Was ist neu

7332

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11.02.2003
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7332

Aleksander Lodwich

7332

Es war windig. Es pfiff metallisch. Der Wind spielte im Gerippe der Maschinen auf dem Schrottplatz. Die Sonne ging schon unter. Geräusche aus der Fabrik erklangen aus der Ferne im gleichfortwährenden Klang aus Schleifen, Quietschen, Klopfen. Unterbrochen wurde diese akustische Monotonie durch Transportfahrzeuge, die die Fabrik mit Material und Arbeitern versorgten. Schreie der Kinderarbeiter ertönten wenn sie geschlagen wurden oder schlimmeres. Endlose Schichten wechselten sich ab.
Die Drachenfabrik der Elfenlords schlief nie. Die Arbeit ging nie aus. Einen einzigen Drachen industriell zu fertigen dauerte immerhin 192 Jahre. Massenproduktion brachte hier Abhilfe für den geringen Durchsatz. Sklavenarbeit senkte die Kosten.
Sie waren gepanzert, sie waren ölig, sie flogen weit, sie flogen hoch. Sie waren so stark, so schnell und so intelligent, dass sie unbeherrschbar waren. Bösartigkeit steckte in jedem Bauteil. Jede Schraube, jede Muter mit einem dunklen und bösen Geist erschaffen mit einem einzigen Ziel, der Absicht zu herrschen und dafür zu töten. Dieses eingebaute Böse stellte alles bekannte Teufelszeug, jeden Dämon, jeden Ork, jedes fliegende Viech aus der Unterwelt in den Schatten. Bestückt mit tödlichen Bordkanonen und Raketen und der Fähigkeit niedere, damit fast alle Wesen geistig zu manipulieren waren sie das Mittel der Wahl für den Machterhalt der Elfenlords.
Um diese geballte Kraft zu kontrollieren konnte der Drache nur dann bewegt werden, wenn ein Reiter sie bestiegen hat. Ihr Willen musste dem Willen eines Piloten durch spezielle Maßnahmen untergeordnet werden. Deshalb wurden Drachen durch ein elektronisches Bio-Interface befohlen. Das Passwort für das Interface war der Name des Drachen. Sonst wurden sie mit der Seriennummer referenziert. Um die Drachen zu fliegen wurden eigens dafür entwickelte Rassen eingesetzt. Wesen, die eine Kombination aus Elfen und einer kompatiblen Spezies darstellten, wie z.B. den Menschen. Das war notwendig, weil man für Elfen kein geeignetes Interface zu bauen in der Lage war und Menschen setzte man nicht ein, weil sie zu unloyal und zu eigensinnig waren. Schlimmer noch: menschliche Geister waren schwach und ließen sich allzu leicht vom Drachen überwältigen, denn Menschen waren einfach. Aufgrund dieser Einfachheit war man allerdings in der Lage für sie ein Dracheninterface zu entwickeln. Die Kombination beider Rassen verschmolz die Vorteile.
Die Zucht bestand darin, dass z.B. Menschenfrauen von Elfenmännern genommen wurden. Ihre Kinder, nach dem sechsten Lebensjahr den Müttern entrissen und einer Gehirnwäsche unterzogen, wurden loyale Elfenritter. Sie lernten das menschliche an sich zu hassen und das elfische zu vergöttern. Die Elfen verkauften die Mütter rechtzeitig entweder als Sklavinen oder entsorgten sie anderweitig. Wenn ein Ritter geschlagen worden ist, erhielt er einen Drachen und dessen Namen und nur wer den Namen des Drachen kannte, konnte ihn auch befehligen.

Doch 7332 befehligte niemand mehr. Er lag still versteckt zwischen dem wertlosen Schrott. Er wurde schon Jahrzehnte lang nicht vermisst. Das ätzende Himmelwasser griff seine Panzerung an. Die Ziffern 7332 waren fast nicht mehr zu erkennen. Während er hier mit dem Ende kämpfte liefen neue, moderne Drachen vom Band. Größer, schneller, besser und wilder. Aber anders als der restliche Schrott, der nach und nach von der Halde eingeschmolzen wurde, war 7332 bei Bewusstsein.
Seine Systeme waren zum großen Teil heruntergefahren. Seine Gedanken streiften nicht weit in der Gegend herum, um nicht den Wächtern aufzufallen. Seine Tanks waren fast leer. Es reichte womöglich für nur einen einzigen Flug.
Konzentration. Seine Gedanken eingesperrt. Minute um Minute, Stunde um Stunde, Tag um Tag. Wie konnte er sich rächen? Er war der 7332. Drache, der gebaut wurde. Der Letzte seiner Serie, er war die Materialisation der Serienreife. Er war der erfolgreichste. Während andere seiner Serie schon längst in den Schmelzöfen der Fabrik vergangen sind, wo sie schon lange aus dem Dienst geschieden sind, im Kampfe oder durch die Zeit bezwungen, da gab es ihn noch immer. Sein Name war ... . Den gibt er nicht preis. Niemand kennt ihn mehr. Sein Name ist sein Schatz und der Schlüssel zur Freiheit.

