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6.8.''45

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02.06.2002
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6.8.''45

Bevor ich euch meine Geschichte erzähle, möchte ich mich kurz vorstellen. Mein Name ist Tagayuki K. . Wie mein Name schon sagt, kam ich aus dem asiatischen Teil der Welt, genauer Japan. Ich wohnte in Hiroshima, im Zentrum dieser wunderschönen Stadt, ungefähr 100 Meter vom Fluss entfernt, in einem Wohnblock.
An diesem Tag, es war Montag, der 6.8.1945 wurde die Welt in ihren Grundzügen verändert. Das wusste ich damals aber noch nicht und so stand ich wie immer um 8 Uhr auf, machte mir Frühstück und schlief danach noch ein wenig. Ich hatte mir ein paar Tage freigenommen, genoss es die Augen noch einmal zu schließen, dahinzuträumen. Gegen 10 Uhr ging ich dann in den gemeinsamen Garten des Wohnblocks um in der Sonne zu lesen und die Menschen zu beobachten die vorbeigingen. Sie müssen wissen, ich war zu dieser Zeit Psychologe und wollte später ein Buch über die Auswirkungen des Kriegs auf die Daheimgebliebenen schreiben. Ich selber war nicht an der Front, weil mein linker Fuß unterhalb des Knies amputiert war (ein Unfall aus meiner Kindheit. Ein besoffener Busfahrer war mir mit seinem Gefährt über den Fuß gefahren) und ich war eigentlich ganz froh darüber. Dank einer Prothese konnte ich mich auch leidlich gut zurechtfinden.
Wie schon gesagt, ich saß im Vorgarten, las ein Buch und studierte ab und zu vorbeigehende Passanten.
Man muss noch bemerken, dass Hiroshima für meine Beobachtungen so ziemlich die unpassendste Stadt in Japan war. Die Amerikaner hatten sie bis jetzt fast noch nicht bombardiert und die Menschen auf der Strasse verhielten sich dementsprechend. Manche schlenderten langsam und sorglos umher, andere hetzten Terminen nach, kaum einem war anzumerken, dass sich sein Vaterland seit circa vier Jahren in einem unerbittlichen Kampf mit dem verhassten Amerika befand. Die einzige Feindaktivität die man am Himmel von Hiroshima beobachten konnte, war eine einzelne B-29, die ab und zu über der Stadt erschien, ein große Bombe abschmiss und dann wieder verschwand. Es wurde Fliegeralarm ausgelöst (bei späterer Betrachtung vielleicht ein Fehler), ein großer Knall war zu hören, es gab ein paar Tote, aber insgesamt kam meine Stadt bis zu diesem Tag eigentlich recht glimpflich davon, wenn man bedenkt, dass andere japanische Städte mit tausenden Tonnen von Brandbomben (die meisten Häuser waren damals wegen der häufigen Erdbeben aus leichtem Holz gebaut) in einem Feuersturm dem Erdboden gleichgemacht wurden.
Gegen halb 12 Uhr wurde wieder Fliegeralarm ausgelöst. Die wenigsten Menschen schauten zum Himmel auf, noch weniger bewegten sich zu den Luftschutzkellern. Man hatte sich an die Sirenen gewöhnt. Die meisten gingen einfach ihren Beschäftigungen nach, als sei nichts geschehen und hofften, dass sie wieder Glück hatten und die große Bombe nicht auf sie fiel. Ich saß ungefähr eine Viertelstunde gespannt in meinem Stuhl und wartete auf das Pfeifen der Bombe über mir oder den großen Knall aus einiger Entfernung. Als nichts dergleichen geschah entspannte ich mich wieder. War wohl falscher Alarm.
Nachher stellte sich heraus, dass dem nicht so war. Die Beobachter hatten sehr wohl ein amerikanisches Flugzeug über der Stadt ausgemacht. Nur war es nicht der Bomber, der gewöhnlich seine Fracht hier abwarf, sondern ein Wetterflugzeug, dass weit in den Pazifik zu einem von den Amerikanern eroberten Stützpunkten hinausfunkte, dass der Himmel über Hiroshima klar sei und man dieses Ziel empfehle.
