnhof.
Der Kellner wirft mir die ganze Zeit neidische Blicke zu. Er ist schwul. Der Mann in meiner Begleitung nicht, was mich zu einem glücklichen Mädchen macht.
Wir haben das "Spezial" bestellt. Der Name ist unglücklich gewählt, denn er klingt verdächtig. Was genau ist so speziell an vier Brötchen, zwei Scheiben Schwarzbrot, zwei Scheiben Graubrot, einer Aufschnitt-Platte und einem kleinen Korb mit Nutella, Honig und Butter? Vielleicht das Rührei auf der Aufschnitt-Platte? Der Schnittlauch?
Ich bin nicht oft hier, aber dafür gern. Einmal hatten wir hier ein Firmen-Meeting, die Fachhochschule ist ganz in der Nähe. Manchmal komme ich mit meiner Mutter her.
Mit meinem Freund war ich hier noch nie.

Worüber redet man, wenn man weiß, dass es zwölf Uhr ist und dass um 15:51 die Bahn fährt und man sich dann ein Vierteljahr nicht sieht?
An den Wänden hängen haufenweise Uhren, beim Namen des Cafés ist das irgendwie naheliegend. Die Uhren sind so freundlich, mich nicht daran zu erinnern, wie spät es gerade ist. Jede zeigt eine andere Zeit an. An irgendeinem Ort der Welt geht jede von ihnen richtig. Ich will nirgendwo anders sein als hier, ich will nirgendwann anders sein als jetzt. Kann die Zeit nicht stehenbleiben?
Ich hasse die Uhren.
"Du fehlst mir jetzt schon", sage ich. "Du mir auch", sagt mein Freund. Wir schauen uns an und lächeln beide.
Wenn er mich so ansieht, fühle ich mich wie ein anderer Mensch. Ich bin jemand Besonderes. Eine strahlende Flamme, die die Blicke aller anderen Menschen auf sich zieht. Der die Leute zulächeln, weil sie so viel Lebendigkeit ausstrahlt. Die die Kraft hat, auch dunkle Tage zu ertragen. In deren Leben es aber keine wirklich dunklen Tage gibt, weil sie genau weiß, dass die Sonne morgen wieder scheinen wird. Und weil sie von innen heraus leuchtet.
Ich fühle mich beinahe fiebrig. Vielleicht ist es der Espresso. Mein Herz schlägt so schnell, als würde es möglichst viele Schläge in die Stunden pressen wollen, die uns noch bleiben. Sie haben hier keine Sojamilch.
Wie bekommt man einen Film von einem Mac auf einen Windows-PC, dessen Bluetooth-Schnittstelle nicht funktioniert, wenn es kein funktionierendes öffentliches WLAN gibt und der Mac keinen SD-Kartenleser hat? Die Lösung dieses Problems frisst unsere Minuten. Obwohl die Uhren für andere Zeitzonen ticken, schlagen die Pendel unerbittlich Sekunde um Sekunde von der Zeit ab, die wir noch haben.

Er schafft es, gleichzeitig meine Hand zu halten und seinen Koffer hinter sich herzuschleifen, obwohl der Gehweg so gut wie unpassierbar ist vom Gemisch aus Schnee, Streugut und Dreck. Wir gehen zwei Häuser weiter zu einer der großen Kaffee-Ketten, wo sie auf Laktose-Allergiker eingestellt sind und ich nicht noch einen Espresso trinken muss, der mir ein Loch in den Magen brennt. Wenn wir schnell gingen, könnten wir in 10 Minuten bei meinem Lieblingscafé sein, aber in diesen 10 Minuten könnten wir uns nicht an beiden Händen halten und uns nicht in die Augen sehen und den Koffer müssten wir auch tragen.
Wir bestellen einen Latte Macchiato und einen Mokka mit Sojamilch für mich. Vanillesoja, schlägt der Mann hinter dem Tresen vor und wirft meinem Freund einen neidischen Blick zu, woraus ich schließe, dass er nicht schwul ist. Ich nicke. Wenn ich jetzt noch anstatt eines normalen Mokkas die White Chocolate-Variante nehme, wird mich der Zuckerschock wahrscheinlich umbringen, die süßeste Art zu sterben, und der beste Moment dafür.
Wir setzen uns auf zwei riesige weiche Sessel, die so wirken, als würden sie unzufriedene Kunden einfach fressen.
Er hat meine Hände zwischen seine genommen, um sie zu wärmen, weil sie eiskalt sind, das ist bei Frauen normal, draußen ist ja auch Winter. Mit dem Daumen streichelt er meine Finger.
Der Mokka ist widerlich süß, genauso wie immer. Ich weiß das, obwohl ich ihn nicht schmecke.
Ich schaue mich um, versuche, diesen Augenblick für immer in meinem Gedächtnis zu halten. Wir reden. Die Zeit vergeht wie im Flug. Irgendwann lässt er mich los.
"Ich bin kurz Kaffee wegbringen", sagt er. "Passt du auf, dass keiner den Koffer klaut?"
"Keiner außer mir, meinst du?"
Mit einem Lächeln verschwindet er Richtung Toiletten. Ich ziehe den Koffer etwas näher heran. Nehme die leere Kaffeetasse in meine leeren Hände. Wenn ich die Augen schließe, kann ich diesen Moment vielleicht speichern.
Wenn ich die Augen schließe und meine beiden Hände um einen dieser riesigen Kaffeebecher schließe, kann ich mir jetzt immer vorstellen, dass er gleich wiederkommt. Dass er mich anlächelt und dass ich nur die Tasse wegstellen muss, um ihn berühren zu können.
Ich hasse die Kaffeetasse.
Vielleicht funktioniert es auch anders herum. Vielleicht schlage ich die Augen wieder auf, und der Koffer ist fort, und die letzten Tage haben niemals stattgefunden.
Ich merke, dass er zurückkommt, obwohl ich es nicht sehe. Als ich die Augen öffne, sehe ich sein Lächeln. Ein Stein fällt mir vom Herzen - er ist wirklich hier.
"Träumst du?"
"Von dir."
"Ich bin bei dir."
"Das bist du." Ein Blick auf die Uhr. Diese Uhr zeigt die richtige Zeit an, aber die richtige Zeit ist die falsche Zeit, weil sie sagt, dass wir zum Bahnhof müssen. "Wenn der Zug pünktlich ist, wache ich in zwanzig Minuten auf."
Es gibt nichts dazu zu sagen. Wir gehen. "Wie findest du meinen neuen Koffer?", frage ich. Er lacht. "Soll ich ihn für dich tragen?"

