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Abends im Zelt

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31.08.2008
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Abends im Zelt

Robert betrat das Zelt. Hitze schlug ihm entgegen. Er band den Eingang auf, um die Abendluft hineinzulassen, dann setzte er sich auf einen Klappstuhl und ließ mit einem Seufzer die Anspannung fahren. Nach ein paar Minuten kam John.
„Hallo Robert“
„Hallo John“
„Wie geht´s der Truppe?“
„Alles okay.“
„War ein schlimmer Tag.“
„Ja.“
„Warum ist das passiert?“
„Der Suchtrupp hat´s übersehen … der Lkw ist drauf …“
„Mitten auf der Piste?“
„Ja.“
„Ein ganzer Lkw mit zwanzig Mann. Deswegen sollte ja ein Jeep vorwegfahren.“
„Hatten wir auch. Den hat´s nicht erwischt.“
„Hast Du´s gesehen?“
„Ja. Die Teile flogen bestimmt fünfzig Meter hoch. Blech, Schrott, Kisten, Kameraden oder Teile von ihnen …“
„Scheiße!“
„Wir werden eine Expedition machen, es ihnen zeigen, so nicht! Nicht mit uns!“
„Und wieder Hass schüren. Wenn wir schnell unser Ziel erreichen wollen, und das ist doch das wesentliche, sollten wir nicht eskalieren. Eine Reaktion bedingt die nächste … also wenn du mich fragst: nichts tun, weiter ziehen.“
John nahm sein Gewehr, wog es in den Händen, legte an. Sein Gesicht erstarrte, während er durch das Zielfernrohr sah.
„Wenn wir Gefangene machen würden.“
„Was dann?“
„Wäre es etwas anderes.“
„Was denn?“
John stellt das Gewehr wieder weg.
„Wir wären in Ordnung. Wir würden uns an die Regeln halten, die im Krieg gelten. Aber so? Unsere Gegner haben doch nichts zu verlieren. Und unsere eigenen Truppen achten uns nicht, achten sich selbst nicht…“
„Und wohin dann mit all dem Pack?“
„In Lager. Besser in Lager bringen, aller Welt zeigen, gegen wen wir kämpfen, zeigen, dass wir ehrbare Soldaten sind … stattdessen regeln wir das Gefangenenproblem mit Baggern und Planierraupen …“
Robert stand auf und schaltete das Licht an. Ein kalter Schimmer erfüllt das Zelt. Der Wind hatte zugenommen und ließ die Plane schlagen.
„Scheißkrieg.“
„Bau´ mal Lager. Die müssen ja auch gesichert werden. Jedes Lager ist wieder ein Angriffspunkt, den der Gegner einnehmen will, den wir nicht spontan verlegen können wie unsere Truppen.“
„Wir könnten sie ja nach Hause bringen. Zu uns.“
„Da müssten wir dann auch Lager bauen.“
„Tun wir doch schon“, sagte Robert halblaut. Er zündete sich eine Zigarette an. Für einen Augenblick leuchtete sein Gesicht warm im Schein des Feuerzeugs. Dann war es wieder kaltweiß.
„Was sagst Du da?“
„Wir bauen Lager.“
„Weißt du mehr darüber? Und woher?“
Robert zuckte mit den Schultern.
„Sprich mal mit der Truppe. So etwas kann man nicht unter der Decke halten. Nicht, wenn es so groß aufgezogen wird…“
„Erzähl mehr davon.“
„Es werden Lager gebaut, überall in unserer Heimat. Große, abgesperrte Areale mit unendlich vielen Baracken. Stacheldraht. Wachtürme mit Maschinengewehren darauf. Breite Zufahrtswege.“
„Wo werden die gebaut?“
„Überall. Im Süden, im Norden, im Westen, und sogar im Osten, viele Lager auch im Osten … es ist unheimlich. Ich habe gehört, dass in den vergangenen sieben Jahren Lager für über zwei Millionen Menschen gebaut worden sind. So etwas bleibt nicht geheim. Ehrlich gesagt, mich wundert, dass du angeblich nichts davon weißt.“
