A million miles away
Hautgedanken am Morgen
oder
A million miles away.
(Eine Hommage an Rory Gallagher und seine Jahrhundertnummer)
Hautgedanken zerfetzen mein Gedenke. Hautgedanken zerfleischen mein Geseel. Fleischeslust zerflügelt mein Gekörper. Fleischeslust greift gierig nach meinem Herz. Ich träume. Ich will mich verträumen an deiner Nähe, deinem Fleisch, deiner Haut, ... deinem Haar, dem Braun deiner Augen. Ich zungenverküsse ... mein Gaumen verkitzelt an deinem langsam sachten Strich ... ich fliege, ich fliege ...
... a million miles away. Die Bar ist voller Leute, die Tische, der Bartresen sind durchgebogen ... vom Schwer der gefüllten Aschenbecher und vor Allem dem Schwer der ihrer Luft beraubten Gläser und Flaschen. Doch auch der auf den Arm gelegte schwere Kopf eines mit sich selbst allein gelassenen Kampftrinkers bedellt das schwarz lackierte Eichenholz der ururalten Theke. Der Morgen hat schon aufgehört zu grauen. Durch den millimeterdünnen Schlitz der abgedichteten Fenster fällt grellstes Junisonnenlicht. Der Tresen - ein von Bier nach Wein zu Wodka, Whiskey und Konsorten sich hoffnungslos verbiegendes Gebälke.
Versingelte Augen und auch nicht, die sich beim Geradeausverblicken hilflos überqueren. Eine mit einem dünnen Seidensommerkleidchen bedeckte Brünette liefert sich auf ihrem Weg zur Toilette einen schweren Kampf mit Sesseln, Tischen, Bar, einem in den Weg tretenden Betonpfeiler und den sich in ihren Schritt verirrenden Gästen. Tiefe Stirnrunzeln bekämpfen einen Gott - den Gott Alkohol. Irgendeine Göttin Medizin, wahrscheinlich Göttin Shit, ringt verspielt mit einem Miniteufel Droge, wahrscheinlich dem Kobold E, und wirft ihr schräges, so schrill lautes Lachen geil dazu, während sie sich hilflos einen Blick verlächelnd bei den nackt tanzenden Zehen eines oben eben so nackten, vor Tanzschweiß triefenden männlichen Körpers entschuldigt.
Der Pianomann in seiner Ecke hat die Klappe schon vor gut einer Stunde zugemacht. Aber er verplatzt noch immer in einer Haltung dort, als wolle er heute noch ein wenig spielen. Andererseits sieht er seit seiner letzten Nummer aus, als wolle er im Piano glatt versinken. Seine Hände liegen breit gespreizt bereit auf den Tasten. Sein Kinn klebt schwer auf seiner Brust. Seine Nasenflügel beben über einem weit geöffneten Mund, als wollten sie demnächst das Pianoholz vor ihm zersägen.
Der Barmann ist so Rauschbeschwert, dass ihm die Schritte zu Kilometern werden - doch irgendwie schafft er es immer wieder doch. Er schwebt dahin in irre guter Stimmung, seine Glatze glatt im einzigen noch brennenden Deckenlicht verglimmt. Ein ewiges Lächeln leist in seinem Gesicht dahin.
Joint um Joint - ein Meer von dicken Joints - die uns von ihrem Qualm verfolgt umhüpfen. Allein der Duft in der Luft macht dich dichter noch als dicht. Und verdammt! Ja, verdammt! Dann machst du als sowieso schon völlig dichter Dichter auch noch den letzten absolut dicht abdichtenden Zug - o Mann - .... und dazu dann deine weiche Hand, die ganz tief in meinem Rücken grault - und ich fliege, während ich so Zungenganzverküsse - ich fliege, ich fliege ...
... a million miles away. Das bluesig verrockte Jazzgeklimper des Pianomanns ist schon seit Langem ganz verstummt. Er hat wohl den einen Zug zu viel gemacht. Und so wie ich ihn kenne - er steht auch auf andere geile Sachen - ist sein Hirn schwer eingeeet. Die Nasen mit dem Cola der armen, armen Leute verspeeden seinen Arsch auf seinem Hocker. Ja, ich denke, ... ich könnte richtig liegen, ... diese pulvrig weißen Linien, die er sich auf dem dreckigen Klodeckel im noch viel dreckigeren Klo im Stundentakt während seinen Pausen in seinen seit Jahren abgebrühten Schädel hinein gezogen hat, die halten noch sein Kreuz gerade ... so aufrecht. Sein weit offener Mund summt den Sound mit, der nun geil und laut, so megageil, aus den Bose-Boxen von der Decke brummt.
