Was ist neu

Abgestiegen

Mitglied
Beitritt
20.02.2013
Beiträge
129

Abgestiegen

Abgestiegen

Mai. Samstagabend. 19.25. Bahnhofsvorplatz.
Missmutig rührte ich in meinem halbkalten Cappuccino. Vor zwei Stunden war der FC endgültig abgestiegen. Nicht, dass wir Fans davon überrascht worden wären. Neun mickrige Punkte aus siebzehn Partien sprachen eine deutliche Sprache. Das war die katastrophalste Rückrunde, an die ich mich erinnern konnte. Und ich beobachte die Geißböcke schon seit den Siebzigern. Wo waren sie geblieben: die glorreichen Zeiten von Overath, Flohe, Häßler und Littbarski? Lange vorbei; Schnee von gestern. Trotzdem hatten wir bis zu diesem 34-sten Spieltag auf das Minimalziel Relegation gehofft. Selbst diese Chance hatte die traurige Truppe kläglich vergeigt. Früher wären mir die Tränen an so einem Abend in die Augen gestiegen. Heute war ich einfach nur schlecht gelaunt. Das war es schon. Der Verein, dessen Farben ich einst mit der Muttermilch eingesaugt hatte, schaffte es nicht einmal mehr, großartige Emotionen in mir hervorzurufen.

»Hi Tim. Kann ich mich zu dir setzen?« Wer wollte da was von mir? Sah der Kerl nicht, dass ich in diesem Moment keinen Bock auf nutzloses Labern hatte?
»Robi, wo kommst du denn her? Lange nicht gesehen.« Jetzt hatte ich meinen früheren Klassenkameraden erkannt. Passend zum Saisonfinale gekleidet in den Vereinsfarben. Sogar die roten Schuhe à la Podolski hatte er sich zugelegt. Gefiel mir.
»Ich war viel unterwegs. Mal hier, mal da.«
»Hast du den grausamen Kick gesehen?« Robi war früher ein begnadeter Jugendspieler gewesen. Der mit Abstand Beste unserer Jahrgangsstufe. Wurde bereits mit fünfzehn von den Spähern der großen Clubs beobachtet. Mit siebzehn sollte er seinen ersten Profivertrag unterschreiben. Er entschied sich aber für ein Germanistikstudium und Party feiern.
»Ich stand vor dem Stadion. Habe keine Karten mehr bekommen. Und du, Tim?«
»Ich war da mit einem meiner Söhne, Lukas. Er hatte über seinen Trainer zwei Plätze für uns organisiert. Gerade ist er mit seinen Jungs in einer anderen Kneipe.«
»Ist das elende Lumpenpack endlich abgestiegen. Ich konnte die charakterlosen Typen nie leiden. Sollen sie die alle verkaufen oder verschenken.« Robi als Urkölner war erregt. Verständlich. Er zitterte etwas, als ob er sich auf Entzug befand und machte einen hageren Eindruck auf mich. Seine Zehnkämpfer-Phase schien vorüber zu sein. Er hatte früher einen Body wie Jürgen Hingsen besessen.
»Ein paar von denen werden sie schon behalten müssen. Wo soll der Pleiteverein auf die Schnelle zwanzig neue Kicker herbekommen?«, entgegnete ich.
»Aus der eigenen Jugend. Das war doch früher immer unsere Stärke.« Er sprang aufgebracht von seinem Stuhl auf und fuchtelte wild mit den Armen herum.
»Echt lange her. Und nur mit siebzehn- und achtzehnjährigen Milchbubis gehst du auch in der zweiten Liga baden. Zumindest den Torwart und den Mittelstürmer sollten sie behalten. Den Rest können sie von mir aus in die Wüste schicken.«
»Gibt’s hier außer Kaffee noch was anderes im Angebot?«
»Du hast Durst? Ich geb‘ dir einen aus. Was möchtest du haben?«
»Ein Kölsch. Aber ein großes.« Robis Pupillen weiteten sich.
»Hole ich dir drinnen an der Theke. Das funktioniert schneller.«
»Und du, Tim: trinkst du nichts auf den Frust?«
»Bin mal wieder dabei, es mir abzugewöhnen.«
»Ja ja, kenne dein Problem. Ist sicherlich vernünftig, wie du das durchziehst.« Für den Bruchteil einer Sekunde meinte ich, Trauer in Robis Gesicht zu entdecken.

Vor dem Bahnhof war im Augenblick die Hölle los. Die Fans strömten zu den Zügen, um rechtzeitig zum ARD-Sportstudio zu Hause zu sein. Einige Hooligans hatten sich zusammengerottet und hielten Ausschau nach den Ultras der Gastmannschaft. Die waren aber bereits vor einer knappen Stunde von der Polizei in die abfahrbereiten Züge nach München gesetzt worden. Auf beiden Seiten wurden laute Schlachtgesänge angestimmt. Üble Beschimpfungen flogen von links nach rechts und zurück. Die Ordnungskräfte zeigten starke Präsenz. Überall Bullen. Sogar zu Pferd. Die Stimmung war gereizt. Ein kleiner Funke würde genügen, um die angestaute Wut zur Explosion zu bringen. Ich kam mit einem Nullvierer-Bier und einer weiteren Tasse Kaffee zurück an unseren Tisch. Robi beobachtete mit Interesse die Szene auf dem Platz.
»Glaubst du, dass hier gleich noch was abgeht, Tim?«
»Hoffe nicht.«
»Du bist alt geworden. Früher hättest du mitgemacht.«
»Ist lange her. Wir werden alle ruhiger.«
»Stimmt, ich habe auch keine Lust, mich mit diesen Schwachköpfen zu prügeln. Das sind ja gar keine richtigen Fans. Denen geht es nur um die Randale.«
»Da hast du vollkommen recht.« Ich schaute auf die Uhr. In dreißig Minuten fuhr unsere S-Bahn.

