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Abendmahl

Poe

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18.07.2003
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Abendmahl

Es war früher Abend, als er durch die Altstadt ging. Geschäftig liefen Menschen durch die Straßen und hofften, dass es in den Läden noch ein paar besondere Dinge gab, mit denen man die Feiertage noch besonderer machen konnte. Es waren die einfachsten Sachen, von denen man in diesen Tagen träumte, Apfelsinen oder echtes Marzipan, auf Schokolade hoffte kaum einer mehr.

Seit zwei Monaten war er nicht mehr zuhause gewesen. Im Oktober kam der Marschbefehl, der ihn an den Flughafen nach Quakenbrück verschlug, an dem er als Flakjunge dienen musste. Aufregend fand er das mit seinen fünfzehn Jahren, doch in den vergangenen Wochen, in denen er fast Nacht für Nacht aus dem Bett musste um die feindlichen Bomber zu beschießen, hatte der Krieg seinen abenteuerlichen Charakter verloren und war zu dem geworden, was er wirklich war: Ein Greuel.

Auch an Düsseldorf waren die immer stärker werdenden Angriffe der amerikanischen und der englischen Bomber nicht spurlos vorbei gegangen. Seit Ostern hatte es über 800-mal Fliegeralarm gegeben, sowohl am Tag als auch in der Nacht. Die Stadt lag in Trümmern, wie fast alle Städte in Deutschland. Wilhelm ging vorbei an den Bierlokalen und Kneipen und bog in die Straße ein, in der sein Elternhaus stand, als ihm der Atem stockte. Nicht ein Haus stand mehr so, wie es vor acht Wochen noch gestanden hatte. Langsam ging er vorbei an Trümmerbergen, in denen Daheimgebliebene vergeblich Ordnung zu schaffen versuchten, indem sie Steine stapelten. And stehen gebliebenen Fassaden waren mit Kreide Nachrichten für suchende Verwandte geschrieben, „Müller jetzt bei Cölln, Friedrichstraße 14“ beispielsweise. Nur am Haus seiner Eltern fehlte eine solche Anschrift.

Langsam betrat er das Gebäude, dessen Fassade noch stand. Das gesamte Hinterhaus fehlte, nicht eine Scheibe hatte den Angriff überlebt und Schutt türmte sich in den Zimmern. „Mama? Papa?“ rufend stieg er vorsichtig die stabil wirkende Treppe in den ersten Stock hinauf. Oben angekommen blickte er in den freien Himmel, der mittlerweile dunkel geworden war. Es war ein sternenklarer Abend, doch was ihn sonst zum Suchen des großen Bären oder anderer Sternbilder animiert hätte, erfüllte ihn nun mit noch größerer Einsamkeit.

Er ging zurück ins Erdgeschoss und dann in den Keller. Auch dort sah es nicht besser aus. Eingekochtes Obst war auf dem Boden verteilt, nachdem die Weckgläser wohl aus den Regalen gefallen waren. Er fand nur zwei Kartoffeln, die er sich in seine Uniformjacke steckte und mit ins Wohnzimmer nahm. Der kleine Ofen in der Ecke schien noch intakt, auch wenn das Rohr aus der Wand gerissen war. Er nahm ein paar Stuhlbeine und anderes Holz, dass herumlag, und brach es so zurecht, dass es als Brennholz dienen konnte. Ein Kissen, das er unter Trümmern der Decke hervorzog, legte er gleich neben den Ofen und setzte sich darauf.

Mit seinem Taschenmesser hebelte er die mittlerweile heiße Klappe auf und legte die Kartoffeln an den Rand der Glut, zusammen mit einer dünnen Scheibe Fleischwurst, die ihm von seiner Wehrration geblieben war. Er weinte, als er sein abendliches Mahl zu sich nahm und schlief wenig später unter Tränen ein, am Heiligen Abend 1944.

