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Ab jetzt nur noch Sohn

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30.01.2014
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Ab jetzt nur noch Sohn

Antiquariat Gerhard und Sohn. Jetzt also nur noch Sohn. Jetzt also nur noch dieser unbekannte Mensch, der uns nie besucht hat. Dieser Sohn, dem der Laden jetzt gehören soll. Dieser Sohn,, der den Platz einnehmen soll, den Gerhard einst mir zugedacht hat. Den ich nur abgelehnt habe, aus Angst vor Veränderung. Es ist Gerhards Platz. Gerhard und Sohn – Jetzt nur noch Sohn. Unglaublich. All diese Jahre, all diese Routine. Es kann sich doch nicht plötzlich alles ändern? Die steile Treppe ist geblieben, die Hürde, die nur echte Bücherfreunde überwunden haben, um die wahren Schätze zu finden. Die dritte Stufe knarrt, wie immer. Das Geländer ist alt und müde und hat noch nicht erfasst, dass Gerhard nicht mehr kommt. Es nicht mehr abstaubt und mit Öl behandelt. Ob die Treppe einstürzt, wenn sie begreift, was geschehen ist? Können Dinge einfach weiterexistieren, wenn ihnen ein Teil ihrer selbst genommen wird?
Stufe für Stufe erklimme ich ganz langsam den Anstieg. Wird sein Bild jetzt auch da stehen? Eine Bilderreihe der Toten, die immer weiter ergänzt wird?
Zum ersten Mal nehme ich den Geruch wahr, den Geruch nach altem Leim, Holz und Staub. Er war immer da, dieser Geruch. Er gehört hier her, genau wie die Bücher, die Biedermeierkommoden, die dunklen Teppiche – und Gerhard.
Aber ab jetzt nur noch Sohn. Er hat hier nie hingehört, der Sohn. Hat nie das Holz gestreichelt, nie mit den Büchern gesprochen. Und sie nie mit ihm. Das Flüstern ihrer Seiten, das Knacken ihrer Rücken, er versteht diese Sprache nicht. Er ist kein Teil des alten Ladens. Nicht so wie Gerhard. Nicht so wie ich. Nicht so wie früher meine Eltern. Und jetzt ihre Bilder.
Muss sich jetzt wirklich alles ändern? Auch die fünfte Stufe knarrt, das ist neu. Die Treppe beginnt zu begreifen. „Es wird weitergehen“, flüstere ich ihr zu. „Es geht immer weiter, das Leben.“ Noch nie kamen mir diese Worte so bedrohlich vor. „Ich bleibe“, sage ich, „ich bin immer noch jeden Tag da. Ich muss doch meine Eltern besuchen!“ Tag für Tag, Jahr für Jahr. Diese Bilder, die von Büchern bewacht im Fenster stehen. Das hätte ihnen gefallen. Alte, staubige Bücher, die wie Zinnsoldaten stramm stehen. Bewachen sie jetzt auch Gerhard?
„Er hat kein Herz“, flüstert die siebte Stufe knarzend. „Ich weiß,“ antworte ich ihr, „aber vielleicht ändert sich das noch.“ „Nein!“, ächzt das Geländer, „Steine bleiben Steine!“
Jetzt rieche ich etwas. Ein frischer moderner Geruch, der nicht hierher gehört. „Geh nicht weiter!“, knackt die Treppe. „Ich muss“, antworte ich ihr. „Ich muss doch nach ihnen sehen!“ „Sie brauchen dich nicht!“, stöhnt die Treppe. „Es sind nur Bilder. Bleib stehen.“ „Aber ich brauche sie!“ sage ich mit zittriger Stimme. Müde streichle ich das Geländer. So wie immer, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Die Treppe seufzt, dann schweigt sie. Noch drei Stufen, oben der Spiegelschrank lässt meine Gestalt gespenstig in seinem Glas erzittern. Er war immer schon wie ein alter mürrischer Mann. „Er hat viel mitgemacht!“, hat Gerhard gesagt. „er ist wie ich, lass ihn hier alt werden.“ Dann hat er seine Türen eingeölt. Liebevoll und vorsichtig.
Jetzt schaut dieser alte Herr auf mich herab und sagt nichts. Gibt nicht mein Spiegelbild wieder, nur diesen gespenstigen Schatten. „Es wird alles gut!“, flüstere ich ihm zu, doch er schweigt.
Trauer hat den Buchladen nun ergriffen, hat sich in jede Ritze gesetzt und macht die Luft schwarz und schwer. Dieser neue Geruch kommt nur schwer dagegen an. Jetzt noch eine Stufe, dann durch die Tür. Ich reiße meine Blicke vom Schrank los, zwinge mich, die dunkle Tür anzusehen. Sie ist geschlossen. „Halt“, sagt sie. Hinter mir erholt sich die Treppe bedrohlich knackend von meinem Gewicht. Der Schrank folgt meinen Schritten mit seinem müden Blick, er hängt sich an mir fest, dieser Blick und macht das Weitergehen schwer. „Mach mir Platz“ sage ich zur Tür. „das kann ich nicht!“, antwortet sie. Vorsichtig lege ich meine Hand auf ihre Klinke. „Tu es nicht“, sagt sie. Ein Schaudern wandert von meiner Hand den Arm hinauf und setzt sich in meinem Nacken fest. „Ich muss,“ sage ich zu ihr. „Sie warten auf mich!“ Die Klinke gibt nicht nach, ich muss mich schwer auf sie stützen, bis sie schließlich mit dem lauten Knacken eines gebrochenen Willens nachgibt. „Es tut mir leid!“, sagt die Tür, als sie schwerfällig aufschwingt.
Licht umflutet mich. Unendlich grelles Licht blendet meine Augen und meinen Verstand. Die Tür lehnt sich an mich, um mich zu stützen. Sie sagt nichts mehr. Sie ist sprachlos, genau wie ich. Weiße Wände, Leere und Kälte umgeben mich. „Es tut uns leid.“, karren die Dielen. „Er hat sie rausgetragen. Alle hat er fortgeschafft. Wir konnten nur zusehen.“ Jetzt weinen sie. „Verlass uns nicht“, ruft die Tür hinter mir her, als ich zurück taumele. „Bleib da“, karren die Treppenstufen, als ich hinunter stürze. „Wie sollen wir weitermachen?“, fragen die alten Kommoden. „Ich weiß es nicht!, antworte ich blass. „Steine bleiben Steine!“ Ab jetzt nur noch Sohn.