Robi war in den Siebzigern und Achtzigern ein gefürchteter Schläger bei uns in der Südkurve gewesen. Der nahm es mit drei Gladbachern oder vier Schalkern gleichzeitig auf. Wobei man ihm zugutehalten musste, dass er immer Gleichgesinnte für seine Kämpfe aussuchte. Er war keiner von denen, die harmlose Fans verprügelten.

»Hast du den Rauch im Stadion mitbekommen, Tim?«
»War ja nicht zu übersehen.«
»Hattest du Angst?«
»Wovor: vor ein bisschen Qualm? Da gibt’s Schlimmeres im Leben.«
»Die Spieler sind alle panisch in die Umkleide geflitzt. Haben sich anscheinend in die Hosen gemacht.«
»Und sind danach sang- und klanglos durch einen Nebenausgang verschwunden. Alles Weicheier. Mit denen gewinnst du keinen Blumenpott.«
»Da sind wir uns ja einig, Tim. Wie in den guten alten Zeiten.«

Noch fünfzehn Minuten bis zur Abfahrt des Zuges.
»Robi, war nett, dich mal wieder zu sehen. Ich muss jetzt weg. Bin gleich mit meinem Sohn auf dem Bahnsteig verabredet.«
»In welche Richtung musst du, Tim?«
»Nach Süden.«
»Trifft sich gut. Dann fahre ich ein paar Stationen mit euch mit. Kannst du mir drei Euro für die Fahrt pumpen? Ich bin blank.«
»Natürlich.«

Bahnhofshalle. 20.15.
»Tim, wartest du einen Moment auf mich? Ich muss nochmal pissen. Das viele Bier will raus.«
»Kein Thema. Ich blättere derweil in den Zeitungen am Kiosk.«

Im Bahnhof quirlten die Menschen wild durcheinander: Wochenendausflügler, Touristen, Samstagsshopper und überall Fußballfans. War schwer, sich da nicht aus den Augen zu verlieren.
20.25: Was trieb Robi? So lange konnte es doch nicht dauern, um für ein paar Minuten zum Pinkeln zu verschwinden. Mein Telefon klingelte. Lukas meldete sich.
»Hi Papa, wo bleibst du? Ich bin schon am Zug.«
»Ich habe zufälligerweise einen Schulfreund getroffen. Der will in unsere Richtung mitfahren. Hat sich vor knapp einer Viertelstunde aufs Klo verdrückt und kommt seitdem nicht zurück. Wer weiß, was der da anstellt. Jetzt auch egal. Dann düsen wir eben ohne ihn los. Ich bin sofort bei dir. «
»Schau lieber mal nach, Papa. Vielleicht ist dem was zugestoßen.«
»Was soll dem schon passieren? Ist ein Baum von einem Mann. Aber in Ordnung. Ich kümmere mich darum. Hast du noch einen Moment Zeit? Dann nehmen wir die nächste Bahn.«
»Ist okay. Ich besorge mir inzwischen eine Currywurst.«
Ich fingerte fünfzig Cent aus meiner Hosentasche, warf die Münze in den neu installierten Automaten des Bahnhofs-WCs, trat in den blaugekachelten Raum ein und durchforstete mit meinen Blicken jeden Winkel dieses traurigen Orts. Ich konnte Robi weder an den Waschbecken noch vor den Urinalen entdecken. Wo steckt der Typ bloß?, überlegte ich. Hatte der sich einen jungen Stricher geangelt und war mit dem auf und davon? Am Hauptbahnhof wäre das nicht undenkbar gewesen. Ich schlenderte den Gang mit den abgetrennten Boxen entlang. Starrte dabei auf den Boden und versuchte, die farbigen Nikes von Robi aufzuspüren. An Kabine fünf wurde ich fündig. Ich erspähte knallrote Sportschuhe; allerdings mit den Sohlen nach vorne zur Tür gewandt. Verfluchter Mist, das sieht nicht gut aus. Ich hämmerte gegen die Tür.
»Robi, ich bin’s, Tim. Alles in Ordnung bei dir?«

Nichts rührte sich. War Personal in der Nähe? Niemand auf die Schnelle aufzutreiben. Ich schnappte mir am Eingang den verwaisten Stuhl des WC-Wächters, schleppte ihn vor Tür Nr. 5, stieg hinauf und schaute von oben in die Kabine. Robi saß mit gespreizten Beinen neben der Kloschüssel, die Augen weit aufgerissen, das Gesicht verzerrt. Den rechten Ärmel hochgekrempelt. Neben sich ein Spritzbesteck.
»Ey, du perverser Spanner. Was treibst du da oben?« Ein junger Typ, der nicht mehr nüchtern war, stand plötzlich neben mir.
»Lass mich in Ruhe. Ich habe im Moment andere Sorgen.«

Draußen traf ich auf eine Polizeistreife.
»Kommen Sie schnell. In der Toilette liegt ein toter Junkie. Kabine fünf.«

Ich rief Lukas an.
»Du brauchst nicht auf mich zu warten. Fahr ruhig vor. Ich komme später nach.«
»Was Übles passiert mit deinem Bekannten?«
»Kann man so sagen. Er wird uns auf jeden Fall nicht mehr begleiten.«

Scheißtag.

