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Abschied

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02.05.2003
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Abschied

Da saß seine Frau, tränenüberströmt. Ihr ganzer Körper bebte unter den unterdrückten Schluchzen. Ihre sonst so schönen Augen waren vom vielen Weinen zugeschwollen. Sie murmelte etwas, von dem er jedoch nichts verstand. Die Arme hatte sie um ihren Körper geschlungen und sie schaukelte langsam vor und zurück. Fast wirkte sie etwas verrückt.
Es war also wahr. Die Nachricht, die ihm vor knapp einer Stunde im Büro überbracht worden war, war nicht erlogen. Er hatte so gehofft, dass alles nur ein Irrtum, eine Verwechslung oder ein dummer Witz gewesen war.
Sein gerade erst zwölfjähriger Sohn hatte Selbstmord begangen.
Plötzlich schnürte Wut die Kehle des Vaters zu. Wut auf sich, Wut auf seine Frau, Wut auf den Mann, der ihm die Nachricht überbracht hatte, wie als ob dieser den Tod des Jungen verursacht hätte.
Rainer spürte, dass er nicht mehr lange stehen konnte. Seine Knie drohten ihm wegzuknicken. Er wollte seine Frau trösten, sie in die Arme schließen, gemeinsam mit ihr weinen. Doch er wusste nicht wie. Da war so viel aufgestauter Hass zwischen ihnen. Jetzt wollte er die vergangenen Jahre rückgängig machen. Fast nie war er zu Hause gewesen und wenn doch, dann nur, um sich mit seiner einst so geliebten Frau zu streiten. Waren die beiden letztendlich schuld an dem Tod ihres Sohnes?
Plötzlich bemerkte er eine Regung aus dem Eck, in dem sich seine Frau zusammengekauert hatte. Sara streckte ihm ein zerknülltes Stück Papier entgegen.
Auf ihm stand in der etwas krakeligen Schrift seines Sohnes:
Liebe Mama, lieber Papa!
Ich bitte euch, macht euch keine Vorwürfe. Ihr seid nicht schuld daran, dass ich mich entschieden habe, zu sterben. Ihr wart es nicht, die mein Leben unerträglich gemacht haben. Ich bitte euch, weint nicht um mich. Wenn ihr mich liebt, dann freut euch eher, so wie ich es gerade tue. Ja, ich freue mich, endlich von hier weg zu kommen. Verspricht mir nur, dass ihr auf meine Schwester aufpasst. Jetzt wo ich bald nicht mehr da bin, wird sie euch mehr brauchen denn je. Sie hat mir all ihre Probleme anvertraut, schaut bitte, dass ihr die neuen Ansprechpartner werdet, sonst geht es ihr vielleicht irgendwann wie mir.
Der Rest dieses Briefes, ist an meine werten Kollegen gerichtet. Ich wäre euch beiden sehr verbunden, wenn ihr ihnen den Brief auch wirklich weitergebt. Es ist mir sehr wichtig. Mein letzter Wille so zu sagen.

