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Abendtot

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21.06.2007
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Abendtot

Kalle kaute übertrieben lange am letzten Bissen, und dann warf er das Besteck auf seinen Teller und sah hinüber zu Margot, die entsetzlich langsam aß und nebenbei in der Zeitschrift las, die aufgeschlagen neben ihr lag. Beim Scheppern des Bestecks war sie nicht zusammengezuckt, und nun nahm sie sich von den Kartoffeln nach.
„Zum Kotzen“, sagte Kalle.
Margot sah nicht auf.
„Sicher“, sagte sie.
Sie war vertieft in den Artikel und bemerkte nicht, dass ihr Soße vom Messer auf die Tischplatte tropfte. Kalle wollte bis Zehn zählen, dann würde er seine Frau darauf aufmerksam machen. Er schüttelte den Kopf und bekam immer mehr Lust, ihr ordentlich den Marsch zu blasen. Aber bei Neun strich Margot mit dem Finger über den Klecks auf der Tischplatte und leckte die Soße von ihrem Finger ab. Sie blätterte um, aber es war die Doppelseite mit den Kreuzworträtseln am Ende des Heftes, und sie blätterte die letzte Seite um und studierte die Anzeigen auf der Rückseite der Illustrierten. Dann wendete sie das Heft und schlug es wieder auf.
„Zum Kotzen“, sagte Kalle.
„Sicher.“
„So ein Mist. Wie kann man nur diesen Mist lesen, sag mal?“
„Es interessiert mich“, sagte sie und las weiter. „Es gibt nun mal Dinge, die interessieren dich nicht.“
Sie blätterte um, und Kalle erkannte das ganzseitige Foto irgendeiner klunkerbehangenen Adligen wieder, und er wusste genau, Margot hatte diesen Artikel schon gelesen, als die beiden mit dem Abendessen begonnen hatten.
„Zum Kotzen“, sagte er, „dieser Mist.“
Margot kaute und las weiter. Kalle beobachtete sie genau, aber er konnte keinerlei Anzeichen feststellen, ob sie sich ärgerte.
„Wirklich“, sagte er, „zum Kotzen.“
„Sicher.“
Sie nahm sich vom Gemüse nach. Eine Erbse fiel vom Löffel und kullerte beinahe vom Tisch. Dicht am Rand der Tischplatte blieb sie liegen. Kalle sah abwechselnd von Margot zu der Erbse, aber seine Frau aß und las in ihrer Zeitschrift. Er wollte bis Zehn zählen und dann seine Frau darauf aufmerksam machen, und nicht zu knapp; aber bei Fünf ließ ihm die Erbse keine Ruhe mehr.
„Dir ist eine Erbse runter gefallen.“
„Sicher.“
„Willst du sie nicht aufnehmen?“
„Gleich.“
Sie blätterte um und zerdrückte die letzte Kartoffel auf ihrem Teller in der Soße, und dann sah sie nach dem Fleisch. Mit der Fleischgabel rührte sie im Rest Soße in der Schüssel, und sie war dabei so gründlich, dass es Kalle bald auf die Nerven ging.
„Du siehst doch, dass nichts mehr da ist, Menschenskind! Meinst du nicht, dass du sonst längst fündig geworden wärst?“
„Es waren fünf kleine Schnitzel“, sagte sie und suchte weiter, „und du sagtest, mehr als zwei würdest du nicht essen. Auf keinen Fall, sagtest du. Fünf weniger Zwei macht Drei, und ich hatte zwei Schnitzel.“
„Du hattest drei.“
„Ich hatte zwei Schnitzel.“
Sie hörte nicht auf, in der Schüssel zu rühren, und sie würdigte Kalle noch immer keines Blickes.
„Zwei Schnitzel hatte ich. Zwei.“
„Immer weißt du alles besser.“
„Zwei“, sagte Margot, „ich weiß es genau.“
„Ich, ich hatte zwei“, sagte Kalle und verschränkte die Arme über dem Bauch, „und wie du eben so treffend bemerktest: Fünf weniger Zwei macht Drei. Also musst du drei gegessen haben. Es bleibt nichts anderes übrig, meine Liebe, du musst dich damit abfinden.“
Margot ließ die Rührerei sein und aß rasch auf. Auf ihren Wangen zeigte sich endlich eine auffällige Röte und Kalle grinste. Als sie das Besteck auf ihren Teller gelegt hatte, schlug sie die Zeitschrift zu und wollte aufstehen.
Kalle sagte: „Warum behauptest du, ich hätte dir ein Schnitzel weg gegessen? Findest du es fair, deine Fresssucht auf mich abzuwälzen?“
„Du sagtest aber, mehr als zwei würdest du nicht essen. Und ich bin sicher, ich hatte nur zwei, und es ist ja kein Schnitzel mehr in der Schüssel. Und ich hatte Fünf gekauft. Fünf. Wenn du mir nicht glaubst, guck auf den Kassenbon. Ich hab ihn noch in meiner Handtasche. Ich hole ihn, dann kannst du's sehen.“
Sie wollte aufstehen, aber Kalle sagte: „Lass doch den dummen Bon, Menschenskind!“
Margot stellte die Teller ineinander. Sie sagte: „Wir hätten uns das letzte Schnitzel genauso gut teilen können. Gestern sagtest du noch, mehr als Zwei würdest du nicht essen. Auf keinen Fall, sagtest du.“
„Wie kann man nur drei Schnitzel essen ...“
„Es waren kleine Schnitzel, und ich habe nur zwei gegessen.“
„Zwei sind Masse genug. Ich hab den ganzen Tag gearbeitet, und trotzdem reichen mir zwei. Ich bin pappsatt, weißt du. Wie kann man nur drei Schnitzel essen, wenn man nicht mal den ganzen Tag gearbeitet hat ...“
„Ich habe auch gearbeitet.“
„Ach Gott“, meinte Kalle, „bis mittags, ja. Bis mittags hast du gearbeitet, meine Liebe. Du arbeitest halbtags, schon vergessen?“
„Und der Haushalt?“
„Was ist mit dem Haushalt?“
„Anschließend kümmere ich mich immer um den Haushalt.“
„Was gibt es da groß zu kümmern?“
„Du kümmerst dich ja nicht drum.“
„Weil ich den ganzen Tag arbeite.“
„Du meinst, ich würde nichts tun, weil ich nur halbtags arbeiten gehe und mich anschließend um den Haushalt kümmere?“
„Meine Güte“, sagte Kalle, „drei Schnitzel ...“
„Ich habe nur zwei Schnitzel gegessen.“
Margot nahm die Teller und brachte sie zur Spüle. Dann räumte sie die Schüsseln vom Tisch. Kalle saß da und ließ seine Frau nicht aus den Augen, und es freute ihn mächtig, dass ihr die Verstimmung anzumerken war, obwohl sie sich bemühte, sich nichts anmerken zu lassen.
„Findest du nicht“, sagte er, „du solltest allmählich kürzer treten?“
„Kürzer treten?“
„Mit dem Essen, meine ich. Du hast zugelegt. Du hast ganz schön zugelegt, wirklich."
Sie stand an der Spüle mit dem Rücken zu ihm und kratzte in einem der Töpfe herum, und sie widmete sich ihrer Beschäftigung mit verräterischer Hingabe. Kalle grinste noch breiter, und dann reckte er sich und gähnte.
Er sagte: „Reichst du mir meine Zigaretten? Dort auf dem Küchenschrank liegen sie.“
„Ich hab schmutzige Finger.“
„Dann mach sie halt sauber.“
„Warum holst du sie dir nicht selbst?“
„Das könnte ich natürlich tun.“
„Dann tu's.“
„In Ordnung“, sagte Kalle und rührte sich nicht.
Er sah zu, wie Margot den Topf beiseite stellte und heißes Wasser ins Becken laufen ließ.
Er sagte: „Warum stellst du den Krempel nicht einfach in die Geschirrspülmaschine?“
„Warum lässt du mich nicht einfach in Frieden?“
„Warum stellst du's nicht einfach in die Geschirrspülmaschine?“
Das Wasser lief ins Becken und Margot trocknete sich die Hände mit dem Geschirrtuch. Dann kam sie zum Tisch und behielt das Tuch in der Hand. Sie sah lange auf Kalle herab und das Wasser lief. Kalle erwiderte ihren Blick, aber leicht fiel es ihm nicht, und er grinste längst nicht mehr so breit.
Sie sagte: „Ich habe zwei Schnitzel gegessen. Zwei von Fünf. Warum gibst du nicht zu, dass du drei gegessen hast, obwohl du nur zwei wolltest? Warum gibst du's nicht einfach zu? Warum sagst du nicht einfach, dass du Hunger hattest?“
„Trotzdem könntest du kürzer treten.“
Sie starrten sich eine Weile schweigend an, und das Ticken der Küchenuhr war gewaltig laut.
„Sag“, meinte Kalle, „wirst du nachher vorm Fernseher wieder Schokolade futtern? Oder hast du deine ganzen Schokoladenvorräte schon wieder aufgefuttert? Du futterst viel Schokolade in letzter Zeit ...“
„Ich habe fünf Kilo zugenommen. Fünf Kilo in vier Jahren.“
„Siehst du.“
„Wenn man älter wird“, sagte Margot, „ändert sich das mit dem Stoffwechsel, das hab ich neulich gelesen. Dass man zunimmt, wenn man älter wird, ist ganz normal. Man muss gegensteuern, stand da, mit viel Bewegung, und so. Der Organismus arbeitet irgendwie anders, wenn man älter wird. Das ist nun mal so. Ich esse nicht mehr als früher, und ich hab zugenommen, weil diese Stoffwechselgeschichte sich verändert, wenn man älter wird.“
„Ach. Das hast du in einer dieser Zeitschriften gelesen?“
Margot antwortete nicht, und Kalle sagte: „Immer weißt du alles besser. Zum Kotzen.“
Er stand auf und holte seine Zigaretten. Und als er wieder am Küchentisch saß, bemühte er sich eine Weile vergeblich mit dem Feuerzeug, und dann warf er es auf den Tisch.
„Leer, das Scheißding!“
Margot holte aus einer Schublade eine Packung Zündhölzer und legte sie ihm hin, aber er beachtete sie gar nicht.
„Die Erbse“, sagte er, „sieh doch nur, die Erbse liegt da immer noch.“
Margot folgte seinem Blick.
„Tatsächlich“, sagte sie.
„Warum nimmst du sie nicht auf? Bestimmt liegt sie da morgen noch. Ich denke, du kümmerst dich um den Haushalt?“
„Natürlich kümmere ich mich um den Haushalt. Ich bin noch nicht dazu gekommen, den Tisch abzuwischen.“
„Du hättest den ganzen Krempel einfach in den Geschirrspüler stellen sollen, dann hättest du längst Zeit gefunden, den Tisch abzuwischen.“