 

Hallo sinuhe,

hm...irgendwie ist mir am Ende deiner Geschichte ratlos und ich frage mich, was nun?

Ich will damit sagen, dass es mir nicht gelungen ist, die Intention deiner Geschichte zu erkennen.
Klar, könntest du jetzt antworten, dass es mein Problem ist, wenn ich so doof bin und es nicht mitbekommen habe.

Aber ich gehe mal davon aus, dass dir daran gelegen ist, dass deine Geschichten verstanden werden.

Ich warte daher erstmal deine Antwort ab.


Lieben Gruß

lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo lakita,

du hast dir Abgestiegen durchgelesen. Das sich im Abstand von drei Jahren stets wiederholende Trauerspiel um den 1. FC Köln.

hm...irgendwie ist mir am Ende deiner Geschichte ratlos und ich frage mich, was nun?
Das ist eine Frage, die man natürlich am Schluss vieler Kurzgeschichten stellen kann. Denn sie enden halt nun mal nach 1000, 2000, 3000 usw. Wörtern. Diese hier umfasst ca. 1300w. Zum Finale ist einer der beiden Darsteller tot.

Ich will damit sagen, dass es mir nicht gelungen ist, die Intention deiner Geschichte zu erkennen.
Ich bin mir sehr unsicher, ob eine (Kurz-) Geschichte immer eine Intention verfolgen muss.
ISv. und die Moral von der Geschicht
Denn das wären für mein Dafürhalten eher Parabeln und Gleichnisse.
Eine Short Story muss mMn keinem höheren Ziel dienen – zumal in Alltag einsortiert –, als eine bestimmte Szene zu schildern.

Im vorliegenden Fall treffen sich zwei frühere Klassenkameraden zufällig nach fünfundzwanzig Jahren wieder. Und zwar in der Stunde, die auf den Abstieg ihres Lieblingsvereins folgt. Der eine Junkie, der andere ein – im Moment trockener – Säufer. Palavern ein bisschen über die vergangenen (aus der Retrospektive immer glorreichen) Zeiten, verabreden sich zur gemeinsamen Heimfahrt mit der S-Bahn. Der Junkie geht kurz auf die Toilette, kommt jedoch nicht zurück. Der Alki sucht und findet ihn: gestorben an einer Überdosis (oder verunreinigtem Stoff). Der Sohn wartet derweil oben auf dem Bahnsteig und verzehrt eine Currywurst. Der Alki denkt: Scheißtag. Weil eben nicht nur der FC, sondern ebenfalls sein Kumpel definitiv abgestiegen sind. Und er im Nachgang natürlich viele Fragen der Polizei beantworten muss. Worauf er eigentlich keine Lust hat. Das war’s schon.

Ob der Leser in dieser Handlung eine Moral entdeckt, oder Ideen für sich ableiten kann (bspw. ich werde nie mehr auf eine Bahnhofstoilette gehen. Oder: gut, dass ich kein Köln-Fan geworden bin) weiß ich nicht. Darüber denke ich beim Tippen auch gar nicht erst nach. Ich habe eine Szene im Kopf, und die bringe ich zu Papier.

Hoffe, ich konnte meinen (Schreib-) Ansatz einigermaßen plausibel machen.

Lg sinuhe

 

Hallo sinuhe,

na, dann ist meine Welt ja wieder in Ordnung, denn ich war im Zweifel, ob ich etwas übersehen habe.

Wie du selbst beschreibst, ist das eine sog. Ja-Und?-Geschichte.

Damit meine ich, dass man am Ende fragt oder am liebsten fragen möchte: "Und wozu hast du mir das alles erzählt?"

Ich bin der festen Auffassung, dass Schreiben einen Sinn hat und dementsprechend einen Zweck verfolgt.

Der Zweck richtet sich danach, für wen ich schreibe, denn ich kann für andere schreiben oder nur für mich.


Wenn ich für Leser schreibe, dann sollte/könnte der Sinn und Zweck in einer Geschichte z.B. darin bestehen, dass der Leser

a) zum Nachdenken angeregt wird
b) in Zukunft über manche Sachverhalte anders denkt
c) sein Mitgefühl/Empathie aktiviert wird
d) er etwas dazu lernt
e) zum Lachen gebracht wird
f) zum Weinen, er irgendwie emotional berührt wird
g) er erfreut wird durch besonders gute Formulierungen
h) er gepackt wird von der Spannung der Geschichte
i) er informiert wird...

(Diese Aufzählung ist alles andere als abschließend, sondern nur beispielhaft.)

ABER nicht, dass er nur die Schultern zuckt und sich fragt, was und wozu er das gelesen hat.

So meine ich es.

Man kann aber auch nur deswegen Texte schreiben, weil man sich selbst etwas schreibt. Das Schreiben kann zur eigenen Unterhaltung, Loslösung von Problemen, weiß der Henker wozu alles dienen.
Dann aber sind das keine Texte, die für Leser geschrieben werden und die gehören dann auch nicht Lesern zugänglich gemacht.