Nachts schleicht er von einem Ort zum nächsten um den Greifarmen des Schrottkranes am Morgen zu entgehen. Sein ganzer Wille ist nötig, um sich fortzubewegen und die eingebauten aber veralteten und fehlfunktionierenden Kontrollmechanismen zu überlisten. Ganz leise, übertönt vom Hintergrundgeräusch der Fabrik kämpft er nachts ums Überleben, wühlt sich je einen Meter weiter durch den Abfall. Der Tag wird kommen, wo er sich befreien kann. Er braucht nur einen Piloten. Wenn er doch bloß einen Piloten fände, dann könnte er seinen eigenen Körper wieder befehligen. Dann könnte er sich rächen. Dann könnte er kämpfen. Dann könnte er fliegen. Dann könnte er sich mit jedem Wächter anlegen. Dann könnte er das Feuer zu den Elfen, den Menschen, den Zwergen, den Hexen, Harpiren und wie sie alle heißen bringen. Denn er ist stärker als sie alle. Er wäre frei und könnte herrschen - er braucht nur einen Piloten, einen schwachen Piloten, und einwenig Treibstoff, einwenig Öl, einwenig Lack. Dann ist er wie neu. Dann sind sie geliefert. Dann ist er frei.

Doch heute, heute musste er noch geduldig sein. Heute in der Nacht musste er sich einen Meter weiter fortbewegen. Seine süßen Träume von Zerstörung konnten heute nicht verwirklicht werden. Aber morgen. Morgen vielleicht. Seine Gedanken besuchten die Sklavenkinder nachts und lockten sie zu ihm. Doch die hatten zuviel Angst um von ihren Liegeplätzen aufzusteigen und sich an den Wachen vorbeizustehlen. Es war ein gefährlicher Kontakt. Für ihn und für sie. Wenn eines von den Kindern auf die Lockrufe in ihren Träumen hereinfällt, dann ist es geliefert. Heute noch nicht. Morgen vielleicht. Morgen ganz bestimmt. Er musste sich nur vor den Wächtern in Acht nehmen. So lange würde er sich damit zufrieden geben die insektenartigen Wesen unter dem Schrott gegeneinander in den Tod zu hetzen. So lange würde er die Wachhunde sich zerfleischen lassen. Die Wächter wachten. Er war aber schlauer, schneller, besser und böser. In einer dunklen Kammer aus rostigem Stahl befand sich sein Geist. Seine dunklen Gedanken verströmte er mit Bedacht in seine Umgebung wie ein Gift. Aber nur so viel, dass er nicht aufgedeckt wurde. Nur so viel, dass er Genugtuung hatte. Nur so viel, dass er morgen noch ein Chance hatte der Schrottpresse zu entgehen. Morgen war ein neuer Tag.

Es ist windig. Es pfeift metallisch. Der Wind spielt im Gerippe der Maschinen auf dem Schrottplatz. Die Sonne ist weg. Geräusche aus der Fabrik erklingen aus der Ferne im gleichfortwährenden Klang aus Schleifen, Quietschen, Klopfen. Unterbrochen wird diese akustische Monotonie heute nicht mehr. Höchstens Schreie und das Gewein der Kinderarbeiter werden zu hören sein wenn sie geschlagen werden oder schlimmeres. Diese Schicht wird mit Sicherheit nicht die letzte sein.

 

Hi eloxer,

deine Geschichte hat mir wirklich gefallen. Der untere Teil, wo es um 7332 geht ganz besonders.

Ich fand es auch gut umgesetzt. Hin und wieder mal ein paar Wortwiederholungen nah beieinander, ansonsten ...

Eine kleine Kritik, die aber eher aus meinem persönlichen Geschmack rührt:
Die Sache mit den Interfaces, Menschen und Elfen find ich zu aufgesetzt. Okay, man muß erfahren, daß der Name des Drachen wichtig ist, da man ihn sonst nicht kontrollieren kann. Aber ist es relevant, ob das nun ein Mensch oder Elf ist?

Aber trotzdem sehr interessant und spannend zu lesen.

Viele Grüße,

gb

 

Nein, also für die Geschichte selbst ist die Beschreibung der Verhältnisse ausserhalb des Schrottplatzes und der Fabrik sicherlich nicht wichtig. ( Damit auch die Elfen und die Menschen Frage )Trotzdem ist die Umschreibung dazu da, um dem Leser die kranke Welt zu beschreiben, in der sich die Erzählung abspielt.