„Gleich“, sagte Margot. „Was stört dich so an der Erbse?“
„Es ist ekelhaft.“
„Ekelhaft? Du findest die Erbse ekelhaft?“
Kalle griff nach den Zündhölzern und steckte sich endlich die Zigarette an. Er inhalierte tief und blies den Rauch hoch zu Margot. Die trat einen Schritt zurück und hustete, und mit beiden Armen fächelte sie den Rauch beiseite. Kalle beachtete seine Frau nicht mehr und sah vor sich hin. Er blickte wieder auf die Erbse und sagte: „Ekelhaft!“
„Soll ich dir sagen“, meinte Margot und setzte sich ihm gegenüber an den Tisch, „soll ich dir sagen, was ekelhaft ist?“
Sie griff nach der Zigarettenschachtel und steckte sich eine an. Obwohl sie vorsichtig zog, musste sie husten, und Kalle schüttelte den Kopf über seine Frau.
Er sagte: „Du rauchst doch längst nicht mehr.“
„Aber jetzt will ich wieder rauchen, verstehst du.“
„So. Aber hast du daran gedacht, dass das Wasser noch läuft?“
„Das Becken hat einen Überlauf. Das Wasser kann laufen, solange es will.“
„Gott“, sagte Kalle, „ich mein ja nur. Immerhin könnte mit dem Überlauf was nicht in Ordnung sein. Möglich wär's doch, oder?“
„Mit dem Überlauf ist alles in Ordnung.“
„Ich mein ja nur“, sagte Kalle. „Jedenfalls werde ich den Scheiß nachher nicht aufwischen. Das wirst du ganz allein tun müssen, sollte mit dem Überlauf was nicht in Ordnung sein.“
Margot sprang auf und drehte das Wasser ab. Dann setzte sie sich wieder Kalle gegenüber an den Küchentisch.
„Soll ich dir sagen“, meinte sie und zog wieder an der Zigarette, „soll ich dir sagen, was ekelhaft ist?“
Kalle zog ein Gesicht und rauchte, und er nahm das Feuerzeug auf und spielte damit auf der Tischplatte. Er gebrauchte dazu beide Hände; die Fluppe behielt er im Mundwinkel, und wegen des Rauchs musste er immer wieder die Augen zusammenkneifen. Aber er fühlte sich wohl in dieser Pose, sehr wohl, und er würde Margots Gemüt bei der nächstbesten Gelegenheit massakrieren; und er begann, eine Melodie zu summen, irgendwas, das ihm gerade einfiel. Und dann rechnete er schon gar nicht mehr damit, dass Margot überhaupt noch einen Piep von sich gäbe. Mit dem Fuß schlug er gegen das Tischbein den Takt zu der Melodie, und er schlug immer heftiger und der Tisch begann zu zittern.
Margot drückte die Zigarette aus. Sie hatte sie zur Hälfte geraucht und es war offensichtlich, dass ihr der Glimmstengel nicht die Bohne geschmeckt hatte.
„Deine Unterhosen“, sagte sie, „deine Unterhosen sind ekelhaft.“
„Was?“
„Du wischt dir nie den Hintern richtig ab. Nie. In deinen Unterhosen bleibt immer ein Kackefleck zurück.“
Der Tisch zitterte nicht mehr, und Kalle nahm die Fluppe aus dem Mundwinkel.
„Was sagst du da?“
„Immer. Ein richtig großer Kackefleck. Du bist schon Fuffzig, aber du bist nicht in der Lage, dir den Hintern ordentlich abzuwischen.“
„Das passiert doch mal, mein Gott ...“
„Dir passiert's immer. In jeder Unterhose ist ein Kackefleck, wenn ich sie in die Waschmaschine stecke. Ich muss mir danach immer die Hände waschen, weißt du, damit keine Kacke an meinen Händen zurückbleibt. Bei so großen Kackeflecken kann das leicht passieren, aber ich möchte keine Kacke an den Händen haben.“
Kalle schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte.
„Ach so“, rief er, „jetzt weiß ich! Eine Retourkutsche soll das werden! Eine Retourkutsche, weiter nichts! Meine Güte“, sagte er und zermalmte seine Zigarette im Aschenbecher, „was bist du primitiv! Nein, wirklich! Da ist man über ein Vierteljahrhundert lang verheiratet und lernt einen Menschen dann erst richtig kennen! Pfui, Margot!“
Er griff zur Zigarettenschachtel und steckte sich die nächste an, und er zog hastig und wütend und stierte vor sich auf die Tischplatte.
„Hör mal“, sagte Margot, „seit einem Vierteljahrhundert stecke ich jeden Samstag deine Unterhosen mit großen Kackeflecken in die Waschmaschine! Ich habe Lust auszurechnen, in wie viele Kackeflecken ich dabei gefasst habe. Ich mag gar nicht daran denken, wie viele es gewesen sind. Und du“, rief sie, „du regst dich über diese scheiß Erbse auf!“
Kalle sagte: „Du kannst mir ja viel erzählen ...“
Margot stand auf.
„Soll ich eine Unterhose aus der Schmutzwäsche herholen? Irgendeine von deinen Unterhosen? Soll ich dir den Kackefleck zeigen? Soll ich?“
„Menschenskind“, brüllte Kalle, „nun halt endlich das Maul!“
Die abrupte Stille im Raum dröhnte beiden in den Ohren, und weder Margot noch Kalle hörten noch das Ticken der Küchenuhr. Margot setzte sich wieder. Sie griff nach der Zigarettenschachtel, und als sie sah, dass nur noch eine in der Packung war, zögerte sie. Aber dann steckte sie sich die Fluppe in den Mund; und diesmal musste sie nicht husten und rauchte auf. Und als sie dann die Kippe im Ascher ausdrückte, bemerkte sie Kalles Blick. Er guckte überhaupt nicht mehr finster.
„Weißt du“, sagte er und schraubte sich ein versöhnliches Grinsen ins Gesicht, „du hast Recht. Ich habe das Dritte auch noch gegessen.“
„So.“
„Du hast so entsetzlich langsam gegessen, und ich habe mich über dich geärgert.“
„Du hast dich über mich geärgert, weil ich langsam gegessen habe?“
„Wegen deiner verdammten Zeitschriften“, sagte Kalle, „wegen deiner blöden Zeitschrift hab ich mich über dich geärgert. Weil du immer beim Essen lesen musst. Das ärgert mich, verstehst du?“
„So.“
„Warum musst du beim Essen immer lesen?“
„Warum sollte ich nicht beim Essen lesen?“
„Weißt du“, sagte Kalle und wollte eine Hand auf Margots legen, aber die nahm sofort beide Hände vom Tisch, als sie seine Absicht erkannte. Kalle stockte und holte tief Luft. „Weißt du“, sagte er, „es gibt Paare, die wechseln beim Essen das eine oder andere Wort miteinander, und sie tun's sogar noch, wenn sie bereits Silberhochzeit gefeiert haben, so wie wir.“
„Ja“, sagte Margot, „und es gibt Paare, die haben schon Silberhochzeit gefeiert und gehen trotzdem noch miteinander ins Bett.“
Kalle brauchte einen Moment.
„Was willst du damit sagen?“
„Du bist ein Schlappschwanz!“
„Margot!“
„Ein scheiß Schlappschwanz! Ein Schlappschwanz, der außer seiner großen Fresse nichts auf der Pfanne hat!“
Kalle wollte etwas erwidern, ihm lag sofort ordentlich was auf der Zunge, aber er konnte sich gerade noch beherrschen. Er schnappte sich die Zigarettenschachtel und als er sah, dass sie leer war, knüllte er sie zusammen, bis sie sich nicht weiter zusammenknüllen ließ, und warf sie auf den Fußboden. Er biss die Zähne aufeinander, dass es knirschte, und schlug mit der Faust in die hohle Hand. Vor Wut war er dunkelrot im Gesicht. Aber er konnte seiner Frau nicht ins Gesicht sehen, und er hoffte, ihm würde mehr einfallen, als sie eine scheiß Fotze zu nennen.
Margot sagte: „Du bist ein Scheißkerl.“
„Margot ...“, begann Kalle. Dann sagte er: „Warum fängst du damit an? Warum fängst du damit an und nennst mich deswegen auch noch einen Scheißkerl?“
„Ich nenne dich einen Scheißkerl, weil du gar nicht kapierst, was für ein Scheißkerl du bist. Weißt du“, sagte sie und ihre Züge hellten sich auf, als dürfte sie ihn im nächsten Moment mit dem Auto überfahren, „es gibt Scheißkerle, die kapieren's irgendwann, und dann sind sie erträgliche Scheißkerle. Aber du kapierst es noch nicht mal.“
„Du scheiß Fotze!“
„Natürlich“, sagte Margot.
„Wirklich!“, sagte Kalle.
„Wäre ich keine scheiß Fotze, hätte ich's gar nicht so lange mit dir ausgehalten. Mit dir kann's nur eine scheiß Fotze bis über die Silberhochzeit hinaus aushalten, mit einem Schlappschwanz kann's nur eine scheiß Fotze aushalten.“
„Ich bring dich um!“
Kalle erhob sich langsam und wedelte mit den Fäusten vor ihrem Gesicht herum.
„Ich bring dich um“, sagte er. „Dass du damit wieder anfangen musst!“
Margot sah, dass er's ernst meinte; und sie stand hastig auf und warf dabei den Stuhl um, sie wich vor ihm zurück und ihre Überlegenheit von eben war ihr gründlich vergangen. Aber sie bereute kein einziges Wort und lachte, als wäre dieser Augenblick eine Erlösung für sie.
„Du bist seit über fünfundzwanzig Jahren ein Schlappschwanz“, rief sie, „ein Schlappschwanz mit Kackeflecken in den Unterhosen!“
Sie kam bis zur Küchenzeile, und an ihrem Hintern spürte sie den Rest Wärme, den die Cerankochfelder noch ausstrahlten. Kalle war sofort bei ihr, und er packte sie am Hals und Margot zerrte mit beiden Händen an seinem Arm, aber gegen seine Kraft kam sie nicht an. Er lockerte den Griff etwas, und dann verpasste er ihr eine Ohrfeige. Aber er hatte nicht mit Wucht zugeschlagen. Margot lachte wieder; und es war ihr gleichgültig, ob Kalle im nächsten Augenblick richtig zuschlüge. Es war ihr mehr als völlig gleichgültig und sie lachte. Und Kalle lockerte seinen Griff weiter, und die freie Hand hing hilflos herab und die Wut in seinen Zügen wurde schwammig.