Der Zug ist nicht pünktlich. Er wird nur wenige Minuten halten. Während wir warten, lasse ich ihn nicht los. Meine Haut soll sich an seine Berührung erinnern. Als der ICE angekündigt wird, umarmen wir uns. Ich lege die Stirn an seinen Hals und atme seinen Duft ein. Der raue Stoff seines Pullis kratzt an meiner Wange. Er hat sich seit ein paar Tagen nicht rasiert, ein wundervolles Gefühl auf meiner Haut. So real.
"Also", sagt er.
Geh nicht weg. "Komm bald wieder."
"So bald ich kann." Drei Monate. Eine Ewigkeit.
Ich liebe dich. "Du wirst mir fehlen."
"Du mir auch. Ich rufe dich an, bevor ich losfliege… ja?"
Flieg nicht los. "Mach das. Ich traue der Bahn nicht."
Er dreht sich halb um, betrachtet den ICE, lächelt mich an. Wenn er lächelt, ist es, als ginge die Sonne auf, obwohl sie sich dieses Mal hinter Wolken versteckt.
"Ich bin nicht traurig, weil du gehst", erkläre ich ihm. "Ich bin glücklich, weil du hier warst."
Mit dem Daumen wischt er mir eine Schneeflocke von der Wange, ich spüre die Feuchtigkeit. "Ich bin glücklich, dass ich hier sein durfte."
Ich halte ihn ganz fest. "Du kommst doch wieder?" Bitte, sag mir, dass du wiederkommst!
"Sobald ich kann."
Dann küssen wir uns, lösen uns voneinander, sagen Tschüss und er steigt ein. In dem Moment, in dem wir uns nicht mehr berühren, schwindet die Realität schon, wird weniger deutlich. Ich sehe ihm hinterher, wie er sich in der Schlange der Leute anstellt, die ihr Gepäck verstauen, ihre reservierten Sitze suchen und sich in die Stuhlreihen quetschen. Irgendwann kann ich ihn nicht mehr sehen. Er muss sich hingesetzt haben.
Er hat sich nicht noch einmal umgedreht.
Das Geräusch, mit dem ein Herz bricht, klingt genau wie das Geräusch, mit dem sich die Türen eines ICE schließen. Das habe ich bisher nicht gewusst. Meine Sicht ist unscharf, aber das liegt nur daran, dass es so verdammt kalt ist und meine Augen deswegen natürlich tränen. Mir ist schlecht vom Schokovanillesojamokka.
Blind fummle ich den Ipod Shuffle aus der Handtasche, befestige ihn am Kragen und stecke mir die Kopfhörer in die Ohren. Meine Hände sind noch warm von seiner Berührung, aber ich merke, wie sie auskühlen.
Unsere Körper haben einander berührt, wir haben nebeneinandergelegen und einander gestreichelt, bis jeder Zentimeter meiner Haut mit seiner Berührung erfüllt war. Wenn ich morgen unter der Dusche stehe, wird es sein, als würde ich all das abwaschen. Ich werde die Bettwäsche eine Weile nicht wechseln. Trotzdem wird sie irgendwann aufhören, nach ihm zu riechen, bald schon.
Ich habe einen seiner Pullover geklaut. Wenn ich ihn anhabe, wird es sein, als würde er mich im Arm halten, nur, dass es nicht so sein wird.
Wenn ich schnell genug Musik anmache, laut genug, dann höre ich den Zug nicht abfahren.
Und in diesem Moment spricht Gott zu mir durch meinen MP3-Player. "Rock'n'Roll children, alone again. Rock'n'Roll children, without a friend they still have Rock'n'Roll."
Ich hasse dich, Gott.

 

Hallo vita,

schön nach all den Jahren mal wieder ein Stück Text von Dir zu lesen. Hat mir gut gefallen, diese letzten gemeinsamen Minuten vor dem großen Abschied. Und da stecken schöne Dinge drin, komme ich gleich zu.

Café Uhrlaub, in der Hamburger Langen Reihe, St. Georg. St. Georg war der Schutzheilige der Kranken, das Viertel heißt deshalb so, weil es früher vor den Stadttoren lag, sodass die Aussätzigen in der Nähe waren, aber nicht zu nahe.

Ich verstehe ja die Motivation hinter dem Einstieg, aber er wird dem Rest der Geschichte aus meiner Sicht nicht gerecht. Der ist so ... zäh?

Wir haben das "Spezial" bestellt. Normalerweise esse oder trinke ich nichts, was so heißt. Ich finde immer, viel verdächtiger geht es fast nicht. Hier ist das Spezial eine Frühstücksplatte für zwei Personen, mit einem Brötchenkorb, Brot, einer Aufschnitt-Platte und Süßkram, Nutella und Zeugs. Ich bin nicht oft hier, aber dafür gern. Einmal hatten wir hier ein Firmen-Meeting, die Fachhochschule ist ganz in der Nähe.

Und gleich noch so ein Berichtsding hinterher. Ich glaube ja, dass Du das viel eleganter lösen könntest.

Die Uhren und die Zeit sind so freundlich, nicht übereinzustimmen. Zu behaupten, sie gingen alle falsch, wäre zu gewagt, denn erstens kann es sein, dass eine von ihnen durch Zufall richtig geht, und zweitens gibt es auch noch andere Zeitzonen.
Ich hasse die Uhren.

Und ab hier hat es einfach nur noch Spaß gemacht.

Mein Herz schlägt so schnell, als würde es möglichst viele Schläge in die Stunden pressen wollen, die uns noch bleiben. Sie haben hier keine Sojamilch.

Schön!

... und das ist zu weit, denn wir müssen den Koffer tragen und können uns nicht an beiden Händen halten und uns nicht in die Augen sehen, während wir laufen.

Zu erwähnen, dass man es nicht tun kann, wenn ... ist viel effektiver, als zu schreiben, dass man es tut. Muss ich mir auf den Merkzettel schreiben.

Wir setzen uns auf zwei riesige weiche Sessel, die so wirken, als würden sie unzufriedene Kunden einfach fressen.