Dein Geständnis, hier einfach nur drauflos geschrieben zu haben, deutet darauf, dass es dir primär, gar ausschließlich um dich selbst ging. Das ist legitim, keine Frage, aber dann sollte es auch bei dir bleiben, weil es dann denselben Gehalt und dieselbe Funktion hat wie ein Tagebucheintrag.

Lieben Gruß

lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo lakita,

Wenn ich für Leser schreibe, dann sollte/könnte der Sinn und Zweck in einer Geschichte z.B. darin bestehen, dass der Leser
a) zum Nachdenken angeregt wird
b) in Zukunft über manche Sachverhalte anders denkt
c) sein Mitgefühl/Empathie aktiviert wird
d) er etwas dazu lernt
e) zum Lachen gebracht wird
f) zum Weinen, er irgendwie emotional berührt wird
g) er erfreut wird durch besonders gute Formulierungen
h) er gepackt wird von der Spannung der Geschichte
i) er informiert wird...

ABER nicht, dass er nur die Schultern zuckt und sich fragt, was und wozu er das gelesen hat.

Dann aber sind das keine Texte, die für Leser geschrieben werden und die gehören dann auch nicht Lesern zugänglich gemacht.
Das mag alles so sein, wie du es hier aufzählst, bloß:
( ) ist es natürlich deine persönliche Meinung. Andere mögen das unterschiedlich sehen
( ) kann es durchaus passieren, dass sich der ein o. andere Leser doch angesprochen fühlt bzw. der kurze Text ihn nachdenklich stimmt (bei dir ist das halt nicht der Fall). Vermutlich Alkoholiker u. Junkies eher als „Normalos“
( ) mache ich mir beim Lesen von KGen selten Gedanken darüber, welchen höheren Sinn der Autor damit verfolgt. Das ist ähnlich wie mit Bildanalysen: man interpretiert eine Menge in das Gemälde hinein, und wenn man den Maler nachher darauf anspricht, antwortet der: »Hochinteressant. Wusste gar nicht, dass sich all diese Inhalte in meinem Bild verbergen. Ich habe einfach drauflos gepinselt. Aber gut, dass Sie mich darauf aufmerksam machen.«
( ) werden ebenfalls Tagebuchinhalte publiziert (zugegebenermaßen nicht oft. Aber hin u. wieder).

D.h. dein Schulterzucken stellt eine Reaktion aus mehreren möglichen dar. Ist für mich auch okay. Nur leite ich daraus eben nicht die Maximalforderung der Nicht-Veröffentlichung ab. Reicht m.E. völlig, wenn man sagt: »Mich interessiert/ erreicht der Text nicht.« Geht mir mit 90% von dem, was ich lese, nicht anders.

lakita, danke für deine Einschätzung. Hilft mir, die Wirkung der Tim-Geschichten – von denen es eine Menge gibt – auf unterschiedliche Leser besser einschätzen zu können.

Lg sinuhe

 
Zuletzt bearbeitet:

Wenn ich mir Deine Geschichten so durchlese, Deine Kommentare und Deine Antworten, dann frage ich mich, was macht eine Kurzgeschichte denn für einen Leser lesenswert, aus Deiner Sicht?
Es scheint bisher ja immer an den Lesern zu liegen, wenn die Geschichten nicht funktionieren .... Also, welchen Leser wünscht Du Dir für deine Texte?
Welche Anforderungen darf er an eine Kurzgeschichte stellen? Welche stellst Du dir beim Schreiben? Bisher konnte ich lediglich herauslesen, dass eine Kurzgeschichte in Deinem Sinne eine Wortzahl im Bereich von - bis haben sollte, und sonst?

Ratlose Grüße Fliege

 

Hallo sinuhe,

normalerweise melde ich mich hier im Forum, um Textarbeit zu den Geschichten zu liefern. Hätte ich auch hier bei deiner Geschichte gemacht,
aber ich will ja nicht meine Zeit vertrödeln, wenn es für dich reicht, dass ich

Reicht m.E. völlig, wenn man sagt: »Mich interessiert/ erreicht der Text nicht.«
schreibe (Antwort an lakita). Begründen muss ich dann ja nichts. Ok. in dem Sinne noch viel Spass hier.
Gruss,
Gisanne

 

Hallo Fliege,

Wenn ich mir Deine Geschichten so durchlese und Deine Kommentare, dann frage ich mich, was macht eine Kurzgeschichte denn für einen Leser lesenswert, so aus Deiner Sicht? Es scheint ja immer am Leser zu liegen, wenn die Geschichten nicht funktionieren ....
Ist eine schwierige – vermutlich nicht abschließend zu beantwortende – Frage. Weil eben die Resonanz einer (Kurz-) Geschichte zu 100% vom persönlichen Geschmack des Lesers/ Kommentators abhängt. Das, was ich gerne lese, kann bspw. bei dir auf Missfallen stoßen. Oder umgekehrt. Aktuell blättere ich in einem TB, in dem neun Short Stories des – von mir an und für sich hochgeschätzten – J. D. Salinger abgedruckt sind. Zwei davon finde ich gut, bei den restlichen sieben gähne ich. Sie sind deshalb nicht schlecht geschrieben; bloß sprechen mich Inhalte und Wortwahl eben nicht an. Genau so geht es mir mit Tschechow, Gogol etc. Weil es ein Autor halt nicht schafft, mit jeder seiner Geschichten die Leser zu fesseln. Und trotzdem käme ich nicht auf die Idee, Salinger vorzuhalten, er würde eine schlechte KG veröffentlichen. Ich sage in diesem Fall, dass mir persönlich das Werk aus den und den Gründen nicht gefällt und andere das vllt komplett anders als ich beurteilen werden.

