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712

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20.09.2013
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712

712

Draußen regnete es. Der Mai war fast vorbei, trotzdem war es kalt, grau und nass.
Der Frühlingsaufbruch hatte die Bäume mit grüner Pracht gekrönt, aber es reichte bei Weitem nicht für die richtige Frühlingsstimmung.
Beide bereiteten sich auf den bevorstehenden Tag vor.
Er räumte das letzte Geschirr auf und steckte es in die Spülmaschine.
Sie zog den Regenmantel an, denn sie musste gleich los, um die Straßenbahn Nummer 712 zu erreichen.
„Hab ein schönen Tag“ sagte er, als sie ihn leicht auf die Lippen küsste. So leicht, dass die frische Farbe ihres Lippenstiftes unberührt blieb.
Sie öffnete die Tür und verschwand im Treppenhaus. Nur das „klack-klack“ der harten Absätze ihrer eleganten, dunkelbraunen Boots war zu hören. Der Klang wurde immer schwächer. Als nichts mehr zu hören war, wusste er, sie hatte den Hauseingang erreicht, dann schloss er die Wohnungstür.
Sie hatte den blauen Regenschirm geöffnet und eilte auf der Straße Richtung Friedrichstraße, wo sie in die 712 einsteigen würde.
Er zog seine Lederjacke an, schaute in den Spiegel und drehte die übliche kleine Wohnungsrunde, eher er das Haus verließ, um ins Atelier zu radeln.

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„O nein! Sie hatte schon wieder ihr Smartphone vergessen!“, brüllte er laut zu sich selbst, als er das Gerät auf dem Tisch entdeckte, es hing noch am Ladekabel.
„Sie wird es bestimmt vermissen“, dachte er, „ich werde versuchen, sie zu erreichen, eher sie in der Straßenbahn verschwindet ...“
Jetzt galt es, schnell zu handeln!
Mit dem Smarti in der Tasche eilte er zur Tür, dann die Treppe hinunter und zum Fahrrad, welches angekettet auf der Straße stand.
Schnell war der Zahlencode aus den Tiefen seines Gedächtnisses hervorgeholt und das Zahlenschloss der dicken Kette geöffnet.
Der Code entsprach seiner eigenen Postleitzahl. Immer wieder beschäftigte er sich mit Zahlensystemen, um der Flut neuer Codes und Nummernfolgen Herr zu werden, mal waren es Geburtstagsdaten aus der Familie, mal eine im Kopf abgespeicherte Telefonnummer oder aber eine bestimmte Ziffernfolge auf seiner Tastatur.
Zwischen den Regentropfen radelnd fuhr er die Straße hoch, bog zweihundert Meter weiter nach links ab, mit aller Vorsicht, denn als erfahrener Autofahrer wusste er, an dieser Kreuzung mangelte es so manchem Radfahrer an Rücksicht auf den Verkehr, der von rechts kam.


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Die Kirchfeldstraße gen Westen radelnd erreichte er die Friedrichstraße, wendete sich nach rechts – und musste feststellen, dass die 712 mit ihren zwei Wagons schon an der Haltestelle stand. Die Strasse war durch das hohe
Verkehrsaufkommen ziemlich verstopft.
„Wie soll ich wissen, wo sie eingestiegen ist?“, fragte er sich.
Er war schon auf gleicher Höhe mit der Bahn.
„Da ist sie!“
Er hatte ihre Gestalt entdeckt, als sie durch die erste Tür des zweiten Wagons
einstieg. Jetzt bewegte sie sich nach vorn und nahm im vorderen Teil des Wagons neben zwei Herren Platz.
Nach einen lauten „piep – piep“ schlossen alle Türen der Straßenbahn.
Wieder einmal wunderte er sich, wie schnell sie auf der Strasse vorankam. Ihre langen Beine und ihr Fortbewegungsrhythmus hatten sie schnell und weit getragen. Viel schneller als er es sich vorstellen konnte.
Was nun!?
Es blieb ihm nichts anderes übrig als zu versuchen, vor der 712 die nächste Haltestelle zu erreichen. Es waren nur fünfhundert Meter.
Es klingt sehr einfach. „Nur fünfhundert Meter“. Um neun Uhr morgens. Berufsverkehr. Viele Lieferanten und Lastwagen. Die Bürgersteige voll mit Fußgängern, die zur Arbeit oder zum Einkaufen gingen. Da sollte man trotz der