:D

Diese Uhr zeigt die richtige Zeit an, aber die richtige Zeit ist die falsche Zeit, weil sie sagt, dass wir zum Bahnhof müssen. "Wenn der Zug pünktlich ist, wache ich in zwanzig Minuten auf."

Den Satz mag ich richtig gern.

"Also", sagt er.
Geh nicht weg. "Komm bald wieder."
"So bald ich kann." Drei Monate. Eine Ewigkeit.
Ich liebe dich. "Du wirst mir fehlen."
"Du mir auch. Ich rufe dich an, bevor ich losfliege… ja?"
Flieg nicht los. "Mach das. Ich traue der Bahn nicht."

Sehr schöner Dialog!

Das Geräusch, mit dem ein Herz bricht, klingt genau wie das Geräusch, mit dem sich die Türen eines ICE schließen. Das habe ich bisher nicht gewusst.

:) ich auch nicht. Aber klingt logisch.

Und in diesem Moment spright Gott zu mir durch meinen MP3-Player.

Ich hasse dich, Gott.

Der Ausstieg ist um Längen besser und kräftiger als der Einstieg.

Gern gelesen und zeitweilig stand ich tatsächlich mit den beiden auf dem Bahnhof und habe die Minuten gezählt.

Beste Grüße Fliege

 

Hallo Vita

Ich Stürze mich gleich mal ins Getümmel, ich hoffe du bist warm angezogen )

"Café Uhrlaub, in der Hamburger Langen Reihe, St. Georg. St. Georg war der Schutzheilige der Kranken, das Viertel heißt deshalb so, weil es früher vor den Stadttoren lag, sodass die Aussätzigen in der Nähe waren, aber nicht zu nahe"

Das ist ein ziemlich klobiger Anfang und ich erkenne nicht, welche Funktion er für die Geschichte hat. Da der text eh sehr lang ist, würde ich alles streichen, was nichtsein muss. Und das muss nicht sein. Zudem ist eine solche Wiederholung

"St. Georg. St. Georg "

Echt brutal. Vor allem, wenn zwischen den Punkten auch irgendwo ein neuer Satz beginnt.

"Wir haben das "Spezial" bestellt. Normalerweise esse oder trinke ich nichts, was so heißt. Ich finde immer, viel verdächtiger geht es fast nicht. Hier ist das Spezial eine Frühstücksplatte für zwei Personen, mit einem Brötchenkorb, Brot, einer Aufschnitt-Platte und Süßkram, Nutella und Zeugs. "
Auch hier längt es. Wenn du ein Bild anbieten möchtest, dann zeig uns doch das Frühstück. Da wären doch eine Menge Bilder möglich, die herrlich die Stimmung der prota spiegeln könnten.
Verschenkte Gelegenheit, finde ich

Die Uhren und die Zeit sind so freundlich, nicht übereinzustimmen. Zu behaupten, sie gingen alle falsch, wäre zu gewagt, denn erstens kann es sein, dass eine von ihnen durch Zufall richtig geht, und zweitens gibt es auch noch andere Zeitzonen."
Den ersten Satz finde ich super, der zweite kommt sehr plump daher. Wenn du das mi den Zeitzonen behalten möchtest (kommt ja noch mehr von vor im Text), solltest du das etwas eleganter einfädeln als so vortragsartig.

Die Lösung dieses Problems frisst unsere Minuten. Das Frühstücken auch"
Ein etwas unglücklicher Vergleich mit dem fressen, wo sie beim Frühstück sind.

"Er schafft es, gleichzeitig meine Hand zu halten und seinen Koffer hinter sich herzuschleifen. Wir gehen noch zum Balzac, einen Kaffee trinken. Balzac ist kein Starbucks, aber das nächste Starbucks ist auf der anderen Seite vom Hauptbahnhof in der Mönckebergstraße, und das ist zu weit, denn wir müssen den Koffer tragen und können uns nicht an beiden Händen halten und uns nicht in die Augen sehen, während wir laufen."
Das empfinde ich wieder als Ballast. Zum ersten Satz: Wow, was für ein Kerl , wenn er das beides schafft :dozey:

"Der Mokka ist widerlich süß, genau so, wie ich ihn haben wollte. Eigentlich schmecke ich ihn nicht."
Erst sagst du, wie er schmeckt und dann kommst du mit dieser eigentlich-Konstruktion.

"Ich schaue mich um, versuche, diesen Augenblick für immer in meinem Gedächtnis zu halten. Wir reden. Die Zeit vergeht wie im Flug. Irgendwann lässt er mich los."
Hier machst du es dir zu einfach. Wie sie das versucht und was so aus ihren Mündern stolpert, das würde Nähe erzeugen, in dieser Form sind es leere Phrasen.

Ein Blick auf die Uhr. Diese Uhr zeigt die richtige Zeit an, aber die richtige Zeit ist die falsche Zeit, weil sie sagt, dass wir zum Bahnhof müssen"
Das finde ich sehr gelungen
"as Geräusch, mit dem ein Herz bricht, klingt genau wie das Geräusch, mit dem sich die Türen eines ICE schließen. Das habe ich bisher nicht gewusst. "
Das ebenso

"Und in diesem Moment spright Gott zu mir durch meinen MP3-Player. "Rock'n'Roll children, alone again. Rock'n'Roll children, without a friend they still have Rock'n'Roll." "
Mja, also ich bin davon ja kein freund, Geschichten mit englischen Textpassagen zu unterfüttern. Das kann ich nicht ernst nehmen, ist das neben den dieweltistsoschlechtichbringmichumtexten doch auch die beliebteste Art von Teenies hier einzusteigen. Aber das ist allein meiner Ablehnung geschuldet, passen tut es hier natürlich auch und insbesondere wegen des "runninggags" mit dem " ich hasse ..."
allerdings spright Gott schon sehr seltsam :D

Wie du siehst, hängt der Text in meinen Augen leider ziemlich in den Seilen. Er ist viel zu lang und schlägt zu häufig den Weg des geringsten Widerstands ein. Erstaunlich viele Phrasen, wenige scharfe Bilder.
Zudem würde ich mehr von der Prota zeigen. Mehr Zerrissenheit, mehr Innenansicht. Also mit Tiefgang. So hatte ich am Ende ein bisschen das Gefühl: drei Monate, nun hab dich mal nicht so :aua:
Und der Herr des Herzens, der ist praktisch gar nicht vorhanden. Kein Bild, kein Ton. Bildet sie sich ihn vll nur ein?