Ich machte mir weiter keine Gedanken über den Alarm und gegen 12 Uhr machte mich mein Magen darauf aufmerksam, dass er jetzt meiner vollsten Zuwendung bedürfe und gefüttert werden wollte. Ich erfüllte ihm den Wunsch und machte mir ein Mittagessen. Nach dem Essen (und dem Abwasch) ging ich wieder nach draußen, um mein Buch fertig zu lesen und meine sozialen Forschungen fortzuführen. Um halb 2 Uhr wurde wieder Alarm gegeben, was eigentlich ungewöhnlich war, denn normalerweise wurden wir, wenn überhaupt nur einmal am Tag belästigt. Ich maß dem aber keine große Bedeutung, wie die meisten Menschen in der Stadt. Sie hatten ja ihre Bombe beim ersten Mal nicht abgeworfen, und irgendwo muss das Zeug doch hin. Bezahlt ist es ja. Etwa 5 Minuten nach dem ersten Sirenengeheul konnte man ganz leise die vier Motoren einer B-29 Superfortress brummen hören. Nervös wurde ich dann aber trotzdem, weil es mir so vor kam, als würde das Flugzeug genau auf mich zukommen. Ich stand auf um es vielleicht irgendwo sehen zu können, aber die Wohnblocks die auf der gegenüberliegenden Straßenseite lagen und in die Richtung zeigten, aus der ich das Flugzeug vermutete, versperrten mir die Sicht. Doch eine halbe Minute später sah ich es trotzdem. Ein winziger, silbern-blitzender Punkt am wolkenlosen, blauen Himmel. Ich hatte das Gefühl das es mir genau über den Kopf fliegen würde. Dann bemerkte ich etwas Seltsames, jedenfalls kam es mir seltsam vor. Es schien mir als würde das Flugzeug eine lange Kurve ziehen, anstatt einfach geradeaus weiterzufliegen, wie es sich für einen normalen Bomber gehört. Wie der Junge, der das weiße, zum Trocknen nach außen gehängte Laken der Nachbarin mit einer Ladung Schlamm bewirft, dann bemerkt, dass sie ihn von der Terrasse aus beobachtet und erschrocken davonläuft. Ein dummer Gedanke, aber er kam mir gerade in diesem Augenblick.
Es war mein letzter Gedanke in meinem irdischen Dasein. Denn nur den Bruchteil einer Sekunde später – ich glaube sogar, dass ich die Bombe noch fallen gesehen habe, aber das es könnte auch Einbildung gewesen sein – sah ich ein göttliches Licht, so hell wie ... wie tausend Sonnen – ein besserer Vergleich fiel mir hinterher nicht ein – und wunderschön. Das Licht war stechend, klar und kalt. Dafür war die Hitze, die mir unmittelbar darauf den Atem nahm umso größer. Als kleines Kind hatte ich mir einmal die Hand verbrüht und dachte, dass nichts heißer sein konnte als kochendes Wasser. An diesem Montag wurde ich eines besseren belehrt. Es mag sich bescheuert anhören, aber ich spürte in dieser Winzigkeit von Zeit noch, bevor ich das Bewusstsein und mein Leben verlor, wie mein Körper zu brennen anfing und begann zu Asche zu zerfallen. Kein sehr schönes Gefühl, aber auch nicht so schlimm, wie man denken mag. Der ganze Körper fühlt sich an wie ein eingeschlafener Fuß oder Arm und gleichzeitig zieht irgendein Sadist von Mensch mit den Fingernägeln über eine Tafel in deinem Kopf und erzeugt dieses schreckliche, quietschende Geräusch direkt in deinem Hirn. Gleichzeitig wird einem ziemlich warm. Was mich aber am meisten erschreckt hat, war die danach einsetzende Schwärze. So undurchdringlich und dunkel, wie keine Nacht auf Erden je sein kann. Und die Kälte. Keine physische, eine seelische Kälte. Ja, ja, ich weiß. Der Tod war noch nie schön. Wahrscheinlich glaubt ihr mir nicht, aber jeder von euch wird es beizeiten selbst erfahren. Ich weiß nicht wie viele Jahre oder Jahrhunderte ich (oder besser mein Bewusstsein) so in meiner trostlosen Welt dahingedämmert hatte, aber irgendwann bekam ich die Möglichkeit mein Erlebtes der Nachwelt zu berichten. Ich kann es schlecht beschreiben, aber ich komme mir vor wie in einem Traum. Ich sehe meine Hand ( meine irdische Hand ), die mit einer Feder und blauer Tinte meine Gedanken auf weißes Papier schreibt. Was mit diesem beschriebenem Papier passiert, wenn ich wieder in die Dunkelheit und Kälte meines Todesdaseins zurückkehren muss, weiß ich nicht. Aber ich hoffe, dass der, der das Glück hat, es zu lesen, soviel Mut und Verantwortung gegenüber allem Leben auf diesem Planet hat, dafür zu kämpfen, dass sich etwas derartiges nicht wiederholen möge. Denn Friede, Freiheit und das eigene Leben sind die höchsten Güter, die die Menschheit je besessen hat und besitzt. Ich hatte leider das Pech, dies zu spät bemerkt zu haben. Mit diesem Appell möchte ich meinen Brief beenden und mich zurückziehen in mein dunkles Zuhause.