Er sagte: „Fang doch nicht damit an. Bitte, fang nicht damit an, Margot.“
Er nahm die Hand weg und Margot fasste sich an den Hals. Ihr war schlecht und sie hatte Angst, diesem übermächtigen Hustenreiz nachzugeben, sie wollte sich nicht übergeben müssen; aber dann konnte sie's nicht mehr unterdrücken und das Husten tat ihr weh. Aber sie musste sich nicht übergeben. Sie krümmte sich immer mehr zusammen und bellte, als wollte sie sich die Seele aus dem Leib husten, und sie sank dabei fast auf die Knie und hielt sich irgendwo an der Küchenzeile fest. Aber sie musste nicht kotzen. Und dann richtete sie sich auf und sah zu Kalle, der bis in den entferntesten Winkel zurückgewichen war. Ihre Augen schwammen in den Tränen, die der Husten ihnen abgenötigt hatte, und sie sah Kalle nur undeutlich und wischte sich flink mit beiden Händen die Augen trocken.
„Es tut mir leid“, sagte er.
„Du Schlappschwanz“, sagte Margot, „du jämmerlicher Schlappschwanz.“.
Kalle sah zu Boden, als würde er jeden Moment in der eigenen Scham ertrinken, und er bekam Angst und wollte seine Frau um Hilfe anflehen.
„Es tut mir leid“, sagte er. „Wirklich. Hättest du nur nicht damit angefangen ...“
Margot riss blitzschnell eine Schublade auf und griff hinein. Und sie stürzte so unvermutet mit der Gabel in der Hand auf Kalle zu, dass der ihren Angriff nicht mehr abwehren konnte. Margot stach ihm in den Oberarm; aber im allerletzten Moment hatte ihr Verstand die Wut noch mäßigen können. Kalle schrie auf, in erster Linie vor Schreck. Die Zinken hatten sich tief ins Fleisch gedrückt, aber sie hatten die Haut nicht durchbohrt. Margot ließ sofort die Gabel los und rannte zurück, und das Besteck fiel hinunter auf die Fliesen.
„Du scheiß Fotze!“
„Du Schlappschwanz“, schrie Margot, und sie musste die Reste ihrer Inbrunst zusammenkratzen und begann zu zittern. „Du Schlappschwanz mit der großen Fresse!“
„Ich bring dich um!“
Margot wehrte sich nicht groß. Sie ließ es geschehen, dass Kalle ihr den Arm auf den Rücken drehte; und als er hinter ihr war, packte er ihr ins Haar und zog ihren Kopf so weit es ging in den Nacken, und Kalle bog ihren Arm immer weiter zurück und Margot schrie, weil sie's vor Schmerzen nicht mehr aushalten konnte.
„Ich bring dich um, du scheiß Fotze! Dass du damit anfangen musstest!“
„Das bringst du nicht fertig! Du hast nur eine große Fresse!“
„Ich bring dich um!“
„Das bringst du nicht fertig, du Schlappschwanz!“
Kalle gab ihr einen Stoß und Margot schleuderte quer durch die Küche, und sie stieß gegen die Tür vom Vorratsraum und schlug sich den Kopf. Schmerz und Benommenheit zwangen sie zu Boden, und dann hockte sie vor der Tür und heulte, und sie rieb sich den Schädel und heulte immer mehr. Kalle trat an sie heran und war ratlos.
„Siehst du!“, sagte er.
Und als Margot nach einer Weile noch immer nicht zu ihm aufsah, trat er nach ihr. Er trat immer fester, je mehr sie sich einigelte. Und je weniger sie ihn endlich um Vergebung bat. Kalle hatte vor Verzweiflung feuchte Augen, aber sie ließ ihm keine andere Wahl, und er trat und trat.
Und dann spürte er, wie es hart gegen seinen Hosenbund drückte, und er war über seinen Steifen erschrocken. Er hatte den Eindruck, sein Glied würde immer steifer und größer, und er trat und trat.
„Siehst du!“, rief er, „siehst du!“
„Bitte, hör auf!“, flehte Margot.
„Siehst du's jetzt?!“
„Hör auf, bitte hör auf!“
Kalle hörte auf. Er packte Margot, die keinen Widerstand bot, und warf sie herum, und als sie auf dem Rücken lag und zu ihm hoch blinzelte, hatte er die Hose auf. Er stürzte zwischen ihren Beinen nieder und zerrte das Höschen unterm Rock hervor, und dann legte er sich auf sie und Margot unternahm nichts dagegen. Und dann war er enttäuscht, dass sie feucht war. Er hatte sie mehr strafen wollen, als er's mit Schlägen oder Tritten je hätte erreichen können, aber Margot war feucht und unternahm nichts gegen ihn. Und nach den ersten wütenden Stößen schlang sie die Arme um ihn.
„Hör nicht auf!“, rief sie und reckte ihm den Unterleib entgegen. „Hör nicht auf, hörst du!“
Margot war sehr feucht und würde bald kommen, aber Kalle konnte sich darauf verlassen, dass er diesmal nicht zu früh aus ihr raus rutschen würde.
„Du lieber Himmel“, sagte er, „das darf nicht wahr sein!“
„Mach weiter, oh Gott, hör bloß nicht auf!“
Als Margot kam, schrie sie. Kalle war auch bald soweit, und als er spritzte, schrie Margot wieder. Und dann lagen sie unbeweglich aufeinander und Kalle spürte, dass er noch genauso steif war wie vorher, und er begann sachte wieder zu stoßen und Margot sah ihn mit großen Augen an.
„Nicht“, sagte sie dann.
„Komm schon ...“
„Nein“, sagte sie; aber Kalle war nicht ärgerlich. Er küsste sie und Margot erwiderte den Kuss flüchtig, und dann rollte er sich von ihr runter. Sie lagen nebeneinander und sahen zur Decke hinauf.
Sie kamen wieder zu Atem, und Kalle sah zu Margot, aber die sah hinauf zur Decke, und dann schloss sie die Augen, und Kalle sah wieder hinauf zur Decke und fühlte sich großartig. Und als er wieder zu Margot sah, schloss sie sofort die Augen, und Kalle sah wieder hinauf zur Decke und fühlte sich großartig und für's Erste verlangte er gar nicht mehr.
„Menschenskind“, sagte er, „so funktioniert's also ...“
Margot antwortete nicht, und Kalle sah zu ihr rüber. Diesmal schloss sie nicht die Augen und Kalle wartete, wann sie endlich den Kopf wenden und seinen Blick erwidern würde. Er hatte ihr viel zu sagen, aber mit Worten allein war das unmöglich zu machen. Margot schloss wieder die Augen und Kalle bemerkte erst jetzt, dass er ihr die Bluse zerrissen hatte. Er sah die Striemen auf ihrem Busen und fühlte sich nicht mehr ganz so großartig, aber immerhin noch großartig genug. Sie lagen nebeneinander und sahen zur Decke hoch und die Küchenuhr tickte sehr laut.
„Wer hätte das gedacht“, sagte Kalle.
Margot antwortete nicht.
„So funktioniert's also“, sagte Kalle.
„Ja“, sagte Margot, „so funktioniert's.“
„Wer hätte das gedacht ...“
„Ja. Wer hätte das gedacht.“
Kalle wandte wieder den Kopf, aber Margot sah nur zur Decke hoch. Er wurde ungeduldig.
„Hättest du damit gerechnet? Sag, hättest du's erwartet?“
Aber Margot richtete sich plötzlich auf, und als sie saß, betastete sie ihren Busen und verzog vor Schmerz das Gesicht. Dann richtete sie ihren Büstenhalter und erhob sich, und Kalle betrachtete seine Frau und fand sie sehr anziehend. Und mit einem Mal war er der Meinung, dass Margot durch ihr Schweigen mehr als genug sagte; und so großartig hatte er sich in seinem ganzen Leben noch nicht gefühlt und er nahm sich vor, dass es nicht zum letzten Mal so sein sollte.
„Wohin willst du?“, fragte er.
„Ich hab Rückenschmerzen ...“
„Tut mir leid“, sagte er.
„Ich weiß.“
Er hatte noch keine Lust, sich vom Boden zu erheben, und verschränkte die Arme hinterm Kopf. Er sah an sich hinunter, und sein Glied lag schlaff und feucht im verklebten Gestrüpp, und Kalle fühlte sich großartig und grinste breit.
„Tut mir leid wegen deiner Rückenschmerzen“, sagte er, „wirklich.“
Margot bewegte sich beinahe lautlos hinter ihm, aber er achtete schon gar nicht mehr auf sie und gab sich seinem Hochgefühl hin. Ein altes Sprichwort kam ihm in den Sinn und er musste laut lachen.
„Warum lachst du?“
„Weißt du“, sagte Kalle, „es stimmt einfach nicht. An diesen ollen Weisheiten ist nichts dran. Ich glaube wirklich, an diesen ollen Sprüchen ist nichts dran.“
„So?“
„Ja“, sagte er, „das mit dem alten Hund, meine ich. Dass man einem alten Hund nichts mehr beibringen kann. Das stimmt nicht. Das stimmt einfach nicht.“
Er reckte sich.
„Und ob man einem alten Hund noch etwas beibringen kann. Hast du ja eben gesehen, was man einem alten Hund noch beibringen kann. Hast du ja eben gesehen, oder?“
„Ja.“
„Du lieber Himmel“, sagte Kalle, „ich hab gelernt, wie's funktioniert.“
„Das hast du.“
„Über fünfundzwanzig Jahre, und dann funktioniert's ...“
„Aber du bist kein alter Hund“, sagte Margot.
„Vorhin hast du mich einen Schlappschwanz genannt.“
„Das hätte ich nicht tun sollen.“
„Das hättest du wirklich nicht“, sagte Kalle. „Aber ich bin doch ein alter Hund, und einem alten Hund kann man durchaus noch etwas beibringen.“
Und dann hatte er genug davon, auf den Fliesen herumzuliegen. Kalle erhob sich schwerfällig und ächzte dabei übertrieben, und die Alberei machte ihm viel Spaß.
„Scheiß auf die Gelenke“, sagte er, als er endlich auf den Beinen stand, „einen alten Hund machen mehr aus als die verrosteten Gelenke, was?“
Er sah sich nach Margot um.
Mit dem Brotmesser in der Hand stürzte sie auf ihn zu. Und Kalle wusste, dass ihr keine andere Wahl blieb, und er war nicht sicher, ob er etwas dagegen unternehmen würde. Er wusste nur, dass er nichts dagegen unternehmen wollte, weil Margot keine andere Wahl blieb.