Von daher würde ich es für einen Trugschluss halten, von der Meinung eines Kritikers auf das generelle Gelingen bzw. Misslingen einer Geschichte hochrechnen zu wollen. Ich habe häufig erlebt, dass ich eine KG zerfetzte (wobei ich die dann allerdings vorher Zeile für Zeile durchgegangen bin), und der Kommentator direkt unter mir genau das Gegenteil behauptete, und die Story in den höchsten Tönen lobte. Und ich mich anfangs fragte: das kann doch überhaupt nicht möglich sein? Bis mir klar wurde, dass die Geschmäcker in Punkto Literatur (sehr) stark differieren. Vermutlich noch krasser als bei Musik und Malerei.

Von daher ist es okay, wenn ein Kritiker zu dem Urteil gelangt: gefällt mir nicht. Ob er damit aber die restlichen 99.99% der potenziellen Leser repräsentiert, wage ich zu bezweifeln. Kommentare sind Einzelmeinungen. Nicht mehr und nicht weniger.

Also, welchen Leser wünscht Du Dir für deine Texte? Welche Anforderungen darf er an eine Kurzgeschichte stellen? Bisher habe ich den lediglich den Eindruck, eine Kurzgeschichte sollte eine Wortzahl im Bereich von - bis haben, und sonst?
Ich bin – ausgenommen im technischen Segment – ein Gegner von Normierungen. V.a. im künstlerischen Bereich. Die Streubreite bei Romanen, Novellen und Kurzgeschichten ist groß. Und das ist mMn auch gut so. Angelsachsen, Italiener, Russen usw. erzählen andere Geschichten als die deutschen Autoren und verfolgen einen unterschiedlichen Handlungsstrang. Nicht besser, nicht schlechter, bloß anders.

„Mein“ Leser wird vermutlich männlich sein, sich im Altersintervall zw. 40 u. 50 bewegen, Drogen (wozu ich natürlich ebenfalls Alkohol zähle) kennen (er muss deshalb nicht süchtig sein) und zwei- bis dreimal pro Jahr ein Buch in die Hand nehmen. Wobei mir jede/r andere Leser/ in natürlich ebenfalls hochwillkommen ist.

Das sind meine Antworten auf deine Fragen; wenngleich ich vermute, dass sie dich nicht zufriedenstellen werden, weil du die Sache eben anders siehst als ich.

@Gisanne:

Begründen muss ich dann ja nichts. Ok. in dem Sinne noch viel Spass hier.
Da hast du meinen Satz falsch gelesen. Natürlich soll – v.a. eine negative – Kritik begründet werden. Falls eine Geschichte dem Kommentator missfällt, reicht es aber, im Resümee zu schreiben: Gefällt mir nicht. Anstatt die Eignung der Story als KG per se anzuzweifeln.

Vg sinuhe

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey :)

Das sind meine Antworten auf deine Fragen; wenngleich ich vermute, dass sie dich nicht zufriedenstellen werden, weil du die Sache eben anders siehst als ich.

Ich sehe vieles nicht anders wie Du, überhaupt nicht. Kein Autor kann 100% Leser überzeugen. Menschen schreiben anders, lesen anders, haben andere Vorlieben, Hintergründe, Interessen. Darüber muss man auch nicht reden.

Aber es gibt ja Merkmale (im Sinne von Textqualität), die eben einen Text von xy von einem Tschechow unterscheiden. Und genau das suche ich gerade, was sind die Qualitätsmerkmale von Geschichten, die Du gerne liest? Worin liegt für Dich die Qualität von Salinger, Gogol, Tschechow? Und in den Antworten, finden sich eben doch Merkmale, die gute KGs von schlechten unterscheiden. Langeweile und Alltag findet keinen Verlag, weil der Verlag keinen Leser findet. Gäbe es einen Markt für diese Art von Text, er würde bedient werden, da bin ich mir sicher.

Wenn ich eine Geschichte darüber schreibe, wie ich jeden Morgen aufstehe, mir die Zähne putze, dusche, Kaffee koche, den Rechner hochfahre ... dann teilt halb Deutschland mit mir dieses Schicksal (der Rest trinkt Tee oder hat keinen Rechner) und trotzdem wäre es ein Text, der keine Sau interessiert. Also an den gleichen Erfahrungen kann es nicht liegen, ob ein Text funktioniert und Leser anspricht, da muss mehr sein. Verstehst Du worauf ich hinaus will?

Beste Grüße Fliege

Nachtrag :

... mache ich mir beim Lesen von KGen selten Gedanken darüber, welchen höheren Sinn der Autor damit verfolgt

Das ist für den Leser durchaus i.O., aber der Autor sollte es schon. Ich glaube, jeder Künstler möchte über sein Schaffen etwas ausdrücken, bewegen, aufbrechen, angreifen ... er hat schon eine Absicht, Intention - also, doch Autoren verlange ich das. Und wenn es Unterhaltung ist oder einen Menschen berühren, aber keine Ansprüche an sein Schaffen zu haben ... nee.

