Was ist neu

Abgrund

Mitglied
Beitritt
20.05.2009
Beiträge
3
Zuletzt bearbeitet:

Abgrund

Endspiel

Der Wind blies eiskalt in mein Gesicht, als ich das Haus verlies. Ich schloss die Tür hinter mir zu, dann zog ich den Kragen meiner Jacke fester zusammen und weiter nach oben. Trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass sich die kleinen Haare in meinem Nacken aufrichteten. Aber das hatte wohl eh andere Gründe... Zu frisch war noch die Wunde in meinem Herzen, die durch die Trennung von Franzi aufgerissen wurde.
Das alles spielte für mich in diesem Moment keine Rolle. Nicht mehr… Grau schien mir alles, nichts mehr von Bedeutung.
Es begann zu regnen, als ich fort ging. Ich drehte mich nur noch ein einziges Mal um, sah durch den Regen und den Nebel die Haustür nur verschwommen, aber genau genommen war das auch egal, meine Entscheidung stand fest, und ich war mehr als nur entschlossen, es durchzuziehen, ich wollte nicht wieder als Verlierer enden. Nicht dieses Mal, und ein weiters sollte es nie geben.
Ich lief seit 10 Minuten, und hatte etwa noch einmal diese Strecke zu laufen. Inzwischen war meine Jacke vom Regen völlig durchweicht, und entsprechend fror und zitterte ich. „Du wirst mir noch krank werden!“, würde meine Mutter sagen. „Unbedeutend!“, dachte ich. Die Nacht war kalt, nass und dunkel, der Mond war nicht zu sehen. Ein gespenstisches Szenarium, an einem ganz besonderen Tag. Denn dieser sollte mein letzter auf dieser Welt werden. Ich habe mich nie gefragt, was wohl danach kommen würde, aber das erschien mir eigentlich auch nicht wichtig, ich wollte nur noch raus, fort von hier, und das endlich die Schmerzen und die Gedanken aufhören, die sich so tief in mich eingebrannt haben…
Endlich war ich angekommen. Die großen, blauen und teilweise vom Rost bedeckten Stahlträger der Brücke glänzten, der Mond war wie aus dem nichts erschienen. Die ganze Zeit über war ich fest entschlossen und hielt meinen Willen für stark genug, das ganze zu schaffen. Jetzt zitterte mein ganzer Körper, und diesmal war es nicht von der Kälte. Ich versuchte, die Zweifel in meinem Kopf zu verdrängen, denn ich wusste, dass ich einfach keine Kraft mehr hatte, die Situation länger zu ertragen. Eine solch starke Liebe war mir noch nie begegnet, und eine so tiefe Bindung an einen Menschen erlebt man wohl nur ein Mal im Leben. Ich hatte meine Chance, und ich konnte sie nicht nutzen. Game Over…
So tief ich konnte holte ich Luft, denn durch das erneute Nachdenken über Franzi kam in mir der Wille und die Kraft wieder auf, heute der Welt “Good Bye“ zu sagen. Ich zog meine Handschuhe aus und stieg, nachdem ich mich ein letztes Mal versichert hatte, dass niemand in der Nähe war, auf das Brückengeländer. Der Wind blies hier oben noch stärker als in der von den vielen Häusern geschützten Stadt.
„Vater Unser, der Du bist im Himmel, unser täglich Brot gib uns heute, und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unser’n Schuldigern.“
Als ich diese Worte schließlich ausgesprochen hatte, breitete ich die Arme aus, schloss meine Augen und lies mich fallen. Langsam kippte ich nach vorn, und für einen Moment fühlte ich eine wahnsinnig tiefe Befreiung in mir, einen Moment des puren Glückes, wie ich es zuletzt fühlte, als ich das erste Mal in Franzis Armen lag. In der Realität dauerte das ganze nur Sekunden, mir kam es vor wie eine Ewigkeit. Dann schlug ich auf.
Ein verdammt starker Schmerz, dann war alles vorbei. Ich sank ins Nichts, in endlose Leere, fühlte die Dunkelheit und eine Schwere, die mich zu erdrücken versuchte. Vielleicht hätte ich mir vorher Gedanken machen sollen, über das, was danach kommt, aber auch dann wäre ich sicher nie auf so etwas gekommen… Es war ein unbeschreiblicher Zustand, mein Geist existierte, aber ich fühlte nichts, zumindest nichts, was man auf der Erde spüren könnte. Leere, egal wie sehr ich auch versuchte, mit und in meinen Gedanken etwas zu erschaffen. Auch die Zeit schien hier keine Bedeutung mehr zu haben, denn ich konnte in keinem Moment feststellen, wie lange ich schon “hier“ war.
Dann sah ich einen Funken von Licht. Mein Verstand fürchtete sich davor, aber mein Herz wollte zu ihm. Es wurde heller und heller, und kam mir immer näher. Nicht ich erreichte es, es kam zu mir, Als das Licht mich berührte, war alles so wahnsinnig hell, wie ich noch nie in meinem Leben etwas gesehen hatte. Ich schlug die Augen auf. In einem Krankenhaus. An mir waren Schläuche, wohin ich auch blickte. Neben mir zwei Stühle, auf dem einen meine Mutter, auf dem anderen saß meine Franzi. Sie sah zuerst, dass ich erwacht war, und es rollte eine Träne aus ihren wunderschönen, blau-grauen Augen über ihre Wange. Wie in Zeitlupe sah ich den Tropfen fallen, und als er aufschlug, begriff ich.
Ich weiß nicht, wem es gebührt, aber danke! Danke für die Einsicht, danke für eine zweite Chance…

