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Aber ich muss doch meinen Vater lieben
Wir sitzen in der Küche. Wie zwei fremde. Schon immer so gewesen. Denke ich. Ich weiß es nicht.
Meine Mutter sagt es war anders. Früher da war ich klein. Viele Erinnerungen. Wenige an ihn. Mein Kopf ist voll. Man sagt man speichert Erinnerungen und kann sie abrufen. Ich kann. Bestimmt. Ich will aber nicht. Wir sitzen und schweigen. Niemand sagt etwas. Der andere würde eh nicht antworten. Wozu auch. Wir interessieren uns nicht füreinander. Er sagt nichts. Ich sage nichts. Die Tür geht auf. Erst der Hund , dann meine Mutter. Meine Laune bessert sich. Aber auch nicht. Widerspruch. Ich liebe sie. Aber sie ist nicht wie ich. Sie ist schwach. Lässt sich von ihm tyrannisieren. Ich nicht. Ich bin ausgezogen. Er weiß nicht wo ich wohne. Er besucht mich nicht. Das macht mir nichts. Wirklich. Meine Mutter redet. Wichtige Dinge . Ich gehe beruflich weg. Sie ist traurig. Er redet dazwischen. Immer. Ich hasse das. Unwichtige Dinge, Wetter und Benzinpreise. Was soll das. Dafür kann ich ihn noch weniger leiden. Er mag mich nicht. Meine Mutter redet gerne mit mir. Ich mit ihr. Er ist eifersüchtig. Denke ich. Vielleicht weiß ich es auch. Aber ich weiß nicht warum er wieder in der Küche sitzt. Er arbeitet. Manchmal. Er ist Beamter. Wenig Arbeit, viel Geld. Sagt man. Stimmt nicht. Er hat kein Geld. Er hat Schulden. Unendlich viele. Keine Übersicht. Niemand. Er schon gar nicht. Briefe zerreißt er. Heimlich. Denkt er. Wo das Geld ist. Niemand weiß es. Nur er. Spekulationen. Spielsucht, Bordelle wer weiß. Nur er. Ein bisschen wissen wir auch. Er trinkt. Oft und gerne. Und vor allem viel. Immer wann er Zeit hat. Er hat viel Zeit. Er arbeitet wenig. Er trinkt Bier wie Wasser. Halbe Liter. Manchmal sieben, manchmal acht, manchmal mehr. Unabsehbar. Manchmal ist er friedlich dabei. Manchmal nicht. Oftmals nicht. Er hört Musik und trinkt dabei. Schlager. Alte Lieder. Schrecklich. Auch dafür hasse ich ihn. Dann wird er aggressiv. Sehr. Er schreit. Er schlägt Türen. Er bedroht uns. Droht meiner Mutter. Er werde sie umbringen. Sich selbst erhängen. Ich bin traurig. Meine Mutter tut mir Leid. Ich bin wütend auf sie. Niemand soll sich so behandeln lassen. Sie tut es. Ich hasse sie dafür. Manchmal gebe ich ihr die Schuld. Sie soll gehen. Weg von ihm. Weit weg. Es gibt Institutionen die helfen. Bestimmt. Auch ihr. Sie ist ein guter Mensch. Barmherzig , lieb, lustig. Sie lacht gerne , schenkt gerne. Er nicht. Er ist nicht lustig. Lacht nicht. Ein Herz hat er nicht. Meine Mutter sagt früher war er anders. Glaube ich nicht. Ich weiß es nicht. Er ist geizig. Er kauft viel Bier. Nie gibt er meiner Mutter etwas. Alles muss sie selber kaufen. Nur manchmal. Manchmal darf sie einkaufen. Alles wird kontrolliert. Er kontrolliert wo sie hingeht. Wann. Zu wem. Mit wem. Er kontrolliert wer anruft. Jeden Tag. Immer wieder. Manchmal verbietet er wer anrufen darf und wer nicht. Meine Tante nicht. Sie weiß wie er ist. Er mag das nicht. Stellt sich gerne als guten Menschen dar. Vor anderen. Morgens holt er oft Brötchen. Aber nur für sich. Nie für meine Mutter oder meine Schwester. Brötchen und Mett. Alle denken er sei fürsorglich. Müsse für sich selbst sorgen . Der arme. Sie wissen nichts. Ich weiß mehr. Er denkt nur an sich. Wir sind ihm egal. Widerspruch. Meine Mutter darf nicht gehen. Sonst wird er sie umbringen. Sagt er. Manchmal wünsche ich er würde sich selbst umbringen. Meine Schwester hat sich arrangiert. Sie lebt mit ihm. Mehr oder weniger. Ich