Robert sah John eindringlich forschend in die Augen. John gab auf.
„Ich weiß davon. Es stimmt, was du sagst. - Nur eines verstehe ich nicht.“
„Und was?“
„Wozu das alles? Wofür baut man das? Für welche Menschen? Wir haben doch nicht vor, zwei Millionen Gefangene zu machen. Nicht in diesem Krieg.“
„Ich weiß es auch nicht. Ich kenne auch keinen, der das versteht.“
Robert holte seine Zigaretten aus der Jackentasche; diesmal bot der John eine an, gab ihm und sich Feuer. Als er zog, schloss er die Augen. John schaltete das Radio an.
„Mal sehen, was es neues gibt.“
Das Radio knisterte und rauschte. John regelte den Sender nach. „Hören Sie die Nachrichten des Tages“, plärrte es aus dem Radio.
„Okay, hören wir die Nachrichten des Tages“, äffte John die Frauenstimme nach.
„Präsident Obama hat sich heute zur Lage der Nation geäußert“, fuhr sie fort.
„Wir senden Ausschnitte seiner Rede.“
Nun war Obama zu hören: „Es sind außergewöhnliche Zeiten für unser Land … aber im Vordergrund all dieser Herausforderungen, ist es meine Verantwortung als Präsident, das amerikanische Volk in Sicherheit zu wahren. Es ist das erste, woran ich denke, wenn ich morgens aufwache, und mein letzter Gedanke, bevor ich abends einschlafe… wir haben heute wieder die Kraft, wahrhaft die Welt zu führen … ich bin überzeugt, wir können dieses Land nur in Sicherheit halten, wenn wir uns auf die Kraft unserer fundamentalen Werte besinnen. Dies ist der Grund, warum feindliche Krieger zu uns desertieren, sie wissen, dass sie von uns besser behandelt werden als von ihren eigenen Regierungen.“
Robert lachte boshaft.
„Unser Land benötigt neue Werkzeuge, das amerikanische Volk zu schützen, neue juristische Werkzeuge, die es uns erlauben, Angriffe zu verhindern, statt nur die zu verfolgen, die versuchen, solche auszuführen … wir werden keine Gefangenen freilassen, der eine Gefahr für das amerikanische Volk bedeuten … meine Leute bringen die Gerichte in eine Linie mit dem Gesetz. Es gibt Leute, die nicht wegen begangener Verbrechen verfolgt werden können, und die doch eine Gefahr für die Sicherheit darstellen … wir sind uns klar darüber, dass über die verlängerte Haft nicht frei entschieden werden kann, wir benötigen neue Standards der Verwahrungspolitik, die sicherstellen, dass wir mit dem Gesetz im Einklang sind … ich weiß, dass die Schaffung dieses Systems eine einzigartige Herausforderung bedeutet. Wir werden ein neues juristisches System schaffen, das es uns erlaubt, Terroristen zu inhaftieren. Es gibt Leute, die planen, das Leben von Amerikanern zu beenden. Das ist so für ein Jahr, fünf Jahre, und wahrscheinlich auch zehn Jahre ab heute. Wir erstreben den stärksten und nachhaltigsten rechtlichen Rahmen, diese Dinge für lange Zeit in Ordnung zu bringen.“
John drehte das Radio aus. „Reicht dir das?“
„Ich wusste gar nicht, dass wir zwei Millionen Feinde im Land haben. Was machen wir dann hier draußen in der Wüste, wenn der Feind in der Heimat steht?“
Robert verzog zynisch den Mund und spuckte auf den Boden. John holte einen kleinen Flachmann hervor, in dem er immer Whisky bei sich trug.
„Auch einen?“
„Ja.“