Grüßlichst
Weltenläufer

 

Huhu Fliege,
schön, dass dir die Geschichte gefallen hat. Ich hab gerade schon ein bisschen dran rumgekürzt, den Einstieg etwas überarbeitet. Ich bin damit noch nicht ganz zufrieden, aber irgendwas ist ja immer :)
Danke fürs Lesen und gut finden!

Huhu weltenläufer,
auch dir danke fürs Lesen. (Natürlich bin ich warm angezogen, ich war gerade ne Stunde mit dem Motorrad unterwegs und trinke jetzt Kakao.)
Wie grad schon geschrieben, hab ich versucht, den Anfang zu entschlacken.
Zur Distanziertheit: Sie hat die ganze Zeit über das Gefühl, dass die Situation nicht real ist. Vielleicht versucht sie, es auf diese Weise wegzuschieben. Ich bin nicht sicher, ob ich, wenn ich die Szenen, die so an ihr vorbeirasen, detaillierter einfange, das nicht vielleicht kaputtmache, aber ich werde es mal ausprobieren. Wenn sie das Gleis verlässt, wird sie sich vielleicht fragen, ob all das wirklich passiert ist, wird die Finger an die Lippen heben und die Vergangenheit zu ertasten versuchen und die ganze Zeit über nicht glauben, dass er wiederkommt, weil sie vielleicht auch selbst nicht glaubt, dass es ihn gibt? Und sich fragen, wo der Tag geblieben ist? Dein

Bildet sie sich ihn vll nur ein?
trifft es also ziemlich gut. Wahrscheinlich muss ich das noch deutlicher herausarbeiten.

Den Typo habe ich gekillt. :D

Danke euch beiden für die Anregungen!

gruß

 

Hallo vita,

mir kommt der Text auch etwas unausgewogen vor. Ich erfahre viel ueber verschiedene Cafes, aber sehr wenig ueber die beiden Liebenden. Das liegt auch daran, dass sie kaum reden und das bis auf Haendchenhalten noch nicht mal durch Koerpersprache oder beredte Blicke wettgemacht wird. Das wenige was sie sagen, da schliesse ich mich weltenlaeufer an, klingt recht generisch "Du wirst mir fehlen." "Du mir auch." Das bringt mich ihnen oder der Situation nicht naeher. Und der Schluss mit dieser melodramatischen Klage an Gott und dem Liedtext ist mir echt arg und dann auch noch kursiv.

Also die beiden anderen haben auch ein paar huebsche Beobachtungen rausgepickt, und die sehe ich auch, aber insgesamt komm ich hier echt nicht rein in den Abschiedsschmerz.

lg,
fiz

 

hallo vita,

Wie schön mal wieder von dir zu lesen und dann auch noch eine Geschichte in R/E :thumbsup:

Der Titel ist für meinen Geschmack nicht gut gewählt, denn mit diesem Titel gibt es hier einen Haufen von Geschichten, auch ich habe diesen Titel für eine meiner Geschichten gewählt. Aber man weiß zumindest, dass hier eine melancholische Geschichte erzählt wird.

Den Einstieg finde ich teilweise gelungen. An sich stört mich das Abgehackte. Nach dem Motto hier passiert etwas Unwesentliches und gehört abgehakt, aber wenn man den Text ganz gelesen hat, erkennt man auch, dass es um Zeit geht, wie schnell einerseits, andererseits endlos langsam.

Worüber redet man, wenn man weiß, dass es zwölf Uhr ist und dass um 15:51 die Bahn fährt und man sich dann ein Vierteljahr nicht sieht?
Inhaltlich habe mich teilweise gefragt, warum du es erzählst. Irgendwie zeigt es mir, wie absurd das Leben sein kann.
Zum Bespiel hier:
Sie haben hier keine Sojamilch.
Wie bekommt man einen Film von einem Mac auf einen Windows-PC, dessen Bluetooth-Schnittstelle nicht funktioniert, wenn es kein funktionierendes öffentliches WLAN gibt und der Mac keinen SD-Kartenleser hat? Die Lösung dieses Problems frisst unsere Minuten.

und wie eng Emotionen und Realitätsverlust beiananderliegen.

Ich nicke. Wenn ich jetzt noch anstatt eines normalen Mokkas die White Chocolate-Variante nehme, wird mich der Zuckerschock wahrscheinlich umbringen, aber ich würde glücklich sterben.
Die Dramatik wirkt daher surreal auf mich. Der Schluss verstärkt das Surreale noch.
Mir ist schlecht vom Schokovanillesojamokka.
Blind fummle ich den Ipod Shuffle aus der Handtasche, befestige ihn am Kragen und stecke mir die Kopfhörer in die Ohren. Meine Hände sind noch warm von seiner Berührung, aber ich merke, wie sie auskühlen.
Wenn ich schnell genug Musik anmache, laut genug, dann höre ich den Zug nicht abfahren.
Und in diesem Moment spricht Gott zu mir durch meinen MP3-Player. "Rock'n'Roll children, alone again. Rock'n'Roll children, without a friend they still have Rock'n'Roll."
Ich hasse dich, Gott.

Hat was manisches, diese Geschichte:(
LG
GD

 

Hallo feirefiz,
auch dir danke fürs Lesen. Ich hab mich noch mal drangesetzt und versucht, die beiden etwas weniger generisch zu machen, aber zu speziell will ich an dieser Stelle natürlich auch nicht werden. Die Prota hat jetzt allerdings noch etwas mehr Innenleben spendiert bekommen und die Beziehung zwischen beiden ist vielleicht etwas deutlicher geworden?