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Eile sehr vorsichtig sein, vor allem, wenn man mit dem Drahtesel unterwegs war.
Jede Berührung mit einem Element dieser Blechlawine konnte fatale Folgen haben. Die Friedrichstraße war für Radfahrer alles andere als geeignet. Es gab keinen Radweg, viel Verkehr, Bahngleise und vollgestopfte Gehwege.
Also Volldampf in Richtung Haltestelle „Graf Adolf Platz“.
Grüne Ampel. Die 712 steckte im Stau. Für ihn ging es vorwärts. Glück gehabt.
Ganz dicht am Rande des rechten Bürgersteiges radelte er schnell, nahm
Rücksicht auf die kuchenblechgroßen Rückspiegel der Nobelkarossen.
„Wenn ich die Herzogstraße überquert habe, wird es klappen“, dachte er.
Und tatsächlich! Grün auch an der nächsten Kreuzung.
Die Bahn blieb zurück. Bravo! Zum Glück war der Verkehr heute sehr dicht.
Vorwärts, immer vorwärts, am Sternverlag vorbei.
Ein schneller Blick nach hinten, die 712 hatte die Kreuzung erreicht. Innerhalb von Sekunden könnte er an der Halstestelle sein. Er trat noch einmal in die Pedale und stand im nächsten Augenblick auf dem Bahnsteig in der Mitte der Strasse. Das Rad lehnte er vorsichtig an die Trennwand aus dickem Glass und stellte sich so auf, dass sie sich direkt vor ihm befinden musste, wenn der Zug hielt.

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Die Bahn kam angefahren, und tatsächlich blieb sie genau so stehen, wie er geplant hatte.
Sie saß mit gesenktem Kopf auf der Bank. Jetzt blitzschnell handeln.
In die Bahn zu springen war keine gute Idee, denn Sekunden später würden sich die Türen wieder schließen.
Mit der Faust klopfte er kräftig an die Glassscheibe. Die Köpfe der Fahrgäste drehten sich zu ihm um und suchten den Grund für das überraschende Geräusch. Wieso klopfte da jemand von außen gegen die Scheibe!?
Die Zeit lief. Er klopfte ein weiteres Mal. Erst jetzt schaute sie auf – und guckte verblüfft. „Was machst du denn da!?“
Er winkte ihr mit ihrem Smartphone zu. Da lächelte sie und eilte zu Tür. Als sie die Hand nach draußen streckte, ging die „Piepshow“ los. Das Gerät hatte den Besitzer gewechselt. Im nächsten Moment waren alle Türen geschlossen. Die Bahn setzte sich in Bewegung.
Geschafft!
Später erhielt er eine SMS auf seinem Handy:
„Du bist ein verrückter Schatz – Danke!“

 
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hi ugollino,

herzlich willkommen hier im forum. ich gebe dir einfach mal meinen ehrlichen leseeindruck. also schon mal ein großer pluspunkt für dich: du scheinst die deutsche rechtschreibung größteinteils zu beherrschen. ist hier bei neuankömmlingen leider nicht die regel. ein paar schreibfehler sind dennoch drin, das sind solche alte rechtschreibung - neue rechtschreibung-fehler, z.b. Strasse statt Straße (es sei denn, du kommst aus der schweiz, dann nehme ich's zurück ;) ). solltest du nochmal überfliegen.