 
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Hallo Kingkong!

Das ist eine wirklich tolle Geschichte. Ich fand auch den Beginn überhaupt nicht langweilig und find es gut, dass du dir für das Setting genug Zeit gelassen hast. So kann man das Unerträgliche, das Tragische und auch Komische der Situation der beiden gut nachempfinden.

Dieser unablässige Dialog wirkt sehr authentisch und trotzdem gelingt es dir, der Geschichte am Ende eine literarische Überhöhung zu geben, indem du dem Geschehen nicht die übliche Bedeutung unterlegst, im Sinn von "ich will mal zeigen, wie das so läuft mit Gewalt gegen Frauen und leiste damit einen wichtigen gesellschaftskritischen Beitrag", sondern du gehst hier woanders hin: Diese beiden kommen drauf, dass sich so viel zwischen ihnen angestaut hat und dass es ein Ventil gibt, mit dem sie kräftig ablassen können, ein reinigendes und gleichzeitig (erotisch) aufladendes Gewitter, und sie können nicht mehr anders als damit weiterzumachen.

Empfehlenswert!

Gruß
Andrea

 
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Meinen Respekt, King Kong, ehrlich!

Bei der Szene mit der Erbse war ich noch etwas skeptisch, dachte, das liefe auf so eine Art Loriot-Klamotte hinaus oder, was weiß ich, egal, an irgendwas hat’s mich erinnert. Dann aber wurde der Text immer packender, fesselnder und beklemmender.
Das Leben dieses Ehepaares ist Alltag in seiner allerdeprimierendsten Form, und trotzdem schaffst du es, dass ich als Leser beiden Opfern dieser Ehehölle irgendwie Verständnis und Sympathie entgegenbringen kann, dir gelingt es, beide als wirkliche, echte Menschen zu schildern.
Bedauernswerte Opfer ihres Scheißlebens sind sie letztlich beide.

Meine ganz große Bewunderung gilt deiner Sprache, für mich passt einfach jedes Wort, die Dialoge sind großartig, also sprachlich finde ich dieses tausendfache, alltägliche Drama einfach perfekt umgesetzt.
Ob sie ihn am Ende absticht oder nicht, ist eigentlich egal, entfliehen können sie ihrer Hölle so oder so nicht.