Hoi Goldene Dame,
Naja, mit Titeln ist es wie mit Superwaffen, einige von ihnen passen eben einfach immer. Vielleicht ändere ich ihn nochmals nachträglich, aber bisher hatte ich noch keine wirklich zündende Idee.
Die Prota zweifelt daran, dass all die Dinge, die sie erlebt, wirklich real sind. Von daher freue ich mich, dass dieses Gefühl offensichtlich bei dir angekommen ist. Ich habe dazu noch mal einen Satz eingestreut. Sie erfährt die Realität hauptsächlich über Berührungen, was sie nicht berühren kann, ist nicht da, und daraus resultiert ihre etwas schräge Wahrnehmung. (Ich habe das in Ansätzen selbst, habe mir allerdings sagen lassen, dass es da draußen Menschen gibt, bei denen es noch viel extremer ist! Muss ein gruseliges Gefühl sein…)

Hat was manisches, diese Geschichte
hat das Leben aber auch. :)

Danke fürs Lesen und das Feedback euch beiden. Vielleicht habt ihr Lust, nochmals drüberzugucken, ob die Überarbeitung etwas geholfen hat?

gruß

 

Hallo vita!

Eigentlich will ich ja ins Bett, weil ich müde bin. Aber ich will nicht ins Bett, weil es da gruslig ist, da muss man die Augen zu machen und ist einfach ... weg. Puh.

Deshalb kommentiere ich das hier noch mal schnell. :)

Café Uhrlaub, in der Hamburger Langen Reihe, St. Georg. Szeneviertel, nah am Hauptbahnhof. Hier gibt es Hippies, Ökos, Künstler. Hamburgs Homosexuellenszene. Gutes Frühstück.

Das ist jetzt war besser als vorher, aber mir ists immernoch zu durcheinander. Lies das mal laut. Hast du?

Brauchst du denn das alles, was du in dem Satz hast? St. Georg ist mir egal, Hauptbahnhof reicht völlig. Und ob es in der Langen Reihe ist oder an der Kurzen Stelle, ist mir ebefalls egal. Das sind Begriffe, die ich als Mensch vom Mond nicht zuordnen kann - und auch nicht will. Man muss Gedächtnis sparen.

Der Kellner wirft mir die ganze Zeit neidische Blicke zu. Er ist schwul. Der Mann in meiner Begleitung nicht, was mich zu einem glücklichen Mädchen macht.

Das würde ich ersatzlos streichen. Ob der Kellner schwul ist oder nicht, ist völlig egal. Und es charakterisiert den Kerl da eher als Metrosexuellen oder als Schönling mit Muskelbergen - je nachdem. Und mich stört auch der Ausdruck "Mädchen" hier. Ja, vielleicht ists wichtig, weil man sonst nicht weiß, ob das "ich" ein Kerl oder ein Mädel ist - aber das kann man anders darstellen. Feirefiz kann das immer sehr gut. :)

"Du fehlst mir jetzt schon", sage ich. "Du mir auch", sagt mein Freund.

Gib dem Beneidenswerten doch einen Namen. Leute über ihre Verhältnisbezeichnung darzustellen hat so was Unpersönliches. Wie Mama oder Papa.

Worüber redet man, wenn man weiß, dass es zwölf Uhr ist und dass um 15:51 die Bahn fährt und man sich dann ein Vierteljahr nicht sieht?
An den Wänden hängen haufenweise Uhren, beim Namen des Cafés ist das irgendwie naheliegend. Die Uhren und die Zeit sind so freundlich, nicht übereinzustimmen. Jede zeigt eine andere Zeit an. An irgendeinem Ort der Welt geht jede von ihnen richtig. Ich will nirgendwo anders sein als hier, ich will nirgendwann anders sein als jetzt. Kann die Zeit nicht stehenbleiben?
Ich hasse die Uhren.
"Du fehlst mir jetzt schon", sage ich. "Du mir auch", sagt mein Freund. Wir schauen uns an und lächeln beide.

Hier müsste ich spätestens in die Gleich-gehst-du-ohjeh-Stimmung kommen, aber es klappt nicht. Ich erfahre, dass es Uhren gibt, die Frau beobachtet sie und wünscht sich, dass sie stehenblieben. Und dann hasst sie Uhren.

Dabei ist die Idee wirklich hübsch. Zum Verabschieden in eine Uhrbar gehen, in der man buchstäblich von verrinnender Zeit umgeben ist.

Was fühlt sie denn? Außer dem Hass da, den ich nicht verstehe, der mir eher wie Trotz vorkommt. Und warum ist es freundlich, wenn sie nicht übereinstimmen?

Du hast schon so einen leicht melancholischen Einschlag drin in dem Absatz. Aber Funke kommt bei mir nicht an. Ich fühle nicht mit.

Bau einen Kontrast ein, vielleicht. Lass sie ein anderes glückliches Pärchen sehen, sie sitzt am Tisch, er kommt dazu, sie begrüßen sich: Endlich, nach drei Monaten sehen wir uns wieder! Oder: Lass sie daran denken, was sie in der Wohnung vermisst. Hat er sein Haustier dagelassen? Seine Filzpantoffel mitgenommen, über die sie jeden Tag gestolpert ist? Oh je, wie sie das Stolpern vermissen wird!

Mach erlebbar, dass sie ihn liebt, dass etwas (für jeden Leser verständliches!) fehlen wird, wenn er weg ist.

Da hast du ja eh so etwas:

Ich werde die Bettwäsche eine Weile nicht wechseln. Trotzdem wird sie irgendwann aufhören, nach ihm zu riechen, bald schon. Eins seiner T-Shirts liegt neben meinem Kopfkissen. Wenn ich mein Gesicht darin vergrabe, wird es sein, als wäre ich ihm nahe.

Das gehört an den Anfang!

So, und jetzt probier ichs nochmal mit dem Schlafen. :)

Gute Nacht!

yours

 
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Hallo vita,

die Protagonistin muss ja noch schwer frisch verliebt sein, wenn sich der Abschied von drei Monaten von ihrer Warte aus fast wie ein Todesurteil anhört ;)

Café Uhrlaub, in der Hamburger Langen Reihe, St. Georg. Szeneviertel, nah am Hauptbahnhof. Hier gibt es Hippies, Ökos, Künstler. Hamburgs Homosexuellenszene. Gutes Frühstück.
Wie andere bin ich auch über die stakkatoartigen - wenn auch schon veränderte - Einstiegssätze gestolpert.
Warum nicht ganz normal: Hier gibt es Hippies, Ökos, Künstler, Hamburgs Homosexuellenszene und gutes Frühstück. Da werden drei Spezies, mit Kommata getrennt, genannt. Dann noch zwei separat in Sparsätzen. Da denke ich als Leser nach der Aufzählung beim Weiterlesen an eine andere Informationsebene und bin erstmal irritiert. Das liest sich laut auch nicht gut.