 

Hallo Philja und willkommen bei den Wortkriegern :)

Dein Einstand gefällt mir. Das ist ein tolles Bild, was du da entwirfst, der Rundgang durch das Antiquariat, eigentlich ja nur ein Gang auf einer Treppe, auf dem sich dann Stufe um Stufe eine ganze Geschichte entwickelt. Allein der Titel ist schon toll.
Hier schwingen so einige Themen mit, aber eines ist ganz sicher Veränderung. Im Prinzip wird dein Prot damit, anscheinend seiner größten Angst, konfrontiert und droht daran zu zerbrechen. Ein Antiquariat ist schon ein passender Ort, um sich vor Veränderungen drücken zu können. Umgeben von Altem und dem Klang der Nostalgie, vermag hier der Eindruck entstehen, die Zeit würde still stehen. Aber letztlich reißt sie doch mit voller Härte in das Leben deines Prots. Das Bild am Ende mit dem umflutenden Licht, das hat was von - Ha! hab ich dich. Das Versteck ist enttarnt, Rauswurf ins Leben.

So viel zur Streicheleinheit. Nun zur Prügel ;)
Der Text ist saumäßig formatiert und und mit lästigen Fehlern gespickt, die den Verdacht nahe legen, er wäre nach dem Schreiben nicht kontrolliert worden. Das ist immer ärgerlich - und um nich noch mehr Kommentare in dieser Richtung zu erhalten (oder gar potentielle Leser abzuschrecken), würde ich mich sogleich an eine Überarbeitung machen. Der Text hat eine entsprechen Aufmachung verdient.
An der einen oder anderen Formulierung lässt sich mit Sicherheit auch noch feilen, aber insgesamt macht der Einstand Lust auf mehr.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Philja,

ich bin selber noch ganz neu hier und hoffe es ist in Ordnung für dich, wenn ich meine Gedanken zu deinem Text schreibe.

Ähnlich wie weltenläufer gefällt auch mir deine kleine Geschichte. Die Szene auf der Treppe finde ich toll, wie da die Gefühle rüberkommen.

Auch die fünfte Stufe knarrt, das ist neu. Die Treppe beginnt zu begreifen.

Das fand ich zum Beispiel gut, die Veränderung, die ansteht oder auch schon passiert ist. Auch die Idee mit der Tür, die erst nicht aufgeht und sich dann an den Protagonisten lehnt, finde ich gut.