Ganz toll geschrieben, machte mir Gänsehaut beim Lesen.

offshore

 

Hallo King Kong,

ich finde die Geschichte auch gut. Der Stil ist roh und unbehauen, passt aber hier ganz gut. Das einzige Manko ist für mich die Zeitspanne: 25 Jahre, in denen nichts passiert? In denen er seiner Frau nicht vorher eine reingehauen hat, denn er scheint ja vom Wesen her eher aggressiv veranlagt zu sein? Das geht für mich irgendwie nicht auf, diese Jahre der Inaktivität. Da hätte ich mir mehr Backstory gewünscht. Warum übertritt er dieses eine Mal diese besagte Grenze, für mich wird es nicht ersichtlich. Was passiert da genau? Oder ist es nur die Spitze einer Entwicklung, dann müsste man sie darstellen, einen Hinweis darauf geben.

Gerne gelesen.
Jimmy

 

Hallo myisrael, Andrea H., ernst offshore und jimmysalaryman,

vielen Dank für eure Kommentare (und natürlich bin ich glücklich, dass die Story von euch überwiegend positiv aufgenommen wurde)!

@ myisrael: Oha! "Unfassbar langweilig"? Ich fürchte, damit meinst du nicht die unfassbare Langeweile, in der die beiden Ehekrüppel dahinvegetieren ... Wie sagte Faulkner einmal? "Schreibe den ersten Satz so, dass der Leser unbedingt den zweiten lesen will!" Scheint mir nicht wirklich gelungen.

@ jimmysalaryman: Mehr Backstory? Dann hätte ich einen Roman schreiben können. Es ging mir um das eine Tröpfchen, das das Fass zum Überlaufen bringt. In 25 Jahren ist eine Menge passiert. Aber bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich alles aufgestaut. Ich sehe den Mann auch nicht derart aggressiv, dass er bereits mehrmals seine Frau verdroschen haben muss. Vom Maulhelden bis zum Schläger kann es ein ganz schöner Weg sein. Eben bis zu dem bewussten Tröpfchen ... Versteh meine Antwort aber bitte nicht so, dass ich meine Geschichte nun unbedingt als perfekt verteidigen will! Hielte ich sie für perfekt, hätte ich sie hier nicht eingestellt.

Euch allen liebe Grüße und noch einen schönen Tach!

Kong

 

Hallo King Kong,

genau - dieses eine Tröpfchen. In meinen Augen klingt Kalle sehr wohl so, als hätte er eventuell seine Frau mal richtig verdroschen. Verbal ist er definitiv aggressiv, und er soll ja so ein wenig den harten, proletarischen Anstrich haben, also derbe (und schwach zugleich) sein. Ist dir gut gelungen, dies darzustellen, also diesen Widerspruch auch, aber für mich kommt die Entwicklung zur Handlung eben einfach unvorhersehbar. Was ist an dieser Situation jetzt anders, als bei allen anderen, ähnlichen Situationen? Du musst keinen Roman schreiben, er könnte sagen: Erinnere dich, wie ich dir letztes Mal die Fresse poliert habe. Dann musst du natürlich definieren, warum er diesmal einen Ständer kriegt und nicht beim letzten Mal. Weil es besagtes Tröpfchen war? Ja, aber welches? Mir es nicht klar.

Gruss, Jimmy

 

Hej King-Kong,

mir hat es auch gut gefallen.

Ich finde es sehr gelungen, wie die beiden sich an Worten festbeißen und daran zerren, wie sie wiederholen und gegenseitig vorzählen ohne in kompliziertere Diskussionen abzudriften. Man bleibt beim Lesen immer ganz nah dran, an dieser klaren, einfachen ungeheuren Gereiztheit.

„Du siehst doch, dass nichts mehr da ist, Menschenskind! Meinst du nicht, dass du sonst längst fündig geworden wärst?“

Zum Schluss fühle ich mich ein wenig um Margots Gefühlswelt betrogen. Obwohl ich weiß, was passiert ist, klingt sie mir kurz vor Schluss nicht nach Wut oder Rache, nicht nach Weitermachen, Stechen und Töten.

Vllt ist es auch nur die Tatsache, dass sie wartet, bis er sich umdreht, die mich irritiert. Ich seh sie vorher nicht, sie ist komplett aus meinem Blickwinkel verschwunden, einerseits wäre das wohl gut für eine Überraschung, aber da ist vorher schon die Schublade (schon da dachte ich, jetzt kommt ein Messer) und die Überschrift deutet auch mehr als Prügel an, also nehme ich an, vollkommene Überraschung war nicht unbedingt Deine Absicht.
Willst Du zeigen, wie kontrolliert sie ist (aber das ist sie dann ja justament nicht mehr)?

Wie auch immer, viel Spaß noch hier,

LG
Ane

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo King Kong

Auch von mir ein Kompliment, tolle Geschichte.

Ich fand die erste Hälfte sogar besser, der Dialog am Esstisch, den finde ich grossartig. Wie sich das so langsam steigert, erst gehts um die tropfende Sosse, dann um die Schnitzel, die Erbse, die Unterhosen, das Liebesleben ... das finde ich wirklich stark gemacht.

Man spürt, da hat sich ganz viel Frust aufgestaut, der jetzt erstmal dadurch versucht wird abzubauen, dass man sich gegenseitig auf möglichst derbe Art verbal demütigt. Kalle ist da sicher als Auslöser zu sehen, auch mit der Anspielung auf das Gewicht seiner Frau (fies!), ich glaube er rechnet gar nicht mit einer Gegenwehr und habe bei ihm das Gefühl, diese kleine Sticheleien gehören bei ihm ohnehin zum Alltag.

Tja, und dann wehrt sich Margot eben doch, gibt ihm Kontra, und so eskaliert dann das Ganze konsequent eine Stufe weiter in körperliche Gewalt und schliesslich in den ersten (?) gelungenen Sexualakt überhaupt. Sex und Gewalt liegen hier - wie so oft - nah beieinander, aber dass die langsam ansteigende (verbale und körperliche) Gewalt schliesslich in einem Sexualakt enden, mit dem beide einverstanden sind, den beide auch wollen (und der ohne die Gewalt gar nicht erst zustande gekommen wäre) - das finde ich sehr gelungen umgesetzt.

Einen kleinen Kritikpunkt kann man hier anbringen:

„So funktioniert's also“, sagte Kalle.
„Ja“, sagte Margot, „so funktioniert's.“
„Wer hätte das gedacht ...“
„Ja. Wer hätte das gedacht.“

Das finde ich etwas übertrieben. Nach über 25 Ehejahren ist es nicht unglaubwürdig, wenn der Sex langweilig und selten wird, aber dass es nie welchen gegeben hat ... hm, weiss nicht, das war mir dann einen winzigen Tick zu viel.

Das Ende finde ich dann wieder genial. Ist es Rache, ist es Bestrafung, ist es der Beginn zu einem neuen, noch höheren Höhepunkt ;)?

Kleine Textarbeit noch:

„Es tut mir leid“, sagte er. „wirklich.

Wirklich (gross)

Insgesamt wirklich eine runde, unterhaltsame und interessante Geschichte, Kompliment!

Grüsse
Schwups

 

@ jimmysalaryman:
Hallo Jimmy, danke, dass du dich noch einmal gemeldet hast. Ja, ich verstehe, was du meinst.
Aber ich bin nun mal nicht dafür, dem Leser wirklich alles zu verraten. Kennst du Hemingways Eisberg-Theorie? (Ich denke aber, als Schreiberling wirst du dich damit schon einmal beschäftigt haben - dazu muss man Hemingway nicht unbedingt gerne lesen, aber interessant ist's allemal.)
Ich will nun wirklich nicht behaupten, sechs Siebtel im Verborgenen gelassen zu haben; dafür habe ich wahrscheinlich schon viel zu viel verraten. Aber ich vertrete die Ansicht, dass man in einer Kurzgeschichte die Phantasie des Lesers anstoßen und ihr dann auch genügend Platz lassen sollte. Und wenn das nicht funktioniert, dann ist die Geschichte entweder scheiße oder sie erreicht einen Leser aus allen möglichen Gründen nicht.
Das Tröpfchen sollte doch eben die Gewalt gegen seine Frau sein. Margot macht sich über seine Potenzschwäche lustig. Und als er (begründet oder nicht, das sei dahingestellt) so gereizt ist, dass er seiner eigenen Frau gegenüber handgreiflich wird, dann hat er plötzlich ob ihrer Unterlegenheit einen Mordsständer in der Hose. Über den er selbst erschrocken ist! Also wird's noch nicht vorgekommen sein ...
Im Übrigen glaube ich nicht, dass jeder Prolet (oder sagen wir lieber: proletarisch veranlagter Mensch) automatisch ein Schläger ist!