Der Kellner wirft mir die ganze Zeit neidische Blicke zu. Er ist schwul. Der Mann in meiner Begleitung nicht, was mich zu einem glücklichen Mädchen macht.
Irgendwie verstehe ich nicht, wieso ein Schwuler die Begleitung neidisch ansehen soll, anstatt den scheinbar attraktiven Begleiter.

Mit meinem Freund war ich hier noch nie.
Da gehört ein Name hin, sonst wirkt das wie ein Erzählbericht.

Worüber redet man, wenn man weiß, dass es zwölf Uhr ist und dass um 15:51 die Bahn fährt und man sich dann ein Vierteljahr nicht sieht?
Du hast ein paar Sätze in der KG, die sich für mich sehr umständlich anhören.
Wie dieser auch. Wie wäre denn:
Worüber redet man, wenn man weiß, dass in knapp vier Stunden sein Zug fährt und man sich dann ein Vierteljahr nicht sieht?

An den Wänden hängen haufenweise Uhren, beim Namen des Cafés ist das irgendwie naheliegend.
irgendwie streichen

Die Uhren und die Zeit sind so freundlich, nicht übereinzustimmen. Jede zeigt eine andere Zeit an.
Die Zeit läuft und läuft und kann deshalb nicht dafür verantwortlich gemacht oder als freundlich tituliert werden, wenn sie nicht mit den Uhren einheitlich geht.
Es nicht also nur die Uhren, die so freundlich sind, nicht mit der Zeit übereinzustimmen.

"Du fehlst mir jetzt schon", sage ich. "Du mir auch", sagt mein Freund. Wir schauen uns an und lächeln beide.
Bitte ein Name.

Wie bekommt man einen Film von einem Mac auf einen Windows-PC, dessen Bluetooth-Schnittstelle nicht funktioniert, wenn es kein funktionierendes öffentliches WLAN gibt und der Mac keinen SD-Kartenleser hat?
Das ist auch so ein ewig langer Wurschtelsatz - und Leute, die doch etwas weniger mit der EDV versiert sind (und die gibt es noch!), verstehen auch nur Bahnhof ;) - vielleicht abgeschwächt so:
Den letzten Film von xy wollten wir noch zwischen unseren Notebooks austauschen, aber die Technik macht uns einen Strich durch die Rechnung.


Balzac ist kein Starbucks, aber das nächste Starbucks ist auf der anderen Seite vom Hauptbahnhof in der Mönckebergstraße, und das ist zu weit, denn wir müssen den Koffer tragen und können uns nicht an beiden Händen halten und uns nicht in die Augen sehen, während wir laufen.
Finde ich unnötig.

Wir setzen uns auf zwei riesige weiche Sessel, die so wirken, als würden sie unzufriedene Kunden einfach fressen. Meiner wäre groß genug, um im Schneidersitz drauf zu sitzen.
Erster Satz: Super. Aber der zweite ... oweia.
Durch den zweiten Satz hast du in zwei Sätzen dreimal sitzen und riesig im ersten Satz reicht aus, um die Dimension zu beschreiben. Den zweiten Satz würde ich streichen.
Mit der einen Hand hält er meine fest, mit der anderen streichelt er meine Finger. Meine Hände sind eiskalt, aber das ist bei Frauen ja normal.
Ein Gewurstel mit Händen und Fingern ... welche Finger streichelt er denn? Die der Hand, die er festhält oder die anderen?

Nehme die leere Kaffeetasse in meine leeren Hände.
das leeren bei Hände streichen

Kann, wenn ich mit einer von diesen riesigen Kaffeetassen in den Händen dasitze und die Augen zumache, mir vorstellen, dass er gleich wiederkommt und mich anlächelt und dass ich die Tasse wieder hinstellen und ihn berühren kann.
Wieder so ein verquaster Satz. Vorschlag:
Kann mir vorstellen, wenn ich mit einer von diesen riesigen Kaffeetassen in den Händen dasitze und die Augen zumache, dass er gleich wiederkommt, mich anlächelt, ich die Tasse wieder hinstellen und ihn berühren kann.
Ich merke, dass er zurückkommt, obwohl ich es nicht sehe. Als ich die Augen öffne, sehe ich sein Lächeln.
WW


"Ich bin nicht traurig, weil du gehst", erkläre ich ihm. "Ich bin glücklich, weil du hier warst."
Mit dem Daumen wischt er vorsichtig über meine Wange. Ich spüre Feuchtigkeit. Eine Schneeflocke? "Ich bin glücklich, dass ich hier sein durfte."
Ich halte ihn ganz fest. "Du kommst doch wieder?" Bitte, sag mir, dass du wiederkommst!
"Sobald ich kann."
Das ist mir zu dick aufgetragen; ist ja fast wie Saint-Exupéry ;)
Das Geräusch, mit dem ein Herz bricht, klingt genau wie das Geräusch, mit dem sich die Türen eines ICE schließen. Das habe ich bisher nicht gewusst.
Gebrochenes Herz wegen drei Monaten? Also das ist nun wirklich zuviel für mich ...
Wenn ich schnell genug Musik anmache, laut genug, dann höre ich den Zug nicht abfahren.
Das wäre mein Abschlusssatz.

Und in diesem Moment spricht Gott zu mir durch meinen MP3-Player. "Rock'n'Roll children, alone again. Rock'n'Roll children, without a friend they still have Rock'n'Roll."
Ich hasse dich, Gott.
Das würde ich streichen. Ersatzlos.

Vielleicht kann ich mich nicht mehr so genau daran erinnern, wie es ist, rosarot verknallt zu sein und dann eine Trennung hinnehmen zu müssen.
Dabei war es ja früher bei mir noch schlimmer: Heute mit Skype und Webcam ist es ja fast, als wäre Mr. Noname bei der Protagonistin.
Ich kann es einfach nicht nachvollziehen. Vielleicht hast du es als Autor aber auch nicht ganz geschafft, mir deutlich zu machen, wieso es denn für die Protagonistin so schwer ist. Ich muss auch weltenläufer mit dem Einwand Recht geben, dass der Freund zu blass gezeichnet ist. Was macht denn den Typ so toll, dass der Protagonistin das Herz bricht - der Armen? Da solltest du noch etwas nachlegen, damit ich auch ein Taschentuch zücken kann.