Der Kopf des Barmanns, von der mit absoluter Sicherheit hässlichsten Glatze der ganzen Stadt beeckt - die in wahrlich nicht Yul Brunnerischen Zügen ihre Ecken in die Gegend reckt - hat nämlich das Weggetretensein seines Pianisten nach vielen, vielen Minuten doch noch gecheckt und endlich eine MP3-CD mit einem Sound von den Obergeilheiten von Gestern und von Vorgestern aufgelegt. Suzie Q von den urigalten CiciAr glühte gleich zu Beginn eine Gänsehaut über meinen Rücken weg. Deep Purple ver-Child-in-timten dann an uns Kindern der Zeit von Heute. Emerson, Lake & Palmer Nussknacker-ten sich einen ab. Derek & The Dominos ver-Layla-ten in meinem Herzen. Leo Lyons Bassläufe vervibrierten in mir ihr Love like a man. Die Allman Brothers weinten einen Tönehighway von In memory of Elizabeth Reed entlang. The Colosseum Live verjazzrockten im dreckigen Lost Angeles. Mein Glatzebeeckter Barmann, so dicht er auch ist, er ist ein braver Junge. Er spielt meine an die Bar verschenkte MP3-CD. Da kann Nichts mehr schief gehen. Anbrennen tut bei uns sowieso Nichts. Und nun fliege ich eine endlos lange Milchstraße im Universum entlang - es ist so gegen Acht. Ich fliege und fliege und fliege ...
... a million miles away. Miss Di zerkrankt in ihren letzten Zügen, an die Mauer angelehnt, auf einem Barhocker. Ich sitze eine Barhockerberührung weiter und habe ihren kleinen so unheimlich knackigen Arsch in meiner rechten Hand. Die andere sucht so ganz und gar Gier- und Zugverloren durch Stoff von Bluse und Bra hindurch nach dem einen Teil von ihrem vorderen Berg-in-Tal-an-Berg-Verstand. Heute ist Alles egal. Heute ist Alles verloren, so verloren schön egal. Ich fliege und fliege ...
... a million miles away. Der Duft in der Luft allein schon ist mehr als nur riskant. Doch die Tür ist schon seit Langem abgeschlossen. Der Body-gebildete Türsteher - ein wahrer Breitschulteraffe von einem Security-Mann - hat seine dicken Arme wie Stahlketten um seine mächtige Brust gequetscht. Er hat Angst. Ich sehe es seinen gerade aus stierenden, für sein massiv mit Eiweiß und viel Schlimmerem aufgeblähtem Gestell viel zu kleinen Äuglein an - der eine Zug zu viel fliegt seinen Körper glatt auseinander. Es bläst ihn einen leicht nach hinten gekippten Sessel in die Wand. Die Bar hat - voll zu, so und so - geschlossen. Bevor er seinen Sessel fand, hat er noch schnell den Schlüssel umgedreht.
Der Duft in der Luft schreit so hilflos nach dem Einsatz unserer ewig quirligen und so Drogenhundverseuchten Polizei. Doch die Bar hat luftdicht abgeschlossen. Und die Polizei hat um diese Zeit wohl Anderes zu tun. Sie frühstückt wohl gerade und geht den Feiertag zu Fronleichnam gemütlich an. Ha, soll mir recht sein. Ha, ich lasse meine dichten und doch so wissbegierigen Dichterblicke in Beobachtungen verschweifen, während ich mit meinen Zähnen allein versuche, eine Brust aus ihrem Halfter heraus zu zerren. Es misslingt ... es misslingt immer und immer wieder. Das steife und so fest angewachsene Ding will einfach nicht. Irgendwann habe ich es dann doch begriffen. Shit. Ich werde wohl doch meine linke Hand von Danaes Kopf bequemen - dort wo sie bis jetzt so zart verortet lag und Nackenmuskel und Kopfhaut sanft massierte - und unter die schon bis auf einen letzten Knopf geöffnete Bluse schieben müssen, ... und dann diesen so verdammt langen Weg um ihren Genießerkörper rundherum, ... um das lästige Halfter zu zersprengen. Ich bin soo dicht ... ich fliege und fliege ...
... a million miles away. Alles dicht. Kein einziger Blick ist da, der sich für uns interessieren würde. Also lass ich die Klammern auseinanderschnalzen. Miss Di, die mein Herumnesteln am Verschluss schon längst bemerkt haben musste, aber Nichts dagegen unternommen hat, meint nur liebevoll, so in freudige Erwartungen so ganz entrückt: "Hey, du Sau!" Na, was soll´s? Alles paletti. Noch ein Blick - keine Gefahr - und ich schiebe meine rechte Hand endlich unter ihren viel zu kurzen EndlichSommerRock, hebe sie sanft an und ... und das Höschen - es ist kein Hindernis - nässt sich schon schwer besudelt auf die Seite. Miss Di zerwackelt kurz an Rorys zarten, wie Klaviergeklimper klingenden Gitarrentupfern, die das Morgenlicht bestöhnen, ... und rutscht auf meinen Fingern stöhnend tiefer. Mmmmhhhh. Ich fliege, fliege und fliege ...
... a million miles away. Ihre vier scharf benägelten Fingerspitzen nageln sich dann für Minuten auf meinem Rücken ein. Der eine Zug zu viel - ich bemerke es erst jetzt. "Verdammt, das tut weh!" Schon seit langem. Sie reagiert nicht, gräbt sogar noch ein Eitzerl tiefer. "Hey, hey, Miss Di, ... du tust mir weh! Verdammt!" Gekicher, ... Nichts als Gekicher. Das Luder hat kein Mitgefühl, der ist Alles egal, die will nur genießen. Diese Weiber von Heute haben einfach kein Mitleid mehr mit uns immer ärmer und immer ärmer werdenden Gutmenschenmännern von Heute. Verdammt! Das Luder tut mir wohl gerne weh.
Na ja, egal, ... der eine Zug zu viel, ich kann es ja verstehen. Ich bin ja auch so geil. Also, was soll´s? Ich hau alle Finger bis zum Anschlag rein. Es schmatzt. Miss Di schmachtet laut auf, schnappt kurz nach Luft und lässt ihre Zunge in meinem Mund bis zum Zapfen runter fliegen. Und dann sitzt sie bequem auf meiner Hand, während ich mich ihr hörigst dienend auf meinem Hocker bugerlnd - und dabei nicht bujerlnd, worauf ich bestehen möchte - verrenke. Hahaha. Ein Lachkrampf schüttelt mich - auch jetzt beim Niederschreiben. Hahaha. Und schmatz. Ich fliege ...
... a million miles away. Zunge klebt an Zunge. Zunge kitzelt eines Gaumen Rau. Ein Lippenpaar - das sich an sich verliert. Wir vernecken am gegenseitigen Verweh´n. Mein ein wenig unbequem angenageltes Gefinger sucht nach einer besseren Stellung - Miss Di verquiekt daran. Sie scheint meine Dienerei zu mögen. Egal. Aber verdammt! "Hey, nimm endlich deine scheiß Tigerkrallen aus meinem Schulterblatt!" Das Luder lacht - aber sie gehorcht ein Bisschen.
Rory Gallaghers Jahrhundertnummer fetzt durch den Raum. Die Brustwarze der befreiten Brust kitzelt meine Hand. "Ich bin so geil nach dir, Miss Di, so geil. Deine Tigerkrallen machen mich an. Aber, bitte, nicht mehr ganz so fest, ... okay?" Ich schau ihr in die Augen. Hahaha. "Mal sehen, ... " und sie sucht wieder nach meinen Lippen. Ihr Zungentiefgestoße beginnt von Neuem. Ich versinke auch in ihrer so schleimigen, schmatzenden Lippenwehr, oben und unten. Mmmhhh, ... ich fliege, ich fliege ...
... a million miles away. Ich liebe diesen Song ... eigentlich liebe ich Alles von Rory Gallagher, diesem armen, armen Hund, der sich tot gesoffen hat an dieser unserer Welt. Verdammt, lieber Rory, ich wollte diesem deinem Song ja schon immer ein kleines Denkmal in deutscher Sprache setzen. Verdammt, ich denke, heute ist es so weit. Alles passt. Die Typen aus deinem Text hängen alle hier herum. Dein Song gibt genau dieses Gefühl hier wieder.
Da ist ein Lied auf allen Lippen,
da fliegt ein zartes Lächeln über´m Raum,
da gehen alle Gespräche unter
und ich genieße meinen "bösen" Finger-Blues.
Irgendwann dann gegen Mittag verlieren sich die Leute. Auch der Pianomann hat seinen Bus nach Haus genommen. Nur die Glatze unseres Kellners kollabiert in einer Ecke. Er hat einfach den Service eingestellt. Miss Di ist auch schon lange ausgeflossen. Ich fühle auch mein hartes Ich nicht mehr. Meine rechte Hand ist so gefühllos, sie ist wohl eingeschlafen. Mein Hintern ebenso. Wir fragen uns, warum wir noch immer hier sind. Wir wissen es nicht. Wir lachen. Wir steigen steif von unseren Hockern und fliegen, fliegen und fliegen ...
... a million miles away ... mit einem Taxi nach Hause. Die weichen Polster und die warmen Decken in unserem Kuschelbettchen warten.
© Copyright by Lothar Krist (19.6.2003)