liebe sie. Sie ist nicht wie ich. Sie ist still. Eingeschlossen in sich selbst. Was sie denkt weiß ich nicht. Weiß niemand. Sie spricht nicht. Wenn dann wenig. Oberflächliches. Nichts tiefgründiges. Stille Wasser sind tief. Sie tut als würde sie seine Ausraster nicht mit bekommen. Ich glaube ihr nicht. Sie kann schweigen. Über alles . Sie ist Vertrauensschülerin. Alles ist sicher bei ihr. Für mich wäre das nichts. Ich rede gerne. Und viel. Er beschimpft sie manchmal. Sie ist sitzen geblieben. Er sagt sie sei dumm. Ist sie nicht. Er ist nur gemein. Gemein zu ihr. Zu meiner Mutter. Gemein zu jedem. Dafür hasse ich ihn. Er hasst sich selber. Glaube ich. Er ist wütend auf sich. Seine Schulden. Schulden kommt von Schuld. Seine Schuld. Er sagt unsere Schuld. Kann nicht sein. Er war immer weg. Urlaube. Überall hin. Auf Kredit. Er hat viele Karten. Und viele gesperrte Karten. Unsere Schuld. Mich macht das wütend. Er lügt. Er lügt oft. Auch über uns erzählt er Lügen. Gemein. Es ist unfair. Es stimmt nicht was er sagt. Andere wissen das aber nicht. Woher denn. Nur ich rede. Davon ,dass wir uns nicht mögen. Dass er mich nicht mag. Dass ich ihn nicht mag. Das wir nicht reden. Uns nicht anrufen. Nie. Kein Anruf. Meine Mutter rufe ich oft an . Und gerne. Wie es ihr geht. Ihn nicht. Es interessiert mich nicht. Ich brauche ihn nicht. Er mich auch nicht. Das ist fair. Keiner fühlt sich benachteiligt. Wir schenken uns nichts. Nicht zu Weihnachten. Nicht zum Geburtstag. Meine Mutter und Schwester vermitteln. Sie schenken dem anderen in unserem Namen. Blödsinn. Ich weiß dass er mir nie etwas schenken würde. Und ich ihm. Wozu auch. Ihn interessiert nichts. Nur Bier. Oder sein Tablet. Alles andere nicht. Ich interessiere mich für viele Dinge. Rede gerne. Gehe unter Leute. Lache oft und gerne. Habe ein Herz. Er nicht. Nichts davon. Schon gar kein Herz. Einmal hat er den Hund getreten. Er war betrunken. Wie so oft. Ich hätte gerne ihn getreten. Ich möchte immer noch. Ich hasse ihn. Er hasst mich. Und doch sind wir uns ähnlich. Das ärgert mich. Wir sehen uns ähnlich. Dunkle Haare, dunkle Augen. Meine Mutter sagt früher war er hübsch . Ich habe Fotos gesehen. Es stimmte. Ich bin hübsch. Wir sind uns ähnlich. Irgendwie. Beide stur. Eigensinnig. Wollen immer Recht haben. Ich auch. Vor allem bei ihm. Er darf nicht im Recht sein. Unmöglich. Das ärgert mich. Wir regen uns beide furchtbar schnell auf. Über kleine Dinge. Manchmal frage ich mich wieso . Wieso regt er sich auf. Dann fällt es mir ein. Ich bin auch so. Kleinigkeiten können mich wahnsinnig machen. Ihn auch. Wir sind uns ähnlich. Er trinkt gerne . Bier . Ich trinke ab und zu. Wein. Schon sind wir uns nicht mehr ähnlich. Absichtlich. Er wird dann aggressiv. Ich müde. Und ich rede. Mehr als sonst. Wieder keine Ähnlichkeit. Manchmal habe ich Angst. Dem Alkohol zu verfallen. Wie mein Vater. Wie sein Vater. Er redet Schlecht über seinen Vater. Ich über meinen. Familientradition. Beides. Ich weiß es nicht. Es scheint so. Jede Familie hat doch eine. Unsere ist nicht schön. Aber es gibt sie. Zählt das nicht auch. Irgendwie muss das zählen. Er geht bald in Rente. Will auswandern. Sehr gut. Weit weg. In die Sonne. Nicht weit genug. Ich weiß nicht wohin aber es ist nicht weit genug. Ein Planet scheint für uns zu wenig. Dasselbe Sternzeichen. Hörner. Mit denen wir uns aufspießen wollen. Irgendwann schaffen wir das. Bestimmt. Ich bin mir sicher. Ich liebe meine Mutter . Über alles. Und meine Schwester. Aber ich muss doch meinen Vater lieben. Oder nicht. Ich weiß es nicht…