Ach - der Titel ist, wie GD schon sagt, zu beliebig. Vorschlag: Abschiedszeit / Abschiedszeiten

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo vita!

Worüber redet man, wenn man weiß, dass es zwölf Uhr ist und dass um 15:51 die Bahn fährt und man sich dann ein Vierteljahr nicht sieht?

Ja, das kenne ich sehr genau. Dieses Gefühl fand ich perfekt beschrieben. Irgendwie und eigentlich gibt es überhaupt nichts zu sagen, obwohl doch so viel da ist.

Balzac ist kein Starbucks, aber das nächste Starbucks ist auf der anderen Seite vom Hauptbahnhof in der Mönckebergstraße, und das ist zu weit, denn wir müssen den Koffer tragen und können uns nicht an beiden Händen halten und uns nicht in die Augen sehen, während wir laufen.
Das habe ich nicht so ganz verstanden, was damit gesagt werden soll. Dass Starbucks besser ist als Balzac, sie also lieber in ein Starbucks gehen würden?
Wenn ja, weiß ich nicht, wie das bei den meisten Lesern ankommt, immerhin soll Starbucks & Co ja zur dunklen Seite der Macht und so..

einen Latte Macciato

hey, bei Deinem italienischen Namen hätte ich das vorausgesetzt!
Macchiato

(die übrige Diskussion, ob nun die oder der weil latte weiblich und so weiter ist mir zu blöd)


nehme, wird mich der Zuckerschock wahrscheinlich umbringen, aber ich würde glücklich sterben.

hier hat mich die Zeitenfolge verwirrt. Fände am Satzende wieder Futur schöner: werde glücklich sterben.


Das Geräusch, mit dem ein Herz bricht, klingt genau wie das Geräusch, mit dem sich die Türen eines ICE schließen. Das habe ich bisher nicht gewusst.

wunderschön


Ja, so ab der Bahnhofsszene dann, als es bartstoppelt und männerduftet, hab ichs nicht mehr so gern gelesen, aber das liegt, da bin ich mir sicher, nicht an der Qualität des Textes, sondern weil das eben eine extrem weibliche Perspektive ist, auf die ich nicht so einsteigen kann.

Insgesamt fand ich den Text ziemlich gut, weil es ja eigentlich keine Geschichte mit dem üblichen Aufbau ist und er für mich trotzdem funktioniert.

Liebe Grüße, T.

 

T Anin schrieb:
Ja, so ab der Bahnhofsszene dann, als es bartstoppelt und männerduftet, hab ichs nicht mehr so gern gelesen, aber das liegt, da bin ich mir sicher, nicht an der Qualität des Textes, sondern weil das eben eine extrem weibliche Perspektive ist, auf die ich nicht so einsteigen kann.

Hallo vita,

Was ich an dem Text mochte war - das er eben genau diese Abschiedsszenerie aus einem Blickwinkel beschreibt - wo es nur um dieses Gefühl der Trennung auf Zeit ging. Ein Bauchtext sozusagen. Und ich fand es sehr angenehm, dass da eben nicht auf die Beziehung im Vorfeld eingegangen wurde - die wird wohl in Ordnung gewesen sein, wenn sich der Abschied schmerzhaft anfühlt. Auch, dass er da nicht zu Wort kam, fand ich gut, denn damit muss jeder für sich allein klar kommen, sie leidet, da ist doch egal, ob er nun mit ihr leidet, was er sagt oder tut. Vor allem fand ich gut, dass Du damit diesem normalen - ach und nun müssen wir uns trennen - diese Szene, die ja jeder kennt, umgangen bist und mehr auf das Gefühl, als auf das Außengeschehen eingegangen bist. Und nun bringst Du genau das da rein - dieses schon einhundert Mal dagewesene Kissen, sein Geruch - diese Klischees. Der Text verliert für mich in diesem Augenblick. Ist aber nun mein ganz persönliches Empfinden.

Das es ihn nun nicht geben soll - ach je - dass ist eigentlich ganz schön krank von ihr und dafür bräuchte sie dann viel mehr Charakter, um mir das zu vermitteln, weil mir im gesamten Text ihre Motivation für ein solches Handeln fehlt. Das wäre ja dann eigentlich die Geschichte, warum sich wer so was Krankes ausdenkt und einen Imaginären zum Bahnhof bringt.
Viel spannender finde ich die Frage, ob er wohl zurückkommen wird. Ob diese Beziehung eine solche Trennung verkraften kann. Dieses Ungewisse, was in solchen Momenten mitschwingt.

Und diese Starbucks vs Balzac Geschichte - ist wie die Frage, gehen wir zu McDonald oder Burgerking? Wofür? Lass die doch einfach noch nen Kaffee trinken und gut. Und ihr Stammdings liegt halt in unerreichbarer Ferne, also nimmt man in solchen Momenten das Nächstbeste, man will ja keine Zeit vertrödeln. Das hast Du ja drin.

Inzwischen ist mir völlig unklar wohin diese Geschichte laufen soll. Die Vermittlung der Atmosphäre, der Gefühle bei einem solchen Abschied fand ich hübsch. Alles andere empfinde ich als Ballast.

Und ich ende auch mit einem Zitat von T Anin:

Insgesamt fand ich den Text ziemlich gut, weil es ja eigentlich keine Geschichte mit dem üblichen Aufbau ist und er für mich trotzdem funktioniert.

Dem kann ich mich nur anschließen.