 

Hi Fliege,

das sind schwierige Fragen, die du mir stellst. Ich versuche es:

Aber es gibt ja Merkmale (im Sinne von Textqualität), die eben einen Text von xy von einem Tschechow unterscheiden. Und genau das suche ich gerade, was sind die Qualitätsmerkmale von Geschichten, die Du gerne liest? Worin liegt für Dich die Qualität von Salinger, Gogol, Tschechow?
Fange ich mit dem einfachsten Aspekt an: der formalen Qualität. Sind RS, Grammatik, Satzkonstruktionen, Layout in Ordnung? Hier müsste eigentlich am schnellsten Konsens herzustellen sein. Ein Text, der nur so von RS-Fehlern strotzt, kann nicht gut sein; oder vllt doch?
Aber: ich habe schon einige Geschichten gelesen, die formal zwar das Auge beleidigten, jedoch von Story und/ oder Wortwitz her betrachtet außergewöhnlich waren. Die mir – trotz all ihrer äußerlichen Mängel – inhaltlich gefielen.

Die drei o.g. Autoren schrieben zeitversetzt um jeweils rd. sechzig Jahre, Was sich sowohl an den Themen als auch an der Wortwahl bemerkbar macht. Salinger (1950) ist mir näher als Gogol (1840). Tschechow (1890) liegt in der Mitte. Die beiden Russen formulierten z.T. recht langatmig bzw. liefern sehr ausführliche Beschreibungen von (Alltags-) Szenen. Gogol noch mehr als Tschechow. Könnte mir vorstellen, dass moderne Kommentatoren deren Geschichten stark kürzen würden. Vermutlich trafen sie in ihrer Zeit mit diesem Stil den Nerv des Publikums. Ist das nun qualitativ hochwertig? Ehrlich gesagt: keine Ahnung. Ich kann einzig sagen, Story A gefällt mir und B eher weniger. Ich kann es im Einzelfall begründen. Könnte daraus allerdings keine allgemeinverbindliche Literaturformel ableiten.

Und in den Antworten, finden sich eben doch Merkmale, die gute KGs von schlechten unterscheiden. Langeweile und Alltag findet keinen Verlag, weil der Verlag keinen Leser findet. Gäbe es einen Markt für diese Art von Text, er würde bedient werden, da bin ich mir sicher.
Da bei Tschechow auf eine gute (besser: mir gefallende) idR. eine mich nicht ansprechende KG folgt, tue ich mich wirklich schwer damit, generell in Schwarz u. Weiß zu unterscheiden. Dasselbe gilt für nahezu alle Autoren, die ich lese. Oft gefällt mir ein Roman von ihnen und beim zweiten, den ich mir kaufe, denke ich: oh, wie langweilig. Der deshalb nicht zwangsläufig schlechter sein muss als der Vorgänger. Allerdings sprechen mich dann Sujet und/ oder Stil nicht mehr an. Während du es evtl genau andersherum sehen würdest.


Wenn ich eine Geschichte darüber schreibe, wie ich jeden Morgen aufstehe, mir die Zähne putze, dusche, Kaffee koche, den Rechner hochfahre ... dann teilt halb Deutschland mit mir dieses Schicksal (der Rest trinkt Tee oder hat keinen Rechner) und trotzdem wäre es ein Text, der keine Sau interessiert. Also an den gleichen Erfahrungen kann es nicht liegen, ob ein Text funktioniert und Leser anspricht, da muss mehr sein. Verstehst Du worauf ich hinaus will?
mMn kann man zu jedem Thema was schreiben. Zum morgendlichen Zähneputzen genauso wie zum Hochfahren des Rechners, Kaffee kochen im Büro oder dem Wachsen eines Grashalms im Vorgarten. Kommt halt immer darauf an, aus welchem Blickwinkel ich den alltäglichen Vorgang betrachte u. welche Worte ich zur Beschreibung auswähle.

Eine (Kurz-) Geschichte über eine Badewanne kann amüsant sein oder auch nicht. Hängt eben davon ab, wie ich die Szene darstelle. Ich würde mir bspw. überlegen, ob ich der Wanne einen eigenen Charakter zugestehe. Oder eine Leiche unter dem Schaum verstecken. What ever …

Einen Roman zu einer einzigen Alltagsszene zu schreiben, hielte ich ebenfalls für verwegen. Denn niemand will 400s übers Zähneputzen lesen und dafür noch 14.95€ ausgeben. Als KG könnte es hingegen funktionieren.

Verlage interessieren sich primär für Verkaufszahlen. Das wäre also ein Plädoyer für die Wanderhure; oder doch nicht? Je länger ich über die Qualität von Literatur nachdenke, desto mehr gelange ich zu dem Schluss, dass man die kaum anhand „objektiver“ Kriterien beurteilen kann. Man kann es versuchen; wird aber wahrscheinlich nie auf einen gemeinsamen Nenner kommen.

Lg sinuhe

 

Hey sinuhe,

ich antworte Dir jetzt noch einmal und stelle keine weiteren Fragen ;). Wir werden sonst eh bald von den Rubrikmods wegen off topic abgemahnt.

das sind schwierige Fragen, die du mir stellst.