Liebe Klassenkameraden, denn Freunde kann ich euch wohl schlecht nennen!
Ich hoffe ihr seit glücklich, denn ihr habt es endlich geschafft. Ich bin weg, und zwar für immer. Falls sich wirklich irgendwer von euch fragen sollte, warum ich mich entschlossen habe, lieber zu sterben, als hier bei euch zu bleiben, habt ihr hier die Antwort: Ihr seid der Grund. Eure freundliche Art mich Morgens mit einem Schlag in den Magen zu begrüßen und mich anzuspucken. Ihr habt mir mein letztes bisschen Würde geraubt. Ihr habt es geschafft, dass ich mich jeden Abend in den Schlaf geweint habe, aus Angst vor den nächsten Morgen. Ihr wisst gar nicht wie es ist, hinter jeder Ecke jemanden zu vermuten, der einen zusammenschlägt und das letzte bisschen Taschengeld klaut. Letztendlich ist es so schlimm geworden, dass ich schon glaubte euch nachts in mein Zimmer schleichen zu sehen. Glaubt ihr, das ist ein schönes Leben?
Und ihr habt mir nie den Grund gesagt, warum ihr mit das antut. Ich war nicht anders als ihr. Ich wollte genauso Freunde haben wie ihr, und ich bin genauso auf Bäume geklettert wie ihr. Was also bitte war so schrecklich an mir, dass ihr mir das Tag für Tag antun musstet?
Nun möchte ich noch meinen Lehrern danken, die vor all dem ihre Augen so geschickt verschlossen haben. Vielleicht solltet ihr mal drüber nachdenken, was da geschehen ist und einem anderen Kind somit das Leben retten.
Einen Dank habe ich an euch alle noch auszusprechen: Danke, dass ihr mir meinen Abgang so leicht gemacht habt!

P.S.: Ich hoffe, ich verfolge euch noch lang in euren Gedanken und in euren Träumen und, dass ihr wenigstens ein bisschen schlechtes Gewissen habt.

Stumme Tränen rannen über das Gesicht des Vaters.
Am nächsten morgen fuhr er zu Schule und gab Bens Klassenvorstand ein Stück zerknittertes Papier.

 
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Hallo babs,

willkommen auf kg.de! :)

Da hast Du Dir aber ein düsteres Thema für Deinen Einstand auf dieser Seite ausgesucht, das Du, meiner Meinung nach, nicht mal schlecht umgesetzt hast.

Der Abschiedsbrief ist voller Wut (und wütend macht er auch mich, als Leser).
Tatsächlich wird das Gefühl von Trauer (erwartbar in einer Selbstmordgeschichte) nur am Anfang von den Eltern getragen. Die plötzliche Wut des Vaters schafft eine passende Überleitung zu dem, für mich ein wenig zu kühlen und gefassten, wütenden Abschiedsbrief.

In ihm liegt eine Art "So, da habt ihr's. Jetzt guckt ihr aber alle blöd aus der Wäsche, was?" Botschaft (gleich einem kleinen Kind, das sich nach der Schimpfe der Mutter in einem Schrank für die Genugtuung versteckt, dass diese sich nach kurzer Zeit Sorgen macht und sich selbst die Schuld für das Verschwinden gibt).

Die Anschuldigungen im Brief sind knüppeldick, und die Tatsache, dass der Sohn seinen Tod all diesen Menschen auflastet ist hart, hat aber Wirkung...

Stilistisch gab es ein paar kleine Mängel, die Du nochmal kurz glätten könntest.

Kein schlechter Beitrag im Ganzen...


Da saß seine Frau, tränenüberströmt.

So gehören die Worte zusammen.

Die Nachricht, die ihm vor knapp einer Stunde im Büro überbracht worden war, war nicht erlogen.

Komma vergessen.

Wut auf den Mann, der ihm die Nachricht überbracht hatte, wie als ob dieser den Tod des Jungen verursacht hätte.

Das "wie" könnte weggelassen werden.

Fast nie war er zu Hause gewesen und wenn doch, dann um sich mit seiner einst so geliebten Frau zu streiten.

Wie wäre es mit: "...und wenn doch, dann nur, um sich mit seiner einst geliebten Frau zu streiten."

Ihr seid nicht schuld daran, dass ich mich entschieden habe, zu sterben.

Komma vergessen.

Ich bitte Euch, weint nicht um mich.

Komma vergessen.

Ja, ich freue mich, endlich von hier weg zu kommen.

Komma vergessen.

und das letzte bisschen Taschengeld klaut.

"e" vergessen.

Letztendlich ist es so schlimm geworden, dass ich schon glaubte, euch nachts in mein Zimmer schleichen zu sehen.

Noch ein Komma...

Und ihr habt mir nie den Grund gesagt, warum ihr mir das antut.