Lieben Gruß Fliege

 

Salü vita,

diese Geschichte wirft mich weit zurück in die Erinnerungen an viele Abschiede: Die quälenden Momente auf Bahnhöfen, in Bahnhofsrestaurants, auf dem Bahnsteig … Die Minuten wollen nicht vergehen und rasen trotzdem vorbei. Was gesagt werden will bleibt ungesagt, die Vernunft ist so stark, der Kloss im Hals so gross. Mutig ist man tapfer und doch ist die Angst riesig: Wird nach drei Monaten das Glück zurückkommen oder wird alles anders sein? Mokka mit Vanillesojamilch kenne ich zwar nicht, aber schaurig süssen Suchardkakao! Wenn ich nur schon daran denke, dreht sich mein Magen. Kurz, du hast da für meine Erinnerungsschübe ganze Arbeit geleistet und so kann ich diese Geschichte nur gut finden. Ich konnte sie leicht und zügig lesen, konnte lächeln, nachfühlen und ein paar ganz eigene Sachen sind mir eingefallen …

Hier noch ein paar Anmerkungen:

Wenn er mich so ansieht, fühle ich mich wie ein anderer Mensch. Ich bin jemand Besonderes. Jemand, der die Blicke aller anderen Menschen auf sich zieht. Dem die Leute zulächeln, weil er so viel Lebendigkeit ausstrahlt. Der die Kraft hat, auch dunkle Tage zu ertragen. In dessen Leben es aber keine wirklich dunklen Tage gibt, weil er genau weiß, dass die Sonne morgen wieder scheinen wird.
Hier beziehst du dich auf „anderer Mensch“ und „jemand Besonderes“ und fährst fort mit der männlichen Form. Die die das fühlt, ist aber weiblich. Da würde ich vorschlagen, die weibliche Form durchzuziehen, etwa so:
Wenn er mich so ansieht, fühle ich mich wie eine andere Frau. Ich bin eine Besondere. Eine, die die Blicke aller anderen Menschen auf sich zieht. Der die Leute zulächeln, weil sie so viel Lebendigkeit ausstrahlt. Die die Kraft hat, auch dunkle Tage zu ertragen. In deren Leben es aber keine wirklich dunklen Tage gibt, weil sie genau weiß, dass die Sonne morgen wieder scheinen wird.

aber das nächste Starbucks ist auf der anderen Seite vom Hauptbahnhof in der Mönckebergstraße, und das ist zu weit, denn wir müssen den Koffer tragen und können uns nicht an beiden Händen halten und uns nicht in die Augen sehen, während wir laufen.
Das ‚denn‘ ist nicht hübsch. Vorschlag:
aber das nächste Starbucks ist auf der anderen Seite vom Hauptbahnhof KOMMA in der Mönckebergstraße.PUNKT Das ist zu weit, wir müssen den Koffer tragen und können …

Meiner wäre groß genug, um im Schneidersitz drauf zu sitzen.
Wäre und darauf oder wär‘ und drauf – darauf fänd ich stilvoller, weil weniger salopp.

Meine Hände sind eiskalt, aber das ist bei Frauen ja normal. Es ist ja auch Winter, draußen. Der Mokka ist widerlich süß, genauso wie immer.
Zweimal ‚ja‘ > das erste kannst Du streichen, oder?

Beim überfliegen der anderen Kommentare las ich oft das Wort Ballast. Den konnte ich nicht finden. Da hast du wohl schon kräftig überarbeitet?

Danke für all die kleinen Details, sie sind in meinen Augen stark und sehr nachfühlbar.

Lieben Gruss,
Gisanne

 

Hi Bernadette,

weißt du, wie lange sie sich vorher nicht gesehen haben? ;) Aber ja, das ist sie wohl.

Über den Einstieg muss ich noch mal drübergucken, damit bin ich auch noch nicht zufrieden. Den Satz mit dem schwulen Kellner würd ich aber gern drinlassen, weil mir das mal genauso (mit einem guten Freund) passiert ist und ich es so niedlich fand.
Du kennst mein Problem mit Namen, eigentlich möchte ich niemandem einen Namen geben, ich bin nie zufrieden damit. :(
Der Satz mit den Uhren ist komisch, du hast Recht, den werde ich ändern. Das mit den Händen muss ich auch nochmal auseinanderfummeln :D
Bei der Schneeflocke mach ich mal wirklich eine Schneeflocke draus. Da will ich auch nochmal drüber, ich bin noch nicht glücklich mit dem Schluss.
Die letzten Sätze möchte ich allerdings lieber drinlassen. Ich mag den MP3-Player, der die Situation kommentiert, den fand ich bei Wächter der Nacht immer schon cool.
Und sind Skype und Webcam wirklich ein Ersatz dafür, sich drei Monate lang nicht berühren zu können?

Hallo T Anin,
auch dir Danke für die Kritik. Schön, dass du das Gefühl nachvollziehen konntest. Ich schreibe mittlerweile hauptsächlich deshalb, um Snapshots von Emotionen und Momenten zu erzeugen, und ich freue mich immer, wenn es mir gelingt.
Das mit den Cafes werd ich nochmal überarbeiten, das wurde ja schon mehrfach bekrittelt (wobei ich ein riesiger Fan von Starbuck's bin, und jetzt steinigt mich! :D).
Das fehlende H reiche ich nach und über den Zuckerschock schau ich auch nochmal drüber.

Hi Fliege,
Ja, die Klischees :( Leider sind sie ja nur deswegen welche, weil sie in so vielen Fällen zutreffen. Ich ändere das mit dem T-Shirt aber mal ab, sie kann ihm ja einen Pulli geklaut haben oder so.
Dass es ihn nicht geben soll - klar gibt es ihn, aber sie glaubt halt noch nicht an ihr Glück :)

Hoi Gisanne,
schön, dass du das Gefühl auch nachvollziehen konntest (oder sollte ich dich lieber bemitleiden? Ist ziemlich widerlich... :). Mit deiner ersten Anmerkung hast du Recht, das werde ich ändern.
So kräftig hab ich garnicht überarbeitet, aber jeder Mensch liest verschieden. Vielleicht hängt es davon ab, wie deutlich man sich daran erinnert, mal mit klitschnassen Wangen (vom Regen natürlich) auf dem Bahnsteig gestanden zu haben? :)

Danke euch allen fürs Lesen und die Kritik, sorry, dass ich so lang nicht geantwortet hab, ich bin im Moment voll im FH-Stress.

gruß

 

Heii vita!

Das hier ist die erste Geschichte von dir, die ich gelesen habe.
Und ich bin begeistert ... besonders das Ende der Geschichte gefällt mir sehr, das ist besonders einfühlsam und packend geschrieben.

Das Geräusch, mit dem ein Herz bricht, klingt genau wie das Geräusch, mit dem sich die Türen eines ICE schließen. Das habe ich bisher nicht gewusst.

Das zum Beispiel finde ich richtig gut!!!
Es ist ein schöner Vergleich, und man kann sich perfekt in die erzählende Person hineinversetzen.

Die gesamte Geschichte ist einfach wunderbar geschrieben und hat einen tollen Schluss, wie ich finde :)

LG
moonshine

 

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