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Abschied

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11.10.2001
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Abschied

Nun stehe ich hier und blicke in deine schönen blauen Augen.
Es hat mich sehr viel Kraft gekostest hierhin zu kommen. Mein tränenverhangener Blick hat sich auf meine Schuhspitzen fixiert. Mein Kopf schmerzt. Mit schwerem Atem hebe ich mein Gesicht und versuche etwas von meiner Umgebung wahrzunehmen. Meine Knie sind ganz weich. Ein flüchtiges Lächeln huscht über mein Gesicht.
„Wie bei unserem ersten Treffen“, denke ich. „Da hatte ich auch so weiche Knie.“
Stumm, um den tiefen Schmerz zu betäuben, der mich gerade zu erdrücken droht, schaue ich mich um.
Schöne hohe Bäume stehen hier. Das Geräusch des Windes in den Zweigen fand ich immer beruhigend. Heute empfinde ich es als störend. Ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen. Dabei bin ich hierher gekommen, um mit dir zu reden. Viele Worte, die in unserer Ehe unausgesprochen blieben. Viele Fragen, die mich seit Wochen nicht schlafen lassen.
Mit einem tiefen Atemzug, der mir in der Kehle schmerzt, beginne ich langsam und leise zu sprechen: „Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich liebe?“
Wieder kämpfe ich gegen die aufkommenden Tränen.
Jedes Wort kommt nur wie ein Hauch über meine Lippen. „Ich habe dich vom ersten Augenblick an geliebt. Du warst der Mann meiner Träume. Und wie glücklich ich war, als du dich in mich verliebt hast. Erinnerst du dich an unsere Hochzeit? Sogar dein Bruder, der sonst nichts von Partnerschaften hält, hat gemeint, dass wir zusammen uralt werden würden.“
Mit einem bitteren Lächeln um die Mundwinkel füge ich hinzu: „Schade, dass er sich so geirrt hat“.
Müde zerdrücke ich das Taschentuch, dass meine Hände krampfhaft umklammern.
In meinem Inneren sterbe ich tausend Tode.
Meine Stimmung wechselt von Traurigkeit in Wut.
Meine Blick saugt sich an deinem schweigenden Gesicht fest. Doch dein Anblick besänftigt mich nicht. Meine Stimme klingt gebrochen. Ich versuche lauter zu reden. Möchte es dir ins Gesicht schreien.
„Warum hast du mich und die Kinder verlassen!?“
Aber ich schreie nicht. Meine Hals ist trocken und ich bekomme nur krächzende Laute heraus.
Ein Gefühl, als ob ich innerlich zerreiße.
Das Taschentuch besteht mittlerweile nur noch aus Fetzen.
„Ich muss ruhiger werden,“ denke ich. „Es war vielleicht doch ein Fehler hier hinzukommen.“
Um mein inneres Gleichgewicht wiederzufinden, schaue ich mir jetzt ganz intensiv die Umgebung an.
Wunderschöne Blumen ringsherum. Alles grünt und blüht. Blauer Himmel über mir. Vögel, die zwitschern. Einige ganz aufgeregt, als ob sie gerade eine interessante Neuigkeit erfahren haben, andere singen nur so vor sich hin.
„Es könnte alles so schön sein“, denke ich wehmütig.
Wieder blicke ich dich an. Ganz sanft und zärtlich.
„Nun stehe ich hier und wollte dir soviel sagen. Zu Hause habe ich mir alles so schön zurechtgelegt. Jetzt fällt mir nichts mehr ein“.
Einen kurzen Moment schließe ich die Augen, um die Verzweiflung zu ersticken.
Ein letztes Mal blicke ich in dein stummes Gesicht.
„Ich werde dich niemals vergessen, Liebster. Du wirst immer deinen Platz in meinem Herzen haben. Egal was passiert.“
Ich beuge mich hinunter und meine Fingerspitzen berühren ganz behutsam dein Bild auf dem Grabstein. Dann drehe ich mich um und gehe. Zurück ins Leben.

 

Guten Morgen Sternchen!
Gute Geschichte, leider war mir irgendwann in der Mitte klar, dass ihr Mann gestorben ist. Kann aber nicht sagen, weshalb. Die Stimmungswechsel der Protagonistin sind sehr gelungen. Was willst du aber mit den blauen Augen zu Beginn ausdrücken? Das war mir noch nicht ganz klar.

Liebe Grüsse,
Marana

 

Hallo Marana,

die "blauen Augen" am Anfang sollten eigentlich nur die Liebe zu ihrem Mann darstellen. Es gibt ja immer
irgendwelche Eigenschaften (oder Äußerlichkeiten) an einem Menschen, die man besonders gerne hat. In diesem Fall waren es die blauen Augen.

Liebe Grüße
sternchen

 

Hallo Sternchen, das ist eine sehr schöne, aber leider auch traurige Geschichte. Man konnte die Gefühle Deiner Hauptfigur gut nachvollziehen. Auch der letzte Satz hat mir gut gefallen.
Viele Grüsse
Blanca

 

Hallo sternchen!

Ja, Deine Geschichte macht nachdenklich, traurg und bleibt einem im Gedächtnis haften. Obwohl es so einige Indzien dafür gibt, dass ihr Mann tot ist: Die "schönen hohen Bäume" und die damit implizierte Park- (oder eben Friedhofs-)Atmosphäre, die Tatsache, dass er nicht antwortet und irgendwie sogar ihre Gefühle. Das kann ich jetzt aber nicht genau erklären.

Trotzdem: sehr schön geschrieben, sehr einfühlsam!

Lieben Gruß

chaosqueen :queen:

 

Hallo, Sternchen!

Von der Stimmung her ist die Geschichte gut, aber von der Perspektive her überzeugt sie mich nicht ganz.

IMHO wäre es besser, sie komplett als Monolog oder eben in der dritten Person zu gestalten, wobei letzteres freilich den Nachteil hätte, daß es sicher distanzierter wirken würde, was wiederum der Stimmung nicht gut täte. :rolleyes:

Sachen wie...

Ein flüchtiges Lächeln huscht über mein Gesicht.
...passen nicht zur Ich-Perspektive, denn man schaut sich nicht von außen zu. Und solche Dinge ziehen sich durch die ganze Geschichte. Schade darum, denn eigentlich gefällt mir die Sache recht gut.

Auch unklar: Wenn es ein bloßes Stimmungsbild sein soll, dann würde ich den zweiten und die letzten beiden Sätze streichen.

Wenn es aber mehr sein soll, dann fehlen mir ein paar Hinweise: Warum hat es sie viel Kraft gekostet, herzukommen? Warum geht sie "zurück" ins Leben?
Also ich meine, mir fehlt irgendwie einen Anlaß für diese Sätze. Zieht sie vielleicht weg oder sowas?

Gruß Nicky

 

Hallo Sternchen!
Eine schöne, stille Geschichte ist dir gelungen! Eine ruhige Atmospäre.
Ich hatte zwar auch einen Verdacht, der sich dann auch bestätigte, aber das ist hier nicht weiter schlimm.

Man sieht zwar nicht, dass einem ein Lächeln übers Gesciht huscht, aber man merkt dies doch. Jedenfalls ich merke es, wenn ich lächle. Auch wenn es ungewollt ist.
Mich überzeugt die Geschichte aus diese Pespektive.
Die Gefühle der Protagonisten kommen ganz gtu rüber.

Interessant wäre es natürlich, wenn man ein paar mehr Hinweise bekäme, aber die Geschichte funktioniert Mn auch so. :)

bye und tschö

 

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