"r" statt "t"...

Was, also bitte, war so schrecklich an mir,

Ich glaube, so müssten die Kommas gesetzt werden.

Vielleicht solltet ihr mal drüber nachdenken, was da geschehen ist und einem anderen Kind somit das Leben retten.

Wieder ein Komma...

Ich hoffe, ich verfolge euch noch lang in euren Gedanken

Noch ein Komma...

Stumme Tränen rannen über das Gesicht des Vaters.

So sollte es heißen. Tränen können nicht "rennen", sondern nur "rinnen".


So, ich hoffe, Du vergibst mir die Besserwisserei.
Die Vorschläge schmälern Deinen Beitrag keineswegs.
Schreibe weiter so und viel Spass beim weiteren Lesen und Schreiben!

Liebe Grüße,

Vimes

 

Liebe Vimes! ich danke dir sehr für deine Kritik. In der Kommasetzung war ich noch nie besonders gut. Ich freu mich über jeden, der mir bei meinen kleinen Problem unter die Arme greift. Also vielen Dank für das genaue Durchlesen.

 

hi babs,

ich muste erst mal in deinem profil nachlesen, ob du nicht zufälltig ein 12jähriger junge bist *smile*.

wenn mich jemand fragen würde, wie und wo ich diese geschichte einordnen würde, dann würde ich sagen, dass diese geschichte die vorstellungen eines 12jährigen jungen ist, der gerade von seinen mitschülern unterdrückt wird. die selbstmordgedanken sind also nur vorstellungen. die szenen der eltern sind nur vorstellungen, so als auch der abschiedsbrief.
ich sage dir auch warum. es ist einfach undenkbar und sehr selten, dass ein 12jähriger junge einen selbstmord 1. wirklich durchführt und 2. wirklich die physische und bildungsmässige kraft hat, sich selbst zu töten - wohlaber die wunschgedanken dazu sind mehr als häufig). also ... sich selbst umzubringen ist wirklich nicht einfach. und für einen knaben zwar nicht unmöglich (leider) aber nahezu unmöglich.
aus diesem hintergrund häte ich das ende der geschichte mit einer pointe versehen, in der er in seinen gedanken gestört wird, so dasss der leser sieht, dass es nur vorstellungen waren. dieses ende würde deine geschichte um EINIGES verändern und auch verbessern (meiner meinung nach).

ansonsten ist der erzählstil durchaus solide - keine holpersteine - flüssig zu lesen.

der abschiedsbrief war übrigens sehr realistisch. wie zu erwarten war er eine rache an bens widersacher.
er rechnete mit allen ab, die ihm böses taten. tja, und genau das passt auch dazu, dass der junge sich das alles nur vorstellt.

ich würde das einmal gut durchdenken (vielleicht geben andere leser auch mal dazu ihr statement ab), ob du das ende nicht doch sinngemäss ausbauen möchtest.

bis dann

barde

Falls sich wirklich irgendwer von euch fragen sollte, warum ich mich entschlossen habe lieber zu sterben

hinter "habe" ein komma

Nun möchte ich noch meinen Lehren danken, die vor all dem die Augen so geschickt verschlossen haben.

"Lehren" >> "Lehrern"
besser: ..., die vor all dem ihre Augen so geschickt geschlossen haben.

 

Hallo Barde! Ich danke dir für deine Kritik. Angfangs wollte ich den Schluß so machen wie du es vorschlägst. Warum ich es letztendlich nicht getan habe, liegt daran, dass es so einen Vorfall vor gar nicht all zu langer Zeit wirklich gegeben hat. Sicher hab ich alles noch etwas dramarisiert, aber ich wollte damit aufzeige, dass wir es in unserer Gesallschaft so weit gebracht haben, dass sogar schon zwölfjährige so zum verzweifeln gebracht werden können, dass sie sich umbringen Trotzdem vielen Herzlichen Dank.
lg babsi

 

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