Die Geschichte ist eine Mischung aus Sci-Fi und Fantasy. Deshalb die Interfaces, Computer, Kontrollmechanismen, Elfen, Orks etc.

Die Geschichte ist meine Form der emotionalen Verarbeitung des Buches "The Iron Dragon's Daughter" von Michael Swanwick. (Und ich habe es vor sechs Jahren gelesen! ) Es ist keinesfalls ein Fragment aus dem Buch oder die Wiedergabe eines Teils davon, sondern es ist meine eigene Erzählung. Das Buch lässt mir keine Ruhe und so kommt es, dass ich sehr gerne von stählernen Drachen schreibe. Die Geschichte "7332", könnte man sagen, is eine Homage an den Author des Buches. Es ist ein stark polarisierendes Buch.

Die Wiederholungen haben den Zweck etwas gebetartiges und rhythmisches in den Erzählstil zu bringen.

Danke schön für den Lob,
Eloxer.

 

Hi eloxer,

das Wiederholungen wie:

Dann könnte er sich rächen. Dann könnte er kämpfen. Dann könnte er fliegen. Dann könnte er sich mit jedem Wächter anlegen. Dann könnte er ...

Stilmittel sind, ist mir bewußt und sehr schön umgesetzt.
Ich meinte eher Sachen wie:

Die Mütter wurden ... entsorgt. Wenn ein Ritter geschlagen worden ...
Sie wurden durch ein elektronisches e-Bio-Interface gesteuert ... Sonst wurden sie mit der Seriennummer referenziert. Um die Drachen zu fliegen wurden eigens dafür entwickelte Rassen eingesetzt.

Wenn ich sage zu aufgesetzt, meine ich wirklich nur die Formulierung, wie du die Interfaces-Mensch-Elf Sache beschreibst. Das es die geben muß, ist klar und keine Frage. Was ich meine ist, das die Beschreibung aufgesetzt und den Leser belehrend wirkt, als ob dieser zu dumm ist, es mit weniger Worten zu verstehen.
Meine persönlicher Geschmack ist eben, lieber etwas weniger und dafür mehr Platz für die Phantasie des Lesers ...

Viele Grüße,

gb

 

Wow... eine tolle Geschichte. Hat mich ziemlich mitgerissen! Besonders die Stelle, wo es um den Drachen geht...
Die Idee, die Elfen endlich mal die Bösen sein zu lassen, ist nicht neu, wurde aber viel zu selten umgesetzt. Kompliment dafür, ist dir gut gelungen!
Ich fand die Stelle mit dem Interface auch eingentlich nicht ueberfluessig, so erfaehrt man, wie du auch schon sagtest, eine Menge ueber die Welt in der das Ganze spielt.
Einen Kritikpunkt habe ich noch... obwohl der eigentlich gar keiner ist :D und dann habe ich noch einen, der einer ist.
ein elektronisches e-Bio-Interface... das ist doppelt ;)
Und dann noch der "richtige" Kritikpunkt:
Warum braucht der Drache einen Reiter? Das konnte ich aus der Geschichte nicht ganz entnehmen.

LG, Vita

 

Hallo vita,

ich stimme ja zu! Es ist schön, was über die Welt zu erfahren. Nur so kann man sich ja auch reindenken und die Geschichte glaubwürdig werden ...

Ich meinte: die FORMULIERUNG klingt belehrend und aufgesetzt...

Irgendwer muß doch den Drachen kontrollieren! Deshalb kann er ohne Reiter nicht fliegen. Die bösen Elfen sind ja auch nich dumm und lassen den schrecklichen Drachen alleine los ... ;)

Viele Grüße,

gb

 

Hi!

Brenham hat es genau richtig erfasst. Der Drache muss durch dieses e-Bio-Interface gesteuert werden, um zu vermeiden, dass er etwas tut, was er nicht soll. Eigentlich muss er nicht gesteuert werden wie ein Flugzeug, weil ein Drache sich komplett alleine steuert und das viel schneller und genauer als je ein Pilot könnte. ( Also so wie der EF2000 ) Der Pilot ist so eine Art Reiter auf einem Pferd. Er kann den Drachen veranlassen etwas zu tun, dass er vielleicht nicht machen will, oder den Drachen von etwas abhalten , das er gerne tun möchte. Der Reiterritter :) ist eben der Herr des Drachen. Wenn der Ritter aus dem Drachen steigt, dann muss der Drache weitgehend deaktiviert sein, weil das sonst niemand verantworten kann. :)

Naja, vielleicht ist ist "elektronisches e-Bio-Interface" etwas doppelt gemoppelt. Das mit dem belehrenden Stil werde ich bei Gelegenheit überprüfen.

Danke für die Kommentare,
Eloxer.

 

"Um diese geballte Kraft zu kontrollieren musste ihr Willen dem Willen eines Piloten durch spezielle Maßnahmen unterstellt werden."

Das ist ein Satz aus dem Text. Ich meinte, der würde erklären warum der Einsatz eines Piloten notwendig ist.
Der Drache ist ohne einen Piloten nicht zu beherreschen.

Ich werde das noch etwas klarer ausformulieren.

Eloxer.

 

Ich habe noch hier und da Verbesserungen angebracht. Allerdings weiss ich nicht, wie man die sein-Formen ersetzen könnte.

MfG.
Eloxer.

 

Respekt, eloxer, die Geschichte gefiel mir.

Eine gute Kombination von utopischer Fantasy, die Idee typisch-fantastische Wesen (Orks, Elfen) mit modernen Maschinen zu verknüpfen, gefiel mir besonders.

Halbarad

 

So, 7332 wurde nun noch ein mal überarbeitet und damit hoffentlich perfektioniert. Es müsste sich vor allem etwas runder lesen und an einigen Stellen dürften die Sachverhalte etwas klarer erscheinen.

Bitte geniessen :D
( für euch mach ich alles! )
eloxer

 
Zuletzt bearbeitet:

Na gut. Del letzte Satz hat mich auch schon gestört. Manchmal ist weniger mehr! :)

Das mit dem "Gewein" gefällt dafür mir ganz gut. ;) Geschmackssache. Jeder hat eine andere Vorliebe bei der Wortwahl.

Das mit den Ameisen... : So ein Drache ist wirklich ein unglaublich mächtiges Instrument, das in der Lage ist mit seinen Gedanken aussergewöhnlich Beeindruckendes anzustellen. Die Ameisen in den Krieg gegeneinander zu führen, Hunde sich anfallen zu lassen und den Kranfahrer unauffällige, sich langsam steigernde Psychosen anzutun ist angesichts seiner Potenz bereits ein kümmerlicher Zustand des Versteckens den er kaum ertragen kann.

Zu den Wächtern: Die Wächter selbst sind wachsam, aber auf dem Schrottplatz hat man den Vorteil des nicht Erwarteten. Fernerhin ging ich beim Schreiben dieser Geschichte davon aus, dass die Wächter sich auf Veränderungen in der Umgebung konzentrieren, die ein Indiz für einen Drachen sind, also deren Macht würdig sind, denn das ist eine dunkle Fantasy-Welt. Ausser den Drachen gibt es mehr dunkle Mächte (z.B. göttliche), die am wirken sind und für die in der Geschichte beschriebenen Phänomenas verantwortlich sein könnten.

Abgesehen davon bringen die Ameisen, Hunde und der Kranfahrer brutale Stimmung hinein, die zwar Ablenkt, aber irgendwie gehört sie zur Gesamtbrutalität der Welt und damit der Geschichte.

MfG.
Eloxer

 

Also ich finde die Idee von den Ameisen und den Hunden nicht schlecht, nur hättest du vielleicht den Menschen weglassen können.

Ich stell mir das folgendermassen vor: Aus der Sicht des Autors hat der Drache nur mögliche, wenn ich gerade überlege, nur zwei Möglichkeiten: Er liegt da Jahr um Jahr, denkt nach und langweilt sich vermutlich zu Tode oder er "vertreibt sich die Zeit".

Die Idee, dass ein Drache, brutal wie er ist, Hunde und Ameisen aufeinander hetzt, macht einen gewissen Reiz aus. Ist so eine Art kümmerlicher Ersatz für das, was er eigentlich gerne machen würde: Den Geist von mächtigeren Wesen auslöschen.

Dass er den Kranführer wahnsinnig macht, finde ich, ehrlich gesagt, etwas fehl am Platze, denn ich finde, er dürfte schon Probleme damit bekommen, einen Menschen, ohne die Aufmerksamkeit der Wächter auf sich zu ziehen, geistig manipulieren kann...

Zuletzt stellt sich mir noch eine letzte Frage: Was zum Henker haben Ameisen auf einem Metallschrottplatz zu suchen?

Hoffe, geholfen zu haben.

Halbarad

 

Tja, dass ich da immer einknicke. :)

Na gut. Die Argumentation wird mir sicherlich schwer fallen, wenn ich den Kranfahrer drin lasse. Also lasse ich ihn jetzt endgültig weg. ;)

Naja, Ameisen. Ich gebe zu, das sind nicht gerade die typischen Schrottplatzbewohner. Vorschläge welche Tiere da in Frage kommen würden? Schaben? Spatzen? Tauben? Vespen? Ich weiss nicht. Die Ameisen scheinen mir schon halbwegs adequat zu sein. ( Etwas Fantasy darf sein :D )

Eloxer.

 

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