Ein schönes Leben
Ihr Tagayuki K.

Man fand diesen Brief am 6.8.2045, zu einer Zeit als die ersten nuklearen Kriege um das immer knapper werdende Trinkwasser auszubrechen drohten, in einem japanischen Museum in Hiroshima auf den verkohlten und geschmolzenen Resten eines Stuhles aus dem ehemaligen Zentrum der Stadt.
Die Recherchen der zuständigen Behörden ergaben:
Es lebte tatsächlich ein gewisser Tagayuki K. im August 1945 im Zentrum Hiroshimas. Der Brief wurde auf dem Papier einer Druckerei geschrieben, die 1945 beim Abwurf der Atombombe über Hiroshima vollständig zerstört wurde und das seitdem nicht mehr hergestellt wird. Die verwendete Tinte war im damaligen Kaiserreich Japan weit verbreitet, wurde aber nach Kriegsende nicht mehr verwendet. Weiterhin wurde der Brief in einer damals üblichen Schrift und Dialekt geschrieben. Rätselhaft war, dass sich an dem Brief weder Fingerabdrücke noch die kleinsten Schmutzspuren oder Verunreinigungen (Staub, Milben, Asche, etc...) finden ließen. Des weiteren weist das Dokument keinerlei Zerfalls- oder Alterserscheinungen auf. Auch ist unklar, wie es in den abgeschlossenen Glaskasten der Vitrine gelangt ist. Nach einer Untersuchung, bei der das Alter des Dokuments bestimmt werden sollte, zeigten die Computer des wissenschaftlichen Instituts für Archäologie und die Labore des Geheimdienstes übereinstimmend 0 Jahre an. Nachdem jegliche Fehler ausgeschlossen und das Ergebnis bestätigt wurde, bekam der Brief die Einstufung „Streng Geheim“ und wird seither beim japanischen Geheimdienst unter Verschluss gehalten. Vom Besucher des Museums, der meldete, dass sich ein seltsamer Brief auf einem der Ausstellungsstück befände, fehlt seitdem jede Spur.

[ 23.06.2002, 07:01: Beitrag editiert von: Morticinus ]

 

Hallo Morticinus,

Eigentlich hat mir deine Geschichte recht gut gefallen. Der Lesefluss ist gut, und stilistisch ist auch alles soweit okay. Allerdings habe ich doch ein paar Sachen zu bemängeln:

1. Tagajaki hört sich zwar japanisch an, ist aber kein japanischer Name. Trust me, ich studiere nämlich schon seit geraumer Zeit Japanisch. Takayuki wäre beispielsweise ein japanischer Vorname, und Taga ein japanischer Nachname.

2. Die Atombombe wurde um ca. 8:15 Uhr Morgens über Hiroshima abgeworfen.

3.

Ein besoffener Busfahrer war mir mit seinem Gefährt über den Fuß gefahren) und ich war eigentlich ganz froh darüber.
Warum ist er froh wenn ihm ein Bus über das Bein fährt? Das verstehe ich nicht.