Unterschreibe ich sofort und die Suche nach den Antworten, die ist auch nie beendet. Dennoch denke ich, dass es Fragen sind, auf die man achten sollte, die man sich immer neu stellen muss und in deren Antworten man viel für die eigene Schreibe mit nimmt. Deshalb habe ich sie gestellt. Das jeder die Fragen für sich anders beantworten kann und daraus sich andere Dinge ergeben, ist klar. Aber sie sind wichtig.

Fange ich mit dem einfachsten Aspekt an: der formalen Qualität.

Ob das jetzt ein Aspekt ist, weiß ich nicht. Gute Geschichten können viele RS-Fehler haben und schlechte top geschrieben sein. Es sagt mehr über die Fertigkeiten des Autors aus und sein Bemühen, einen Text gut an den Leser zu bringen (oder Nichtbemühen) als über den Text als solches.

Die drei o.g. Autoren schrieben zeitversetzt um jeweils rd. sechzig Jahre, Was sich sowohl an den Themen als auch an der Wortwahl bemerkbar macht.

Richtig. Aber könnte es sein, dass die Themen der Autoren, auch heute noch relevant sind? Ich glaube daran sortiert sich die Literatur im Zeitwandel aus. Geschichten die aktuell bleiben in ihren Themen, die bleiben, die anderen fallen durch und werden vergessen. Kirschgarten ist aktuell heute wie früher auch. Da haben wir ein großes Qualitätsmerkmal - für mich jedenfalls - Relevanz des Themas. Dazu muss eine Geschichte natürlich erst mal eines haben.

Dasselbe gilt für nahezu alle Autoren, die ich lese. Oft gefällt mir ein Roman von ihnen und beim zweiten, den ich mir kaufe, denke ich: oh, wie langweilig.

Klar, aber immer wieder die Frage stellen, warum mag ich den einen und den anderen nicht? Du für Dich, Nicht für die Allgemeinheit. Figuren? Spannung? Story? Hintergrund? Thema?

mMn kann man zu jedem Thema was schreiben. Zum morgendlichen Zähneputzen genauso wie zum Hochfahren des Rechners, Kaffee kochen im Büro oder dem Wachsen eines Grashalms im Vorgarten.

Ja, und Du gibst Dir die Antwort schon selbst:
Kommt halt immer darauf an, aus welchem Blickwinkel ich den alltäglichen Vorgang betrachte u. welche Worte ich zur Beschreibung auswähle.

Wenn ich ein Thema literarisch bearbeite, ein Ziel damit verfolge, dann kann man über alles schreiben. Aber eben bearbeiten, nicht protokollieren. Unterschied :teach:

Eine (Kurz-) Geschichte über eine Badewanne kann amüsant sein oder auch nicht. Hängt eben davon ab, wie ich die Szene darstelle. Ich würde mir bspw. überlegen, ob ich der Wanne einen eigenen Charakter zugestehe. Oder eine Leiche unter dem Schaum verstecken. What ever …

Und da bearbeitest Du schon ;).

Verlage interessieren sich primär für Verkaufszahlen. Das wäre also ein Plädoyer für die Wanderhure; oder doch nicht?

Nein. Verkaufszahlen stehen für die Leser und ihre Interessen. Verlage sind Huren, die bedienen. Das viele Bild lesen, dafür kann ich jetzt auch nichts, auch nicht, dass es viele danach verlangt. Das etwas gedruckt wird, sagt nix über die Qualität, nur darüber, ob sich Leser finden.

Je länger ich über die Qualität von Literatur nachdenke, desto mehr gelange ich zu dem Schluss, ...

Alles was ich wollte ist, denk drüber nach. Und ganz ehrlich, nicht immer liegt es am Leser, wenn etwas nicht gefällt. Manchmal liegt es tatsächlich auch am Text. Nicht immer die Hände hochreißen und sagen, Leser ist schuld. Sich auch mal Fragen stellen und Antworten suchen, die Meinungen mal durchspielen, ausprobieren und dann erst ablehnen. Schreiben ist ein Prozess und kein schwarz-weiß (das habe ich von dir).

Und jetzt bin ich still. Versprochen. :anstoss:
Beste Grüße Fliege

 

„Mein“ Leser wird vermutlich männlich sein, sich im Altersintervall zw. 40 u. 50 bewegen, Drogen (wozu ich natürlich ebenfalls Alkohol zähle) kennen (er muss deshalb nicht süchtig sein) und zwei- bis dreimal pro Jahr ein Buch in die Hand nehmen. Wobei mir jede/r andere Leser/ in natürlich ebenfalls hochwillkommen ist.

Setzen. Sechs. Durchgefallen.
Ich bin etwas jünger und komm auf ein Buch die Woche!

Ne, aber ernsthaft. Mir hat Abgestiegen wie fast alle Tim-Stories einschliesslich des Jobcenters gut gefallen.
Ich glaub der springende Punkt ist, dass ich Tim als Charakter gut kenne. Die Geschichten ohne groß Inhalt rieseln angenehm vorbei und vertreiben die Zeit. Da gibts nichts groß zum Nachdenken oder (manchmal, nicht immer!) einen tieferen Sinn, aber den will ich beim Lesen meist auch gar nicht.
Ich hoffe es wirkt nicht negativ, aber für mich sind die Tim-Stories oft so etwas wie eine Daily-Soap. Man kennt die Chars und es interessiert einen einfach, was sie machen. Die Grundproblematik kennt man und man fiebert irgendwo immer ein bisschen mit, ob Tim wieder einen Tiefpunkt hat oder weiterkommt. Ob seine vernünftige und soziale Ader die Oberhand behält oder der Drang nach Alk.