Kursiv: Zitate aus der Rede von Barack Obama vom 21. Mai 2009.
Quelle: http://www.whitehouse.gov/the_press_office/Remarks-by-the-President-On-National-Security-5-21-09/
Übersetzung durch den Autor.

 

Ja, wie singt doch noch Wolf Biermann "Soldaten sind sich alle gleich / lebendig und als Leich",

lieber Set,

und es liest sich wie ein Statement zu der Rückkehr der asymmetrischen Kriege - und Erinnerungen an KZs seit dem amerikanischen Bürgerkrieg und den Burenkriegen, was natürlich nicht die Leistung des Dritten Reichs schmälern soll.

Nach'm ersten Durchgang hapert's manchmal mit den Stazzeichen, wie hier direkt zu Beginn

„Hallo Robert“
„Hallo John“
„Ja. Die Teile flogen bestimmt fünfzig Meter hoch. Blech, Schrott, Kisten, Kameraden oder Teile von Ihnen …“
Hier fällt's Anredepronomen raus ... und gleich danach noch einmal
, es Ihnen zeigen,
Hier ist der Punkt vorm Gänsefüßchen entbehrlich
„Tun wir doch schon.“, sagte Robert halblaut.

Zum
Kursiv:
solltestu wachsameren Augen als meinen zuvorkommen

Ich komm bestimmt noch mal darauf zurück -

bis dann

Friedel

 

Danke, lieber Friedel, war wohl noch in das Unreine.
Für das "Kursiv" ist mein Auge nicht wachsam genug.

Gruß Set

 

Hallo Setnemides!

Eine USA-Kritik! Warum auch nicht? Eine Großmacht, die imperialistisch ist und ihren way of life anderen Völkern aufdrängen will, verdient ja auch Kritik. Aber USA-Kritik sollte nicht oberflächlich und frei von Schwarzweißmalerei sein. Und da könnte deine Erzählung noch vertieft werden.

Zum Beispiel hier:

Und unsere eigenen Truppen achten uns nicht, achten sich selbst nicht…“

Warum achten die US-Soldaten sich selbst nicht? Nun, dieser Selbsthass des weißen Mannes ist ja ein traditionsreiches Thema, zum Beispiel bei Karl May, dessen Old Shatterhand so ein weißer Mann ist, der Schuldgefühle hat, weil er in das Land der Edlen Wilden, der Winnetous eindringt und ihnen die korrumpierende westliche Lebensweise, zum Beispiel das Feuerwasser (das auch die muslimischen Afghanen verachten) bringt. Dann müsstest du aber auch die Gegenspieler, die Edlen Wilden, die afghanischen Winnetous auftreten lassen, damit dein Leser deren Sicht der Dinge kennenlernt...

Und merkwürdig finde ich diese Stelle:

„Es werden Lager gebaut, überall in unserer Heimat. Große, abgesperrte Areale mit unendlich vielen Baracken. Stacheldraht. Wachtürme mit Maschinengewehren darauf. Breite Zufahrtswege.“
„Wo werden die gebaut?“
„Überall. Im Süden, im Norden, im Westen, und sogar im Osten, viele Lager auch im Osten … es ist unheimlich.

Wieso entstehen denn besonders viele Lager im Osten? So verstehe ich nämlich die Hervorhebung des Ostens: "viele Lager auch im Osten"

Meines Wissens ist das kritikwürdige Gefangenlager Guantanamo im Süden.

Grüße
gerthans

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo gerthans,

nein, den Mythos der edlen Wilden haben wir inzwischen hinter uns gelassen. Trotzdem feiert die christlich inspirierte bipolare Weltsicht fröhliche Zeiten, hier gut, das böse; das läßt sich trefflich nutzen.

"Meines Wissens ist das kritikwürdige Gefangenlager Guantanamo im Süden."
Um diese Lager geht es u.a. in der zitierten Rede von Obama, aber nicht im Dialog der Soldaten. Überall entstehen Lager; das wirft die Frage auf: wie ist das in der Zeit von 33 bis 40 kommuniziert worden? Und wie wird ein ähnlicher Vorgang heute kommuniziert? Darum geht es.