 
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Wie an anderer Stelle schon gesagt wurde, sollten wir "Nachgeborenen" eigentlich nicht versuchen, es Böll und anderen Autoren, die den Krieg erlebten und ihn in ihren Geschichten verarbeiteten, gleich zu tun. Ihre Geschichten bleiben einfach "unerreicht", weil wir uns nur schwer vorstellen können, wie man sich in Zeiten wie diesen gefühlt haben mag.
Beim "Abendmahl" handelt es sich allerdings um das Weihnachten 1944, wie es mein mittlerweile leider verstorbener Deutschlehrer erlebt hat. Als ich elf Jahre alt war, hat er meiner Klasse diese Geschichte in der Adventszeit erzählt, und auch 43 Jahre nach dieser Nacht fiel es ihm schwer, die Tränen zurück zu halten. Ich hatte irgendwann das Bedürfnis, sein Weihnachts-"fest" nieder zu schreiben. Deshalb diese Geschichte...

 
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Hallo Poe!

Deinen Beweggrund für diese Geschichte finde ich sehr schön, und deshalb hab ich mir auch diese aus Deiner Geschichtenliste ausgesucht.

Es mag sein, daß es zuviel Literatur in dem Bereich gibt. Aber dann sind es doch wohl die frei erfundenen Geschichten, die zuviel sind – und nicht die mit realem Fundament, wie diese hier. :)

Womit Du die Geschichte noch ein bisschen verbessern könntest, ist in meinen Augen die Suche nach den Eltern. Wenn er oben im Stock ankommt und den Himmel sieht, hat er sicher jede Menge Gedanken, die nicht in Deiner Geschichte stehen. Sie alle vorzukauen, würd ich auch für übertrieben halten, da jeder Leser sich das dazudenken kann, aber ein bisschen was könnte sich schon gut machen. Ein, zwei eingestreute Gedanken nur.
Ich hatte zum Beispiel erst das Gefühl, daß er zu wenig gesucht hat. Er akzeptiert die Situation recht schnell, vielleicht könnte er sie bei Verwandten suchen? Aber dann dachte ich mir wieder, daß sie wohl, wenn sie am Leben wären, nachschauen kommen würden, ob der Sohn am Heiligen Abend vor der Tür steht – und dann wärs ja dumm, wäre er grad nicht da… – Du könntest also zum Beispiel einen Gedanken an die Eltern und den Entschluß, zu warten, einbauen. Damit könntest Du gleichzeitig dem Leser noch einmal bewußt machen, daß es sich um einen Fünfzehnjährigen handelt, denn bei all der Tragik kam er mir am Ende schon wie ein richtiger Mann vor und da vergaß ich es fast.

»Es waren die einfachsten Sachen, von denen man in diesen Tagen träumte, Apfelsinen oder echtes Marzipan, auf Schokolade hoffte kaum einer mehr.«
– hier würd ich statt „Sachen“ „Dinge“ schreiben, Sachen klingt so umgangsprachlich, und nach „träumte“ würd ich einen Punkt machen.

»über 800-mal Fliegeralarm«
- achthundert Mal

»Langsam ging er vorbei an Trümmerbergen, in denen Daheimgebliebene vergeblich Ordnung zu schaffen versuchten, indem sie Steine stapelten. And stehen gebliebenen Fassaden waren mit Kreide Nachrichten für suchende Verwandte geschrieben, „Müller jetzt bei Cölln, Friedrichstraße 14“ beispielsweise.«
- hier würd ich die Eindrücke noch etwas ausbauen. Etwa nach „versuchten“ einen Punkt und dann mehr aufzählen, was die Leute machen, sie stapeln nicht nur Steine… Sie suchen zum Beispiel ihre Sachen, da sie sie nicht so einfach ersetzen konnten, wie man das heute vielleicht macht (heute der Fernseher kaputt, morgen steht der neue da). Oder auch noch brauchbare Lebensmittel usw.
Am „An“ hat sich übrigens ein schmarotzendes „d“ festgebissen. ;)

»„Mama? Papa?“ rufend stieg er vorsichtig die stabil wirkende Treppe in den ersten Stock hinauf.«
Rufend
– ich hätte es eine wackelige Treppe sein lassen, oder der Protagonisten überlegt vielleicht kurz, ob sie ihn wohl halten wird...

»und anderes Holz, dass herumlag«
– das


Ich finde die Geschichte jedenfalls sehr berührend. :)

Liebe Grüße,
Susi

 

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