Vor allem hast du eine angenehme Mischung. Mal passiert nichts, dann gibts was wirklich neues und zwischendurch etwas ernstes. Mich hältst du so bei der Stange und ich guck immer wieder mit zittrigen Händen nach neuem Stoff.

Würde ich Tim nicht kennen und so das erste Mal über Abgestiegen, oder viel schlimmer, das Jobcenter, stolpern, würde ich eher nichts mehr von Dir lesen. Wenig Aussage und was soll die Geschichte eigentlich? Kennt man Tim aber, passt alles.
Bisserl wie Telefonieren mit Kumpels. Für sich alleine sind die Aussagen meist völlig banal und langweilig - kennt man die Personen, wird es interessant.

 

Hallo Andy,

so sehen wir uns nach langer Zeit wieder. Das freut mich!

Ich bin etwas jünger und komm auf ein Buch die Woche!
Das sind (Weihnachten u. Ostern in Abzug gebracht) 50 Bücher pro Jahr. Das ist viel!!
Wenngleich „in die Hand nehmen“ ein dehnbarer Begriff ist.

Ich glaub der springende Punkt ist, dass ich Tim als Charakter gut kenne. Die Geschichten ohne groß Inhalt rieseln angenehm vorbei und vertreiben die Zeit. Da gibts nichts groß zum Nachdenken oder (manchmal, nicht immer!) einen tieferen Sinn, aber den will ich beim Lesen meist auch gar nicht.
Zehn o. zwanzig (aus insg. sechzig) der Tim-Geschichten zu kennen, ist natürlich hilfreich, um die einzelnen Episoden besser einschätzen zu können.
Die Backgammon-Stories lasse ich mal außen vor.

Ich hatte knapp ein Jahr lang mit dem Zyklus gestoppt und erst vor kurzem, als ich den Vertrag fürs MS erhielt, wieder mit neuen Stories angefangen. Aus dem einfachen Grund heraus, einen Handlungsfaden für eine mögliche Fortsetzung zu spinnen. Im Erstling wird viel getrunken, um die Häuser gezogen und gestorben. In Bd. 2 sollen jetzt Wege aus der Sucht heraus geschildert werden. Und zwar in fiktionaler Weise. Also nicht therapeutisch o. gar belehrend, sondern in Form einer (langen) Erzählung. Auf dass so langsam wieder Normalität in das aus den Fugen geratene Leben des Protas einkehre.

Ich hoffe es wirkt nicht negativ, aber für mich sind die Tim-Stories oft so etwas wie eine Daily-Soap. Man kennt die Chars und es interessiert einen einfach, was sie machen. Die Grundproblematik kennt man und man fiebert irgendwo immer ein bisschen mit, ob Tim wieder einen Tiefpunkt hat oder weiterkommt. Ob seine vernünftige und soziale Ader die Oberhand behält oder der Drang nach Alk.

Würde ich Tim nicht kennen und so das erste Mal über Abgestiegen, oder viel schlimmer, das Jobcenter, stolpern, würde ich eher nichts mehr von Dir lesen. Wenig Aussage und was soll die Geschichte eigentlich? Kennt man Tim aber, passt alles.
Bisserl wie Telefonieren mit Kumpels. Für sich alleine sind die Aussagen meist völlig banal und langweilig - kennt man die Personen, wird es interessant.
Daily Soap (o. Telenovela) ist völlig i.O. für mich. Zwar schwebte mir diese „Literatur-“ Gattung anfangs nicht vor, als ich die erste Tim- (Kurz-) Geschichte zu Papier brachte. Das hat sich dann eher im Zeitablauf so ergeben. Aber: warum nicht? Soaps – obwohl nur wenige zugeben, dass sie die angucken – erfreuen sich recht hoher Einschaltquoten.

Ich persönlich behaupte ja schon seit langem, dass „höhere“ Aussagen in Geschichten überbewertet werden. Manchmal sind es die (banalen) Kleinigkeiten, die länger im Gedächtnis des Lesers haften bleiben.

Du erinnerst mich daran – ohne es explizit zu sagen –, dass ich noch an einer Fortsetzung der Geschichte mit seiner alten Schulfreundin Vera arbeiten wollte. Die hatte ich damals sang- u. klanglos in die Schublade gesteckt. Die wäre evtl eine lohnenswerte Type für Bd. 2. Überlege ich mir.

Mal passiert nichts, dann gibts was wirklich neues und zwischendurch etwas ernstes. Mich hältst du so bei der Stange und ich guck immer wieder mit zittrigen Händen nach neuem Stoff.
Sucht nach der (literarischen) Daily Soap. Vermutlich leben die Fortsetzungsgeschichten in den Zeitungen davon.


Andy, schön dir hier zu begegnen! Vllt kreuzen sich unsere Wege in der nahen Zukunft noch öfter. Würde ich mich drüber freuen.

Vg sinuhe

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom