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5 Kurzgeschichten aus einem kleinen Dorf
Laterne, Laterne I
Martin schaut in die glänzenden Augen seiner Eltern. Endlich ist es soweit, er darf zum ersten Mal alleine mit seinen Freunden durch das Dorf gehen um Süßigkeiten zu sammeln. Seine Mutter drückt ihm erst einen dicken Kuss auf die Wange und anschließend seine Laterne in die Hand. Sein Vater sieht ihn an und bittet seinen Sohn vorsichtig zu sein. Noch schnell eine Tüte für die Süßigkeiten einpacken und schon kann es losgehen. Martin macht sich auf den Weg zur Bushaltestelle, an der seine Freunde Alex und Jochen schon auf ihn warten. Nach einer schnellen Begrüßung macht sich das Trio auf den Weg zum ersten Haus. Vor der Tür stehen schon einige Kinder, die gerade angefangen haben zu singen. Martin und seine beiden Freunde stellen sich zu den anderen und warten darauf, dass jemand die Tür aufmacht. Nach einer langen Minute öffnet eine alte Frau die Tür und schenkt den Kindern ein strahlendes Lächeln. Frau Moffzinski. In ihrer Hand hält sie eine braune Plastiktüte, die vielsagend raschelt. Die Kinder treten einzeln nach vorne und halten ihre Tüte auf, damit Frau Moffzinski diese mit Süßigkeiten füllt. Als Martin an der Reihe ist sieht er, was die liebe Frau ihm in die Tüte schüttet: Kleine, runde Schokoladen-Bonbons. Wie gerne würde er jetzt eins davon probieren. Aber er denkt an die Worte seiner Mutter und besinnt sich darauf, alle Süßigkeiten erst zu vernaschen, wenn er wieder zu Hause ist. Zusammen mit seinen Freunden geht er zum nächsten Haus und fragt sich, was er wohl dieses Mal bekommen würde.
St. Anger vs St. Martin
Das ist der Lars. Der Lars ist 19 und ein sehr böser Junge. Heute Abend hat er sturmfrei, weil seine Eltern in der benachbarten Großstadt zu einer großen Karnevalsfeier gefahren sind. Und weil der Lars weiß, dass seine Eltern erst ganz spät wiederkommen werden, veranstaltet er zu Hause eine schöne Ein-Mann-Party mit lauter Musik. Er hört seine schönsten Punk- und Heavy Metal-CDs und tanzt dabei, in dem er immer auf und ab hüpft. Diesen Tanz nennt man Pogo. Klingt komisch, ist aber so. Doch die Musik ist dem Lars immer noch zu leise. Deswegen nimmt er die Fernbedienung seiner Stereo-Anlage und dreht den Lautstärke-Regler noch ein wenig weiter. Jetzt klingt es schon viel besser, findet Lars. Er mag solche Abende, an denen seine Eltern weg sind und er machen kann was er will. Wenn er nämlich nicht alleine wäre, dann würden seine Eltern bestimmt sauer sein und ihn wieder in seinem Zimmer einsperren. Doch zum derzeitigen Zeitpunkt liegen seine Eltern bestimmt auf einem Bürgersteig in der Stadt und schlafen ein wenig. Solche Menschen nennt man Schnapsleichen. Damit will Lars jedoch nichts zu tun haben. Er tanzt einfach weiter und lässt sich von keinem den Spaß verderben.
Gerade als er seine neue Metallica-CD einlegen möchte, hört er einige Kinder vor der Tür singen. Wütend geht er zur Tür und macht auf. Er blickt in die Gesichter von mehreren kleinen Kindern, die mit Laternen vor ihm stehen und darauf warten, etwas von ihm zu bekommen. Leider hat der Lars nichts für die Kinder und somit bittet er die Kinder höflich dorthin zu gehen, wo die Sonne nie scheint. Aber die Kinder wissen nicht was er meint und blicken ihn fragend an. Macht aber nichts, für solche Situationen hat Lars immer seine Kettensäge mit leistungsstarken 30PS von Kettler griffbereit neben dem Eingang liegen. Lars macht die Kettensäge an und zeigt sie den Kindern. Anscheinend wissen sie jetzt, was Lars von ihnen wollte, denn nun machen sie sich alle schnell auf den Weg zum nächsten Haus. Jetzt ist der Lars wieder glücklich und er beginnt laut zu lachen.
Laterne, Laterne II
Mit vollen Tüten steht Martin wieder zu Hause vor der Tür und wartet darauf, dass seine Eltern ihn ins Haus lassen. Seine Mutter öffnet die Tür und umarmt ihn, bevor sie ihn mit ins Haus nimmt. Martin stellt seine Tüte, die nun voll mit Süßigkeiten ist, auf den Küchentisch.
Nachdem er seine Jacke und seine Schuhe ausgezogen hat, geht er ins Wohnzimmer zu seinen Eltern um ihnen vom eben Erlebten zu berichten. Er erzählt ihnen von allen netten Leuten, die ihm ganz viele Süßigkeiten gegeben haben und von dem Spaß, den Alex, Jochen und er diesen Abend hatten. Nur zu einem Haus, so Martin, konnten sie nicht gehen, weil dort vor der Tür die grünen Männer standen und den Weg versperrt hatten. Obwohl seine Eltern nicht verstanden haben, wen oder was Martin mit den 'grünen Männern' meinte, lächeln sie ihn an und sind sichtlich begeistert von seinen Erzählungen. Als er fertig ist schickte ihn sein Vater rauf in sein Zimmer zum Schlafen, schließlich ist es schon spät und morgen ist wieder Schule.
Hasenpflege
Ilse Moffzinski geht verwirrt durch ihr Haus. Wo ist denn blos dieser verflixte Handfeger? Und wofür braucht sie ihn eigentlich? Das Leben mit Alzheimer ist schon hart. Um sich erstmal wieder einen klaren Kopf zu machen, setzt sie sich an den Tisch in ihrer Küche und trinkt eine Tasse Tee. Dabei beobachtet sie ihren Hasen, der in seinem Käfig hin und her läuft. Ihr fällt auf, dass der Käfig wiedermal sehr dreckig geworden ist. Den müsste sie mal sauber machen. Ilse steht auf und fängt an ihren Handfeger zu suchen. Nach einer kurzen, aber intensiven Suchaktion findet sie ihn gleich neben dem Besen in der Abstellkammer. Mit dem Feger bewaffnet geht sie auf den Käfig des Hasen zu und holt das dicke Tier raus. Chi-Chi, so der Name des Hasen, hüpft nun kreuz und quer durch die verschiedenen Zimmer des Hauses und knabbert an allem, was ihm in den Weg kommt. Ilse hat mittlerweile den Dreck aus dem Käfig gefegt und in eine braune Plastiktüte geschüttet, die sie erstmal auf den Tisch neben der Tür stellt, damit sie nicht vergisst, die Tüte später in den Müll zu bringen. Als der Käfig wieder schön aussieht und Ilse ihren Hasen Chi-Chi in diesen zurück trägt, klingelt es an der Tür und sie hört einige schrille Stimmen singen...
Zellen-Gespräche
"Und? Warum bist du hier?"
"Ach, so ein paar Nachbarn haben sich beschwert, weil ich zu laut Musik gehört habe und ein paar Kinder erschreckt habe"
"Was ist denn daran so schlimm?"
"Tja, das weiß ich auch nich! Auf einmal standen ein paar Polizisten vor meiner Haustür und baten mich, mit auf's Revier zu kommen. Auch egal, ich denke mal, die werden mich nur über Nacht hier behalten"
"Jo, bei mir wird's nich anders sein..."
"Warum sitzt du denn hier?"
"Ich war bei einer Demonstration, die nicht genehmigt war"
"Für was hast du denn demonstriert?"
"Wir finden es unmöglich, zwei Monate nach dem zweiten Jahrestag des Anschlags auf das World Trade Center Partys zu feiern."
"...aahhja...unmöglich sowas....ganz deiner Meinung"