@ Ane:
Liebe Ane, vielen Dank für dein Interesse an meiner Story! Du hast Recht: Eigentlich nimmt der Titel den Ausgang vorweg. Die Ausblendung Margots verfolgte durchaus das Ziel, ihre Messerattacke als Blitz aus heiterem Himmel darzustellen. Ich glaube, ich werde mir Gedanken über einen neuen Titel für die Geschichte machen ...

@ Schwups:
Hach, zuviel des Lobes! Danke!

Nach über 25 Ehejahren ist es nicht unglaubwürdig, wenn der Sex langweilig und selten wird, aber dass es nie welchen gegeben hat ...
Wie kommst du darauf? Sie hat 25 Jahre eine Flasche im Bett gehabt (um es einmal drastisch auszudrücken). Um mehr ging's mir nicht. Ich denke mir, in der ersten Verliebtheit und auch bei zunehmender Eheroutine sieht eine Frau noch über die Potenzschwäche eines Mannes hinweg. Zumindest wird es Frauen geben, die das tun - zweifellos hat meine These keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Und womöglich geht es Margot auch nicht darum, endlich mal "ordentlich durchgefickt" (Entschuldigung!) zu werden - sondern es ist für sie lediglich Munition.

Euch allen noch einen schönen 1. Mai!

Kong

 

Hallo king kong
Es ist dir sehr gut gelungen beide Parteien so dazustellen dass man als Leser
eine Sympathie für beide entwickeln kann.

Jeden Satz von Kalle und margot kann man nachvollziehen
sowie man ebenfalls überwiegend die Handlung nachvollziehen kann was die Geschichte noch besser und lesenswerter macht

sehr unterhaltsam Fidget

 

Hallo King Kong,

ich war am Anfang auch ziemlich skeptisch beim Lesen, wie das so hin und her ging, ich dachte, das gehts nirgendswo hin und zum Schluß passiert eigentlich "nichts", wie so häufig, hab dann aber immer mehr Gefallen dran gefunden, also mich freut, dass hier mal ein Konflikt richtig durchgezogen wird, und der Autor nicht gleich nach dem erste Funken Disharmonie abbricht und rausgeht, um gleich wieder leise und bedeutungschwangerer zu werden und so.
Das Ende: irgendwie konsequent, ja. Ob es mir gefallen hat … am Anfang nicht, glaub ich, weil ich dachte, das ist jetzt tatsächlich zu viel, das kauf ich der Margot jetz nicht mehr ab - bis dahin konnte ich mir das aber alles tatsächlich so abgefuckt vorstellen, hab das auch so verstanden, dass der Kalle da zum ersten Mal richtig aggressiv gegen sie wird, ich meine, sie provoziert ihn ja auch heftig genug und immer wieder, und sie will das dann auch irgendwie, dass die Fetzen fliegen … wenn auch nicht ganz so … naja ich weiß auch nicht. Ich finde hier auch nichts total Neues an der Story, aber die Art wie sie geschrieben ist, wie es immer weiter geht und nicht rausgeht und seiner Linie treu bliebt, das gefällt mir, das funktioniert hier auch, wie man sieht. Also das hat mich schon überrascht.

Gern gelesen.

MfG,

JuJu

 

Hallo,

ich kann mich dem Lob nicht anschließen. Ich finde die Thematik der Geschichte spannend, das gibt viel her, in der Umsetzung hat mich die Geschichte nicht angesprochen, sondern nach der 3. Umdrehung dieser Konfliktschraube hat mich das eher gelangweilt.
Die Dialoge finde ich sehr direkt - am Anfang hatte das für mich einen gewissen Reiz, als es um die Erbse ging, und wie sie sich dort belauern, aber es bleibt dann sehr lange auf genau dieser Tonart hängen und wird nur lauter. Dann eskaliert es, es kommt zum Sex - und ich dachte das Rollenspiel hätte seinen Verlauf genommen; der Mann wollte von Anfang an Streit zu seiner sexuellen Erregung und hat ihn dann bekommen und sie haben miteinander geschlafen in einer Art "Vergewaltigung in der Ehe"-Sexphantasie und gut ist.
Das ganze war aber kein Rollenspiel, sondern alles ernst gemeint und die Frau bringt ihn dann um. Die Frage ist:Wieso? Die Frage lässt die Geschichte ziemlich offen.

Ich finde, wenn man die Geschichte ernst nimmt und sich das als Psychogramm von 2 Personen vorstellt, lässt die Geschichte sehr viele Fragen offen, nicht nur "Eisberg-Spitze"-mäßig, sondern auch in einer "Es ist halt so, weil es so ist"-Art.
Wenn jemand, wie der Protagonist hier 45 Jahre alt wird und sich seit mindestens 20 Jahren mit einer Frau streitet, funktioniert es dann wirklich so, dass es da einen magischen Punkt gibt, von dessen Existenz er überhaupt nicht wusste, und schwups ab dann merkt er: HEy, so ein STreit macht mich ja super-spitz. Müsste es nicht dafür in seinen 45 Lebensjahren vorher schon Andeutungen gegeben haben? Hier in der Geschichte geht man davon aus, dass dieser Punkt wie aus dem Nichts auftaucht und dann ist er, das kippt ganz plötzlich, ohne dass es einer kommen sieht. Ich glaub das nicht. Ich glaube man kann nicht 45 Jahre durch sein Leben gehen, ohne eine Ahnung, dass einen so ein Machtspiel erregen würde.
Dann die Frau, das finde ich hier interessanter, kann sie am Ende nicht damit leben, in eine devote Rolle gebracht zu werden, könnte sie mit einem veränderten Status Quo nicht umgehen? Das wäre für mich die spannende Frage nach dieser Geschichte. Es gibt eine Eskalation - wie geht man weiter damit um? Was passiert nach dieser Vergewaltigung in der Ehe? Was macht es mit einer Frau oder mit einem Mann, wenn sie sexuell durch eine Handlung erregt werden, die es ihnen schwer macht, damit irgendwie "Würdevoll" umzugehen.
Und dann ist die Antwort der Geschichrte: Sie geht mit einem Messer auf ihn los.

Also hier in der Geschichte - die lebt halt von der spannenden Thematik und von dem schriftstellerischen Kniff, da die Form dem Inhalt anzupassen und das Biedere und Schmuddelige dieser Ehe zu beleuchten.
Ich fände es interessanter, wenn die Thematik der Geschichte diffiziler beleuchtet worden wäre und nicht auf diesen Effekt hin. Also die Mechanismen, die in der Geschichte greifen, machen sie auch recht berechenbar und - ja, ich fand's bisschen langweilig. Ich hab aus der Geschichte jetzt keinen neuen Denkanstoß oder irgendetwas mitnehmen können. Sie ist relativ drastisch und radikal in ihren Mitteln der Darstellung - das kann ich anerkennen, aber das ist für mich jetzt auch kein unbedingtes Qualitätsmerkmal.

Gruß
Quinn

 

Hey! Ich habe hier im Forum schon mehrere Geschichten gelesen, in denen es darum geht, dass das Eheleben Scheiße ist. Das Bild von einem Ehepaar, das beim Essen nicht miteinander redet und sich still hasst ist so verbreitet, dass heutzutage fast niemand mehr heiraten will. Na gut, es ist manchmal Scheiße, aber meistens nicht. Und wenn es Scheiße ist, kann man sich ja scheiden lassen. Ich verstehe nicht, warum sich Margot und Kalle nicht schon Jahre vor dem Vorfall getrennt haben. Na gut, das ist vielleicht der Sinn der Geschichte. Aber warum bringt Marot am Ende ihren gewalttätigen Gemahlen mit einem Brotmesser um? Das macht doch keine normale Frau, außer in Kurzgeschichten. Es ist übrigens gar nicht so einfach, jemanden mit einem Brotmessen zu erstechen.

 

Das ganze war aber kein Rollenspiel, sondern alles ernst gemeint und die Frau bringt ihn dann um. Die Frage ist:Wieso? Die Frage lässt die Geschichte ziemlich offen.