Mir ist allerdings irgendwie nicht ganz klar geworden, wer der Protagonist ist. Ich bin nach dem zweiten Lesen dann bei Bruder oder Schwester von Gerhard gelandet, ist das richtig? Sie scheinen ja dieselben Eltern zu haben, denen der Buchladen vorher gehörte. Da nur Gerhard den Laden geerbt zu haben scheint tippe ich jetzt mal auf Schwester?

Noch drei Stufen, oben der Spiegelschrank lässt meine Gestalt gespenstig in seinem Glas erzittern. Er war immer schon wie ein alter mürrischer Mann.

Diese Passage musste ich mehrfach lesen. Ich war nicht sicher, ob sich der alte mürrische Mann auf den Spiegelschrank oder auf den Protagonisten bezieht, was meine Verwirrung um die Identität des Protagonisten noch weiter verstärkt hat.

„Es wird alles gut!“, flüstere ich ihm zu, doch er schweigt.

Hier hatte ich beim ersten Mal lesen dasselbe Problem. Es ist nicht ganz klar, ob er dies dem Schrank oder seinem eigenen Spiegelbild zuflüstert.

Ansonsten habe ich deinen Text, wie gesagt, gerne gelesen. Vielleicht magst du mich ja etwas erleuchten oder mir sagen, ob ich zum Protagonisten irgendwas entscheidendes überlesen oder falsch gedeutet habe?

Viele Grüße,
Lilu

PS: Gibt es irgendwie eine "einfache" Möglichkeit für das Zitieren einzelner Passagen eines Textes? Also dass ich beispielsweise eine bestimmte Zeile markiere und dann mit einem Klick nur diese eine Zeile als "Quote" im Antwortfeld stehen habe? (Ich habe es jetzt händisch gemacht, bin da aber auch ein kleiner Computer-DAU)

 

PS: Gibt es irgendwie eine "einfache" Möglichkeit für das Zitieren einzelner Passagen eines Textes? Also dass ich beispielsweise eine bestimmte Zeile markiere und dann mit einem Klick nur diese eine Zeile als "Quote" im Antwortfeld stehen habe? (Ich habe es jetzt händisch gemacht, bin da aber auch ein kleiner Computer-DAU)

Wenn du über dem Antwortfenster die Symbole durchsiehst, ist an letzter Stelle eine Sprechblase.
Nun kannst du dein Zitat markieren und auf dieses Ikon klicken, somit ist dann diese Stelle in diesem blauen Zitatfenster (Zitat von Philja fehlt dann, das könnte man händisch nachtragen, wenn mehrere in einer Diskussion beteiligt sind, um die Zuordnung zu regeln).

Hast du nur einen Abschnitt oder einen Satz eines ganzen Textes, den du zitieren willst, könntest du auch beim Anzeigefenster ganz unten auf Zitieren klicken und alles, was nicht zitiert werden soll, löschen. Macht aber nur bei einer einmaligen Zitierabsicht Sinn.

 

Genau das habe ich gesucht. Ich danke dir, bernadette! :)

Sorry, Philja, dass wir dazu jetzt unter deinem Text kommentiert haben. Wie gesagt, mich würde sehr interessieren, ob ich mit der Interpretation des Protagonisten richtig lag. Ich hoffe, du meldest dich.

 

Hallo und danke für die positiven Kritiken, ich hätte mit mehr negativer Kritik gerechnet. Tut mir leid, dass ich nicht eher geantwortet habe, ich bin mit drei Kindern zeitlich ziemlich ausgelastet.

Lilu: Der Protagonist ist auf jeden Fall ein naher Bekannter von Gerhard, vielleicht auch die Schwester oder der Bruder, aber das spielt für die Geschichte selbst keine Rolle. Daher habe ich dazu auch keine weiteren Angaben gemacht. Du hast recht, die Stelle mit dem Spiegelschrank muss ich nochmal überarbeiten, es kommt nicht so richtig rüber, wer da eigentlich gemeint ist.

zu den Formatierungsproblemen kann ich nicht viel mehr sagen, ich kann den Text nicht verändern, da hängt sich jedesmal mein Rechner auf! Geht das anderen auch so?

Da das meine erste Kurzgeschichte ist, die ich öffentlich gemacht habe, war ich ziemlich nervös, als ich sie abgetippt und gepostet habe, darum habe ich sie tatsächlich nicht noch einmal gelesen. Ich hatte wahrscheinlich befürchtet, dass ich sie sonst nicht abschicke.

Also nochmal vielen Dank für das Lob.

 

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