zur formatierung: du hast eine komische angewohnheit, teilweise nach jedem satz eine neue zeile zu beginnen. sowas liest sich irgendwie abgehakt, und stört den lesefluss, wenn man es zu oft macht. als stilistisches mittel kann man das schon mal einsetzen, wenn man einen gewissen "bruch" zeigen will, aber in deinem text nimmt das teilweise überhand. ich habe dir unten ein paar stellen gezeigt.

zum plot: er hat mich leider nicht vom hocker gehauen. eine frau vergisst ihr iphone, und ihr mann radelt ihr hinterher ... mhm. eine geschichte in die rubrik alltag zu posten, bedeutet nicht, dass man über belanglose alltäglichkeiten schreiben sollte. den fehler machen viele neulinge, ich wusste das am anfang auch nicht. aber da sollte schon eine pointe, ein spannungsbogen zu erkennen sein - finde ich bei dir leider nicht. schafft er es, seiner frau ihr handy zu bringen, oder nicht: mich hat's leider nicht interessiert. nehme das nicht persönlich oder so, ich will dir einfach sagen: versuche geschichten zu erfinden, die die leser mitreißen, wo sie nicht mehr zu lesen aufhören können.

zu deinem stil: man merkt, dass da jemand ist, der lust aufs erzählen und schreiben hat. eine klassische anfängergeschichte wie ich finde, und das ist nicht böse gemeint. ich habe dir unten ein paar stellen herausgesucht, wo ich dir verbesserungstipps gegeben habe. mit adjektiven solltest du z.b. sparsamer umgehen. außerdem solltest du versuchen, dich auf das wesentliche, was du erzählen willst, zu fokussieren, und nicht vom roten faden abzuweichen, und über geheimzahlen zu schwadronieren - das interessiert nicht für deine eigentliche geschichte.

Sie öffnete die Tür und verschwand im Treppenhaus. Nur das „klack-klack“ der harten Absätze ihrer eleganten, dunkelbraunen Boots war zu hören. Der Klang wurde immer schwächer. Als nichts mehr zu hören war, wusste er, sie hatte den Hauseingang erreicht, dann schloss er die Wohnungstür.
Sie hatte den blauen Regenschirm geöffnet und eilte auf der Straße Richtung Friedrichstraße, wo sie in die 712 einsteigen würde.
die unterstrichenen adjektive könntest du getröst herausstreichen. die stehen nur im weg, und behindern den lesefluss. desweiteren finde ich, dass du zu viel straßennamen verwendest - das verwirrt bloß, und interessieren tut's deine leser auch nicht besonders (es sei denn, eine bestimmte straße ist z.b. essenziell für deine geschichte)

Jetzt galt es, schnell zu handeln!
solche sachen würde ich herausstreichen. lass das deine leser selbst schlussfolgern, das liest sich aus den anderen sätzen heraus.

Der Code entsprach seiner eigenen Postleitzahl. Immer wieder beschäftigte er sich mit Zahlensystemen, um der Flut neuer Codes und Nummernfolgen Herr zu werden, mal waren es Geburtstagsdaten aus der Familie, mal eine im Kopf abgespeicherte Telefonnummer oder aber eine bestimmte Ziffernfolge auf seiner Tastatur.
die stelle meinte ich: das geht hart vom roten faden deiner story weg. sowas hindert bloß den lesefluss. würde ich an deiner stelle rausstreichen.

Die Kirchfeldstraße gen Westen radelnd erreichte er die Friedrichstraße, wendete sich nach rechts – und musste feststellen, dass die 712 mit ihren zwei Wagons schon an der Haltestelle stand.
viele straßennamen - die genaue route interessiert nicht so wirklich, ich würde das raffen und einfach sowas schreiben wie: er kam an der haltestelle an, und stellte fest, dass die 714 bereits an der haltestelle stand.
das ist ja im endeffekt die reine information, die du übermitteln willst.

Die Strasse war durch das hohe
Verkehrsaufkommen ziemlich verstopft.
komische formatierung - wird aber in den folgenden punkten noch heftiger!