Danke, Quinn ;)
Seit 3 Tagen frage ich mich das jetzt... und dachte es liegt daran, dass ich noch zu jung und naiv bin, um das komplexe Eheleben mit tiefen und noch tieferen Abgründen zu verstehen ;)

Mit dem Brotmesser in der Hand stürzte sie auf ihn zu. Und Kalle wusste, dass ihr keine andere Wahl blieb, und er war nicht sicher, ob er etwas dagegen unternehmen würde. Er wusste nur, dass er nichts dagegen unternehmen wollte, weil Margot keine andere Wahl blieb.

Da weiß Kalle etwas, das ich nich gecheckt habe. Wieso bleibt der Guten denn keine andere Wahl? Ich dachte jetzt ist sie happy, ich mein er hat sie doch mal endlich richtig
"ordentlich durchgefickt"
;)

Aber sie erwidert seinen Blickkontakt nicht. Okay, ich dachte sie schämt sich nun... aber ihn deshalb töten bzw attackieren? Warum zur Hölle bleibt Margot keine andere Wahl???

 

@ Fidget:

Hallo Fidget,
vielen Dank für das Interesse an meiner Story. Echt, du findest die beiden sympathisch? Na gut, warum nicht …

@ JuJu:

Hallo JuJu,
vielen Dank für deinen Kommentar. Die Story ist sehr lang, das kann ich nicht leugnen. Ich war hin- und hergerissen, mehr zu kürzen, sowohl verbalen wie auch handgreiflichen Konflikt zu straffen. Aber dann wäre jedes für sich zu kurz gekommen, glaube ich. Und habe eben riskiert, dass der eine oder andere nicht zu Ende lesen mag. Schön, dass einige „durchgehalten“ haben!


@ Quinn:

Lieber Quinn,
ich danke dir für deinen sehr anregenden Kommentar. Tatsächlich hat er mich veranlasst, mir über das Ende noch einmal Gedanken zu machen, und zwar gründlich. Und ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich den Schluss, den letzten Absatz noch einmal überarbeiten werde. In der jetzigen Formulierung wird er meiner Intention nicht wirklich gerecht. Inhaltlich wird sich nichts ändern.
Womit wir übrigens bei der Eisberg-Spitze wären: Wer sagt dir denn, dass Margot ihren Ehemann umbringt?
Doch, ich kann mir durchaus vorstellen, dass man auch nach Jahrzehnten noch „neue Seiten“ an sich entdecken kann (um es einmal salopp zu formulieren).

Hier in der Geschichte geht man davon aus, dass dieser Punkt wie aus dem Nichts auftaucht und dann ist er, das kippt ganz plötzlich, ohne dass es einer kommen sieht. Ich glaub das nicht.

Darüber will ich bestimmt nicht streiten. Vielleicht wird jeder Fachmann bestätigen, dass ich Blödsinn verzapft habe. Aber meine eigene Lebenserfahrung (ich habe übrigens auch bald Silberhochzeit …) hat mich nun mal gelehrt, dass das einzig Berechenbare an den Menschen ist, dass sie unberechenbar sind. Ich halte Margots Verhalten nach wie vor für möglich. Aber, wie gesagt, darüber will ich nicht streiten.

Dann die Frau, das finde ich hier interessanter, kann sie am Ende nicht damit leben, in eine devote Rolle gebracht zu werden, könnte sie mit einem veränderten Status Quo nicht umgehen?

Dann ist es meiner Phantasielosigkeit zuzurechnen, dass Margot damit nicht anders umzugehen weiß. In meiner Antwort auf Jimmys Kommentar wollte ich keineswegs manifestieren, dass „es halt so ist, weil es so ist“. Ich verfolgte mit der Geschichte eine Absicht, deren Umsetzung du für Quatsch oder nicht gut gelungen hältst. Damit kann ich leben.


@ Schenja:

Hallo Schenja,
hab Dank für deinen Kommentar. Nö, Ehe ist bestimmt nicht immer Scheiße: Ich selbst bin seit 23 Jahren glücklich verheiratet und hoffe sehr, meine Frau und ich werden die Goldene Hochzeit auch noch erleben!
Um deine Frage zu beantworten: Woher weißt du, dass Margot ihren Ehemann umbringt?

Es ist übrigens gar nicht so einfach, jemanden mit einem Brotmessen zu erstechen.

Huch! Klingt ja, als hättest du Erfahrung darin …


@ Eine wie Alaska:

Hallo, auch dir danke ich für deine Anmerkungen. Und richte auch an dich die Frage: Woher weißt du, dass Margot ihren Mann umbringt?
Vielleicht tue ich dir Unrecht, aber dein Kommentar liest sich, als wolltest du, dass ich dir jetzt alles erkläre, was (nach meiner Absicht) dahintersteckt. Damit du für dich entscheiden kannst, ob du damit einverstanden bist oder nicht. Dazu habe ich keine Lust. Ich möchte nicht ein (fiktives) 25jähriges Eheleben detailliert schildern, während dem irgendwann dieses oder jenes Fundament erschaffen wurde, auf dem diese oder jene Tat/Handlung dieser oder jener Person aufbaut.
Aber glaube bitte nicht, aus mir spräche die beleidigte Leberwurst! Ich habe weiter oben bereits Quinn geantwortet: Eure Kommentare haben mich zum Nachdenken veranlasst. Und ich werde das Ende inhaltlich nicht ändern, ich stehe nach wie vor dazu.


An alle schöne Grüße und nochmals Dank für die Auseinandersetzung mit meiner Geschichte!

Kong

 

…, aber sie ließ ihm keine andere Wahl,
was selbst dem Volk ja heute mit regelmäßiger Boshaftigkeit kanzleramtlich vorgegauckelt, pardon, vorgemerkelt wird, lieber

King Kong –
und damit erst einmal herzlich willkommen hierorts!

Nun, da gehört schon was zu, mich – der es in solchen Dingen eher mit biblischer Kürze hält - auch zum Voyeur einer besonderen Schnitzeljagd und zugleich seltsamen Kasperlespieles (wer gibt da das Krokodil?) werden zu lassen, dass ich doch hinschau bis zum bittern Ende. Was mich vor allem wunderte war da eher, dass ein Vorredner das Geschilderte als „proletarisch“ bezeichnet, hat doch schon seinerzeit der olle Marx streng zwischen Proletariern und Proleten unterschieden. Und ein wenig fürchte ich nun, dass ich nun Doku-soaps der Privaten durchstehen könnte.

Bei zwei Erscheinungen müsstestu selbst noch mal schauen –

Gegen Ende

Kalle war auch bald soweit, …
Soweit als Konjunktion zusammen, sonst immer auseinander, und zu Anfang die Adelung der Zahl- zu Hauptwörtern, sofern sie nicht zugleich ihre eigenschaftswörtlichen Charakter als nähere Bestimmung eines anderen Hauptwortes erfüllen, am deutlichsten hier
Fünf weniger Zwei macht Drei,
aber zuvor auch schon
bis Zehn zählen // bei Neun ...
usw.

Nicht ungern gelesen vom

Friedel,
der ein schönes Wochenende wünscht &
gespannt aufs nächste Werk ist …

 

Tach Kong,

Nach dem ersten Satz hörte ich mit dem Lesen wieder auf, und bin dann zu den Kommentaren gesprungen. Da du ein paar sehr lobende Kommentare erhieltest, hab ich deine Geschichte dann doch noch durchgelesen.

Prinzipiell nicht schlecht. Es hat sich auch gelohnt. Ganz am Anfang ein bisschen langweilig und irgendwie auch schleppend. Die Dialoge in der Mitte sind gut herausgearbeitet und überzeugen mich auch. Das letzte Drittel war dann wieder Durchschnitt. Dein Schreibstil ist eigentlich gut, sprich fließend zu lesen, aber leider auch ein bisschen monoton. Jeder Satz liest sich sozusagen gleich, es fehlt ein bisschen der „Pep“. Manchmal hatte ich auch das Gefühl, dass es sich hier um eine Auflistung handelt.

Inhaltlich ist die Geschichte für mich nicht abgerundet. Jimmysalaryman und Quinn haben schon verschiedene Aspekte angesprochen, weshalb ich nun nicht alles wieder kauen will. Zwei Beispiele möchte ich aber noch gerne aufzeigen.

„Und als Margot nach einer Weile noch immer nicht zu ihm aufsah, trat er nach ihr. Er trat immer fester, je mehr sie sich einigelte. Und je weniger sie ihn endlich um Vergebung bat. Kalle hatte vor Verzweiflung feuchte Augen, aber sie ließ ihm keine andere Wahl, und er trat und trat.
Und dann spürte er, wie es hart gegen seinen Hosenbund drückte, und er war über seinen Steifen erschrocken.“

Kalle tritt also auf seine Frau ein und verzweifelt daran. Er macht es also weder gerne noch hat er Spaß daran. Im Gegenteil, innerlich macht ihm dies schwer zu schaffen, und er fängt deswegen fast an zu heulen. Von all dem kriegt er einen Steifen … naja.