4. Du musst unbedingt mehrere Absätze in deiner Geschichte machen, besonders in dem Briefteil der Geschichte. So einen Riesenblock zu lesen ist zu anstrengend.

Wie gesagt, die Story hat echtes Potenzial, muss aber, speziell auch wegen der Uhrzeit, nochmal überarbeitet werden.

Gruss,

I3en

 

Der Brief eines Toten...

Im Grunde eine gute Idee! Wenn man die Geschichte etwas zusammenfasst, ist auch das Ende sehr gelungen. Wenn man allerdings das Original betrachtet, ist die Pointe etwas zu lange ausgefallen. Sie schleppt sich über viele, viele Zeilen dahin. Damit verliert sie einen Großteil ihrer Intensität.

Die gleiche Geschichte, nur ein wenig umgestellt, könnte richtig "reinhauen". So, wie Du es hier geschrieben hast, verpufft die Geschichte ein wenig.

Dem Beitrag von I3en stimme ich zu 100% zu. Bis auf den Namen des Protagonisten... ich kenne zwar viele Japaner, doch ich kann nicht beurteilen, ob ein solcher Name existiert oder existieren könnte - hier lasse ich Experten den Vortritt.
Es ist aber sehr anstrengend, die Geschichte zu lesen, weil sie "in einem Rutsch" geschrieben ist. Ein Absatz hier und da würde zur Lesbarkeit beitragen.

Sehr schön finde ich die bildhafte Sprache, die Du einsetzt. Auf diese Weise kann ein Leser sich gut in die Geschichte hineinfinden. Und natürlich komme ich nicht umhin, die Botschaft der Geschichte zu loben: Der Aufruf zu Frieden, Freiheit und der Achtung des Lebens.

Noch ein klein wenig basteln, ein klein wenig umstrukturieren, ein klein wenig mehr Spannung in die Sache bringen, und schon trifft eine solche Geschichte mitten in's Herz - da, wo sie hingehört!

Hao rayn!

[ 23.06.2002, 01:17: Beitrag editiert von: H8 ]

 

Hallo ihr Beiden

@13en
Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich keine Ahnung von der japanischen Sprache habe. Deshalb übernehme ich auch einfach den Namen, den du angegeben hast. Danke hierfür.

Ich habe in meinen schlauen Büchern leider keine Uhrzeit gefunden und habe sie somit angenommen. Werde die Geschichte diesbezüglich ändern.

Zu dem Busfahrer:
Eigentlich ist er nicht froh darüber, dass ihm ein Bus übers Bein gefahren ist, sondern, dass sein Bein amputiert ist und er so nicht an die Front muss. Schuld für die Amputation ist aber der Busfahrer und so kann man eigentlich sagen, er freut sich darüber, dass ihm der Busfahrer übers Bein gefahren ist.

Danke auch an dich, H8, für deine Kritik. Ich werde noch ein bisschen strukturieren und mir wegen der Uhrzeit was einfallen lassen.

Bis bald
Morticinus

PS: Hab jetzt den Namen geändert und ein paar Absätze reingemacht. Die Uhrzeitänderung kommt später noch nach.

[ 23.06.2002, 06:51: Beitrag editiert von: Morticinus ]

 

Was ich relativ unrealistisch fand, war die etwas moderne, verwestlichte Eigenart des Protagonisten. So stelle ich mir keinen erwachsenen Japaner des imperialistischen Kaiserreiches vor, das seine Soldaten zuhauf in den Kamikazetod trieb.
Also das finde ich kein Problem. Die Einstellung vieler Japaner war auch damals schon viel westlicher, als man sich das heute oft vorstellt. Lies ruhig mal ein Buch von Mori Ogai oder Tanizaki, oder schau dir eien japanischen Film aus den 30er Jahren an, du wirst sicher überrascht sein. Der Mann in der Geschichte ist ja eben auch Psychologe, also ein Intellektueller, von dem wir annehmen können, dass er ein kritisches Weltbild hat, zumal er ja auch aus eigener Erfahrung von der sinnlosen Zerstörung des Krieges zu berichten weiß.

 

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