Gruß Set

 

Hey,

sorry, aber ich finde das ist totaler Mist und wirklich unter deiner Würde.
Da ist überhaupt keine erzählerische Absicht da, sondern das "Erzählerische" an dem Text ist eine ganz dünne Wäscheleine, an der du das aufhängst, was dich wirklich interessiert.
Wenn du ein Erzähler sein möchtest und ein Autor, dann erzähle eine Geschichte und da kannst du dann gerne deine politischen Ansichten einfließen lassen. Natürlich. Da tust du es vielen großen Autoren nach.
Aber wenn du politische Ansichten hast und eine Erzählung nur als Aufhänger dafür benutzt, um das loszuwerden - du weißt sicher, in welche Ahnenreihe du dich da stellst.

Es tut mir leid, ich hab Geschichten von dir früher häufig gern gelesen und halte dich für eine wichtige Stimme im Forum auch, aber das hier geht überhaupt nicht und das hat Null mit der politischen Aussage deines Textes zu tun
Quinn

 

«Lieber Gott, mach mich stumm, dass ich nicht nach Dachau kumm.»
Volksmund​

Zu Sets Intention und Frage

Um diese Lager geht es u.a. in der zitierten Rede von Obama, aber nicht im Dialog der Soldaten. Überall entstehen Lager; das wirft die Frage auf: wie ist das in der Zeit von 33 bis 40 kommuniziert worden?,
zitier ich gerne Altkanzler Schmidt im Gespräch mit Fritz Stern, (amerik. Historiker):

„Am Nachmittag des ersten Tages wird neben der Bücherverbrennung unter anderem auch über das gesprochen, was man im Dritten Reich hätte wissen müssen / können.
Stern: Nun, der Antisemitismus war ja von den Nazis … ungeheuer geschürt worden in der Weimarer Zeit, so dass man immer wieder auf diese Propaganda stieß. Aber Opfer waren am Anfang nicht gezielt die Juden, sondern die politischen Gegner. …Ich erinnere mich deutlich an den Straßenterror vor dem 30. Januar [Anm.: da war Fritz Stern sechs Jahre alt und seine Familie lebte noch hierorts], und deshalb war klar, dass es den politischen Feinden übel ergehen würde. Bekannt wurde auch bald die Tatsache, dass es Konzentrationslager gab. Die Nazis machten ja keinen Hehl daraus, dass sie solche Lager zur Umerziehung von politischen –
Schmidt[, der acht Jahre älter ist als Stern]: Das hat mich nicht erreicht.
Stern: Dachau wurde im März 1933 eingerichtet. Es diente nicht nur dazu, politische Gegner einzusperren, sondern auch der Einschüchterung aller anderen, und deshalb musste bekannt gemacht werden, was ein Konzentrationslager // bedeutete. Das sprach sich ziemlich schnell herum, es wurden sogar Bilder gezeigt.
Schmidt: In Hamburg gab’s Kola-Fu – das war eine Abkürzung für Konzentrationslager Fuhlsbüttel, aber Fuhlsbüttel war das normale Gefängnis –
Stern: Aber man wird doch in Hamburg den Vers gekannt haben: «Lieber Gott, mach mich stumm, dass ich nicht nach Dachau kumm.» Diese Allgegenwart des Terrors, die es bis in den Volksmund schaffte, war für das Regime ungeheuer wichtig. [S. 76 f.]
[…]
… Die Angst ist sicher mit zu bedenken, wenn man heute fragt, was wussten die Deutschen. «Wissen» in dem Sinne, dass man etwas wahrnimmt und offen drüber spricht, ist eine Sache. «Wissen» im Unterbewusstsein oder im halben Bewusstsein – also zum Beispiel zur Kenntnis zu nehmen, dass in den Tagen nach der Kristallnacht auf einen Schlag beinahe 40 000 Juden inhaftiert werden, dass da etwas passiert, was man eigentlich besser nicht zur Kenntnis nimmt, dieses Wissen, ohne Wissen zu wollen – das müssen viele Millionen gewesen sein, die sich so verhielten. Haben einfach weggeguckt. - … [S. 86]
aus Helmut Schmidt, Fritz Stern: Unser Jahrhundert. Ein Gespräch, München 2010