Zweites Beispiel: Kalle beschimpft, schlägt und tritt seine Frau. Als ihn dies erregt, beschließt er eigentlich, seine Frau zu vergewaltigen. Und sie … sie ist feucht. Es gibt einen kleinen Teil der Menschen, die das erregend finden. Aber in deinem Text finden sich keine Hinweise darauf, dass diese beide dazugehören. Im Gegenteil, mit deinem Ende schließt du dies sogar eher aus. Was du geschrieben hast, finde ich eigentlich ziemlich heikel. Es ist nicht normal (auf diese Weise feucht zu werden), und müsste, sollte daher für den Leser einen sichtbaren Bezug zur Geschichte aufweisen. Bei dir steht es aber weitgehend einfach nur so nach dem Motto: „Ist so, weil ist so“. Hier gäbe es auf jeden Fall noch größeren Handlungsbedarf.

Der letzte Abschnitt, sprich das Ende, ist für mich ohne inhaltlichen Bezug zum bisherigen Handlungsverlauf. Ich kann es wenden, wie ich will, aber Geschichte und Ende geben für mich einfach keinen Sinn. Was sehr schade ist. Weil man sich bis zum letzten Abschnitt sehr wohl einen Reim auf die Geschichte machen konnte. Aber mit dem jetzigen Ende wirkt dieser Reim nicht mehr konsistent. Sehr schade.

Kommen wir noch zum ersten Satz:

„Kalle kaute übertrieben lange am letzten Bissen, und dann warf er das Besteck auf seinen Teller und sah hinüber zu Margot, die entsetzlich langsam aß und nebenbei in der Zeitschrift las, die aufgeschlagen neben ihr lag.“

Es liest sich wie eine Auflistung. Du verpackst mehrere inhaltlich nicht direkt miteinander verbundene Aspekte in einen Satz. Der letzte Teil ist eine überflüssige Information.“..., und dann warf er ...“ bisschen gar passiv und nicht mitreißend beschrieben. Schlussendlich kocht Kalle ja innerlich schon. Werfen ist hier auch nicht passend. Er schmeißt, oder knallt (die Gabel auf den Teller und starrt seine Frau Margot eindringlich an, die aber ohne Regung weiter aß und ganz nebenbei, gemütlich in der Brigitte die neusten Promibilder anschaute. Als Anregung gedacht. Da kann man noch ganz viel draus machen). Und zum Schluss dann noch: aß … las … lag. Da hab ich dann zuerst mal aufgehört. Hättest du nach „Bissen“ einen Punkt gesetzt, hätte es mir gefallen.

Fazit: Gute Dialoge, fließend geschrieben, noch nicht ganz durchgedacht, bisschen zu monoton geschrieben.

Viele Grüße
Kroko

PS: Ein Anfangsatz, der mir gut gefallen hat http://www.kurzgeschichten.de/vb/showthread.php?t=50226 . Die Geschichte hat auch ziemlich viel Pep.

 

Am Sonntag kommentierte unser sehr verehrter Herr (Bundes-)Finanzminister der Blödzeitung am Sonntag (BaZ) Deine Geschichte,

lieber King Kong,

ich fasse das Gespräch im Wesentlichen zusammen:
„Wenn man verheiratet ist, bildet man eine Gemeinschaft – im Guten wie im Bösen.“ Kann man's besser ausdrücken? Nur vordergründig ging’s um so Triviales wie das Ehegattensplitting …

Gruß

Friedel

 

@ Friedrichard:

Hallo, mein Lieber, und vielen Dank für deine Anmerkungen. Ich hoffe, du kannst diesem Doku-Soap-Brei weiterhin widerstehen; ich möchte mich ungern für einen Gesinnungswechsel deinerseits verantwortlich fühlen müssen. Ob nun „Prolet“ oder „Proletarier“ - da musste ich tatsächlich erst einmal Wikipedia bemühen, um mich über das Woher und Warum einmal genauer zu informieren. Demzufolge kann ich die Bezeichnung „Proletarier“ für Kalle (und meinetwegen auch für Margot) gelten lassen. Prolet (oder Proll) lehne ich ab. Danke schön, dass ich dank dir wieder etwas dazulernen durfte.

Gott, bei der lieben Orthografie verlasse ich mich eben immer auf mein Bauchgefühl … Ich werd's aber noch berichtigen.


@ Kroko:

Tach auch!

Dein Schreibstil ist eigentlich gut, sprich fließend zu lesen, aber leider auch ein bisschen monoton. Jeder Satz liest sich sozusagen gleich, es fehlt ein bisschen der „Pep“. Manchmal hatte ich auch das Gefühl, dass es sich hier um eine Auflistung handelt.

Das mag jeder sehen, wie er will (ich persönlich finde z.B. die Geschichten/Romane von Agatha Christie einfach genial, ihren Schreibstil aber eher zum Davonlaufen). Anregungen zum Schreibstil können durchaus nützlich sein, keine Frage. Und ich habe rund 7 Jahre an meinem Stil gearbeitet und bin jetzt eigentlich ganz zufrieden damit (obwohl's nicht ganz richtig ist: Ich bin schon etwas länger ganz zufrieden damit ...). Dass es jedem gefällt, kann ich nicht erwarten. Und es wäre ja langweilig, würde jeder (ob prominent oder Amateur) so schreiben, dass es mir gefällt.

Deine Anmerkungen hinsichtlich der Handlungen/Gedanken/Reaktionen von Kalle bzw. Margot nehme ich zur Kenntnis, mehr nicht. Und wenn mir noch hundert Leser schrieben, dass das für sie unvorstellbar ist: Ich weigere mich anzuerkennen, dass man jeden Menschen in eine (von sehr, sehr vielen) ganz bestimmte Schublade stecken kann, nach dem Motto: So ist er/sie, das denkt er/sie, so reagiert er/sie in der und der Situation.

Stimmt es nicht, dass bereits der eine oder andere Sexualstraftäter, obwohl vom Psychiater begutachtet und als geheilt erklärt, nach seiner Freilassung als erstes eine Frau vergewaltigte? Auch wenn's allzu schwülstig klingen mag, aber für mich ist da was dran: Die menschlichen Abgründe sind unergründlich!


Schöne Grüße

Kong

 

Moin Kong,


Deine Anmerkungen hinsichtlich der Handlungen/Gedanken/Reaktionen von Kalle bzw. Margot nehme ich zur Kenntnis, mehr nicht. Und wenn mir noch hundert Leser schrieben, dass das für sie unvorstellbar ist: Ich weigere mich anzuerkennen, dass man jeden Menschen in eine (von sehr, sehr vielen) ganz bestimmte Schublade stecken kann, nach dem Motto: So ist er/sie, das denkt er/sie, so reagiert er/sie in der und der Situation.

Wo hab ich denn hier unvorstellbar geschrieben? Und, dass du nur zur Kenntnis nimmst, haste ja schon genügend oft geschrieben. Ich erwarte von dir daher auch gar nicht mehr. Mein ehrlicher Kritikpunkt an dich war ganz einfach: In deiner Geschichte fehlt es manchmal an Plausibilität weil du keine Bezüge für den Leser andeutest. Was du mit meiner Kritik machst ... nicht mein Bier.

Ich weigere mich anzuerkennen, dass man jeden Menschen in eine (von sehr, sehr vielen) ganz bestimmte Schublade stecken kann, nach dem Motto: So ist er/sie, das denkt er/sie, so reagiert er/sie in der und der Situation.

Sagt ja auch niemand hier, du interpretierst die Kritik so. Dazu musst ich aber nichts mehr schreiben, wurdest schon genügend darauf hingewiesen.

Stimmt es nicht, dass bereits der eine oder andere Sexualstraftäter, obwohl vom Psychiater begutachtet und als geheilt erklärt, nach seiner Freilassung als erstes eine Frau vergewaltigte? Auch wenn's allzu schwülstig klingen mag, aber für mich ist da was dran: Die menschlichen Abgründe sind unergründlich!

... und wo ist hier der Bezug zu meiner Kritik oder zu deiner Geschichte?

viele Grüße
Kroko

ps: ist nur ein sehr sehr kleiner Prozentsatz, steht aber natürlich in allen Zeitungen wenn es wieder mal passiert ist.

 

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