Da sollte man trotz der

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Eile sehr vorsichtig sein, vor allem, wenn man mit dem Drahtesel unterwegs war.

z.b. hier. mache absätze nur, wenn tatsächlich eine art "bruch" stattfindet, zeitlich oder räumlich.

Die Zeit lief.
lief? lief ihm davon, oder? klang schief.

fazit: ich spüre, dass du lust aufs erzählen und schreiben hast. versuche dich in kommenden texten mehr auf das zu fokussieren, was du wirkliche erzählen willst. mein tipp: lass den text liegen, denke dir eine wirklich spannende geschichte mit packender handlung und pointe aus, und versuche, die aufzuschreiben. wenn du mehr kommentare zu deinen geschichten haben willst, lese und kommentiere hier selbst geschichten, das forum basiert auf geben und nehmen. und es bringt ziemlich viel für's eigene schreiben. ich wünsche dir viel erfolg.

herzliche grüße,
zigga.

 

Hallo ugolino,

deine Geschichte weckt eine Erwartungshaltung: Der Protagonist verabschiedet sich von seiner Freundin (ein schön beschriebener Moment: „als sie ihn leicht auf die Lippen küsste. So leicht, dass die frische Farbe ihres Lippenstiftes unberührt blieb…), sie wird sanft, schön, zärtlich beschrieben, und nun verfolgt er sie, zwar Gutes im Sinn, aber doch ohne dass sie es weiß.
Dieses Nachstellen, die heimliche Beobachtung lässt vermuten, dass er sie bald in einer ungewöhnlichen, vielleicht betrügerischen Situation wiederfindet. („Sie setzte sich neben 2 Männer“). Ein wenig sorgte ich mich schon vor einer kurzen, platten Pointe.

Aber er gibt ihr einfach ihr Telefon zurück.
Das lässt mich etwas verdutzt zurück. Wie Zigga schon schrieb: Jemand trägt einer anderen Person erfolgreich ein Handy hinterher - ist per se kein interessanter Plot. (Er kann es natürlich sein, wenn das ganze bspw. ins Absurde gesteigert wird.)

Allerdings lässt es einen auch über Fiktion insgesamt nachdenken. Deine Geschichte ist ja eine schöne Geschichte über Liebe und gegenseitige Hilfe. Aber in der Literatur erwartet man nun einmal den Konflikt. Um es kurz zu machen:

Im echten Leben wünsche ich mir die Geschichte so, wie du sie geschrieben hast. In der Literatur wünsche ich mir, dass er seine zarte Freundin mit den eleganten Pumps in der Straßenbahn bei Schönem oder Grässlichem mit Fremden beobachtet, dass sie an einer Station aussteigt, die nicht ihr behaupteter Arbeitsplatz ist, dass sie in Begleitung aussteigt, dass er entsetzt ihr Handy durchforscht, dass sich sein Leben in diesen Minuten umkrempelt, dass alles nur ein Irrtum ist, dass alles möglicherweise nur ein Irrtum ist, dass alles ganz entsetzlich ist oder aufregend oder lächerlich, dass er von fern die falsche Frau beobachtet hat, oder war es doch die richtige?, was bedeuten die Nachrichten in ihrem Handy? und was um Himmels willen der Verlauf ihrer Internetseiten?, wer ist sie?, wer ist er?
Dies nur als schlechtes Beispiel, als Möglichkeit, wohin „712“ führen könnte.
Wunderbar fände ich es, wenn die Sache dann trotz aller Katastrophen so zärtlich und liebevoll endet, wie sie begonnen hat.

Deine Schreibweise finde ich recht angenehm, obwohl natürlich daran zu arbeiten ist. Da hat zigga ja schon einen längeren Kommentar geschrieben. Du solltest übrigens auf seine Mühe reagieren. Im Übrigen: Herzlich willkommen.

 

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