Man kann statt des Antisemitismus' auch Islamophobie einsetzen

 
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Hallo Quinn,
Deine Kritik habe ich nicht erwartet, sonst hätte ich die Geschichte nicht gepostet, aber ich kann sie nachvollziehen. Dialoglastige Geschichten, in denen das wesentliche hinter der sparsamen Handlung liegt, habe ich ja schon öfter verfasst, aber die hatten mehr Handlung bzw. Entwicklung im Verhältnis der Personen. Hier hat sich das Konzept totgelaufen. Ich diskutiere den Inhalt trotzdem weiter; vielleicht kommt dabei ja heraus, wie ich sie hätte schreiben können.
Danke, Gruß Set

Hallo Friedel,
das Zitat beschreibt genau, worum es mir geht: wie findet Verdrängung statt? Was ist Wissen im Bewusstsein, was wir aus dem Wissen im Unterbewusstsein? Wo liegt die Grenze zwischen dem unbewussten Verdrängen und dem aktiv Wegschauen?
Ich denke, dass wir heute eine ebenso beachtliche Verdrängungsleistung vollbringen wie unsere Eltern in den dreißiger und vierziger Jahren. Das Thema ist austauschbar, hier geht es nur um ein Beispiel.
Gruß Set

 

Ich diskutiere den Inhalt trotzdem weiter; vielleicht kommt dabei ja heraus, wie ich sie hätte schreiben können.
Ich versteh die Logik nicht, was soll dir eine Diskussion über deine politische Aussage nun über die Form der Geschichte sagen?
Es ist eine ganz einfache Frage hier: Interessiert es dich, eine Geschichte zu erzählen. Oder möchtest du über das Thema deiner Geschichte reden?
Wenn du mit jemandem über die Außenpolitik der USA reden möchtest oder über die Parallelen des "Kampfes gegen den Terror" zu den KZs der Nazis - gibt es da keine anderen Medien für?
Du weißt doch, wie man es nennt, wenn man Alibi-Literatur verfasst, während man eigentlich politische Ziele verfolgt, oder? Ich seh hier links bei den Rubriken keine für "Propaganda".
Entweder man akzeptiert das Forum als das was es ist oder eben nicht. Aber hier Spiegel Online draus zu machen, geht für mich gar nicht klar.

 

Es ist eine ganz einfache Frage hier: Interessiert es dich, eine Geschichte zu erzählen. Oder möchtest du über das Thema deiner Geschichte reden?

Ganz klar: ich habe eine Geschichte erzählt, und die hat ein Thema. Beides sind Themen, über die ich mich austauschen möchte und ausgetauscht habe.
Ich bemühe mich nicht um Propaganda. Allerdings möchte ich mit meiner Geschichte auch etwas vermitteln. Dass sie als Vehikel für den Inhalt zu dünn geraten ist, hast Du festgestellt und ich bin Dir in der Ansicht zum Teil gefolgt.
Deswegen muss ich nicht die Diskussion beenden. Deswegen habe ich Friedel trotzdem geantwortet. Damit bin ich noch lange nicht bei Spiegel Online, und Friedel ist es auch nicht.
Ich habe schon viele Geschichten mit politischem Inhalt verfasst, und diese wurden in den Kommentaren bewegt. Ich würde gern verstehen, warum Du es bei dieser als nicht im Sinn des Forums thematisierst.

 

Ich habe schon viele Geschichten mit politischem Inhalt verfasst, und diese wurden in den Kommentaren bewegt. Ich würde gern verstehen, warum Du es bei dieser als nicht im Sinn des Forums thematisierst.
Weil ich bei der Geschichte ganz deutlich den Eindruck gewinne, du verkaufst das Forum und damit deine Leser für blöd und willst ihnen einen "journalistischen" Beitrag als Geschichte verkaufen.
Das ist für mich auf einer Ebene mit einer Kaffeefahrt. Du sagst den Leuten: Kommt mit, wir fahren auf die grüne Wiese. Und wenn sie in den Bus gestiegen sind, holst du die Heizdecken raus.
Das geht einfach nicht.

 

„Wir haben Licht am Ende des Tunnels.
Aber wir haben keinen Tunnel.“
Abdullah Ibn Ad Al​

Gestern hat der us-amerikanische Oberste Gerichtshof Teile des Voting Rights Act (Wahlgesetz zum Schutz von Minderheiten) von 1965 als "nicht zeitgemäß" (ging es Afroamerikanern vor dem Wahlgesetz besser?) gekippt, ein Grund mehr, Deine Geschichte - m. E. ist es eine und wer sagt, dass Geschichten nicht informieren dürften? -

lieber Set,

noch ein wenig zu ergänzen, denn wie steht es um die USA?

»Mein erster Gedanke am 11. September 2001 war, dass "die Bush-Regierung dies in der gleichen Weise ausnutzen wird wie die Nazis den Reichstagsbrand"«, gestand vorm Berliner Einstein Forum der in Stanford lehrende Richard Rorty [RR] -
zur Erinnerung: Am 27. 2. 1933 brannte in Berlin das Reichstagsgebäude. In der gleichen Nacht hieß seitens der NS-Regierung, die Brandstiftung gälte als Fanal eines kommunistischen Umsturzversuches.
Am darauffolgenden Tag (!) wurde mit der „Notverordnung“ eine Handhabe gegen die Opposition geschaffen. Im Folgemonat wurde das „KL“ (so die offizielle Abkürzung der Konzentrationslager) Dachau eingerichtet. Es folgten Sachsenhausen, Buchenwald und Lichtenburg / Ravensbrück usw. usf.

Rorty fürchtete, wie wir heute alle wissen, mit Recht, dass der Terror seine größte Wirkung in den Maßnahmen erziele, welche die Regierung(en) zu seiner Bekämpfung ergreifen. Um weitere Anschläge zu verhindern, neigen Politiker dazu, sich an Härte zu übertreffen. Demokratische Rechte, die in den letzten 250 Jahren erkämpft wurden, und Institutionen sind gefährdet. Trotz einiger Proteste werden Antiterrorgesetze durch Institutionen gepaukt, oft gar nur durchgewinkt, Kritik als potenzielle Unterstützung des Terrorismus stigmatisiert. Heute wissen wir – nicht etwa aus der Türkei, sondern aus dem selbsternannten Land der Freien – dass Nachrichten über Proteste unterdrückt werden, Richter, und somit die Justiz ihre Unabhängigkeit verlieren. Legislative wie Judikative werden zu Handlangern der Exekutive instrumentalisiert.

Zweifellos hat das selbsternannte Land der Freien eine traurige Tradition – unabhängig vom Interesse der Familie Bush am Ölgeschäft [vgl. hierzu: EL] und ihrem eher unfreiwilligen Erben Obama. Bereits im 17. Jh. errichteten die Kolonialherren erste Reservate, in welche die Überlebenden des Genozids (wie soll man es anders nennen, wenn von 15 Mio. zwo Millionen Ureinwohner übrigbleiben?) gesperrt wurden. Doch nehmen wir ein aktuelles Beispiel, wenn Michael Naumann bemerkt „Kaliforniens neue Wachstumsindustrie … sollte der Bau von Gefängnissen werden. Die Lobby der Gefängniswärter-Gewerkschaft (29 000 Mitglieder) setzte ein drakonisches Gesetz durch: Wer sich dreimal strafbar macht (ob Ladendiebstahl oder Einbruch), muss heute // mit Haftstrafen zwischen 25 Jahren und »lebenslänglich« rechnen. Das Land, das bis 1984 mit zehn Vollzugsanstalten auskam, hatte zur Jahrtausendwende plötzlich 33 Zuchthäuser mit 162 000 Insassen, einige von ihnen hinter elektrischen Todeszäunen. Die Ausgaben für die Strafanstalten überstiegen diejenigen für die 34 staatlichen Universitäten Kaliforniens.“[MN]

Nun, 9/11 hat die Welt verändert, wie es Rorty in seinem Vortrag geschildert hat, schon alleine dadurch, dass Präsident Bush den Anschlag nicht als Straftat, sondern kriegerischen Akt definierte, indem er vom „ersten Krieg des 21. Jahrhunderts“ [FA, S. 186] sprechend Vergeltung androhte. Zwei Tage später gab der Kongress ihm freie Hand im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Am Folgetag wurden per präsidialem Dekret Militärtribunale gegen verdächtige Ausländer eingerichtet, zwo Wochen später das verschärfte Antiterrorgesetz (Patriot Act, nach dem Anschlag aufs Federal Building, Oklahoma City vom 19. 4.1994 hatte Bill Clinton genau ein Jahr gebraucht, um erweiterte Vollmachten durch den Kongress zu erhalten) unterzeichnet usw. usf. Seit Januar 2003 fasst ein Ministerium für Heimatschutz („Department of Homeland Securitiy“) 22 bis dahin unabhängige Behörden unter einem Dach zusammen. Es geht da um die "innere Sicherheit". Die Katastrophenschutzbehörde unterm Dach des Heimatschutzes - Federal Emergency Management Agency, kurz: FEMA – zeigt wohl weniger Erfolg bei Naturkatastrophen (man erinnere sich an Katarina, 2005) als bei der Errichtung von Internierungslagern gegen innere Unruhen (die offensichtlich seit der andauernden Wirtschaftskrise(n) seit 2007 erwartet werden). Das Land der Freien wird zum Polizeistaat – Rorty hielt zwar einen Faschismus für unwahrscheinlich, beobachtete aber mit Sorge eine Re-Feudalisierung. Und in der Tat ist ein Geld- und Dienstadel in den letzten dreißig Jahren mit dem Monetarismus entstanden (Die bestbezahlten Manager zählen auch hierzulande zu den Arbeitnehmern, es sind schlichte Angestellte wie der kleine Buchhalter auch), dessen größte Sorge es ist, dass Vermögen auch umverteilt werden können … Die Situation, die T. C. Boyle bereits 1995 in „America“ andeutete verschärft sich.

Zitierte Literatur:

[EL] Eric Laurent: Die Kriege der Familie Bush, übers. V. Karin Balzer, Katola Bartsch, Christiane Krieger und Udo Rennert, Ffm. 2003

[FA] Fischer Weltalmanach aktuell USA, hgg. v. Volker Ullrich u. Felix Rudloff, Ffm. 2005

[MN] Michael Naumann: California Dreaming. Wie Amerikas Steuerzahler seit 150 Jahren einen Traumstaat finanzieren, in: Die Zeit Nr. 42 vom 9. 10. 2003, zitiert nach [FA S. 69 f.]

[RR] Richard Rorty: Feind im Visier. Im Kampf gegen den Terror gefährden westliche Demokratien die Grundlagen ihrer Freiheit, in: Die Zeit Nr. 13 v. 18. März 2004, zudem unter http:// www. zeit.de / 2004 / 13 / fundamentalismus, zitiert nach [FA, S. 58]

 

Veto vom Rubrikmod:
Geschichten dürfen durchaus informieren, allerdings wenn man die Kommentarspalte mit OT-Information zuspammt, geht die eigentlichen Geschichte völlig unter.
Die Geschichtsrubriken sollten auch den Geschichten und Kritiken dazu vorbehalten sein. Also, bitte hier nicht weiter über politische Themen diskutieren, sondern bleibt bei der Geschichte, das interessiert die Leser, für alles andere gibts PM, den Kaffekranz, Newsthread, usw.

Danke!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo dotslash und Friedel,
Veto angenommen. Die beiden Inhalte - die Qualität der Geschichte und ihre Aussage - werden ja öfter vermischt diskutiert. Je mehr man zur Aussage (oder der "Absicht", die man spürt und über die man verstimmt ist) tendiert, desto schwächer ist meist die Geschichte. Mir ist es nicht gelungen, die Beziehung zwischen den Prot. zu einem eigenständigen Thema zu machen; man vergißt schnell, was die beiden da miteinander treiben. Stattdessen bleibt man bei dem Thema hängen, das transportiert werden soll: unser Friedensnobelpreisträger baut KZ und führt die Schutzhaft ein.
Bisher ist mir keine Handlung dazu eingefallen, die das trägt.

Gruß Set

 

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