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Abends im RE

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02.10.2002
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Abends im RE

Er flitzte die Treppe hinauf. Als er die letzte Stufe erreicht hatte, hörte er wie der Zug einfuhr und kurz darauf hatte er einen der schwarzblaukarierten Sitze im unteren Teil des Doppelstockwagens sicher. Viererabteil natürlich. Ihm gegenüber saß eine Frau, die er, wenn Sie ein paar Jahre jünger gewesen wäre gerne angesprochen hätte, aber sie war es nicht.
Entspannt lehnte er sich zurück und ließ seine Arme auf den hellen Holzlehnen ruhen. Dann fuhr der Zug an. Nur ein leises Surren und das Gefühl, das man immer hat, wenn man sich in einem sich bewegenden Gefährt befindet, nahm er wahr.
Der Zug beschleunigte und hatte bald seine Reisegeschwindigkeit erreicht.
Dann sah er Sie. Durch die staubigen Scheiben der Bahn, deren Unreinheit man paradoxerweise erst in diesem Moment der Schönheit erkannte, schickte sie ihre Strahlen hinein. Nicht aggressiv, wie den ganzen Tag über, sondern flach orange. Es waren die letzten warmen Strahlen des Abends und er genoß sie in der Ruhe des sich bewegenden Zuges. In ihm stieg ein Gefühl der Zufriedenheit auf. Dieses Gefühl war überwältigend und gab der ganzen Existenz einen Sinn. Die Fragen nach dem Sinn wurden in diesem Moment ausgeblendet.
Nein falsch, dachte er. Sie wurden übertüncht. Man konnte daran denken, aber man fühlte nichts dabei. Nur die durch die Bewegung des Zuges und den Strahlen der Sonne erzeugte, alles übertünchende Wohligkeit.
Er genoß diesen Moment. Er saß gemütlich, die Strahlen der Sonnen ließen sein Gehirn Melatonin ausschütten ( was er zu seinem Glück in diesem Moment nicht bedachte, denn einen Chemiefabrik hinter den Kulissen zu entdecken ist unschön), er wußte, dass er die Umwelt weniger belastete als mit dem Auto und zu guter letzt suggerierte ihm die Bewegung des Zuges, dass er in diesem Moment nicht die Möglichkeit hatte etwas anderes zu machen, da er dem Zug ja nicht entsteigen konnte. Er konnte also nichts falsch machen, er verpasste nichts und er konnte nichts Überflüssiges tun. Die Entscheidung in den Zug zu steigen hatte er schon vorher gemacht. Der Druck des Alltags wurde von ihm genommen.
Ein Moment für die Ewigkeit.

Die Durchsage des Zielorts zerstörte ihn wenige Momente später.

 

Hallo Phil!

Ganz netter kleiner Text, ein bisserl bringst Du mir als Leserin das Gefühl Deines Prot schon näher, vor allem die zerstörende Durchsage, ich kenn das leider allzugut....
Allerdings hätte mir Dein Text als wirkliche Geschichte verpackt glaube ich noch besser gefallen. Du baust zwar timmung auf, aber die Basis dafür fehlt mir.
Ein paar Kleinigkeiten ncoh:

"wenn Sie ein paar Jahre jünger gewesen wäre gerne angesprochen hätte,"

"Dann sah er Sie" - sie beide male Klein, da es ja keine direkte Anrede ist.
Die ihm gegenübersitzende Frau ist mir auch nciht ganz klar. Dieser Moment des Zaubers käme bei mir besser an, wenn er allein wäre. Oder Du gibst ihr eine Rolle, integrierst sie mehr in den Text.

schöne Grüße
Anne

 

Hi,


mich erinnert, der Text an den Ausdruck "ein Loch in die Zeit schneiden". Es tut gut, wenn man alles gehen läßt, die Augen schließt um nichts zu sehen und so. Besonders am Ende eines Tages. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob ich den Sonnenuntergang und alles nicht zu klischeemäßig finde, aber die Stimmung insgesamt kommt zumindest rüber.


so, noch weiterhin viel Spaß beim Schreiben

peter

 

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