© 17.02.2003

 

Hi DooMinator,

ich nehme an, du hast seit 2003 weitere Geschichten geschrieben, ob du also mit dieser eher alten Geschichte als Einstieg eine gute Wahl getroffen hast, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Suizidgeschichten als Debüt werden hier derart oft gewählt, dass es die meisten eher langweilt.
Deiner merkt man durchaus an, dass du ein Gespür dafür hast, Atmosphärisches zu beschreiben, die Brücke, die Nacht, den Regen (auch wenn es natürlich megatypisch ist, dass es an einem solchen Tag regnet). Manchmal spielst du auch schön mit Klischees, wenn das grelle Licht zum Beispiel auch von der OP-Lampe kommen könnte.
Leider aber hat dein Plot auch den Nachteil fast aller Suizid-Debüt-Geschichten. Die Entscheidung wird nicht plausibel. Viel zu viele Menschen werden täglich von ihrer großen Liebe verlassen, ohne dass sie sich deshalb umbringen. Was unterscheidet deinen Erzähler von ihnen? Die Psychologie ist nicht stimmig, der Entschluss, sich umzubringen, wird trotz der zwischenzeitlichen Zweifel viel zu leicht gefasst.
Auch was immer das Mädchen ans Krankenbett getrieben haben könnte, scheint eher die Wunschvorstellung von Suizidgedanken zu sein. Sicher, genug Menschen lassen sich so ein schlechtes Gewissen machen, aber der Bauch wird grummeln und Wut wird ein begleitendes Gefühl sein, wenn man so gemein erpresst wird.

Es sind noch Fehler im Text, zum Beispiel das/dass Verwechslungen. Und im Vater Unser wird der Imperativ auf alle Fälle richtig benutzt: Und vergib uns unsere Schuld

Lieben Gruß
sim

 

Hallo!
Ja, ich hab noch viele weitere Sachen seitdem geschrieben. Thematisch sind aber all meine Texte eher düster, fröhliche Themen hab ich so gut wie keine. Es soll auch keine klassische Suizid-Geschichte sein, sondern zeigen, dass es eben keine Lösung ist; das man das Leben schätzen sollte. Die Tatsache, dass die Freundin dann am Bett sitzt, soll keine Erpressung darstellen, sondern eher ausdrücken, dass alles gut werden kann. Du hast geschrieben, der Protagonist fällt die Entscheidung viel zu schnell. Genau das war meine Intention. Zu zeigen, wie schnell eine solche Entscheidung getroffen sein kann. Auch ohne plausible Gründe. Mit ging es darum zu zeigen, dass es eben doch immer einen anderen Weg gibt.
Die Geschichte ist eine der ersten, die ich je geschrieben habe, daher ist sie auch mein "Debut" hier geworden und leider fehlerbehaftet (die ersten Schritte sind oft die schwersten)...

Jedenfalls danke für deine Kritik!

LG,

DooMinator

 

Das ist aber nett, dass du uns hier einen alten, fehlerbehafteten Text zum Lesen gibst. Das ist ja eine irre Motivation, dir Kommentare zu schreiben.
Ernsthaft, was soll das?

 

Da es eine meiner ersten Arbeiten war, ist mir bei dieser Feedback besonders wichtig. Wie gesagt, die ersten Schritte sind immer die schwersten.
Das leider noch Fehler in der Geschichte sind ist keine Absicht, im Gegenteil. Durch das Feedback hier sollen diese ausgemistet und korrigiert werden.

LG, DooMinator

 

Hi DooMinator,

ich fand deine Geschichte jetzt leider auch nicht so wahnsinnig interessant. Ich finde zwar, dass du damals schon recht stilsicher warst (und es inzwischen vermutlich noch mehr bist), allerdings bringt die Geschichte inhaltlich so rein gar nicht Neues, und wirklich mitfühlen kann ich mit dem Protagonisten auch nicht, weil ich kaum etwas über ihn erfahre. Außer, dass seine Freundin ihn verlassen hat, dass er anscheinend jugendlich ist und dass er recht religiös zu sein scheint (jedenfalls wäre mir selbst nicht im Traum eingefallen, das Vaterunser zu beten, wenn ich mich hätte umbringen wollen).

Und auch das Ende kam für mich jetzt nicht so überraschend, denn entweder hätte der Ich-Erzähler von seinem Selbstmordversuch aus dem Jenseits berichten müssen (was vielleicht wirklich noch eine interessante Wendung zum Schluss gewesen wäre) - oder eben nachdem er das ganze überlebt hat wieder aufgewacht ist.

Also wie gesagt, inhaltlich find ich's eher mau, stilistisch aber ganz gut, weshalb ich gern mehr von dir lesen würde. Aber veröffentliche doch nächstes Mal einen etwas neueren Text :)

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom